In diesem Beitrag stellt Claudia Fend folgenden Aufsatz vor:
Albrecht, Stephen / Strunk, Merle (2021): Memes für die Massen: Rechtspopulistische Fake-Accounts und ihre visuellen Strategien; in: Heike Kanter / Michael Brandmayr / Nadja Köffler (Hg.): Bilder, soziale Medien und das Politische - Transdisziplinäre Perspektiven auf visuelle Diskursprozesse, transcript, S.149-180, online unter: Memes für die Massen: Rechtspopulistische Fake-Accounts und ihre visuellen Strategien | Semantic Scholar
Stephen Albrecht und Merle Strunk untersuchen in ihrem Beitrag die visuellen Strategien rechtspopulistischer Fake-Accounts auf der Plattform Facebook. Hierbei wurden 50 offizielle AfD-Facebook Seiten im Zeitraum vom 01.09.2018 bis 31.03.2019 analysiert und 461 Kommentare mit Bildinhalten erfasst (vgl. S. 158). Auslöser für diese Untersuchung: Der Fauxpas der AfD Darmstadt, die ihre Verwendung von Fake-Accounts 2019 veröffentlichte, machte auf die Problematik der Fake-Accounts aufmerksam. Weitere Untersuchungen von AfD-nahen Profilen deckten den systematischen Einsatz dieser Accounts auf (vgl. S. 152f).
Im Folgenden wird der Begriff Fake-Accounts erläutert, begünstigende Bedingungen wie die Wirkung von Bildern und die Struktur von Facebook dargestellt sowie die Wirkung der rechtspopulistischen Memes durch verschiedene Beispiele aufgezeigt. Gegliedert sind diese in drei unterschiedliche Darstellungsformen, die unter den rechtspopulistischen Fake-Accounts am meisten Verwendung fanden:
- „Das Politiker*innen-Meme“
- „CDU Wahlplakate-Remixe – De- und Rekontextualisierung von Bild und Text“
- „Falsche Fürsprecher*innen – Legitimierung durch Vertreter*innen des »Systems«“(vgl. S. 160ff).
Anschließend wird auf die Frage der Verantwortung von den Autor*innen eingegangen.
Albrecht und Strunk beschreiben Fake-Accounts als Accounts, die von echten Menschen betrieben werden, die ihre wahre Identität verschleiern, um ausgewählte Inhalte zu verbreiten (vgl. S. 151). Hierbei zeigen sie eine Querverbindung zwischen Fake-Accounts und populistischen Bewegungen auf (vgl. S. 152). Grundsätzlich beinhalten diese Profile Themen wie „Migrations-, Eliten- und Medienkritik, Abstiegs- und Überfremdungsängste sowie Schuldzuweisungen“ (S. 173) mit der Intention, Feindbilder zu erschaffen (vgl. S. 175). Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Bildformate, welche eine spezielle Wirkung aufweisen:
„Bilder können Aufmerksamkeit erregen und Emotionen wecken. Sie haben einen Wiedererkennungswert, lassen mehrdeutige Interpretationen zu, sind leicht reproduzierbar und schnell zu konsumieren.“ (S. 154)
Die Nutzer*innen nutzen wegen dieser Wirkung Memes, da Informationen schneller vermittelt und verbreitet werden können. Darüber hinaus können verbildlichte Beleidigungen über diese Darstellungsform verteilt werden, ohne dass in den meisten Fällen rechtliche Folgen einkehren. Laut Albrecht und Strunk verstärkt die Social-Media-Plattform Facebook dieses Phänomen: Während ein Kommentar ab einem gewissen Umfang von Facebook begrenzt wird, wird einem Kommentar mit Bild oft mehr Fläche gewährt.
Die Kommentare werden sichtbarer und erhalten mehr Reaktionen, wodurch der Facebook-Algorithmus automatisch die beliebtesten Kommentare weiter verbreitet (vgl. S. 154). Hierdurch kann die Verbindung von rechtspopulistischen Inhalten und Bildern laut Albrecht und Strunk zu einer Demokratiegefährdung beitragen (vgl. S. 149). Es werden im Folgenden die drei am meisten verwendeten Strategien zur Verbreitung rechtspopulistischer Inhalte über Fake-Accounts behandelt.
Bei Politiker*innen-Memes werden Bezüge zu aktuellen oder schon länger publiken Geschehnissen mit bekannten Politiker*innen hergestellt. Der Fokus auf ursprünglich politische Themen wird auf die Persönlichkeit und das Aussehen verschoben, sodass fachliche Fähigkeiten und Aussehen gleichgestellt erscheinen (vgl. S. 160). Konkret geschieht dies beispielsweise bei einem Angela-Meme durch die Verwendung eines unvorteilhaften schwarz-weiß-Bildes. Angela Merkels Mundwinkel zeigen gleichgültig und teilnahmslos nach unten, während die Aufschrift „Passiert halt“ neben ihr platziert ist. Dies ist kein Zitat von Angela Merkel, was hier allerdings durch die Verbindung von Bild und Schrift bewusst suggeriert wird (vgl. S. 162).
Auch der Politiker Ralf Stegner wurde in diesem Kontext mit dem Mimimi-Meme in Verbindung gebracht. Ein Bild von ihm wurde zusammen mit der fiktiven Puppenfigur Beaker aus der britisch-amerikanischen Puppen-Serie „Die Muppet Show“ von den untersuchten Accounts verbreitet (vgl. S. 163). Das Beispiel zeigt, wie negative Eindrücke, ohne diese konkret auszusprechen, durch den Bildvergleich hervorgebracht werden können. Ein Text ist dadurch nicht mehr notwendig, denn die Gleichstellung der beiden Bilder spricht für sich (vgl. S. 165).
Bei beiden Beispielen wird deutlich, dass es keines Vorwissens bedarf, um die Inhalte zu verstehen, wodurch die Konsumierbarkeit auch hier wieder erleichtert wird. Hinzu kommt, dass die verwendeten Politiker*innen als Hauptschuldige der thematisierten Probleminhalte (vgl. S. 160) oder als fachlich inkompetent dargestellt werden (vgl. S. 164).
Bei den CDU Wahlplakat-Remixen wurden Inhalte gänzlich aus dem Kontext gerissen oder in einen neuen Kontext gebracht. Die Herkunft dieser Bildmontagen lässt sich überwiegend auf die Plattform 4chan zurückführen (vgl. S. 165). Dort wurden Links von Datenbanken reingeschickt, die rassistische, sexistische, gewaltverherrlichende, abwertende und antisemitische Inhalte mit den sogenannten „etablierten Parteien“ in Zusammenhang bringen (vgl. S. 166).
In diesem Kontext wurden Migration und der Islam regelmäßig negativ präsentiert (vgl. S. 166). Umgesetzt wurde das Ganze durch die Ersetzung von Bildern und Texten der Wahlplakate. Zumeist blieb nur noch das Parteien-Logo übrig. Wenn Bilder übernommen wurden, dann mit widersprüchlichen Texten. Ein Beispiel zeigt das Zusammenführen von dem Slogan „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ mit Bildern von negativen Themen wie Kriminalität oder Terrorismus. Die gezielte Einführung dieser Bilder während des Zeitraums von November bis Dezember 2018 stellen eine Verknüpfung zum UN-Migrationspakt her (vgl. S. 166).
Ereignisse wie die Flüchtlingskrise von 2015 veränderten das nationale Bild von Flucht. Albrecht und Strunk zitieren dabei Paul, welcher nach diesem Ereignis das Fluchtverständnis als ein europäisches Empfinden von „Rechts- und Heimatlosigkeit“ auffasst (S. 169). Die rechtspopulistischen Inhalte der Fake-Accounts greifen die aufgeladene Flüchtlingsdebatte auf und emotionalisieren diese mit angstschürenden Kommentaren, sodass sich die Einstellung gegenüber Geflüchteten negativ verändert und als Bekämpfung eines Problems aufgefasst wird (vgl. S. 169).
Am Beispiel falscher Fürsprecher*innen zeigt sich die Verwendung von Aussagen bzw. Zitaten. Diese Fürsprecher*innen werden stellvertretend für das „System“ instrumentalisiert (S. 170). Sie dienen zur vermeintlich fundierten Stütze der rechtspopulistischen Inhalte. Umgesetzt wird dies durch Zitate von hoch angesehenen Personen der Gesellschaft, die bereits verstorben sind. Dabei wird sich bewusst zunutzegemacht, dass diese Personen nicht mehr leben und sich nicht mehr zu ihren Zitaten in diesem rechtspopulistisch instrumentalisierten Kontext äußern können (vgl. S. 170).
Beispielhaft wird ein Post mit einem Zitat des Politikers Helmut Schmidt auf seine Struktur von Albrecht und Strunk analysiert. Zu sehen ist in weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund ein kritisches Zitat zum Thema Migration. Darunter ist ein Schwarz-weiß-Bild von Helmut Schmidt mit erhobenem Zeigefinger zu sehen (vgl. S. 171). Unter dem Bild wird durch die Quellenangabe, die einen wissenschaftlich fundierten Eindruck vermitteln soll, die Glaubwürdigkeit des Posts verstärkt. Mit dieser Methode wird versucht, sowohl Anhänger*innen des Systems als auch migrationsfeindlich Gesinnte anzusprechen, womit sie eine größere Zielgruppe erreichen können. Grundsätzlich wird durch die gezielte Aussage bewusst nur eine Lesart des Zitats ermöglicht. Die Wirkung zeigt sich dabei an befürwortenden Kommentaren (vgl. S. 172).
Albrecht und Strunk sehen in den rechtspopulistischen Inhalten eine Gefahr für die Demokratie (vgl. S. 150). Die Autor*innen stellen fest, dass Fake-Accounts den Umgang und die Inhalte auf den sozialen Plattformen beeinflussen. Dies geschieht durch Framing und dem Verschieben des Rahmens von Sag- und Zeigbarem (vgl. S. 175). Fake-Accounts beeinflussen dabei den Eindruck der Größe der Partei, wodurch ihre Inhalte eine größere Reichweite suggerieren, als sie tatsächlich haben (vgl. S. 153). Darüber hinaus spielen die Homogenisierung von Meinungen und die verfestigten Filterblasen eine große Rolle in diesem Prozess, da der Anschein von Einstimmigkeit erweckt wird (vgl. S. 154).
Aufgrund dieser weitreichenden Auswirkungen werfen Albrecht und Strunk die Frage nach den Verantwortlichen auf. Hierbei betonen sie die tragende Rolle der Betreiber*innen der Sozialen Medien, welche die Fake-Accounts und die Anordnung von Posts in einer bestimmten Reihenfolge ermöglichen. Allerdings trägt nach Meinung von Albrecht und Strunk die Politik auch eine Verantwortung für die Sozialen Medien (vgl. S. 176).
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