In diesem Beitrag stellt Luca Monte folgenden Aufsatz vor:
Heinze, Anna-Sophie (2022): Zwischen Etablierung und Mainstreaming: Zum Stand der Forschung zu Populismus und Rechtsradikalismus; in: Zeitschrift für vergleichende Politikwissenschaft 16, S. 162- 175, online unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s12286-022-00517-9.
In ihrem Text setzt sich Anna-Sophie Heinze das Ziel, die aktuellen Forschungen und Kenntnisse zu Populismus und Rechtsradikalismus zu sammeln und zu ordnen. Sie teilt ihren Text in sieben Abschnitte auf, wobei jeder Abschnitt sich mit einem bestimmten Aspekt des Forschungstands beschäftigt. Sie stellt selbst Thesen zu weiteren Forschungszielen auf und zeigt, warum viele Bereiche noch kaum erforscht sind.
Nach der Einleitung stellt Heinze die konzeptionellen Grundlagen des Populismus und der Demokratie dar und zeigt mit Hilfe von Zitaten Cas Muddes, dass der Populismus eine „dünne Ideologie“ ist (S. 162). Weiter nutzt sie die Abgrenzung von Mudde von Populismus, Nativismus und Autoritarismus und zeigt, dass diese ein direktes Problem für die liberale Demokratie sei. Der Begriff „radical right“ zeigt die Verschmelzung der rechten Lager auf.
Das Verhältnis von Demokratie und Populismus wird als „nicht prinzipiell antidemokratisch“ (S. 163) bezeichnet, es wird aber gezeigt, dass sich beide Felder in einem „grundlegenden Konflikt“ (S. 163) befinden. Populismus gehe von einem „homogenen Volkswillen“ (S. 163) aus und wolle diesen auch durchsetzen. Dies ist ein Widerspruch zu den Minderheitsrechten der liberalen Demokratie.
Es wird die Frage nach einer Methode zur Messung von Populismus gestellt und wie Parteien eingeteilt werden können. Dies stellt sich aber als schwer heraus, da die Grenzen fließend sind und man einen „multidimensionalen Ansatz“ (S. 163) brauche.
Da mittlerweile weltweit rechtspopulistische Parteien in der Politik eine Rolle spielen, kommt die Frage auf, weshalb dies der Fall ist. Seit den 2000er Jahren ist ein starker Ruck in den Mainstream zu verzeichnen, was unter anderem an der neuen inhaltlich-strategischen Organisation der rechtspopulistischen Parteien liegt. Sie behandeln nicht mehr nur ein polarisierendes Thema, sondern sind breit gefächert und haben im Falle der AfD zum Beispiel zu „allen großen politischen Sachfragen“ (S. 164) eine Meinung.
Die Forschung hat ein großes Interesse an diesen Parteiprogrammen, nimmt sich aber, weitaus weniger, auch die organisatorischen Strukturen vor. Es ist schwierig, hier Studien anzulegen, es gibt jedoch einen klaren Strukturwandel weg vom charismatischen Führer hin zu innerparteilicher Demokratie (vgl. S. 164). „Offene Kooperationen mit Rechtsaußenprotesten“ (S. 164) führen zu einer hohen persönlichen Präsenz und Verstrickung der einzelnen Bewegungen mit den Parteien.
Der Wahlerfolg der rechtsradikalen Parteien ist nicht nur auf einer Ebene zu betrachten. Das Zusammenspiel von Mikro-, Meso- und Makroebene ist zu analysieren und differenzieren. Es wird weniger von einer Parteienidentifikation als von einer „abnehmenden Identifikation mit anderen Parteien“ (S. 165) gesprochen. Auch auf reine Protestwahl sind die Erfolge nicht zu begrenzen, viele Wähler:innen stehen hinter dem Parteiprogramm.
Es fehlt an Forschungen zur Organisation und Führung der Parteien, man kann jedoch sagen, dass die Parteien von einer „hohen ideologischen Heterogenität“ und „vom Verhalten der anderen Parteien“ (S. 166) profitieren und deren Fehler, aber auch Diskussionen zu ihren Gunsten verwerten können.
Auf Makroebene ist es bedeutend schwerer, empirische Daten zu finden und zu nutzen. Es wird davon ausgegangen, dass Arbeitslosigkeit und Immigration sich „wechselseitig beeinflussen“ (S. 166), aber auch beim Thema Kriminalitätsrate und deren Einfluss auf das Wahlverhalten ist kein Konsens unter den Forschern zu finden. Auch der Einfluss der Medien ist schwer einzubeziehen, da man den Medienkonsum der Wähler:innen nicht genau kennen kann.
Trotzdem spielen Medien und andere Parteien eine wichtige Rolle bei der Etablierung der Parteien. Der Umgang mit und auch deren Positionierung zu Themen der radical right-Parteien spielen eine wichtige Rolle bei deren Erfolg. Außerdem nähern sich die Mainstream-Parteien immer mehr „inhaltlich an Rechtsaußenparteien“ (S. 167) an.
Es sollte nicht nur zwischen den Akteuren, sondern auch zwischen den „verschiedenen Arenen der politischen Auseinandersetzung“ (S. 167) unterschieden werden. Sobald die Partien in den Parlamenten sitzen, sind sie nicht mehr zu ignorieren (vgl. S. 167). Wenn sie einmal die Mehrheit haben und die Regierung stellen, kommt es zur Abschaffung liberal-demokratischer Funktionen.
Um dies zu verhindern, setzt sich die Forschung zunehmend mit der Normalisierung von Rechtsaußengedanken auseinander. Die Parteien sind nicht mehr isoliert, die Grenzen zu den etablierten Parteien verschwimmen (vgl. S. 168), was auch daran liegt, dass die Parteien Gedanken und Ideen des rechten Randes aufgreifen und sie noch mehr zum Mainstream machen. So verschwimmen besonders die Grenzen zwischen konservativ und radikal rechts.
Die radikalen Rechten werden nicht mehr verschwinden, und so stellt sich die Frage nach dem Schutz der Demokratie. Sie sind nicht nur national, sondern agieren auch auf subnationaler Ebene, was ebenfalls wichtig für den Erfolg ist. Können sie sich einmal im lokalen, kommunalen Raum etablieren, ist es einfacher, auch im nationalen Rahmen Erfolge zu verbuchen. Für die etablierten Parteien ist es also wichtig, auch auf kommunaler Ebene die Arbeit mit den Parteien zu durchdenken, denn wenn sie hier etabliert sind, werden sie es auch auf die nationale Ebene schaffen.
Der Gewinn an Wählerschaft findet auch bei den radikalen Parteien komplex statt. Sie behandeln viele Themen, passen sich an die Bedingungen an und sind gut untereinander vernetzt. Dass die rechtsradikalen Parteien in den Mainstream rutschen, ist zwar ein globales Phänomen, aber noch wenig erforscht. Vor allem die internationale Vernetzung dieser Parteien ist schwierig zu erforschen. Auch werten die Studien nur selten interne Prozesse aus, die Analyse erfolgt immer von einer Außenperspektive, da „interne Prozesse [schwer zu] begreifen“ (S. 169) und zu erfassen sind.
Wichtigstes Ziel der demokratischen Parteien muss es also sein, „die liberale Demokratie [zu] stärken“ (S. 169). Nicht nur die Parteien, auch die Medien und die Gesellschaft müssen sich um die Förderung der Demokratie kümmern, denn schon heute gibt es Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit und es zeigt sich, dass „demokratische Prinzipien keineswegs selbstverständlich sind“ (S. 170).
Die Studien sind zwar „enorm umfangreich“ (S. 170), es gibt jedoch noch viele Bereiche, welche besser erforscht werden müssen. Gerade bei den internationalen Verbindungen und beim Wandel der internen Strukturen gibt es noch viele Bereiche, die kaum erforscht sind.
Die Autorin zeigt gut, warum der Rechtspopulismus ein viel erforschtes Feld ist, was der aktuelle Stand der Forschung ist, aber auch, wieso man die Forschung ausweiten und weiterführen muss. Sie zeigt, dass die Demokratie nicht in direkter Gefahr ist, jedoch wird klar, wieso die liberale Demokratie zu schützen ist und warum sie fragil ist. Es wird aber auch gezeigt, warum die Forschung sich an vielen Stellen schwierig gestaltet und welche Möglichkeiten es gebe, trotz der Hindernisse die Forschung weiterzutreiben.
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