Mittwoch, 14. Juli 2021

Geschlechterpolitik von SVP und FPÖ im Vergleich

In diesem Beitrag stellt Simon Casacchia folgenden Aufsatz vor:

Geden, Oliver (2004): Die Männerparteien - Geschlechterpolitische Strategien im österreichischen und schweizerischen Rechtspopulismus; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 46/2004, S. 24-30, online unter: https://www.bpb.de/apuz/27985/maennerparteien?p=all.

Geden untersucht in seinem Artikel die Rolle der Geschlechterpolitik innerhalb des Rechtspopulismus (Zeitpunkt: 2004!) am Beispiel der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Zu Beginn macht er deutlich, dass in der gegenwärtigen politischen Situation die Thematik der Gleichstellung zwischen Mann und Frau allgegenwärtig sei und auch von so gut wie keiner Partei öffentlich in Frage gestellt werde. Jedoch gebe es Ausnahmen und bei diesen Ausnahmefällen handle es sich um Akteure, welche dem Rechtspopulismus angehören (vgl. Geden S. 24). Weiter führt er aus, dass Parteien innerhalb des Rechtspopulismus überwiegend von männlichen Akteuren geprägt seien:

„In den entsprechenden Organisationen, etwa der italienischen Lega Nord, dem französischen Front National oder dem belgischen Vlaams Blok, sind Männer weitgehend unter sich. Die unangefochten agierenden Parteiführer sind männlichen Geschlechts, die Frauenanteile in den Parteigremien, unter den Mandatsträgern sowie innerhalb der Mitgliedschaft liegen zumeist weit unter dem Durchschnitt der jeweiligen Länder. Zugleich erhalten rechtspopulistische Parteien ihre Stimmen mehrheitlich von Männern“ (Geden S. 24).

Geden führt weiter aus, dass beide Parteien, also die SVP und die FPÖ, zwar ein traditionelles Geschlechterrollenverständnis an den Tag legen, sich aber in einigen Punkten in ihren Anschauungen deutlich unterscheiden (vgl. Geden S. 24).

Zur allgemeinen Situation oder Praxis von rechtspopulistischen Parteien erläutert er, dass diese sich zwar eher um Themen wie „innere Sicherheit“ oder „Einwanderung“ kümmern, jedoch die Tendenz aufweisen, in allen relevanten politischen Themen mitwirken zu wollen. In welchem Ausmaß dies aber für die Geschlechterrollen gilt, hängt nach Geden davon ab, inwieweit sich Geschlechterrollen mit rechtspopulistischen Stereotypen verknüpfen lassen und ob die Thematik in das Bild der Partei passt.

Zudem essenziell sei, dass die Thematiken rechtspopulistischer Parteien sich in das Narrativ der einzig wahren Volksvertretung und Eliten-Kritik einpflanzen lassen. Die Gegenüberstellung von Volk und Eliten ziehe sich durch geradezu alle Themenbereiche, damit diese ihre politische Wirkung entfalten könne, müssten diese auf Alltagserfahrungen und Alltagswissen der potenziellen Wähler*innen zurückgreifen (vgl. Geden S. 24f). Geschlechterpolitische Fragen würden sich nur bedingt für die Praktiken rechtspopulistischer Parteien eignen:

„Der Gegensatz von Volk und Elite kann in diesem Politikfeld nicht sehr stark konturiert werden, auch eignet es sich nur bedingt für öffentlichkeitswirksame Provokationen oder das Schüren von Ängsten. Dieses Politikfeld zählt außerdem nicht zu jenen mit einem Höchstmaß an medialer Aufmerksamkeit, es sei denn, es gelingt eine thematische Verknüpfung mit klassischen, rechtspopulistischen Themen, etwa in der diskursiven Verbindung von Familien- und Zuwanderungspolitik.“ (Geden S. 25)

Jedoch würde die Transformation der Geschlechterverhältnisse durch Verunsicherungen, bedingt durch die sich ändernden Geschlechterrollen, eine Chance für identitätspolitische Aspekte mit sich bringen. Geden schlussfolgert, dass die Thematisierung der Geschlechterollen also davon abhängt, welche Position andere Parteien vertreten (rechtspopulistische Parteien wollen sich von diesen abheben), welche Themen auf der politischen Agenda stehen und aus welchen Bevölkerungsschichten rechtspopulistische Parteien versuchen, ihre Wähler*innen zu gewinnen (wollen die rechtspopulistischen Parteien „Männerparteien“ bleiben oder zunehmend auch Frauen in ihre Zielgruppe integrieren?) (vgl. Geden S. 25).

Im weiteren Verlauf seines Aufsatzes, beschreibt Geden die Position der SVP zu den Geschlechterrollen. Dazu zitiert er deren Wahlprogramm:

„Über Gleichstellungsbüros, Frauenbeauftragte und Forschungsstellen für Gender Studies (Geschlechterstudien) mischt sich der Staat immer mehr in die Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau ein und versucht zu regulieren. (…) Die SVP lehnt diese Einmischung in die Familie ab und fordert die Abschaffung dieser Institutionen. Jede Familie soll eigenverantwortlich entscheiden, wer welche Aufgaben übernimmt. Es ist nicht Aufgabe des Staates, hier einzugreifen und Männer wie Frauen in bestimmte Rollen zu zwingen“ (SVP Schweiz, Wahlprogramm S. 24).

Die SVP erhebe den Anspruch, als einzige Partei sich wirklich den Interessen des Volkes zu widmen, zudem wirft sie ihren Gegnern teilweise Verrat am bürgerlichen Lager vor. Ihre Stellung zur Geschlechterpolitik artikuliere die SVP auf der Grundlage von Kritik gegenüber den anderen Parteien. Die eigenen Vorstellungen rücken dabei jedoch in den Hintergrund, es werden eher verbundene Aspekte der Finanz- und Sozialpolitik kritisiert. Zudem postuliere die SVP häufig, der Staat würde sich zu sehr in die Angelegenheiten der Familie einmischen, Geden spricht hierbei von der Diskussion des Verhältnisses von Individuum und Staat (vgl. Geden S. 26f).

Die SVP lehnt die Bezuschussung von Frauenprojekten ab und bezeichnet diese als „Randgruppenförderung“. Ebenfalls abgelehnt wird die Förderung der Familie: Diese sei zwar zu würdigen, nicht aber finanziell oder anderweitig zu fördern. Innerhalb der Familie sollen nach der SVP Männer und Frauen selbst bestimmen, wer welche Aufgaben übernimmt, es stehe dabei nicht im Aufgabenbereich des Staates zu intervenieren. Durch die wiederkehrende Betonung der Eigenverantwortlichkeit wird nach Geden der Standpunkt der SVP deutlich, welcher darin besteht, Frauenerwerbstätigkeit als nicht wünschenswert zu betrachten und Vereinbarkeitsprobleme nicht zu politisieren (vgl. Geden S. 27).

Auch die Ausführungen zur FPÖ beginnt Geden mit einem Zitat, das deren Position deutlich machen soll:

„Politik für Männer ist keine Politik gegen Frauen, sondern im Gegenteil Politik, die beide Geschlechter vereinen und die Interessen beider (…) positiv zusammenführen soll. All jene, die versuchen, eine Parteinahme für die Interessen der Männer gegen die Wahrnehmung von Fraueninteressen auszuspielen, haben leider übersehen, dass eine vernünftige Geschlechter- und Emanzipationspolitik nur dann erfolgreich gestaltet werden kann, wenn beide Geschlechter aktiv daran mittun und die Politik beiden Geschlechtern Gerechtigkeit widerfahren lässt“ (Haupt 2001, S. 3).

Im Gegensatz zur SVP möchte die FPÖ die Thematik um die Geschlechterrollen nicht nur passiv behandeln, sondern attraktiver für die weibliche Wählerschaft werden, so Geden. Dieser Annahme liegen die Aussagen von Jörg Haider zugrunde, welcher im Jahr 1999 dafür plädierte, das Image der FPÖ als Männerpartei abzulegen und verstärkt „weiche Themen“ aus der Bildungs,- Familien- und Frauenpolitik zu thematisieren (vgl. Geden S. 28).

Die FPÖ setzte hierbei auf eine Neutralisierung des Themenfeldes, es solle sich auf die wahren Probleme der Frauen bezogen werden, anstatt aggressiv gegen Männer vorzugehen. Die FPÖ verlagere die Aspekte der Frauen- und Männerpolitik in den Bereich der Familienpolitik, in welcher die Frau jedoch die Rolle der klassischen Mutter übernimmt und Familienarbeit ausübt. Dies versuche die FPÖ beispielsweise mit der Einführung von Kindergeld zu erreichen. Durch dieses habe die Frau nämlich die Möglichkeit, ohne finanzielle Sorgen zu Hause zu bleiben und sich um die Kinder zu kümmern (vgl. Geden S. 28f).

Zitierte Literatur

  • Herbert Haupt, Begrüßung, in Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (Hrsg.), Der gebrauchte Mann? Männliche Identität im Wandel, Wien 2001, S. 3
  • SVP Schweiz, Wahlprogramm 2003 bis 2007, Bern 2003, S. 24

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