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Mittwoch, 8. November 2023

Marine Le Pen als "Profiteurin des Krieges" in Israel?

Mit dem Titel "Profiteurin des Krieges" hat Annika Joeres vor wenigen Tagen in der ZEIT eine Analyse vorgelegt mit folgendem Teaser: "Die Partei von Marine Le Pen startete einst als antisemitische Truppe. Nun stellt sie sich in Frankreich als größte Verteidigerin Israels dar – mit überraschendem Erfolg" (https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-11/marine-le-pen-israel-antisemitismus-frankreich. Joeres beleuchtet darin folgende Gesichtspunkte:

  • Trennung von Jean-Marie Le Pen und frühere Verbindungen der RN zu antisemitischen Gruppen
  • Marine Le Pen und RN als Verteidiger von Israel und der jüdischen Gemeinschaft
  • Marine Le Pens Haltung zu Antisemitismus und das Bemühen der RN, das öffentliche Auftreten zu verbessern
  • Wandel innerhalb der RN aufgrund des Hamas-Terrorangriffs
  • bevorstehende und vergangene Wahlkämpfe
  • Islam und muslimische Flüchtlinge als Feindbild
  • Widersprüche in Grundsatzfragen
  • Konzentration auf die Bekämpfung von Islamismus als neue politische Agenda
  • RN unterstützt jüdische Bürger und Bürgerinnen nur gegenüber islamistischen Taten
  • Stillschweigen bei rechtsextremen Übergriffen
  • steigende Popularität der RN trotz rassistischer und antisemitischer Geschichte

In diesem Artikel wird die Wandlung von Marine Le Pen und ihrer rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN) analysiert. Hauptthemen sind ihre Haltung gegenüber Israel, den aktuellen Konflikten und dem Judentum.

Früher war die RN eng mit antisemitischem Gedankengut verflechtet. Beispielweise verharmloste Jean-Marie Le Pen den Holocaust und die Verankerungen mit antisemitischen Vereinen und Burschenschaften. Marine Le Pen schloss ihn 2015 aus der Partei aus, möglicherweise aus Angst, dass seine Aussagen zum Holocaust der Partei schaden könnten. Der Parteiname wurde von „Front National" in „Rassemblement National" umgewandelt, um dadurch das öffentliche Auftreten der Partei zu verbessern.

Laut einer aktuellen Umfrage der Pariser Ifop-Institus sollen Marine Le Pen und die RN im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im ersten Wahlgang mehr als 30 Prozent der Stimmen erhalten. Das wäre das erste Mal in der Geschichte der RN, dass ihre Parteichefin bei einer Präsidentschaftswahl im ersten Wahlgang so erfolgreich wäre. Sie würde die derzeit aussichtsreichsten Mitbewerbenden deutlich übertreffen. Diese Umfrageergebnisse zeigen, dass Le Pen und ihre Partei derzeit erhebliche politische Unterstützung in Frankreich genießen.

Es wird darauf hingewiesen, dass es noch vier Jahre bis zur Präsidentschaftswahl in Frankreich sind, aber Le Pen und ihre Partei bereits politisch von dem Terrorangriff der Hamas auf Israel profitiert haben. Sie bezeichnete diesen Angriff als „Pogrom" und sprach sich für eine harte Reaktion Israels gegen die Hamas aus. Dieser Ansatz scheint bei der französischen Wählerschaft Anklang zu finden.

Joeres betont, dass Le Pen Israel als Verbündeten ansieht und die Hamas als Feind betrachtet. Des Weiteren soll Le Pen immer noch politische Verbündete haben, die in der Vergangenheit für antisemitische Äußerungen kritisiert wurden. Hier wird der ungarische Präsident Viktor Orbán genannt.

Seit ihrer Parteiübernahme 2011 versucht Le Pen, sie zu „entteufeln“. Das Ziel ist es, die RN für die französische Wählerschaft wählbar zu machen. Es wird darauf hingewiesen, dass Le Pen jetzt verstärkt gegen islamistische Organisationen agiert und sie oft fälschlicherweise mit allen muslimischen Personen und Flüchtlingen aus muslimisch geprägten Ländern gleichsetzt. Die Partei wird von Olivier Véran kritisiert, sich nur dann für jüdische Bürger und Bürgerinnen einzusetzen, wenn sie von islamistischen Überfällen bedroht werden, während sie bei rechtsextremen schweigt, obwohl diese die Mehrheit der rassistischen und antisemitischen Übergriffe in Frankreich ausmachen. Der Islam wird oft als Feindbild dargestellt.

Es gibt auch Widersprüche in Le Pens Haltung zur finanziellen Unterstützung für Palästina nach dem Hamas-Terrorangriff. Einige Stimmen der RN sagen, dass die Hilfe aufrechterhalten werden sollte, während andere dafür plädieren, sie sofort zu stoppen. Es gibt auch widersprüchliche Aussagen zur Beziehung zu Ländern wie Katar und Ägypten.

Schließlich wird darauf hingewiesen, dass Le Pen offensichtlich versucht, sich von einigen früheren Strategien zu distanzieren, wie der Nähe zu Russland. Es wird erwartet, dass die Partei bei den kommenden Europawahlen eine beträchtliche finanzielle Unterstützung erhalten wird.

Insgesamt zeigt der Artikel die Komplexität von Le Pens politischer Entwicklung und die Herausforderungen in Bezug auf Israel und den Nahostkonflikt. Es wird auch darauf hingewiesen, dass es weiterhin Widersprüche und Kontroversen innerhalb der Partei gibt. Darüber hinaus spricht Joeres an, wie sich Marine Le Pen und die RN in der politischen Landschaft Frankreichs positionieren, indem sie Israel und die Bekämpfung des Antisemitismus in den Mittelpunkt ihrer Agenda stellen, um politische Unterstützung zu gewinnen. Dieser Schwenk in der politischen Ausrichtung hat dazu geführt, dass die Partei bei der Wählerschaft erfolgreicher ist, was in den Umfrageergebnissen zur Präsidentschaftswahl deutlich wird.

Der ausgewählte Titel der Autorin kann als äußerst provokant angesehen werden. Es kann durchaus diskutiert werden, ob Le Pen als Profiteurin des Krieges gesehen werden kann. Einerseits ist es umstritten, ob Marine Le Pen und die RN tatsächlich als Profiteure des Krieges betrachtet werden können, da es viele Nuancen und Widersprüche in ihrer politischen Ausrichtung gibt und ihre Motive und Absichten möglicherweise von verschiedenen Interessen getrieben werden. Andererseits kann Marine Le Pen als Profiteurin des Krieges gesehen werden, da sie und die RN politisch von einem spezifischen Ereignis, dem Hamas-Terrorangriff auf Israel, profitiert haben.

Dieser Angriff führte zu einem Wandel in Le Pens politischer Agenda und ermöglichte es ihr, sich als Verteidigerin Israels und der jüdischen Gemeinschaft in Frankreich zu präsentieren. Diese neue Positionierung zog Unterstützung der Wählerschaft an, wie in Umfragen gezeigt wurde. Indem sie den Hamas-Terrorangriff als „Pogrom" bezeichnete und sich für eine harte Reaktion Israels gegen die Hamas aussprach, konnte Le Pen politisch von den Spannungen im Nahen Osten profitieren. Dies führte zu einem Anstieg ihrer Popularität und stärkte ihre Position in der politischen Landschaft Frankreichs. Insofern kann sie als Profiteurin des Krieges betrachtet werden, da sie die politischen Auswirkungen des Konflikts zwischen Israel und der Hamas zu ihrem Vorteil nutzt.

Montag, 13. März 2017

Wie ist der Aufstieg von Avigdor Lieberman und seiner Partei Israel Beitenu zu erklären und welchen Einfluss haben sie auf Israel?

Seit der Staatsgründung am 14. Mai 1948 hat sich in Israel viel verändert: Mehr als drei Millionen Einwanderer wurden erfolgreich integriert. Die Wirtschaft entwickelte sich von einem agrarisch geprägten Staat zu einer der führenden Hightech-Nationen weltweit. Geblieben sind die Gegensätze und Auseinandersetzungen in der Gesellschaft: zwischen Säkularen und Orthodoxen, europäischen und orientalischen Juden, arabischen und jüdischen Israelis, zwischen Befürwortern und Gegnern eines Ausgleichs mit den Palästinensern. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst ebenso wie die Individualisierung der Gesellschaft (vgl. bpb Israel).

Die kreuz und quer verlaufenden sozialen Spaltungen in der Gesellschaft werden durch die Parteien vertreten. In der israelischen Knesset hat es deshalb seit der Staatsgründung nie weniger als zehn parlamentarische Fraktionen gegeben. Die wichtigste Trennlinie zwischen den politischen Blöcken und Parteien seit dem Sechs-Tage-Krieg (1967) ist die zwischen „Tauben“ und „Falken“.

„Tauben“ werden diejenigen genannt, die das Prinzip „Land für Frieden“ unterstützen. Damit ist die Bereitschaft zu einem permanenten Frieden mit den Palästinensern und Syrern gemeint. Voraussetzung dafür ist die Rückgabe der Gesamtheit oder eines großen Teils der von Israel im Sechs-Tage-Krieg besetzten Gebiete. Die „Tauben“ befürworten die Einrichtung eines palästinensischen Staates und die Teilung Jerusalems zwischen Israel und Palästina.

Hinter dem Slogan „Frieden für Frieden“ verstecken sich die „Falken“-Parteien. Sie haben die Absicht, alle oder fast alle besetzten Gebiete zu behalten und auf lange Sicht zu annektieren. Eine Falkenpartei ist die Israel Beitenu (hebr.: Israel ist unser Haus) – eine ursprünglich russische Einwanderer-Partei der 1990er Jahre. In den letzten Jahren entwickelte sich Israel Beitenu zu einer nationalistischen Partei, welche die Ansichten der Mehrheit der russischen Einwanderer vertritt.

Anders als die anderen Parteien des Falkenlagers (Likud, Nationale Einheit), die dem orthodoxen Lager nahestehen, vertritt Israel Beitenu eine nationalistisch-weltliche Ideologie (vgl. bpb, Parteien in Israel 2008). „Keine Staatsbürgerschaft ohne Loyalität“ und „Lieberman versteht Arabisch“ – mit diesen Wahlslogans gewann die Partei im Februar 2009 15 Sitze und wurde vor der traditionsreichen Arbeitspartei drittstärkste Kraft in der Knesset.

Das Erstarken der radikalen Rechten erregte national wie international großes Aufsehen. Die Partei brachte in der 18. Knesset (2009-2013) zahlreiche Gesetztesvorschläge ein, die die demokratischen Grundlagen des Staates und den staatsbürgerlichen Status der arabischen Minderheit in Frage stellten. Zwar konnte die Partei ihren Erfolg bei den Parlamentswahlen 2013 und 2015 nicht wiederholen. Dennoch ist sie nicht von der Bildfläche verschwunden und setzt ihren antidemokratischen und illiberalen Kurs fort.

Wie ist der Aufstieg von Lieberman und seiner Partei zu erklären und zu bewerten? Im Folgenden werden das Angebot von Israel Beitenu und seine gesellschaftliche und politisch-kulturelle Resonanz näher betrachtet. Es werden drei Deutungsansätze diskutiert, die den Aufstieg der Partei erklären sollen. Nachgefragt wird, ob der Aufstieg von Israel Beitenu einen Wandel der israelischen Gesellschaft bzw. der israelischen Rechten markiert, worin die spezifische Attraktivität des ideologischen Angebots von Lieberman besteht und ob es der Partei gelingt, auch außerhalb der russischsprachigen Einwanderer Sympathisanten zu gewinnen. (vgl. Hagemann & Timm 2013, S. 137-138).