Mittwoch, 20. Juli 2022

Rechtspopulismus in der Schweiz

In diesem Beitrag stellt Ben Lonardoni folgenden Aufsatz vor:

Dietschy, Beat (2021): Unheimliche Heimat - Rechtspopulismus nach Schweizer Art; in: Jahrbuch Diakonie Schweiz 4, 2020/2021, S.191-208 (https://core.ac.uk/reader/467105600).

Die Schweiz wird in vielerlei Hinsicht oftmals als Unschuldslamm angesehen, welches keinerlei Schuld oder Einfluss hinsichtlich internationaler Entwicklungen habe. Auch mit Blick auf den Aufschwung des Rechtspopulismus verhält sich die Schweiz wenig selbstkritisch, obwohl die Schweiz mehr Einfluss darauf hat, als man denkt. In seinem Aufsatz geht Beat Dietschy näher auf die Geschichte des Schweizer Rechtspopulismus und dessen Motive ein.

Zunächst geht Dietschy auf die Anfänge des Schweizer Rechtspopulismus ein, der vor allem durch die Schweizerische Volkspartei (SVP) gekennzeichnet ist. Christoph Blocher spielt bei der Etablierung der SVP eine große Rolle und führte die Partei 2015 zu einem großen Wahlerfolg mit fast 30% der Stimmen. Die SVP zeichnet sich, wie andere rechtspopulistische Parteien, vor allem durch ihre Ablehnung gegenüber der EU aus oder durch ein Einstehen für ein schärferes Asylrecht. Er bringt als Beispiel die Ablehnung zum EWR-Beitritt.

Schon in den 1960ern bildeten sich in der Schweiz rechtspopulistische Bewegungen wie die Nationale Aktion gegen Überfremdung von Volk und Heimat. Laut Dietschy ist dies das erste Mal in Westeuropa in der Nachkriegszeit, dass sich stabile Organisationen bildeten, welche sich durch Migrations- und Ausländerpolitik definierten. Erst später bildeten sich in Österreich, Skandinavien, Belgien etc. andere stabile Organisationen mit ähnlichen Schwerpunkten.

Dietschy erwähnt daraufhin noch drei andere identitätspolitische Parteien, die sich zwischen 1975 und 1991 in der Schweiz bildeten, welche später die Grundlage für die SVP bilden sollten. Das Herausbilden aus bereits bestehenden Parteien ist ein Alleinstellungsmerkmal, welches die SVP im Vergleich zu anderen Rechtsparteien auszeichnet.

Daraufhin geht er auf die Volksinitiativen ein, die der SVP zum Erfolg verhalfen. Da die direkte Demokratie sich für die SVP als große Hilfe erwies, forderte die AfD auch immer wieder mehr direkte Demokratie in Deutschland. Im Folgenden geht Dietschy auf die rhetorischen Strategien der SVP ein. Er spricht vor allem von aggressiver Bildsprache, auf welche die Partei immer wieder zurückgreift. Als Beispiel führt er das "Schwarze-Schaf-Plakat" an. Die aggressive Bildsprache wird unter anderem auch von anderen Rechtsparteien in Europa übernommen. Die Rhetorik der SVP erinnert immer wieder an die 1930er Jahre, da diese auch immer wieder auf ethnische Säuberung hindeutet (weiße Schafe verjagen schwarze Schafe vom weißroten Schweizerboden).

Zudem erwähnt der Autor, dass die direkte Demokratie in der Schweiz leidet, da diese meist nur noch für den Wahlkampf ausgenutzt wird. Als Beispiel hierfür führt er an, dass zwischen 1891 und 2000 nur 12 Volksinitiativen angenommen wurden und seitdem 10 Volksinitiativen angenommen wurden, welche vor allem in das rechtspopulistische Schema passen.

Diteschy wirft daraufhin einen tieferen Blick in die Vergangenheit der Schweiz. Die Überfremdungsangst, die ein zentrales Motiv des Rechtspopulismus ist, spielte schon während der Industrialisierung eine Rolle, als die Schweiz vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland wurde. Zu dieser Zeit wurden vor allem italienische Gastarbeiter diskriminiert. Das Narrativ ist immer dasselbe und zwar, dass der einheimische Boden und die eigene Kultur zentral sind, diese aber durch den kulturell Fremden in Gefahr gerät. Der kulturell Fremde wird also zum Angreifer, gegen den man sich verteidigen muss.

Danach geht er noch auf die Globalisierungskritik ein, die RechtspopulistInnen immer wieder anbringen, da man durch die Globalisierung immer mehr mit den „feindlichen“ Fremden konfrontiert ist. De-Globalisierung und Renationalisierung sind hierbei das Ziel. Von RechtspopulistInnen wird immer wieder kritisiert, dass die Globalisierung demokratische Defizite habe, und auch die sozialen, politischen und ökologischen Kosten werden immer wieder angeführt. Dietschy nennt für diese Entwicklung zur Renationalisierung das Beispiel der SVP, die das Länderrecht über das Völkerrecht stellt.

Dietschy stellt im Folgenden noch Thesen auf. Zum Beispiel, dass Blocher oder Trump für eine autokratische Herrschaft stehen. Zudem stellt er die These auf, dass RechtspopulistInnen ein imaginäres Volk erfinden würden, welches immer Recht hat. Dadurch werden auch die Volksentscheide in der Schweiz überhöht. Die Volksentscheide stellen somit laut den RechtspopulistInnen automatisch den Volkswillen dar.

Eine weitere These ist, dass der Rechtspopulismus im demokratischen Kostüm auftritt, er aber nicht demokratisch ist, da das Volk als Ganzes vorgestellt wird (homogene Masse) und der Pluralismus aufgegeben wird. Zudem wird heutzutage laut Dietschy zunehmend ein positiv gewerteter Rassismus verwendet, bei dem jeder seine Kultur ausleben darf, aber nur dort, wo er herkommt und nicht woanders (Ethnopluralismus). Grundlegend wird mobil gemacht, sein eigenes Volk zu verteidigen gegen die Bedrohung des „Fremden“.

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