Sonntag, 24. Juli 2022

Rechtspopulismus im Sport

In diesem Beitrag stellt Tom Homner folgenden Aufsatz vor:

Greef, Samuel / Heller, Lucas (2021): Rechtspopulismus in der Welt des organisierten Sports. Interventions- und Reaktionsmuster; in: Sehmer, J., Simon, S., Ten Elsen, J., Thiele, F. (eds): recht extrem? Dynamiken in zivilgesellschaftlichen Räumen. Springer VS, Wiesbaden. S. 107-121, online unter: https://doi.org/10.1007/978-3-658-32560-2_7.

„Rechtspopulismus ist KEIN RANDPHÄNOMEN. Vielmehr ist er in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der Sport ist ein Spiegel der Gesellschaft“ (Stephan 2017, S. 17).

In ihrem Aufsatz stellen Greef und Heller die These auf, dass das Verhältnis zwischen organisiertem Sport und Rechtspopulismus ähnlich zwiespältig ist wie das Verhältnis zwischen Rechtspopulismus und der Zivilgesellschaft. Hierbei beziehen sie sich auf den Widerspruch zwischen der multikulturellen Sport- und Vereinswelt und den rechtsextremen, oft fremdenfeindlichen Tendenzen in Fan- und Hooligan-Gruppierungen. Sie gehen der Frage nach, wo die Verbindungs- und Anknüpfungspunkte zwischen der Sportwelt und dem Rechtspopulismus sind und wie Sportvereine und -verbände auf rechte Interventionen reagieren (vgl. 107f.).

Zu Beginn fokussieren sich Greef und Heller auf die zwei zentralen Begriffe des Aufsatzes: den Rechtspopulismus und den „Sport als Teil der organisierten Zivilgesellschaft“ (109). Rechtspopulismus bezeichnen sie als Brücke zum Rechtsextremismus, die wichtigste Gemeinsamkeit sehen sie vor allem im Punkt der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF)“ (108). Des Weiteren betonen sie das Ende des „Nischendaseins“ (108), was es dem Rechtspopulismus überhaupt erst erlaubt, sich in der bürgerlichen Mitte zu etablieren.

Die organisierte Zivilgesellschaft bildet „die Sphäre zwischen Staat, Markt und Familie“ (109), diese ist eine „Voraussetzung und Garant einer intakten und zukunftsfähigen Gesellschaft“ (109). Sie zeichnet sich durch ehrenamtliches Engagement aus, das sich in Vereinen und Verbänden wiederfindet, die unter anderem dem Zweck dienen, zwischen „der Gesellschaft, anderen Verbänden sowie Staat und Markt“ (109) zu vermitteln und damit einen „zentralen Beitrag zu Gemeinwohlproduktion [leisten] und […] über Partizipation, Emanzipation und Integration maßgeblich zum gesellschaftlichen und demokratischen Zusammenhalt [beitragen]“ (109). Der organisierte Sport fungiert als „Abbild der Gesellschaft“ (110), mit Großverbänden wie dem DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) wirkt dieser als „Brennglas und Teil gesellschaftlicher Entwicklung“ (110).

Greef und Heller fokussieren sich vor allem auf den Fußball als Hauptuntersuchungsobjekt. Das begründen sie unter anderem mit der Rezeption, medialen Dominanz und finanziellen Überlegenheit des Sports (vgl. 110), weshalb auch Rechtspopulisten den Fußball im Visier haben. Greef und Heller nennen drei Ebenen auf, die Anknüpfungspunkte für rechtspopulistische Akteure zwischen dem Sport und ihrer Ideologie bilden: Historische, völkisch-identitäre Bezüge, die Sprache und die Vereinsstrukturen.

Historische, völkisch-identitäre Bezüge

Sport ist nicht apolitisch. Heller und Greef schauen zurück auf die Geschichte des Sports und dessen Nutzen als politisches, propagandistisches Instrument, das vor allem im Nationalsozialismus eine Verbindung zwischen Sport und rechtem Gedankengut schaffte, welche noch heute zu spüren ist.

Von „Mannschaftsgeist [über das] rechte Kameradschafts-, Homogenitäts- und Gemeinschaftsdenken“ (Geisler und Gerster 2016, S. 479f.) findet sich viel im Fußball wieder, das auch von rechtspopulistischen Parteien wie der AfD für ihre Ziele genutzt wird. Die AfD spricht von „heimische[n] Werten und Normen“ (111) welche im Sport weitergegeben werden und verweist auf die „gesellschaftliche Bedeutung“ (111) und die Aufgabe des Sports, „Menschen unterschiedlicher Herkunft" (111) zu verbinden.

Die AfD selbst verfälscht hier die Bedeutung eines Zitats des DOSB, das davon spricht, der Sport „verbinde […] über kulturelle sprachliche Grenzen hinweg und vermag Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters zusammenzuführen“ (112). Die AfD lässt hierbei Interkulturalität komplett außer Acht und konzentriert sich auch die nationalistische und identitäre Bedeutung des Sports. Die integrative Bedeutung wird untermauert und sicher dieser klar entgegengestellt (vgl. 112). 

Sprache

Der vermeintlich unpolitische Charakter des organisierten Sports wird von Rechtspopulisten genutzt, um durch an diesen angelehnte Beispiele politische Themen verständlicher zu machen, zu verharmlosen und nationalistisches Gedankengut im gesellschaftlichen Diskurs zu normalisieren (vgl. 112f.). Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das rassistische Zitat Alexander Gaulands in Bezug auf den deutschen DFB-Auswahlspieler Jerome Boateng:

„Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“.

So wie im Gauland Zitat, bedienen sich Rechtspopulisten der klassischen Rhetorik von „Wir und die Anderen“, welche auch im Fußball Fuß gefasst hat und Parallelen zu rechtspopulistischen Spannungslinien aufweist (vgl. 113). Rassistische Stereotypen, Schmähgesänge und Beleidigungen sind in Fußballstadien an der Tagesordnung.

Vereinsstruktur und Fans

Laut Greef und Heller finden sich „Anknüpfungspunkte für rechte Akteure […] in der Vereinsstruktur auf allen Ebenen“ (113). Beginnend bei Vereinsverantwortlichen oder im Ehrenamt finden sich „Angehörige aus dem rechtsextremen Spektrum“ (114) auf jeder Ebene des Vereinswesens (vgl. 114). Besonders die Ehrenamtsebene wird ausgenutzt, um für „Personen aus dem rechten Spektrum eine „Organisationsbasis zu schaffen“ (114) und um die Vorbildfunktion auszunutzen, um Jugendliche früh zu indoktrinieren (vgl. 114).

Die Verbindungen zwischen Vereinen und rechtsextremen Gruppierungen und Akteuren werden von Heller und Greef anhand des Chemnitzer FCs verdeutlicht, der unter anderem durch eine Trauerfeier für den rechtsextremen Tommy Haller für Schlagzeilen sorgte. Hallers Verbindung zum Chemnitzer FC besteht aus seiner ehemaligen Tätigkeit als Chef des Sicherheitsservice des Clubs. Haller selbst war unter anderem Gründer der Vereinigung „Hooligans Nazis Rassisten“ (HooNaRa) (vgl. 114).

Als weitere Ebene nennen Greef und Heller Fangruppen, die seit Jahrzehnten durch Hooligans und der teils rechten Ultra-Szene für Aufmerksamkeit sorgen. Das bekannteste Beispiel hierfür dürfte „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) oder auch Hallers HooNaRa sein. Rechte Gruppen versuchen, die Fangemeinden großer Vereine zu unterwandern, was jedoch durch „Präventions- und Jugendarbeit erfolgreich zurückgedrängt wurde“ (115).

Ähnliches versuchen Rechtspopulisten. Lutz Bachmann, Vorsitzender der Pegida e.V., versuchte beispielsweise, den Unmut über die Kommerzialisierung des Fußballs zu instrumentalisieren und so einen Verbindungspunkt zwischen Pegida und Dynamo Dresden-Fans zu schaffen, was jedoch scheiterte und damit endete, dass Fans antworteten mit Bannern mit Aufschriften wie z.B. „Bachmann, halt’s Maul“ oder „Bachmann und Dynamo = Feinde“ (vgl. 115). 

Reaktionen auf rechte Interventionen im organisierten Sport

Wie reagieren Vereine auf die Versuche rechtspopulistischer Interventionen? Ganz vorne steht die öffentliche und „eindeutige Distanzierung und Positionierung [der Vereine] gegen Rechtsextremismus“ (115). Des Weiteren führen Vereine (teils staatlich mitfinanzierte) Programme ein, welche neben der Prävention und Bekämpfung von Gewalt und Rechtsextremismus auch „zur Stärkung demokratischer Verhaltensweisen, individueller Resilienz und bürgerschaftlichen Engagement“ (Braun 2018, S. 236) dienen. Zusätzlich gibt es in großen Vereinen Projekte, die von Aufklärung über verfassungsfeindliche Symbole „bis hin zur demokratischen Bildungsarbeit reichen“ (116). All das trifft natürlich nur auf große Vereine zu, da es den kleinen schlicht an den finanziellen Möglichkeiten fehlt. 

Resümee

Greef und Heller sehen im Sport ein „Spielfeld für rechtsextreme und rechtspopulistische Akteure“ (117). Unter anderem die AfD versucht, das Spiel für ihre Interessen zu verwenden. Hierfür beziehen sie sich auf geschichtliche Hintergründe und nutzen identitäre Rhetorik, zusätzlich versuchen rechte Akteure, Vereine zu unterwandern und strategisch und propagandistisch zum Ziel der Verbreitung der eigenen Ideologie zu verwenden.

Der organisierte Sport bietet (z.B. durch die Fremdenfeindlichkeit in der Hooligan /Ultra-Szene) einen idealen Nährboden für rechtspopulistisches und rechtsextremes Gedankengut. Während die Reaktionen auf Rechtsextremismus eindeutiger und wirkungsvoller sind, verhält es sich bei den Interventionsversuchen von rechtspopulistischen Akteuren anders. Sie bleiben oft ohne Folgen, unter anderem da oft der vermeintlich unpolitische Charakter des Sports in den Vordergrund gerückt wird (vgl. 117f.).

Sportorganisationen fehlt es an klar gesetzten Grenzen und Konsequenzen, um dem „eigenen Selbstverständnis als Ort von Toleranz und Fairness gerecht [zu] werden“ (118).

Literatur

  • Geisler, A., & Gerster, M. (2016). Fußball als Extrem-Sport – Die Unterwanderung des Breitensports als Strategieelement der extremen Rechten. In S. Braun, A. Geisler, & M. Gerster (Hrsg.), Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten (S. 469–494). Wiesbaden: Springer VS.
  • Stephan, M. (2017). Rechtspopulismus im Sport? Wir im Sport, 3, 14–18.
  • Braun, S. (2018). Organisierter Sport in Bewegung. Soziale Bewegungen, 31, 234–240.
  • Bücker, G. (2018). Sport mit Courage – Extremismusprävention und Demokratiebildung im und durch Sport. POLIS, 1, 20–21.

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