Dienstag, 26. Juli 2022

Zur Sprache von Pegida

In diesem Beitrag stellt Swenja Jogerst folgenden Aufsatz vor:

Mathias, Alexa (2019): Intergroup Conflict im Sprachgebrauch rechtspopulistischer Gruppierungen am Beispiel von „Pegida“; in: Sprachreport Jg. 35, Nr. 3/2019, S. 8-15; online unter: Mathias_Intergroup_conflict_2019.pdf.

Alexa Mathias zeigt in ihrem Beitrag anhand verschiedener beispielhafter Äußerungen von Pegida-Anhänger*innen die Wortwahl dieser Gruppierungen sowie den Zusammenhang der Bedeutungen mit dem Gebrauch der entsprechenden Wörter.

„Populismus spaltet Gesellschaften“ (S. 8). Zum einen ist diese Spaltung auf die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft bezogen, jedoch nur ein Teil eines Gesamtgebildes. Populistische Gruppierungen nehmen diese Unterschiede in ihre politischen Diskurse auf, versuchen ihre Interessen durchzusetzen und Machtansprüche für sich zu generieren.

Slavoj Žižek unterscheidet Gewalt hinsichtlich zweier Typen: subjektive Gewalt und objektive Gewalt. Unter subjektiver Gewalt versteht man, dass ein Subjekt gegenüber einem Objekt physische Gewalt ausübt. Objektive Gewalt lässt sich hingegen wiederum klassifizieren in objektiv-systemischer Gewalt, bei der ein System bzw. strukturelle Instanz Gewalt ausübt und objektiv-symbolischer Gewalt, bei der Gewalt anhand eines Zeichensystems (z.B. die Sprache) angewendet wird (vgl. S. 8). Gewalt wird somit nicht nur physisch ausgeübt, sondern Personen nutzen auch die Sprache und bestimmte Zeichenformate, um ihren Standpunkt gegenüber anderen zu vertreten.

Bezogen auf den Sprachgebrauch populistischer Gruppierungen ist zu beachten, dass für die Auseinandersetzung nicht nur Äußerungen von Führungspersonen herangezogen werden, auch die Beschäftigung mit der Wortwahl der Anhänger*innen ist ein wichtiger Bestandteil.

Um Äußerungen genauer analysieren und besser einordnen zu können, wird zunächst auf das zugrunde liegende Weltbild eingegangen. Populistische Bewegungen sehen die Welt als eine „binärdichotom strukturierte Entität“ (S. 8) im Sinne einer einfachen Klassifizierung „Wir“ vs. „die Anderen“. Ihre negativen Einstellungen und Äußerungen beziehen sich unteranderem auf die „Elite“ (Parteien usw.), welche Verrat am eigenen Volk begehen würden, indem sie den „Fremden“ (z.B. Migrant*innen) oder „Anderen“ (z.B. politische Gegner*innen) der Ingroup vorziehen. Kategorisiert wird nach der Eigengruppe, die man traditioneller Weise immer über die Fremdgruppe stellt und als besser erachtet ansieht (vgl. S. 9)

Sprachliche Mittel und Symbole (populistischer Gruppierungen) fungieren zum einen als Appell, um die eigenen Mitglieder*innen zu konkreten Handlungen aufzufordern, zum anderen tragen sie dazu bei, dass bestimmte Ansichten und Vorstellungen gegenüber der „Feindgruppe“ übernommen werden.

Im Folgenden stellt die Autorin verschiedene Äußerungen von Anhänger*innen der Pegida-Gruppe vor. Pegida wurde zunächst als Facebook-Gruppe 2014 gegründet und richtete sich erst gegen muslimischer Einwander*innen. Dieses Feindbild hat sich in den letzten Jahren zunehmend verändert und umfasst heute eine viel größere Gruppe, beispielsweise auch Wissenschaftler*innen oder Politiker*innen.

Der Sprachgebrauch rechtspopulistischer Gruppierungen wird in diesem Beitrag anhand von Facebook-Einträgen von Pegida aufgezeigt. Genutzt werden unter anderem Wörter aus den Themenfelder „Krankheiten, Abfall und Schmutz, Naturphänomen oder Fauna“. Teilgebiete der Tierwelt bezieht sich des Weiteren auf „Schädlinge bzw. Ungeziefer“ (S. 10).

„Schädlinge“ wird besonders oft im Zusammenhang von Migrant*innen verwendet, aber auch bei Politiker*innen, Parteien oder deren Abgeordnete. Linksgewandte Personen werden oft mit Begriffen aus der Fauna (z.B. Zecken, Ratten) oder aus Abfall und Schmutz betitelt. In Bezug auf Migrant*innen wird verschieden differenziert. Einerseits richten sich die Facebook-Einträge in negativer Hinsicht gegen die Outgroup, deren Motive als Gefahr wahrgenommen wird, andererseits zeigt man für Kriegsflüchtlinge ein gewisses Verständnis, da diese aufgrund ihrer Erlebnisse eine Vergangenheit zu „vergleichbaren historischen Erfahrungen der Eigengruppe“ (S. 10) aufweisen.

Der Begriff „Ratte“ aus der Tierwelt wird am häufigsten gebraucht, vor allem mit linker Politik (Bsp.: linke Ratte). Auch die Tiermetapher „Zecke“ wird mit dem Adjektivattribut „links“ entsprechend eingesetzt.

Aus dem Bereich Krankheiten dominiert der Ausdruck „Pest“, der auf vielfältiger Weise eingesetzt wird: Im Zusammenhang mit Medien, Gewerkschaften, Mitglieder der Regierung und Amtsträger, Supranationale Organisationen, Personen, die entweder nicht die gleiche politische Haltung haben oder sich nicht für die Eigengruppe einsetzen (vgl. S. 12). Migrant*innen sowie politisch Andersdenkende werden zudem auf den Social-Media-Kanälen mit Begriffen aus der „Domäne Abfall“ und Schmutz bewertet.

Anhand der beispielhaften Äußerungen der Anhänger*innen von Pegida zeigt die Autorin Alexa Mathias, dass auch verbal Gewalt gegen die selbstdefinierte Feindgruppe ausgeübt werden kann (objektiv-systemische Gewalt im Sinne Žižeks) und sich Einstellungen und Verhaltensweisen verankern.

Pielenz stellte den Vorgang in einer Matrix dar. Eine bestimmte Gruppe (z.B. rechtspopulistische Bewegung) wählt einen Ausdruck Y, mit dem die Outgroup (Gegengruppe X) bezeichnet wird. Dieser Ausdruck stammt aus einer lexikalischen Quelldomäne, wie Abfall und Schmutz, Krankheiten oder der Tierwelt. Das Wort wird bewusst und gezielt ausgewählt und besitzt immer eine symbolische eine Verbindung zu der Ideologie und Lebensauffassung der Sprechergruppe. Bezeichnet wird dies als Kontext K. Das Weltbild von Pegida und anderen (ähnlichen) rechtspopulistischen Bewegungen beinhaltet viele negative Auffassungen über die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft. „Perspektiven auf andere Gruppen stehen in engem Zusammenhang mit der Wahl sprachlicher Bezeichnungen durch die Sprecher*innen.“ (S. 13)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass solche Äußerungen in Facebook-Posts oder in anderen sozialen Netzwerken nicht nur „lose Worte“ sind, sondern Personen bedienen sich gewollt den Begriffen aus bestimmten Domänen, um andere Bevölkerungsgruppen gezielt anzugreifen oder gegenüber sich selbst abzuwerten. Somit sollte bewusst gemacht werden, welche Wirkung man mit einem entsprechenden Sprachgebrauch erzielen kann und wie man mit seinem Mitmenschen in einer Gesellschaft und einer Gemeinschaft umgehen möchte.

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