Freitag, 9. Juli 2021

Radikalisierung des Rechtspopulismus: Von Wut zu Hass

In diesem Beitrag stellt Melina Keck folgenden Aufsatz vor:

Quent, Matthias (2017): Rechtspopulismus und Radikalisierung: wenn Wut zu Hass wird; in: Bürger & Staat 1/2017, S. 55-62, online unter: https://www.buergerundstaat.de/1_17/rechtspopulismus.pdf#page=57.

Matthias Quent beschäftigt sich in seinem Aufsatz damit, welche Wege vom Rechtspopulismus zur rechten Radikalisierung führen. Dabei beleuchtet er zunächst den Unterschied zwischen Rechtspopulismus und popularisiertem Rechtsextremismus. Des Weiteren richtet er seinen Blick auf die aktuelle Situation in Deutschland und fragt nach einer Normalisierung des Rechtspopulismus.

Im Zuge dessen leitet er von Parteien wie der AfD und dazugehörigen Politikern wie Björn Höcke über zu völkischen Ideologien im Rechtspopulismus, definiert die Begriffe Wut- und Hassbürger und leitet dazu über, wie all dies zu Gewalt gegen Minderheiten führt. Zuletzt spricht Quent über den dem Rechtspopulismus innewohnenden Pseudokonservatismus und endet dann seinen Aufsatz mit einem Appell an die Bevölkerung, sich „gegen den Hass“ (S. 60) zu wehren.

„Der Schirmbegriff des (Rechts-)Populismus wird im öffentlichen Diskurs unspezifisch genutzt, um eine Vielzahl von inhaltlich und strategisch unterschiedlich agierenden politischen Erscheinungen zu klassifizieren“ (S. 55)

Gleich zu Beginn wird klar, welche Position der Autor zum Begriff Populismus als Ganzes einnimmt. Um zu klären, wo die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen Rechtspopulismus und popularisiertem Rechtsextremismus liegen, definiert er Populismus. Populismus konstruiere eine „nicht-existente ethnisch-nationale Reinheit“ (S. 55), welche gegen diejenigen zu verteidigen sei, die diese „Reinheit“ gefährden. Hierbei zieht Quent das Grundgesetz heran, gegen welches der Populismus nach dieser Definition sprechen würde. Er verweist auf den ersten Absatz.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (§ 1 Absatz 1 Satz 1 BGB)

Alle Menschen sind gleichwertig und wer jemandem das Recht zu existieren abspreche oder dies infragestelle, egal welche Position jemand einnehme - „ob links, Mitte oder rechts“ (S. 56) - stehe mit dem Grundgesetz und dessen Werte in Konflikt. Quent zeigt hierbei die Parallelen zum Nationalsozialismus, in welchem „die Vorstellung von der Ungleichheit der Menschen […] die rassentheoretisch legitimierte ideologische Grundlage“ (S. 56) war. All dies würde sich in der „Neuen Rechten“ wiederfinden, so ist es demnach auch wichtig, eben dieses rechte Denken auch als rechtsextrem zu bezeichnen und „nicht immer im Containerbegriff des Rechtspopulismus bequem Zuflucht zu suchen“ (S. 56).

Es muss jedoch angemerkt werden, dass sich Quent davon distanziert, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus gleichzusetzen. Er sieht es dennoch als Problem, dass sich gemeinsam mit dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien in diesen oft auch eben dieser rechtsextreme Flügel wiederfinden lasse (vgl. S. 56). Dabei zieht er die Partei AfD (Alternative für Deutschland) und den seiner Aussage nach rechtsextremen "Flügel" der Partei rund um den Politiker Björn Höcke als Beispiel heran. Quent sieht als Problem, dass „in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und Wutbürgertum der Rassismus und seine politisierte Form – der Rechtspopulismus […] - nicht mehr beim Namen genannt werden“ (S. 56).

Im Jahr 2017 zog die AfD in den Deutschen Bundestag ein und zeigt damit, welchen Anklang sie bei den Bürgern findet. Die heute für ihren Rechtspopulismus bekannte Partei oder auch die Bewegung PEGIDA „traten [jedoch] nicht in Erscheinung aufgrund allgemeiner Politikverdrossenheit oder weil der Rechtspopulismus eben zu europäischen Demokratien gehört“ (S. 56). Sie seien als Antwort auf die Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise entstanden. Dennoch sei es von Parteigründer Bernd Lucke strategisch geplant worden, nach der Gründung der AfD eben auch Wähler aus der rechten Szene zu gewinnen (vgl. S. 56).

„Dass die AfD als rechts und als populistisch einzuschätzen ist, zweifelt heute kein Beobachter ernsthaft an. Doch das ist unpräzise. Seit der Spaltung der AfD beim Parteitag von Essen sind Teile der AfD als extrem rechts mit populistischem Stil zu charakterisieren. Dies trifft nicht auf alle Mitglieder, Sympathisanten und das verschriftliche Programm […] der Partei zu“ (S. 57)

Laut Quent finden sich viele völkische Fragmente im Auftreten der Partei wieder. In einer Rede spricht der AfD Politiker Björn Höcke von Selbstbestimmung, von „nummerischer Überlegenheit […] im eigenen Land“ (Höcke 2015). Die Überlegenheit würde bedroht werden, durch die Migrationsbewegung nach Deutschland. „Selbstbestimmung der Völker“ sei eine im 19. Jahrhundert entstandene „nationalistische Kampfparole“ (S. 57). Das Argument der Selbstbestimmung diente in dieser Zeit als Begründung für Homogenität „und Homogenität heißt immer die Ausweisung oder Unterdrückung von Minderheiten“ (S. 57).

Doch nicht nur hier sorgte Höcke mit seinen von völkischen Ideologien geprägten Reden für Aufsehen. In einem Auftritt beim extrem rechten „Institut für Staatspolitik“ im Dezember 2015 vertrat er biologistische Rassentheorien und sprach von „Heimatrecht“ - Ideologien, die sich im Wahlprogramm der offenkundig rechtsextremen Partei NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) wiederfinden lassen (vgl. S. 57). Doch während diese vom Verfassungsschutz beobachtet und Parteiverbotsverfahren gegen sie angestrengt wurden, wird die AfD kaum zur Rechenschaft gezogen. Die AfD schafft es, die rechts eingestellte Bevölkerung ohne Konsequenzen weiter zu radikalisieren, welche laut eines Befundes etwa zehn bis zwanzig Prozent ausmachen (vgl. S. 58).

„Menschenfeindliche und antidemokratische Einstellungen [sind] in großen Teilen der Gesellschaft bundesweit anzutreffen […] [was] in den letzten Jahrzehnten mit erschreckender Regelmäßigkeit bestätigt [wurde]“ (S. 58)

Quent beleuchtet hierzu die Begriffe Wut- und Hassbürger - Begriffe, die in den letzten Jahren immer häufiger als Synonym für „diffuses Protestverhalten“ (S. 58) verwendet wurden. Dabei spielt nicht immer der Rechtspopulismus eine Rolle. Ob Stuttgart 21 oder Pegida, „Wutbürger“ sind „Demonstranten aus dem bürgerlichen Milieu, die sich kollektiv mit unkonventionellen Mitteln öffentlich artikulieren“ (S. 58). Doch Wut könne schnell in Hass umschlagen. Gerade populistische Proteste würden einen guten Nährboden bieten, um Wut in Hass umzuwandeln, um diesen Hass dann „zu kanalisieren, zu bündeln, zu politisieren und zu instrumentalisieren“ (S. 59). Dies führt dazu, dass Minderheiten als Sündenböcke oder Ventil für Unzufriedenheit und dem daraus resultierenden Hass genutzt werden (vgl. S. 59).

„Ich krieg‘ 500 Euro Rente und so ein Moslem kriegt 670. Haben wir nicht genug Probleme in Deutschland? Ich bin voller Hass! Die müssen weg!“ (AfD-Demonstrantin in Erfurt, ZDF-Morgenmagazin vom 29.10.2015).

Nicht selten schlägt dieser Hass in Gewalt um. Quent vertritt hier die Meinung, dass Gewalt und Rechtspopulismus zusammengehören, und zitiert die Forschergruppe des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung um Andreas Zick.

„Die vermeintlich klare Abgrenzung gegen Gewalt ist Augenwischerei. Wer rechtspopulistische Einstellungen vertritt, billigt mit einiger Wahrscheinlichkeit auch Gewalt zur Absicherung des eigenen Status. Gewalttätig sind letztlich immer nur wenige Personen, in der Regel junge Männer mit geringerer Bildung. Aber Anstoß zur Gewalt geben viele andere, die diese Gewalt mittragen und befeuern“ (S. 60).

Im Zuge rechtspopulistischer Proteste würden aber nicht nur Minderheiten Opfer von Gewalt, sondern auch Gegendemonstranten, Forschende und Journalisten. Doch vor allem richte sich die Gewalt gegen geflüchtete Menschen (vgl. S. 60). Gerade im Zuge der Migrationsdebatte steige die Wut der Rechten und ihr Handlungsdruck. Dessen bedienen sich rechtspopulistische Parteien wie die AfD. Quent verweist hier auf einen Brief von Höcke, in welchem er vom Verschwinden des „Vaterlandes“ schreibt und „wahre Patrioten“ anspricht (vgl. S. 60). Dieser scheinbare Konservatismus, den Quent hier als Pseudokonservatismus bezeichnet, dient lediglich dazu, den innewohnenden „Fanatismus“ und die „Angst vor einer unmittelbar bevorstehenden politischen Katastrophe“ (S. 60) zu maskieren und zu rechtfertigen.

„Der Pseudokonservative […] ist ein Mann, der im Namen traditioneller Werte und Institutionen und zu ihrer Verteidigung gegen mehr oder weniger fiktive Gefahren bewußt oder unbewußt danach trachtet, sie abzuschaffen“ (S. 60)

Zuletzt appelliert Quent an die Bevölkerung, trotz der Normalisierung den Rechtspopulismus und damit einhergehender „völkischer, nationalsozialistischer und gewaltbilligender Ideologien“ (S. 60) nicht zu akzeptieren. Das Erstarken der Rechtspopulismus sei ein klarer Kampf gegen die „Durchsetzung des Liberalismus in der Alltagswelt der Menschen“ (S. 60). Die Rechtspopulisten empfinden sich seit einer langen Zeit wieder mächtig, „doch so lange sich die demokratischen Kräfte in Politik, Kultur, Medien, Zivilgesellschaft und Wissenschaft nicht zur Aufgabe demokratischer Werte hinreißen lassen, können die Rechten nicht triumphieren“ (S. 61).

Der Autor sieht diejenigen, die sich dem Rechtspopulismus anschließen und den Pseudokonservativen verfallen, auf der Seite der Verlierer, wo sie Bestätigung für ihre paranoide Wahrnehmung von scheinbarer Bedrohung finden können. Doch von Gewalt machten nicht alle von ihnen Gebrauch.

„Zu vigilantistischen Terroristen werden, wie zahlreiche Studien zeigen, jene radikalisierten Verlierer der Sozialstruktur, denen die Demagogen einreden, sie besäßen aufgrund von Äußerlichkeiten wie ihrem Geschlecht, ihrer ethnischen oder nationalen Herkunft Privilegien und Ansprüche gegenüber Frauen, Homo- oder Transsexuellen, Dazukommenden oder anderen „schwachen“ Gruppen“ (S. 61)

Dieser Begriff des vigilantistischen Terrorismus beschreibe diese Form der Selbstjustiz aus der „Mehrheitsgesellschaft gegen Angehörige marginalisierter Gruppen“ (S. 59).

„Gegen den Hass helfen Haltung, permanente Gegenrede, Aufklärung und Solidarität“ (S. 61)

Zitierte Internetquelle:
Höcke, Björn (2015): Reden Demos. Internetseite Alternative für Deutschland. Landesverband Thüringen. Online unter: http://afd-thueringen.de/reden/.

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