Dienstag, 3. August 2021

Rechtspopulistische Rhetorik und ihre Effekte

In diesem Beitrag stellt Celine Gawlitza folgenden Aufsatz vor:

Schnepf, Julia (2020): „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe!“ – Rechtspopulistische Rhetorik und ihre Effekte auf In- und Out-Group-Ebene; in conflict & communication online, Vol. 19, No. 1+2/2020, online unter: https://regener-online.de/journalcco/2020/pdf/schnepf2020.pdf.

Der Aufsatz von Julia Schnepf beschäftigt sich mit der rechtspopulistischen Rhetorik und damit, wie diese sich auf die jeweilige Eigengruppe und die konstruierten Fremdgruppen auswirkt. Dabei zeigt Schnepf den Zusammenhang zwischen rechtspopulistischen Wahlkampagnen und den dadurch aufkommenden Vorurteilen gegenüber gesellschaftlicher Minderheiten auf.

Ihren Aufsatz beginnt Schnepf mit der Problemstellung rechtspopulistischer Rhetorik. Hierbei wird deutlich, dass die Populismusforschung sich in den vergangenen Jahren zwar mit den rhetorischen Merkmalen rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen beschäftigt hat, dabei aber den Effekten, die eine solche Rhetorik mit sich bringt, wenig Beachtung geschenkt wurde.

Um die resultierenden Effekte rechtspopulistischer Rhetorik darzustellen, zeigt Schnepf zu Beginn die charakteristischen Merkmal des Rechtspopulismus auf. Das Erstarken rechtspopulistischer Parteien geht zum einen mit einer Verrückung der demokratischen Einstellungen der gesellschaftlichen Mitte und zum anderen mit einer Wählerwanderung einher. Schnepf zeigt den Wandel von rechtspopulistischen Parteien in den vergangenen Jahre auf:

„Während rechtspopulistische und -extreme Parteien noch vor wenigen Jahren als Sammelbecken wirtschaftlich und sozial „abgehängter“ und „von der Politik verdrossener“ Bevölkerungsteile galten, bilden diese Parteien heute ebenso repräsentative Teile des Elektrorats und damit auch die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ ab, wie es die Volksparteien in den vergegangenen Dekaden taten.“ (Schnepf 2020: 2)

Schnepf zeigt auf, dass die Programme rechtspopulistischer Parteien häufig inhaltsleer sind und hauptsächlich Abgrenzungsbewegungen und -prozesse genutzt werden, um sich gegenüber den Eliten zu formieren. Dafür wird die Anti-Establishment-Haltung oder die „Wir gegen die da oben“-Taktik verwendet. Rechtspopulistische Parteien stellen sich als Sprachrohr des Volkes dar. Dabei grenzen sie sich gegen „Die da oben“ ab, nutzen aber auch ausgrenzende Elemente gegenüber bestimmten Fremdgruppen. Somit deckt der Rechtspopulismus zum einen inkludierende Elemente ab, indem sie den (vermeintlichen) Volkswillen abbilden, aber eben auch exkludierende Elemente, da sie festlegen, wer zum Volk gehört (vgl. Schnepf 2020: 2).

Rechtspopulistische Rhetorik

Als nächstes geht Schnepf auf die rhetorischen Stilmittel ein, die rechtspopulistische Parteien nutzen. Durch diese schaffen sie es, sich gegen die etablierten Parteien abzugrenzen, aber sich auch eine erhöhte Medienpräsenz zu verschaffen.

Auf der inhaltlichen Ebene benutzt der Rechtspopulismus banalisierende Antagonismen und eine Freund-Feind-Dialektik. Dadurch wird die politische und gesellschaftliche Welt in zwei Lager getrennt: die eigene Gruppe („das Volk“) und die Fremden („von außen eindringende Migranten“) oder die „korrupte Elite“.

Schnepf zeigt auf, dass das Verbindungsstück zwischen der Zielgruppe und den rechtspopulistischen Akteur*innen die gemeinsame nationale Identität ist. Diese ist den Anderen moralisch überlegen. Es entstehen dadurch Abwertungsprozesse gegenüber sexuellen, politischen und ethnisch-kulturellen Minderheiten, wodurch es gleichzeitig zu einem Aufwertungsprozess der eigenen Identität kommt. Das mündet in ein Überlegenheitsgefühl gegenüber den Anderen. Deutlich wird dies auch in rechtspopulistischen Beiträgen und Reden, welche durch Metaphern und Übertreibungen gekennzeichnet sind:

„Mit einer solch aggressiv-metaphorischen Aufladung gelingt es Rechtspopulist*innen nicht nur zu polarisieren, sondern auch auf Seiten ihres Elektrorats die notwendigen Assoziationen anzuregen, um eine erhöhte Zustimmung für die restriktive Einwanderungspolitik, die sie favorisieren, zu erhalten.“ (Schnepf 2020: 3)

Die Autorin zählt weitere Kommunikationsstrategien auf, die Rechtspopulist*innen nutzen. Dazu gehören beispielsweise, dass nach dem Tabubruch das Zurückrudern erfolgt. Zuerst wird die Grenze des politisch Sagbaren überschritten und anschließend relativiert. Es entsteht dadurch eine sukzessive Grenzverschiebung. Schnepf führt dafür die Ende Januar 2016 getätigte Aussage von Beatrix von Storch (AfD) an, dass es legitim sei, migrierende Frauen und Kinder an den deutschen Grenzen zu erschießen. In der Öffentlichkeit stieß diese Aussage auf Kritik, woraufhin die AfD-Politikerin ihre Aussage zurücknahm und unterstellte, dass der Internetbeitrag auf einen technischen Fehler zurückzuführen sei.

Eine weitere Kommunikationsstrategie, die Schnepf nennt, ist der Gebrauch von Personalisierung im politischen Wettbewerb. Hierbei werden "Argumente" genutzt, die persönliche Angriffe und Beleidigungen enthalten. Dadurch entsteht wiederum eine Grenzverschiebung dessen, was im öffentlichen Raum noch akzeptabel ist. Bestärkt wird diese Aufweichung der Grenzen durch den stetigen Verweis auf Werte wie Meinungsfreiheit und eine „das dürfe man ja wohl noch sagen“-Mentalität sowie die unbegründete Unterstellung, es handle sich um die eigentliche Volksmeinung.

„Damit versuchen rechtspopulistische Akteure eine konkurrenzlose Volksnähe abzubilden, womit sie als selbsternanntes Sprachrohr der Allgemeinheit vermeintlich höhere Herrschaftsansprüche geltend machen, als diese den etablierten Parteien zuständen.“ (Schnepf 2020: 4).

Nach Schnepf ist die rechtspopulistische Rhetorik durch Argumentationstechniken gekennzeichnet, die sich scharf an den Grenzen des gesellschaftlich Sagbaren und an den Grenzen des gesetzlich Erlaubten bewegen.

Effekte bei Mitgliedern der angesprochenen Eigengruppe

Im vierten Absatz geht Schnepf auf die Effekte der rechtspopulistischen Strategien in Bezug auf die Eigengruppe ein. Dabei macht sie deutlich, dass rechtspopulistische Politiker*innen durch skandalöse und öffentliche Aufmerksamkeit ein erhöhtes mediales Interesse erreichen. Dies führt nach Schnepf dazu, dass die Repräsentanz in der politischen Sphäre und dadurch die Wahrscheinlichkeit gesteigert wird, wiedererkannt und gewählt zu werden.

Schnepf bezieht sich, um die Effekte auf die Eigengruppe zu belegen, auf verschiedene experimentelle Untersuchungen und Forschungsergebnisse, in denen die Auswirkungen rechtspopulistischer Wahlkampagnen analysiert wurden. So konnte aufgezeigt werden, dass populistische Aussagen sowie das damit einhergehende Schüren von Ängsten vor allem bei Personen mit stark ausgeprägter nationaler Identität auf Zuspruch treffen.

Des Weiteren scheint rechtspopulistische Rhetorik vor allem bei Wähler*innen mit geringerem Bildungsniveau wirksam zu sein. Dies steht auch im Zusammenhang mit der Vereinfachung der linguistischen Ebene, in der beispielsweise das Wahlprogramm durch einfache und prägnante Aussagen gekennzeichnet ist. Der Grund für die Wirksamkeit liegt darin, dass Wählergruppen mit einem geringen Bildungsabschluss in einer zunehmend komplexer werdenden Welt nach einfachen und schutzversprechenden Aussagen suchen (vgl. Schnepf 2020: 5).

Außerdem zeigten die Ergebnisse der Untersuchung, dass das niedrigere Bildungsniveau sowie politischer Zynismus zu einer stärkeren Befürwortung populistischer Wahlkampfaussagen führt. Weitere Untersuchungen legten dar, dass durch rechtspopulistische Wahlwerbung Kriminalitätsstereotype gegenüber Immigrant*innen zunehmen. Das gilt selbst dann, wenn die Versuchspersonen den Äußerungen gegenüber kritisch eingestellt waren.

Es wird deutlich, dass negative Stereotype sowie negative Einstellungen besonders gegenüber Musliminnen und Muslimen durch rechtspopulistische Wahlplakate verstärkt werden. Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass die ökonomischen und kulturellen Bedrohungsszenarien durch Bilder untermauert werden. Zudem trägt auch eine verstärkte migrationsbezogene und -ablehnende Berichterstattung bei durchschnittlichen Medienrezipient*innen zu negativen Gefühlen gegenüber Zuwandern bei (vgl. Schnepf 2020: 6).

Wirkung bei Mitgliedern der postulierten und exkludierten Fremdgruppen

Im darauffolgenden Kapitel bezieht sich Schnepf auf die Wirkung von rechtspopulistischen Strategien auf die postulierten und exkludierten Fremdgruppen. Dabei macht sie deutlich, dass im Gegensatz zu der Studienvielfalt bei den Effekten auf die angesprochene Eigengruppe in den vergangenen Jahren wenig Forschung auf Seiten derer betrieben wurde, die von den entsprechenden Wahlkampagnen als Fremdgruppe dargestellt werden (vgl. Schnepf 2020: 6).

Die Survey-Studie zeigt beispielsweise auf, dass alltägliche Diskriminierungserfahrungen das Wohlbefinden von Personen mit Migrationshintergrund senken und die Identifikation mit dem Einwanderungsland reduzieren. Schnepf macht darauf aufmerksam, dass dies zur Folge haben kann, dass die Bereitschaft steigt, das Einwanderungsland wieder zu verlassen.

Zudem führte das Zeigen rechtspopulistischer Wahlplakate während der Untersuchung auf der einen Seite zu negativen Emotionen bei den Befragten, jedoch kam es auf der anderen Seite auch zu Konterreaktionen, wie das Lächerlichmachen der gezeigten Plakate. Die Ergebnisse einer Feldstudie zeigten, dass diskriminierende Wahlkampagnen in der Lage sind, bei den Mitgliedern der betreffenden Fremdgruppen einen sogenannten Stereotype-Threat-Effekt auszulösen. Dabei werden negative Kompetenzstereotype aktiviert, die zu erhöhten Ängsten führen, dieses Stereotyp zu erfüllen. Dadurch werden kognitive Ressourcen geraubt, was wiederum das Stereotyp bestätigt und in eine schlechtere Leistung bei den entsprechenden Aufgaben mündet (vgl. Schnepf 2020: 6).

Des Weiteren verweist Schnepf darauf, dass rechtspopulistische Wahlkampfaussagen bestehende Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen hervorheben. Dies führt dazu, dass Vorurteile und Stereotype zum Leben erweckt werden. Bei Personen der ausgegrenzten Fremdgruppen führt dies zu einer emotionalen Belastung und einem Distanzierungseffekt. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass die diskriminierenden Gruppen sich weniger mit dem Einwanderungsland identifizieren und somit die Integration erschwert wird.

„Letztlich kann die rechtspopulistische Rhetorik auf diese Weise zu einem Teufelskreis von Diskriminierung und sich selbst erfüllender Prophezeiung beitragen.“ (Schnepf 2020: 7).

Ansätze gegen die destruktiven Effekte rechtspopulistischer Rhetorik

Im Fazit geht Schnepf auf Ansätze ein, die den destruktiven Effekten rechtspopulistischer Rhetorik entgegenwirken. Dabei nennt sie die Medien, die politischen Kontrahenten und die Rezipient*innen. Aufgrund der zugrundeliegenden Funktionslogik haben Medien ein intrinsisches Interesse an verbalen Attacken, Skandalen und politischen Debatten, die ggf. entgleisen. Jedoch haben Medien, aber auch die politischen Kontrahenten, eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, wodurch ihnen die Aufgabe zukommt, rechtspopulistische Rhetorik aufzudecken.

Des Weiteren können sprachreflexive Diskurse ein Gegengewicht zum populistischen Schlagabtausch darstellen, wodurch rechtspopulistische Akteure geschwächt werden können. Die Kontrahenten können zudem mit inklusiven politischen Gegenentwürfen ein Klima schaffen, dass die Diskriminierung und Vorurteilsbildung gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen abschwächt.

Schnepf macht deutlich, dass dadurch dem populistischen Teufelskreis der Ursache-Wirkungs-Umkehr der Boden entzogen werden kann. Ebenso kommt auch den Rezipient*innen eine Verarbeitungsverantwortung zu. Dabei geht es darum, Aussagen zu prüfen und kritisch zu hinterfragen sowie ein Bewusstsein für rechtspopulistische Argumentationsstrategien zu entwickeln (vgl. Schnepf 2020: 7).

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