Mittwoch, 13. Juli 2022

Familie und Rechtspopulismus

In diesem Beitrag stellt Selina Ljubanovic folgenden Aufsatz vor: 

Schmincke, Imke (2019): Familienbilder in Diskursen des Rechtspopulismus. Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018, 39, Juni 2019, online unter: https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2018/article/view/965/1204.

Imke Schmincke geht auf die Familienbilder aus der Sicht des Rechtspopulismus ein, insbesondere auf die Rolle der Familie in den Diskursen des Rechtspopulismus. In ihrem Beitrag greift sie dabei zentral die Initiative „Demo für alle“ auf, die seit dem Jahr 2014 vor allem in Form von Demonstrationen und Petitionen agiert und zum Umfeld einer der zentralen Akteurinnen rechtspopulistischer Familienpolitik gehört.

Zahlreiche deutsche Städte wurden im September 2018 mit folgender Botschaft „Stoppt übergriffigen Sex-Unterricht.“, „Schützt unsere Kinder (bzw. Aufklärung ist Elternrecht)“ (S. 1) erreicht. Das zentrale Ziel der „Demo für alle“ bildet zudem der Slogan „Ehe und Familie vor! Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder“ (S. 1).

Dadurch wird eine Frontstellung gegenüber sexueller Vielfalt, konkret gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und Familienform deutlich. Aber auch die Aufklärung soll nicht in den Schulen als Sexualunterricht durchgeführt werden, sondern „Elternrecht“ sein. Dies meint, dass die Eltern entscheiden dürfen, wann und wie ihre Kinder aufgeklärt werden und es nicht mehr ein Teil der schulischen Bildung sein, sogar als schädlich bekämpft werden soll. Dabei soll „die Ehe auch eine exklusive Gemeinschaft von heterosexuellen Paaren sein“ (S. 2).

Einer rechtspopulistischen Partei nach (DfA) ist die Familie so definiert, dass sie „primär eine heterosexuelle Abstammungsgemeinschaft ist, die von außen bedroht wird, und zwar von Gender-Mainstreaming und einer Sexualpädagogik der Vielfalt“ (S. 2) ist. „Das dominanteste Bild zum Thema Familie, das von rechtspopulistischen Gruppierungen in jüngster Zeit viel verwendet wird, ist vermutlich die Scherenschnittfamilie“ (S. 2). Zum Rechtspopulismus gehört meist das Bild einer intakten Familie, in der die Rollen klar verteilt sind, mit der Frau als Mutter.

Weitere Punkte, die Schmicke aufgreift, sind die zentralen Kampfbegriffe der rechtspopulistischen Gruppierungen, die sich aus „Frühsexualisierung“ und „Gender-Ideologie“ zusammensetzen. Es geht im Grunde um die Ablehnung der „Ehe für alle“ und die Sexualisierung der Kinder in der Schule allgemein. Schmicke fasst fünf Thesen zum Familienbild im Rechtspopulismus zusammen und stellt sich die Frage, wieso die Familie eine wichtige Rolle spielt und deren Familien- und Geschlechterpolitik überhaupt funktioniert (vgl. S. 4):

  • Die Familie lässt sich problemlos in das rechtspopulistische Raster einsetzen, da diese ähnlich wie das Volk als „eigentliche“ oder „wahre“ Kategorie angesehen wird. Denen gegenüber stehen die korrupte Elite und die politischen Feinde.
  • Die Familie kann mit der völkisch-rassistischen Ideologie verknüpft werden, wenn die Familie als Abstammungsgemeinschaft verstanden wird. Hier ist aber nur eine Familienform gemeint, nämlich die der heterosexuellen Abstammungsgemeinschaft.
  • Die Familie vereint verschiedene politische Lager.
  • Die Familie erzeugt affektive und moralische Mobilisierungen. Auf die Bedrohung der Kinder wird eine große Aufmerksamkeit gelegt, welche bewirkt, dass emotionale und moralische Ansprache über das Familienthema ein „unmittelbares Angesprochensein“ (S. 4) bewirkt, welches gleichzeitig den Mobilisierungseffekt verstärkt.
  • Die Familie fungiert als Gegenentwurf in der komplexen Welt, da sie seit jeher einen zentralen Teil konservativer Ideologien bildet.

Schmincke hält zusammenfassend fest, dass die Welt und auch die Familienverhältnisse komplexer geworden sind, aber die Angst oder Ablehnung komplexer Verhältnisse (bezogen auf Familien- und Geschlechterverhältnisse) „eher Ausdruck einer Verschiebung von Ängsten auf einen Gegenstand, an dem symbolische Ordnung und Handlungsmächtigkeit wieder hergestellt werden soll“ ist. „Dagegen muss es darum gehen, die Vielfalt familialer Lebensformen sichtbar zu machen und den Begriff der Familien nicht rechtspopulistischen Diskursen zu überlassen“ (vgl. S. 5).

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