Mittwoch, 21. Juli 2021

Wer wählt die AfD?

In diesem Beitrag stellt Samuel Schaumann folgenden Aufsatz vor:

Hambauer, Verena / Mays, Anja (2018): Wer wählt die AfD? – Ein Vergleich der Sozialstruktur, politischen Einstellungen und Einstellungen zu Flüchtlingen zwischen AfD-WählerInnen und der WählerInnen der anderen Parteien; in: Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft 12, S. 133-154, online unter: https://doi.org/10.1007/s12286-017-0369-2.

Der Aufsatz thematisiert die Wählerschaft der AfD und vergleicht deren Einstellungen und soziodemographische Daten mit der Anhängerschaft der etablierten deutschen Parteien anhand von Umfragedaten. Dabei werden insbesondere Differenzen bezüglich der Flüchtlingsthematik, den Ängsten und der Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik herausgestellt. Außerdem werden die unteren Gesellschaftsschichten als besonders bedeutende Gruppe unter den AfD-WählerInnen ausgemacht (vgl. S. 133).
 
Einleitend beschreiben die Autorinnen die inhaltliche und programmatische Verschiebung der Partei von zunächst primär europakritischen Positionen hin zum Schwerpunkt der Islam- und Zuwanderungskritik. Im Zuge der „Flüchtlingskrise“ konnte die AfD mit dieser umstrittenen Haltung zunehmend WählerInnen für sich gewinnen und viele Wahlerfolge verzeichnen. Bezüglich der politischen Einordnung der Partei herrsche noch Uneindeutigkeit, doch eine rechte Ausrichtung werde allgemein als zutreffend anerkannt.
 
Mit einem Verweis auf das Grundsatzprogramm der AfD vom Mai 2016, welches beispielsweise den Erhalt der abendländischen christlichen Kultur fordert, wird ein nationalkonservatives Weltbild bescheinigt. Ein besonderer Fokus des Aufsatzes liegt auf dem Thema der Geflüchteten und deren Wahrnehmung durch die WählerInnen im Sinne einer differenzierten Betrachtung, was durch zuwanderungskritische und auch zuwanderungsfeindliche Positionen der AfD begründet wird (vgl. S. 134f.).

Dann gehen Hambauer und Mays auf die bisherigen empirischen Befunde zur AfD und deren Wählerschaft ein. Die AfD mit ihrer ursprünglich primär europakritischen Ausrichtung konnte nicht als radikal eingestuft werden und die WählerInnen wichen speziell in Einstellungen bezüglich der EU von AnhängerInnen anderer Parteien ab. Im Jahr 2013, als die AfD noch als bürgerliche Partei galt, konnte ein typischer AfD-Wähler wie folgt beschrieben werden: männlich, selbständig, wohlhabend, mit hohem sozialem Status, marktfundamentalistisch und nationalkonservativ. Die finanzielle Unterstützung für andere EU-Staaten lehnten sie mehrheitlich ab und die Immigration wurde negativ bewertet, was unter anderem zur Wahl der AfD führte.
 
Auch im Jahr 2016 ist die Zustimmung unter männlichen Wählern auffallend, während jedoch zunehmend geringere Bildung, niederer sozialer Status sowie eine Verjüngung der AfD-WählerInnen zu beobachten waren. Außerdem konnte hinsichtlich der Landtagswahlen 2016 festgestellt werden, dass die zentrale Rolle der Flüchtlingspolitik und eine ablehnende sowie sorgenvolle Haltung bezüglich der Immigration für die WählerInnen äußerst relevant waren. Im Vergleich zur gesamten Bevölkerung ließ sich eine deutlich stärkere rechte Gesinnung erkennen und über ein Viertel der AfD-WählerInnen konnten als rechtsextrem eingestuft werden (vgl. S. 135-137).

Als Grundlage der folgenden Analysen dient eine Erhebung im Rahmen der German Longitudinal Election Study (GLES) vom Juni 2016 in Form einer Online-Befragung. Aufgrund der erheblich unterschiedlichen Wahlergebnisse in Ost- und Westdeutschland hinsichtlich des Erfolgs der AfD werden die WählerInnen auch vor dem Hintergrund dieses Aspektes miteinander verglichen, was zum Teil deutliche Unterschiede bezüglich der Einstellungen und Sozialstruktur sichtbar werden lässt (vgl. S. 140-142).

So unterscheiden sich die Wählerschaften der AfD in Ost und West bei den Faktoren Geschlecht, Alter, Berufsgruppe, Bildungsabschluss und Einkommen signifikant. Im Osten sind AfD-WählerInnen weniger männlich, jünger und häufiger Arbeiter als im Westen Deutschlands. Außerdem sind AfD-WählerInnen im Osten formal gebildeter und verfügen über weniger Einkommen. Doch der allgemein hohe Anteil an Arbeitern innerhalb der Wählerschaft und weitere einschlägige Befunde führen die Autorinnen zu folgender Zwischenbilanz:
„Gerade in Bezug auf die subjektive Schichteinstufung kann insgesamt der Befund bestätigt werden, dass sich die AfD-Wählerschaft zunehmend aus den unteren Schichten rekrutiert und nicht unbedingt von der „Partei der Besserverdienenden“ gesprochen werden kann.“ (S. 142)
Anschließend wird die Wählerschaft der AfD hinsichtlich der Flüchtlingsthematik und einschlägigen Haltungen und Positionen beleuchtet. Als Partei, die von der „Flüchtlingskrise“ profitieren konnte, zieht sie insbesondere zuwanderungskritische WählerInnen an. So zeigt die Studie, dass beinahe die gesamte Wählerschaft der AfD weniger Flüchtlinge aufnehmen würde, während dies bei den anderen Parteien rund die Hälfte der AnhängerInnen befürwortet. Außerdem erkennt lediglich eine Minderheit der AfD-WählerInnen politische und ethnische Verfolgung sowie wirtschaftliche Probleme als legitime Aufnahmegründe an.
 
Hinsichtlich der Auswirkungen von Immigration sind AfD-WählerInnen äußerst pessimistisch und ängstlich eingestellt. Sie halten die große Zahl an aufgenommenen Flüchtlingen für nicht zu bewältigen und nur sehr wenige können Vorteile durch Zuwanderung ausmachen. Des Weiteren wird ersichtlich, dass AfD-Wählerinnen sich schlechter informiert und zugleich stärker betroffen fühlen von der „Flüchtlingskrise“. Diese beiden Aspekte treffen verstärkt auf die Wählerschaft im Osten zu (vgl. S. 142-145).

Weiterhin auffallend sind „die hohen Angstwerte der AfD-WählerInnen“ (S. 145) in vielen verschiedenen Bereichen, insbesondere angesichts der zukünftigen privaten und politischen Entwicklungen. Bedeutende Unterschiede werden im Bereich des persönlichen politischen Interesses der WählerInnen beschrieben. So zeigt die Studie ein großes politisches Interesse bei UnterstützerInnen der AfD, die zudem angaben, politische Themen als nicht zu komplex zu empfinden. Da dies angesichts des geringeren Bildungsstandes und der grundsätzlich parteifeindlichen Haltung der AfD-WählerInnen als überraschend angesehen wird, zeigen die Autorinnen folgende Erklärungsmöglichkeit auf:
„Dieser Befund könnte die These unterstützen, dass die AfDler eigentlich ein negatives Bild von Parteien und Politik haben und erst jetzt politisiert wurden. So gesehen passt die aktuelle Wählerschaft sehr gut zur Partei, die selbst ein Image als „Anti-Establishment-Partei“ pflegt.“ (S. 147)
Nachfolgend wird ein Modell vorgestellt, welches anhand der vorausgehenden Analysen aufzeigt, welche Einstellungen und Sozialstruktur die Wahl der AfD begünstigen können. Dabei heben die Autorinnen die individuelle Haltung zur Flüchtlingsthematik als zentralen Faktor hervor:
„Am deutlichsten erhöht sich die AfD-Wahl, wenn Flüchtlinge eher als Nachteil und als für Deutschland schwer zu verkraften wahrgenommen werden. Fühlen sich die Menschen schlecht informiert, steigt ebenfalls die Wahrscheinlichkeit für die AfD-Wahl.“ (S. 148)
Die Unzufriedenheit mit der aktuellen Demokratie und eine politisch rechte Gesinnung werden ebenfalls als Gründe zur Unterstützung der AfD markiert. Wie an früheren Studienergebnissen deutlich wird, scheint die rechte Einstellung von WählerInnen mit der inhaltlichen Entwicklung und Neuausrichtung der Partei zunehmend relevanter geworden zu sein (vgl. S. 148-150).

Als soziodemographischer Aspekt wird das männliche Geschlecht als ein kontinuierlich einflussreicher Faktor herausgestellt, da weiterhin deutlich mehr Männer als Frauen die AfD wählen. Die wirtschaftliche Lage, das Alter und die Bildung der WählerInnen werden dagegen als unbedeutende Faktoren bewertet (vgl. S. 150).

Abschließend werden politische Aspekte skizziert, an welchen angesetzt werden sollte, um den rechtspopulistischen Aufstieg aufzuhalten. So müsse in der Sozialpolitik mehr investiert werden, um insbesondere unteren Gesellschaftsschichten politische Lösungen hinsichtlich Gerechtigkeitsfragen anzubieten und somit den vermeintlichen alternativen Lösungen der Rechtspopulisten entgegenzutreten. Außerdem wird eine transparentere Information über Integrationskonzepte und konkrete Herangehensweisen der Politik gegenüber allen BürgerInnen gefordert.
„Für die Zukunft wäre es wichtig, die Motive der AfD-affinen Personen auch mit Kombinationen aus qualitativen und quantitativen Methoden zu betrachten, um so den Beweggründen, Sorgen und Ängsten tiefer auf den Grund zu gehen.“ (S. 151)

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