In diesem Beitrag stellt Hannah Wieland folgenden Text vor:
Hammel, Laura (2020): Wie passen (Rechts-)Populismus und der Glaube an Verschwörungstheorien zusammen?; Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg, https://www.boell-bw.de/de/2020/11/11/wie-passen-rechts-populismus-und-der-glaube-verschwoerungstheorien-zusammen.
Der Artikel von Laura Hammel beschreibt die Thematik, inwiefern Rechtspopulismus und der Glaube an Verschwörungstheorien zusammenhängen. Es wird exemplarisch dargestellt, wie die Landtagsfraktion der AfD aus Baden-Württemberg bestimmte Verschwörungstheorien während der Corona-Pandemie genutzt hat, um mit unzufriedenen Bürgern und Bürgerinnen aufgrund der Covid-Einschränkungen zu sympathisieren.
Zusammenfassend erörtert der Beitrag, inwiefern rechtspopulistische Parteien Verschwörungstheorien nutzen, um Anhänger*innen für ihre Partei zu rekrutieren und welche Parallelen sich zwischen den beiden Bewegungen erkennen lassen. Dabei wird näher beleuchtet, wie Verschwörungstheorien argumentieren, auf welche Vorurteile sie ihre Argumentation aufbauen und welche Rolle das Internet spielt.
Zudem wird die Tatsache beleuchtet, dass Verschwörungstheorien auch ganz allgemein gesehen immer häufiger im Zusammenhang mit Rechtspopulismus auftreten, jedoch nur selten systematisch untersucht werden. Viele rechtspopulistische Parteien in liberalen Demokratien der westlichen Welt erfahren einen deutlichen Zuwachs. Aufgrund dieser Veränderung beobachten Expert*innen auch immer häufiger, dass Verschwörungstheorien von führenden Rechtspopulist*innen verbreitet werden. Als Beispiel zeigt der Text hier die Twitter-Aktivitäten des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
Als erster Punkt wird im Beitrag die Argumentationsstruktur von Verschwörungstheorien näher beschrieben. Der Tübinger Amerikanistik-Professor Michael Butter, der seit vielen Jahren zu Verschwörungstheorien forscht, versteht Verschwörungstheorien als Erzählungen, die „[…] behaupten, dass eine im Geheimen operierende Gruppe, nämlich die Verschwörer, aus niederen Beweggründen versucht, eine Institution, ein Land oder gar die ganze Welt zu kontrollieren und oder zu zerstören.” (Butter, zit. nach Hammel 2020). Ganz grundlegend ausgedrückt stellen Verschwörungstheorien also den argumentativen Versuch dar, weitreichende soziale und politische Ereignisse und deren Folgen durch eine angebliche Verschwörung vollumfänglich zu erklären.
Er zeigt sich, dass die Argumentationsstruktur bei Verschwörungstheorien festen Mustern folgt und es dabei keine Zufälle gibt. Anhand dieser Tatsache wird nun deutlich, dass Ereignisse wie die Corona-Pandemie nicht als zufällige Folge eines komplexen Sachverhalts, der Krankheitsübertragung zwischen Mensch und Tier, gesehen werden, sondern vielmehr als ein von Menschen gezüchteter Virus, der den Verschwörern bei der Umsetzung ihrer Pläne hilft.
Diese Gedanken, dass Menschen eine uneingeschränkte Handlungsfähigkeit besitzen, führt zu dem Gedanken, dass die Corona-Pandemie von bestimmten Menschen erzeugt wurde, um ihren Willen durchzusetzen. Es ist somit kein Platz für die Tatsache, dass man mehrere Ereignisse berücksichtigen muss, um eine solche Veränderung in der Welt zu erklären. Diese deutliche und klare Darstellung zu komplexen Ereignissen auf der Welt machen Verschwörungstheorien für viele Menschen attraktiv. Motive werden klar benannt und stehen im direkten Gegensatz zu wissenschaftlichen Erklärungsversuchen, die für normale Menschen manchmal schwer zu fassen sind.
Ein weiterer Punkt ist, dass laut Verschwörungstheoretiker*innen Ereignisse wie die Corona-Pandemie Teil einer größeren Verschwörung sind, die mit mehreren Ereignissen verbunden sind und mehrere Generationen betrifft. Somit ist die Pandemie nur ein weiterer Baustein von vielen der letzten Jahrzehnte, die letztendlich zur Übernahme der Weltherrschaft führen.
Ein weiterer Punkt, der im Artikel aufgezeigt wird, ist der Umstand, dass bei Verschwörungstheorien nie etwas so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint. Als Beispiel hierfür werden die Kontaktbeschränkungen genannt, die eben nicht als Maßnahme zur Eindämmung des Corona-Virus gesehen werden, sondern zur Einschränkung der Freiheit der Bevölkerung, die sich langfristig zu Untertanen einer Diktatur entwickeln soll. Denn im Sinne der Verschwörungstheorien stehen sich in unserer Welt die guten Mächte, das Volk, und die bösen Mächte, die Eliten, in einem unüberwindbaren Dualismus gegenüber.
Diese Erklärung leitet den Artikel dann auch direkt zum nächsten Punkt, und zwar der Feindbildkonstruktion bei Verschwörungstheorien. Der Artikel thematisiert, dass Verschwörungstheorien ihre Feindbilder meist auf schon existierenden Stereotypen einer Gesellschaft aufbauen. Beispielsweise die Verbindung von verschwörungstheoretischen Narrativen und antisemitischen Vorurteilen wird immer häufiger erkannt oder auch die Tatsache, dass wenn sich das Land in einer wirtschaftlichen Krisensituation befindet, der Hass sich gegen Milliardäre richtet und ihnen die alleinige Schuld zugeschrieben wird. Desweiteren lässt sich festhalten, dass Verschwörungstheorien einzelne Personen zu Sündenböcken machen, um dem Übel der Welt ein Gesicht zu geben.
Im weiteren Verlauf des Artikels wird thematisiert, welche Rolle das Internet bei der Verbreitung von Verschwörungstheorien spielt. Als erstes lässt sich erkennen, dass durch die vielen verschiedenen Medien, wie etwa You Tube, viel mehr Menschen mit Verschwörungstheorien konfrontiert sind und letztendlich dann natürlich auch mehr Menschen daran glauben, da sie einfach sichtbarerer werden. So werden viele Menschen durch Suchmaschinen zu Verschwörungstheorien geleitet, obwohl sie eigentlich nicht danach gesucht haben.
Die Vernetzung zwischen den Anhänger*innen wird durch Social Media sehr viel leichter. Sie können sehr viel schneller und besser in Kontakt treten, was natürlich dazu führt, dass sie sich immer wieder und viel stärker in ihren Absichten bestärken können. Doch auch wenn es durch die genannten Fakten offensichtlich scheint, dass Verschwörungstheorien mehr Akzeptanz in unserer heutigen Mediengesellschaft bekommen, zeigt der Artikel, dass eigentlich das Gegenteil passiert ist.
Natürlich ist es offensichtlich, dass es heutzutage viel mehr alternative Medien gibt, jedoch waren z.B. in den 1950er Jahren Verschwörungstheorien ganz anders angesehen als in unserer heutigen Welt. Sie waren viel mehr legitimiert und wurden von allen gesellschaftlichen Schichten geglaubt und auch weiterverbreitet. Dieses Bild hat sich verändert, denn seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind Verschwörungstheorien, auch wenn sie in unserer Gesellschaft immer mehr werden, in den meisten Bereichen der Gesellschaft negativ behaftet.
Wer aber glaubt letztendlich an Verschwörungstheorien? Als Beispiel wird die AfD genannt. Häufig fühlen sich die Anhänger*innen dieser Partei machtlos, da sie ihren politischen Einfluss als gering wahrnehmen und sich in ihrem sozioökonomischen Dasein bedroht fühlen. Menschen, die ihre Situation subjektiv so wahrnehmen und sich machtlos fühlen, gehören häufig zur populistischen Wählerschaft. An diesem Punkt stellt der Artikel somit die erste Parallele zwischen Rechtspopulismus und Verschwörungstheorien her. Im Kern bedeutet es, dass Menschen, die einer der beiden Bewegungen zugehörig sind, ein Gefühl der Machtlosigkeit empfinden und mit verschiedenen Ängsten konfrontiert sind, Ihre Privilegien und ihre Position in der Gesellschaft zu verlieren. An dieser Stelle ist es für viele Menschen der Glaube an Verschwörungstheorien, der ihnen hilft, sich den sozialen Wandel besser zu erklären, denn sie können die Veränderungen als das Produkt einer Verschwörung sehen.
Den ideologischen Kern der beiden Bewegungen bildet die Vorstellung, dass das ehrenhafte Volk gegenüber korrupten, elitären Politiker*innen steht. Im Sinne vieler Rechtspopulist*innen haben die Politiker*innen sich vom Volk abgewendet, um ihre eigenen Interessen zu vertreten. Diese Gedanken teilen Sympathisanten von Verschwörungstheorien ebenfalls. Somit treffen sich diese beiden Bewegungen an dem Punkt, dass die Eliten abgesetzt werden müssen, um dem Willen des Volkes wieder Gehör zu verschaffen.
Hierfür wäre es zudem sehr hilfreich, wenn sich die parlamentarische Demokratie in eine direkte Demokratie wandelt, denn nur dann entscheidet wirklich das Volk und eben nicht die Lobbyisten. Laut ihrer Ansichten ist es ihnen also möglich, den Willen des Volkes zu repräsentieren und jeder, der einer ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheit angehört und so ein anderes Denken unterstützt, hat in dieser konservativen Wertegesellschaft keinen Platz. Denn jegliche Veränderung in Richtung Vielfalt ist eine Bedrohung.
Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Bewegungen ist, dass ihre Ansichten und Überzeugungen in vielen Bereichen der Gesellschaft nicht toleriert werden. Mit der anschließenden Stigmatisierung in der Gesellschaft suggerieren Sie in ihren eigenen Reihen, dass sie der unangenehmen Wahrheit auf der Spur sind und es nur ein Beleg dafür sei, dass sie den Eliten gefährlich werden könnten.
Im weiteren Verlauf des Artikels wird der Experte Mark Fenster zitiert. Er sieht Verschwörungstheorien nicht als notwendiges Element des Rechtspopulismus. Denn es zeigt sich, dass die populistische Ideologie eigentlich auch ohne Verschwörungstheorien ihre Reichweite aufbauen kann und auch häufig keine Verschwörungstheorien nutzt. Im Gegensatz dazu sind Verschwörungstheorien laut Mark Fenster immer populistisch.
Im nächsten Abschnitt des Artikels ergänzt Michael Butter die Argumentation von Fenster und stellt klar, dass sich in seinen Augen rechtspopulistische Parteien perfekt eignen, um Verschwörungstheorien zu integrieren, da sie im Vergleich zu anderen Parteien dazu bereit sind, zweifelhafte Aussagen oder eben Verschwörungstheorien in ihren eigenen Reihen zu akzeptieren.
Der nächste Abschnitt im Artikel erörtert nun anhand der eben bestimmten Faktoren der Gemeinsamkeiten zwischen Verschwörungstheorien und Rechtspopulismus, inwiefern die Landtagsfraktion der AfD in Baden-Württemberg Verschwörungstheorien für ihre Zwecke eingesetzt hat. Der Artikel legt offen, wie die AfD Baden-Württemberg ihre gewählte Rolle als Anti-Establishment während der ersten Proteste gegen die verhängten Corona-Einschränkungen mit Hilfe von Verschwörungstheorien versucht zu festigen.
Die verschwöhrungstheoretischen Inhalte werden strategisch eingesetzt, um die entsprechende Zielgruppe zu gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, zeigt es sich, dass die Landtagsfraktion der AfD sich einem verschwörungsrhetorischen Wandel unterzogen hat, um sich so in noch einem Punkt von den anderen Parteien zu unterscheiden. Der Artikel beschreibt , dass sich viele AfD-Politiker*innen mit fragwürdigen Aussagen wie etwa, dass das Corona-Virus von Menschen erzeugt wurde, bemerkbar machten.
Solche Aussagen lassen eine Weltanschauung erkennen, die eindeutig die Kriterien von Verschwörungstheorien erfüllen. Zu Beginn der Corona-Pandemie jedoch waren die Pressemitteilungen der AfD noch nicht wirklich mit populistischen Aussagen oder Verschwörungstheorien gezeichnet. Vielmehr wollten sie, dass die Regierung, speziell Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) „das Virus endlich ernst nehme".
Erst im Zuge der vielen Proteste um die Bewegung ,,Querdenker“ 711 lassen sich fragwürdige Aussagen von Fraktionsmitglieder*innen erkennen. Als dann schließlich am 19. März auch noch die Voraussetzung für das erste Soforthilfeprogramm anhand der Feststellung der Naturkatastrophe und dem Beschluss eines Nachtragshaushalts des Landes geschaffen war, hat sich die AfD dazu entschieden, ihre selbsgewählte Rolle als Fundamentalopposition hinter sich zu lassen.
Verschiedene Abgeordnete der AfD richteten sich an die anderen Parteien und wollten sich dafür einsetzen, nun nicht mehr ausgeschlossen zu werden und endlich in die Arbeit des Parlaments mit einbezogen zu werden. Beim interfraktionellen Gesetzentwurf von Grünen, CDU, SPD und FDP/DVP zur Feststellung der Naturkatastrophe, die eine rechtliche Voraussetzung für den Nachtragshaushalt und somit die Soforthilfe gewährleistet, wurde die AfD jedoch auf eigenen Wunsch nicht mit einbezogen.
Daraufhin folgte ein strategischer und rhetorischer Wandel der AfD. Erneut wurde versucht, den anderen Parteien undemokratisches Verhalten vorzuwerfen und im Pandemiehöhepunkt wurde versucht, mit finanzpolitischen Forderungen zu punkten, wie zum Beispiel einer Haushaltsperre oder einer Steuerbefreiung für bestimmte Branchen. Der Wandel von einer politisch sachlichen Orientierung zu einer populistisch-verschwörungstheoretischen Rhetorik zeigt, dass die AfD-Fraktion sehr wohl bereit ist, ihre Strategie schlagartig zu wechseln. Jedoch beschreibt der Artikel, dass die AfD mit dieser Taktik keinen Zuspruch beim Volk erfuhr, da ihr als junger, unerfahrenen Partei in der Gesellschaft nicht die entsprechenden Kompetenz zugesprochen wird.
Als sich dann, Mitte April, die bundesweiten Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verschärften und speziell in Stuttgart die Bewegung „Querdenken 711” immer größer wurde, beobachteten Expert*innen, dass die Akzeptanz alternativer und verschwörungstheoretischer Meinungen immer auffallender wurde. Der Artikel beschreibt weiterhin, dass bei diesen Bewegungen die Corona-Einschränkungen als Instrument gesehen werden, um die Rechte der Bürger* innen langfristig einzuschränken und um eine Diktatur zu errichten.
Besonders bei der Impfthematik wurden Verschwörungstheorien in Bezug auf Bill Gates immer populärer. An dieser Ausgangssituation hat die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg versucht anzuknüpfen. Dies lässt sich an der Tatsache beobachten, dass sich die Pressemitteilungen der AfD nun immer mehr populistisch zuspitzen und immer mehr versucht wird, die Themen der Proteste aufzugreifen. Beispielsweise die Tatsache, dass die Maskenpflicht eine Einschränkung der Grundrechte bedeutet.
Weiter im Artikel werden Aussagen der AfD wie etwa „Zwangsimpfung” oder, dass die Gesellschaft sich zu einer „Gesundheits und Hygienediktatur” entwickelt, aufgegriffen. Die AfD-Landtagsfraktion solidarisierte sich mit den Protesten und nahm sogar selber an Demonstrationen teil. Desweiteren organisierte sie eigenständige Demonstrationen, unter anderem in Stuttgart, bei der die Bundesabgeordnete Alice Weidel sprach.
Der Artikel hält fest, dass die AfD Baden-Württemberg nicht zu allen Zeiten der Pandemie gleichermaßen populistische und verschwörungstheorretische Inhalte transportierte. Jedoch mit dem Aufkommen der Proteste änderte sie ihre Strategie und Rhetorik. Das liegt vor allem daran, dass sie mit sachlichen Vorschlägen nicht gepunktet hat. Mit ihrer neuen Strategie, die ein Misstrauen gegenüber den politischen Entscheidungsträger*innen signalisiert, konnten sie die Protestierenden als neue Zielgruppe gewinnen.
Die Offenheit gegenüber Verschwörungstheorien der Protestbewegung machte sich die AfD zunutze, um gezielt die Wut auf die Regierung zu schüren. Sie entwickelten sich zu bekannten Mustern zurück und etablierten sich wieder stärker als Opposition zu den anderen Parteien. Fraglich ist jedoch, inwiefern der Strategiewechsel der AfD wirklich Erfolg bringen und sich bei den nächsten Wahlen bemerkbar machen wird. Denn oft sind die Anhänger*innen solcher verschwörungstheoretischer Bewegungen von der Institution Partei sehr entfremdet und sympathisieren lieber mit charismatischen Leitfiguren direkt aus der Protestbewegungen wie etwa Michael Ballweg, dem Gründer der Bewegung „Querdenker 711”. Somit zeigt der Artikel, dass die Versuche der AfD, eigene Demonstrationen und verschwörungstheoretische Reden gegen die Kontaktbeschränkungen zu veranstalten, als gescheitert angesehen werden können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen