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Samstag, 30. März 2024

These der Postdemokratie: Chance oder Gefahr?

„Da die demokratischen Institutionen und Haltungen weiterhin existieren, merken wir nicht, dass die Demokratie geschwächt und die Macht innerhalb des politischen Systems auf eine kleine Elite aus Politikern und Konzernen übergegangen ist, die eine Politik nach den Wünschen Letzterer betreiben.“

Dieses drastische Zitat, welches eine dramatische Betrachtung der gegenwärtigen Lage der westlichen Demokratien darstellt, ist nicht etwa aus dem Wahlprogramm einer populistischen Partei entnommen. Ebenso wenig sind es Auszüge aus einer Wutrede von Alice Weidel oder Sarah Wagenknecht. Diese rigorosen Worte stammen vom britischen Sozialwissenschaftler Colin Crouch und fassen weite Teile seiner Postdemokratie-These pointiert zusammen (Crouch 2021, S. 21).

Die vermeintliche Nähe zu rechten Verschwörungsmythen und populistischen Narrativen von korrupten Eliten in angeblichen Scheindemokratien rückt Crouch auf den ersten Blick in kein gutes Licht (vgl. Mudde 2020, S. 55 f.). Ist er durch seine Kritik am Zustand der westlichen Demokratien womöglich als latenter Komplize der aufsteigenden Kräfte des rechtsradikalen Spektrums auszumachen?

Hinsichtlich der evidenten Defizite in der Entwicklungsrichtung etablierter Demokratien der westlichen Hemisphäre erscheint eine kritische Analyse als durchaus sinnvoll. So bestätigt die Realität durch Wahlergebnisse und zahlreiche Umfragen beispielsweise zunehmend das vielzitierte Phänomen der Politikverdrossenheit sowie das verbreitete Misstrauen der Bürger*innen in Politik und deren Institutionen (vgl. Best et al. 2023, S. 18-21). Daher möchte der vorliegende Beitrag folgenden Fragestellungen nachgehen:

  • Ist die Postdemokratie-These notwendige Kritik an politischen Missständen oder Wasser auf die Mühlen des Rechtspopulismus?
  • Sind die Ausführungen Crouchs damit als Chance oder Gefahr für die Demokratie zu bewerten? 

Aus Gründen des begrenzten Umfangs beziehen sich die folgenden Ausführungen explizit auf den Rechtspopulismus und klammern den durchaus existierenden Populismus des politisch linken Spektrums aus. Angesichts des fortwährend wachsenden Einflusses politischer Akteur*innen der Neuen Rechten sowie der Verbreitung einschlägiger rechtsradikaler Narrative im öffentlichen Diskurs scheint dieser Fokus aktuell von ungleich größerer Bedeutung zu sein (vgl. Mudde 2020, S. 13-17).

Der inhaltliche Gedankengang des Beitrags sei an dieser Stelle knapp skizziert: Die Leitfrage soll aus verschiedenen Perspektiven bearbeitet werden, um den ambivalenten Potenzialen der These Colin Crouchs gerecht zu werden. Dabei wird der schmale Grat zwischen angebrachter Kritik, welche zu einer verbesserten Demokratie beitragen kann, und der Nähe zu rechtspopulistischen Narrativen mit gegenteiliger Wirkung thematisiert.

Insbesondere die zentralen Unterscheidungsmerkmale zwischen Crouchs analytischen Ausführungen und rechtspopulistischer Eliten-Kritik sollen anschließend als sinnvolle Abgrenzung herausgearbeitet werden. Dies wird als Schlüssel zu einer gewinnbringenden praktischen Verwertung der Postdemokratie-These betrachtet, um sie als Chance im Sinne einer konstruktiven Kritik an negativen Entwicklungen der westlichen Demokratien fruchtbar werden zu lassen.

Montag, 25. März 2024

Medien und Demokratie in Ungarn

Das Konzept des demokratischen Rechtsstaates, bisher einigendes Fundament und Leitprinzip der europäischen Einigung, steht heute im Zentrum einer kritischen Debatte, die die Grundlagen des europäischen Friedensprojektes zu gefährden droht. Weltweit und insbesondere in Europa wächst die Sorge um den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Werte. Populistische Bewegungen gewinnen an Einfluss, indem sie einfache Antworten auf die komplexen Herausforderungen unserer Zeit anbieten. Diese Bewegungen finden vor allem bei denjenigen Anklang, die sich inmitten des raschen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels nach Sicherheit und Beständigkeit sehnen. Sie neigen dazu, sich Lösungen wie nationaler Abschottung und der Etablierung autoritärer Regime zuzuwenden, um ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln (vgl. Möllers 2018, S. 7).

Seit der Flüchtlingskrise 2015 haben populistische Strömungen in verschiedenen europäischen Ländern an Zulauf gewonnen. Ungarn und Polen sind prominente Beispiele, in denen rechtsnationale bis rechtsradikale Parteien an die Macht gekommen sind. Diese Regierungen stehen im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Europäischen Union, einschließlich der Achtung der Menschenwürde, der Demokratie, der Freiheit, der Gleichheit und der Rechtsstaatlichkeit. Der Umbau des Staatswesens in diesen Ländern zeigt sich insbesondere in der Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz, der Verfassungsgerichtsbarkeit und der Medien (Bundeszentrale für politische Bildung 2022).

Besonders in Ungarn, wo seit Viktor Orbáns zweiter Amtszeit im Jahr 2010 ein schleichender Prozess des Demokratieabbaus zu beobachten ist, wird die Bedeutung der Medienregulierung für die demokratischen Strukturen und die politische Landschaft offensichtlich. Die vorliegende Arbeit widmet sich dieser Problematik und beleuchtet, wie die Regulierung der Medien in Ungarn demokratische Prozesse und die politische Szenerie des Landes beeinflusst.

Freitag, 11. Juni 2021

Mit direkter Demokratie gegen Populismus?

In diesem Beitrag stellt Leon Glückert folgenden Aufsatz vor:

Stojanovic, Nenad (2018): Direkte Demokratie gegen Populismus; in: Sozialalmanach 2018: Wir und die Anderen: Nationalismus. Luzern: Caritas-Verlag, online unter: https://nenadstojanovic.ch/wp-content/uploads/2018/02/Stojanovic_2018_DDgPopulismus.pdf 

Dr. Nenad Stojanovic von der Universität Luzern behauptet, dass „eine lebendige Direkte Demokratie den Erfolg populistischer Bewegungen konstant und strukturell untergraben [kann]“ (Stojanovic 2018). Anhand der vorliegenden These besteht das Ziel des Essays darin, die allgemeine Skepsis vor einer direkten Demokratie abzumildern bzw. gänzlich zu nehmen.

Ein gelungenes Beispiel für direkte Demokratie bildet für Stojanovic das Schweizer Modell, insbesondere mit seinen Instrumenten „Volksinitiative und faktitives Referendum“ (Stojanovic 2018). Ob es nun der Föderalismus, Neutralität oder das Bankgeheimnis war, alle wurden in den letzten Jahren stark reformiert. Die Direkte Demokratie hingegen gilt nach wie vor als „heilige Kuh“ der Eidgenossenschaft (vgl. Stojanovic 2018).

Mittwoch, 23. Dezember 2020

Decker: Rechtspopulismus als Gefahr für die Demokratie?

In diesem Beitrag stellt Adriana Müller folgenden Aufsatz vor:

Decker, Frank (2020): Rechtspopulismus in Europa – eine Gefahr für die Demokratie?; in: Fromm Forum 24/2020, S. 90-98 (Online-Version).

In dem Aufsatz von Prof. Dr. Frank Decker wird anfangs erörtert, wie sich rechtspopulistische Parteien ausbilden und weiterentwickeln konnten. Als Grundlage des Aufsatzes dient die Leitfrage, ob der Rechtspopulismus in Europa eine Gefahr für die Demokratie darstellt.

In den 1980er Jahren bildeten sich in vielen westeuropäischen Staaten sogenannte „rechtspopulistische“ Parteien aus. Der Begriff „Populismus“ leitet sich von dem Wort „populus“ für „Volk“ ab. Mit dem Rechtspopulismus bildete sich eine neue Art der Politik und der Parteien heraus. In den Anfängen und auch noch bei den ersten Wahlerfolgen sprach man noch von „Protestparteien“, bei denen man sich sicher war, dass diese zügig wieder verschwinden würden. Es kam jedoch anders, die Parteien blieben und konnten ihren Erfolg erweitern – auch in weiteren Staaten trat nun das Phänomen „Rechtspopulismus“ auf.

Montag, 17. Juni 2019

Rezension zu Yascha Mounk: Der Zerfall der Demokratie

Mounk, Yascha (2018), Der Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht, Droemer Verlag.

Rezension

Autorin: Nelly Drabits

Mounk geht in dem Buch „Der Zerfall der Demokratie“ auf eine "neue Ära der Demokratie" ein. Nachdem diese sich lange Zeit in Sicherheit wiegen konnte, sei sie nun in Gefahr. Der Grund? Der Populismus. Mounk zeigt dies anhand von Beobachtungen aus Ländern der ganzen Welt – wobei der Fokus auf den Vereinigten Staaten und Europa, insbesondere auch Deutschland liegt. Er porträtiert Entwicklungen hin zu diesem neuen fragilen Wesen der Demokratie, benennt derzeitige Zustände sowie Folgen und schließt mit Plänen zur Rettung ab. Im Folgenden werde ich die Kapitel nacheinander zusammenfassen.

Sonntag, 21. Oktober 2018

FAZ-Gastbeitrag von Jan-Werner Müller zum Populismus

In einem ausgezeichneten Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit dem Titel "Beschädigte Demokratie" setzt sich Jan-Werner Müller mit dem in der Populismusdebatte zentralen Begriff der "illiberalen Demokratie" (und damit mit dem Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Liberalismus) auseinander. Seiner Ansicht nach führt dieser Begriff bei der Kennzeichnung der populistischen Regime in Ungarn, Polen und der Türkei in die Irre und sollte durch das Etikett "beschädigte Demokratie" ersetzt werden.

Der Beitrag ist unbedingt lesenswert, auch wenn dem Autor an entscheidender Stelle ein Zitierfehler unterlaufen ist, nämlich in folgendem Satz: "Das macht dann den Satz plausibel, wonach der Rechtspopulismus eine liberale demokratische Antwort auf undemokratischen Liberalismus sei, wie es der niederländische Sozialwissenschaftler Cas Mudde formuliert hat."

Tatsächlich hat Cas Mudde, einer der wichtigsten Populismusforscher weltweit, geschrieben, dass der Populismus "an illiberal democratic response to undemocratic liberalism" sei, also genau das Gegenteil, was natürlich wichtig ist, wenn es genau darum geht, die Begriffe "liberal" und "illiberal" voneinander abzugrenzen...