Sonntag, 17. Juli 2022

Entwicklung des völkisch-autoritären Populismus der AfD

In diesem Beitrag stellt Pascal Dufour folgenden Aufsatz vor:

Häusler, Alexander (2021): Von Rechtsaußen in die Mitte? Politische Gelegenheitsstrukturen des völkisch-autoritären Populismus in Deutschland; in: Johannes Schütz / Raj Kollmorgen / Steven Schäller (Hrsg.): Die neue Mitte? Ideologie und Praxis der populistischen und extremen Rechten. Wien / Köln 2021, S. 61-77.

Alexander Häusler geht in diesem Artikel auf die Entwicklung der AfD und ihren steigenden Einfluss auf die politische Entwicklung in Deutschland ein. Hierbei verknüpft er verschiedene Ursachen für das Erstarken der Partei mit politischen Gelegenheiten, durch welche sich die Metamorphose der Partei verdeutlichen lässt.

In seinem Einstieg gibt Häusler knapp den bisherigen, teilweise holprigen Aufstieg bzw. die Entwicklung der AfD von einer ursprünglich eurokritischen Partei hin zum parlamentarischen Arm der äußersten Rechten in Deutschland wieder und benennt dabei die Strategien der Partei. Dazu gehört laut Häusler die „rechtspopulistische Ansprache als wirkungsmächtiges Instrument, weil sie eine spezifische Form von Mobilisierung politischer Leidenschaften darstellt, die auf Verunsicherung, Angst, Ressentiments und Wut basiert“ (S. 62).

So schafft es die AfD, „Emotionen in Feindbilder zu übersetzen und kollektive Identitätsangebote“ (S. 62) in einem nativistischen Rahmen zu vermitteln. An dieser Stelle zitiert Häusler die Sprachsoziologin und Diskursforscherin Ruth Wodak, welche diese politische Ansprache als „Politik der Angst“ bezeichnet. Des Weiteren greift Häusler den von der Soziologin Cornelia Koppetsch geprägten Begriff der „Konsenskultur der Mitte“ auf, welche laut Häusler durch „sozioökonomische Veränderungen Risse bekommen“ hat und es dadurch den Rechtspopulist*innen ermöglicht, „in spezifischen politischen Gelegenheitsfenstern“ politische Felder erfolgreich zu besetzen.

Häusler betont, dass es zwar keinen monokausalen Zusammenhang zwischen politischen Krisen und rechtsradikalem Erstarken gibt, diese jedoch von bestimmten günstigen Ausgangsfaktoren gefördert werden. Dazu zählen unter anderem die sozioökonomischen Umbrüche, welche Häusler auf Basis der Theorien von Adorno („kapitalistische Krisenhaftigkeit produziert Möglichkeit der permanenten Deklassierung von Schichten“) und Manow („Populismus als Protestartikulation gegen Globalisierung“) als Ausgangsfaktoren ausmacht und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Abstiegsängsten eine verstärkende Funktion bei den Wahlerfolgen der Rechtspopulist*innen attestiert (vgl. S.64).

Als weitere Ursache macht Häusler die kulturellen Umbrüche aus. Dabei greift er erneut auf Koppetsch zurück, die in dem „epochalen Bruch von der Industriemoderne in die globalisierte Moderne“ eine Hauptursache für den Erfolg der Rechtspopulist*innen ausmacht. Dies drückt sich laut Koppetsch durch die Ablehnung der liberalen Gesinnung, von Einwanderern und des durch die Globalisierung bedingten sozialen Wandels aus (vgl. S. 65). Dem entgegen stellen die Rechtspopulist*innen eine durch „ethnonationale Grenzziehungen“ konstruierte Gesellschaft als „Angebot zur identitätsstiftenden Resouveränisierung“ (S. 65).

Als letzten Ausgangsfaktor führt Häusler die Politik der Mitte auf, welche vor allem durch die Vernachlässigung nationalkonservativer bzw. nationalliberaler Positionen in den vergangenen Jahren der AfD in die Karten spielt. Außerdem hat sich die AfD trotz ihrer überwiegend neoliberalen wirtschaftlichen Ausrichtung selbst zur Retterin bzw. Fürsprecherin des ‚kleinen Mannes‘ erklärt, und fischt somit Stimmen bei sonst traditionell linksgerichteten Wähler*innen. Somit schafft es die AfD nicht nur, von der Politik der Merkel-Ära enttäuscht CDU-Wähler*innen auf ihre Seite zu ziehen, sondern sich ebenfalls Stimmen der sozial schwachen und vernachlässigten Wähler*innen zu sichern (vgl. S. 66).

Als politische Gelegenheiten, die der AfD ihre Gründung bzw. ihre Wahlerfolge erleichterten und ermöglichten, macht Häusler ebenfalls mehrere Bereiche aus. Dazu gehört zuerst einmal die durch die Eurokrise bzw. durch den Umgang der Merkel-Regierung mit der Eurokrise verstärkte Unzufriedenheit und Euroskepsis bei nationalkonservativen Wähler*innen (vgl. S. 67). Dies zeigt sich auch daran, dass viele AfD-Kader ehemals der Union angehörten, so etwa Alexander Gauland oder Erika Steinbach (vgl. S. 68). Hierbei bilden laut Häusler gerade diese „radikalisierten Konservativen […] den weltanschaulichen Brückenkopf zur sogenannten Neuen Rechten und deren Think Tanks und Publikationsorganen“ (S. 68).

Als eine weitere politische Gelegenheit für die AfD wird die Flüchtlingsdebatte um das Jahr 2015 angesehen. Nicht nur schaffte es die AfD, die Themen ‚Einwanderung‘ und ‚multikulturelle Gesellschaft‘ für lange Zeit auf die Agenda der politischen Debatten zu setzen, sondern sie fand auch in diesen Themen ‚Sündenböcke‘, welche als „politisches Grundübel“ verstanden und propagiert wurden (vgl. S. 68). Auch erkannte die AfD im Kontext dieser Debatte das Mobilisierungspotential verschiedener öffentlichkeitswirksamer Proteste wie etwa Pegida, durch welche die AfD seitdem immer wieder Plattformen für ihre politischen Ansprachen und Verknüpfungen findet (vgl. S. 69).

Ebenfalls als politische Gelegenheit bezeichnet Häusler die Darstellung vom ‚Feindbild Islam‘, welche laut ihm eine „ideale Projektionsfläche für kulturelle Verlustgefühle“ darbietet (S. 69). Dabei schaffen es die Rechtspopulist*innen, durch das Ansprechen von Ängsten und Vorbehalten eine rassistische Politik der Ausgrenzung gegenüber Muslim*innen zu erschaffen und ihnen ihre Rechte auf kulturelle und religiöse Entfaltung im Gegensatz zur christlichen Mehrheitsgesellschaft abzusprechen ( vgl. S. 69f.). Kombiniert wird diese Politik der „rassistisch grundierten Muslimfeindlichkeit mit völkisch-nationalistischen Säuberungsfantasien“, welche der Autor anhand eines veröffentlichten Gesprächs zwischen Sebastian Hennig und AfD-Funktionär Björn Höcke verdeutlicht (vgl. S. 70).

In einem letzten Abschnitt werden die „rechte Metamorphosen“ von Häusler vorgestellt und anhand der AfD anschaulich gezeigt, dass eine „kontinuierliche Radikalisierung im politischen Werdegang“ der Partei erkennbar ist. Diese Akzeptanz von rechtsradikalen Entgleisungen in der Wählerschaft drückt dabei einen „partiellen öffentlichen Gewöhungsprozess an rechtsradikale Erscheinungsformen“ aus (S. 71).

Des Weiteren geht er auf die Problematik der Bezeichnung ‚Rechtspopulismus‘ ein, da dieser eine unterkomplexe Form der Klassifizierung darstellt, welche sich lediglich auf eine bestimmte Form der politischen Ansprache bezieht und keine genauere Zuordnung auf einer Links-Rechts-Skala zulässt (vgl. S.71). Die AfD allgemein politisch zu charakterisieren, hält Häusler für schwierig, da sie in der Zwischenzeit ein „parteipolitisches Dach […] für unterschiedliche politische Milieus“, von Nationalliberalismus bis Rechtsextremismus, darstellt (S. 71).

In einer vertieften Betrachtung der fortschreitenden Radikalisierung der Partei geht der Autor auf die Praxis ein, innerparteiliche Bestrebungen gegen den Radikalisierungskurs durch Abwahl oder Amtsenthebung zu unterbinden, und fasst ihre Natur als eine Verdichtung „rechtspopulistischer Ansprache mit autoritären Staatsvorstellungen und völkisch-nationalistischen Ansichten zu einem völkisch-autoritären Populismus“ zusammen (S. 72).

Im letzten Abschnitt seines Aufsatzes beschäftigt sich Häusler mit der "ostdeutschen Radikalisierung". Er sieht dabei bestimmte Vorgehensweisen und Positionierungen der AfD in der Tradition der extremen Rechten der Nachkriegszeit, welche „die Delegitimierung der organischen Volks- und Geschichtsauffassung ihrerseits in Frage [stellten] und damit das völkische Selbstbewusstsein der Deutschen [förderten]“; legitimiert mit dem Mythos einer alliierten ‚Umerziehung‘ (S. 72f.). Genau diese völkisch-nationalistischen Politikangebote werden von AfD-Politiker*innen besonders in den ostdeutschen Bundesländern genutzt (S. 73). Diese Feststellung untermauert Häusler mit Beispielen aus neurechten Think-Tanks wie etwa dem IfS (Institut für Staatspolitik) und Szenezeitschriften wie der Sezession oder dem Compact-Magazin (S. 74).

Auch warnt er vor rechtsradikalen Formationen und Vereinigungen, die sich als harmlose Bürgerforen bzw. Bürgerbewegungen tarnen und somit rechtes Mobilisierungspotenzial bieten (S. 75). Außerdem verdeutlicht Häusler, wie die AfD eine rechtspopulistische Ausschlachtung bzw. Instrumentalisierung des demokratischen Aufbruchs in der DDR betreibt und versucht, „demokratisch-zivilgesellschaftliche Freiheitspostualte mit einem nationalistischen Politikverständnis zu verknüpfen und in die Tradition des demokratischen Aufbruchs der DDR zu stellen“ (S. 76f.).

Dieses Vorgehen wird anhand einer Wahlkampfrede Alexander Gaulands zum brandenburgischen Landtag 2019 verdeutlicht, welche nicht nur die „Wende 2.0“ propagandiert, sondern ebenfalls klassische Themenfelder der extremen Rechten wie Eliten-, Europa- und Pluralismuskritik betreibt und völkische Traditionen kombiniert mit einem allumfassenden Freiheitsgedanken hervorhebt (S. 76f.).

Seinen Aufsatz schließt Häusler mit einer Warnung vor dieser fortschreitenden Entwicklung, da eine „zunehmende Faschisierung in den ostdeutschen Bundesländer, die auf die gesamte Bundesrepublik ausstrahlen kann“, droht (S. 77).

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