Freitag, 22. Juli 2022

Warum ist die AfD im Osten erfolgreicher?

Im diesem Beitrag stellt Jannik Bachmann folgenden Text vor:

Manow, Philip (2021): Populismus – in Ost und West. Eine Datenanalyse; in: (Ost)Deutschlands Weg. 80 Studien & Essays zur Lage des Landes I+II, online unter: https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/340579/populismus-in-ost-und-west-eine-datenanalyse/.

Phillip Manow stellt in seinem Aufsatz eine Datenanalyse zum Vergleich des Wahlverhaltens zwischen Ost- und Westdeutschland vor und gibt Erklärungsansätze, warum die Rechtspopulisten (AfD) im Osten deutlich besser abschneiden als im Westen Deutschlands. Die AfD ist bei der Bundestagswahl 2021 im Osten in einigen Bundesländern mit Stimmanteilen von 23,7% und 25,7% stärkste Partei, auch wenn sie auf Bundesebene bei der Wahl 2021 ein paar Prozentpunkte verloren hat.

Die Frage, die sich der Autor stellt, ist, ob der Rechtspopulismus und der damit verbundene Aufstieg der AfD nur ein Problem des Osten sei. So ist festzuhalten, dass der Stimmanteil der AfD im Osten im allgemeinen 10% über dem im Westen sei. Der Ansatzpunkt ist folgender: „Im Deutungsschema einer „nachholenden Modernisierung“ wurden und werden solche Unterschiede häufig als klare Hinweise dafür angesehen, dass der Osten in der Demokratie noch nicht „angekommen“ sei.“

Das bedeutet, dass die Menschen im Osten aufgrund der DDR-Vergangenheit noch nicht so viel mit der Demokratie anfangen können. Der Autor beschreibt die Einstellung als eine Art „Fremdeln“, was bedeutet, dass der Osten im Vergleich zum Westen mit geringerem Politikinteresse, geringen Mitgliederzahlen in Parteien und hoher Volatilität bei Wahlergebnissen zu kämpfen hat.

Weiter wird im Text auch die Nord/Süd-Variation unter die Lupe genommen wird, die nicht mit den vorherigen Beobachtungen kompatibel ist, da auch im prosperierenden Süden (Baden-Württemberg und Bayern) die AfD überdurchschnittliche Erfolge feiern konnte. So lässt sich festhalten, dass sich der Stamm der AfD-Wähler nicht (nur) aus den „abgehängten“ „Verlierern“ zusammensetzt.

„Der Aufstieg der Partei fällt zudem in eine langanhaltende Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, nicht des Abschwungs.“ Dies ist auch eine sehr interessante Beobachtung, die der Autor hier aufstellt, da im Allgemeinen ein Aufschwung rechtspopulistischer Parteien immer mit (wirtschaftlichen) Krisen verbunden war. Das bedeutet auch, dass die rechtspopulistischen Narrative wie Zukunftspessimismus etc. auch unabhängig von der aktuellen wirtschaftlichen Situation ihre Wirkung haben.

Dieses Phänomen lässt sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in skandinavischen und osteuropäischen Ländern beobachten. Der Autor hebt jedoch auch hervor, dass die Datenlage hierzu nicht einfach sei, da es sich bei der AfD noch um eine junge Partei handelt. Ein Faktor, der die Schwierigkeit noch unterstreicht, ist der Wandel, welchem sich die AfD seit ihrer Gründung bis heute unterzogen hat und sich erst im Laufe der Zeit zu einer teils rechtsextremen Partei gewandelt hat.

Philip Manow verwendet bei seiner Untersuchung Daten aus der Wahl-, Regional- und Arbeitsmarktstatistik, die verlässliche Rückschlüsse über die Wählerschaft der AfD in Deutschland geben sollen. So ist es interessant, dass Variablen wie "Situation auf dem Arbeitsmarkt" oder "Outsider Status" keinen oder negativen Einfluss auf das AfD-Ergebnis haben. Da sich die Arbeitslosigkeit auf einem Tiefstand befindet, ist es naheliegend, dass diese nicht mit dem Wahlerfolg der AfD bundesweit zusammenhängt.

Jedoch stellt der Autor eine interessante These auf: „Arbeitslosigkeit vor geraumer Zeit ist, vor fast 20 Jahren, die sich hier als deutlich erklärungskräftig erweist, und dass sich dieser Zusammenhang insbesondere im Osten ausgeprägt findet, ist bemerkenswert.“ Das bedeutet, dass sich Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt im Osten unmittelbar auf den Wahlerfolg der AfD auswirken und sich erst bei der letzten Bundestagswahl gezeigt haben. So ist der Ost-West-Unterschied nach wie vor so hoch, dass sich der Zuspruch auch bei Veränderungen anders stark in der Wählerschaft der AfD im Osten auswirkt. Damit lässt sich auf einen starken Zusammenhang von vergangener Arbeitslosigkeit und gegenwärtiger Protestwahl schließen.

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass die Ergebnisse der AfD bei der Bundestagswahl mit der Entwicklung zur migrationskritischen Partei vor allem bei Menschen der Fall war, die entweder selbst Erfahrung mit Arbeitslosigkeit gemacht haben oder mit dem Risiko des sozialen Abstiegs verbunden waren. Dazu passt auch folgendes Zitat: „AfD-Wählende leiden an Reminiszenzen – Reminiszenzen, die durch das Geschehen in den Jahren 2015ff. aktualisiert wurden“.

Das zeigt, dass allein die Erinnerungen an frühere Arbeitslosigkeit eine Abstiegsangst und einen Zukunftspessimismus auslösen, die bis heute andauern. Damit verbunden ist die Angst vor der Globalisierung und „fremden“ Menschen, die die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt verringern. Dieses Phänomen ist im Osten aufgrund des Transformationsprozesses besonders ausgeprägt.

Alle diese Entwicklungen haben zu einer gesellschaftlichen Bewegung gegen die Agenda 2010 geführt und schließlich zu einem „Rechtsruck“ der Gesellschaft im Osten. Somit standen Themen wie Flüchtlingskrise immer im direkten Zusammenhang mit sozialer Gerechtigkeit und Arbeitslosigkeit.

Abschließend betont der Autor, dass die Frage nach dem unterschiedlichen Wahlverhalten in Ost und West eine vielschichtige ist, die mehrere Dimensionen wie Geschichte und soziale Ungerechtigkeit einschließt und es mit dem einfachen Narrativ der Globalisierungsverlierer nicht getan ist. Es gibt viele verschiedene Erscheinungsformen des Protests, die gestützt durch verschiedene Krisen wie die „Flüchtlingskrise“ den rechtspopulistischen Parteien immer wieder Auftrieb geben.

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