Donnerstag, 22. Juli 2021

Abstiegsängste als Ursache für Rechtspopulismus

In diesem Beitrag stellt Eva Birkmeyer folgenden Text vor:

Kohlrausch, Bettina (2018): Abstiegsängste in Deutschland: Ausmaß und Ursachen in Zeiten des erstarkenden Rechtspopulismus, Working Paper Forschungsförderung, Nr. 058, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, online unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:101:1-2018040415754.

Die Autorin versucht in dem Paper, vor dem Hintergrund des Wahlerfolges der AfD in der Bundestagswahl 2017 die Frage zu beantworten, worin die Ursachen von sozialer Verunsicherung und Ängsten vor einem möglichen sozialen Abstieg liegen. Sie analysiert mithilfe von mehreren Befragungen die These, dass soziale Verunsicherung und Ängste ein wichtiger Treiber der AfD-Wahl seien. Sie beschreibt, dass das Erstarken der AfD häufig mit einer zunehmenden sozialen Spaltung der Gesellschaft erklärt wird. In Deutschland wurde laut Kohlrausch in mehreren Studien widerlegt, dass die AfD nur von einkommensschwachen und bildungsfernen Bevölkerungsgruppen gewählt wird. (vgl. S. 6).

In einem ersten Schritt erläutert sie, wie Abstiegsängste gemessen werden können. Sozialer Abstieg bedeutet ihrer Meinung nach eine Verschlechterung des sozialen Status. Abstiegsangst ist demnach die Angst vor genau dieser Verschlechterung. Wichtige Parameter seien hierbei laut Kohlrausch die „Berufsposition, der Bildungsabschluss und das Einkommen bzw. die finanzielle Situation“ (S. 8).

Abstiegsängste wurden bisher oft im Zusammenhang mit Ängsten um den Arbeitsplatz gemessen. Aus diesem Grund ist dieser Parameter wichtig für die erste Analyse in dem Paper von Kohlrausch. Hier wird untersucht, wie viele Sorgen sich die Menschen bezüglich ihres Arbeitsplatzes in Deutschland machen (sehr große Sorgen, große Sorgen, geringe Sorgen, gar keine Sorgen). Zum Zeitpunkt der Befragung (Ende 2016) machten sich ca. 25% der Befragten große oder sehr große Sorgen um ihre Arbeitsplatzsituation.

„Nimmt man die Sorge um eine Verschlechterung der finanziellen Situation als Basis der Erfassung von Abstiegsängsten, so lässt sich feststellen, dass diese je nachdem, welche Dimensionen von Abstiegsangst betrachtet werden, unterschiedliche weite Teile der Bevölkerung betreffen.“ (S. 9)

Festzustellen ist hierbei, dass die Sorgen um die Arbeitsplatzsituation in Ostdeutschland großer ist als in Westdeutschland. Eine Sorge um den Arbeitsplatz geht meist einher mit Sorgen um die finanzielle Situation. Nach zwei weiteren Befragungen bezüglich der Sorgen um die finanzielle Situation beschreibt Kohlrausch, dass sich „zusammenfassend festhalten lässt, dass sich die Abstiegsängste in verschiedenen Dimensionen abbilden lassen. Je nachdem welche Dimension man zu Grunde legt, sind zwischen 20 und 50 Prozent der wahlberechtigen Bevölkerung von Abstiegsängsten betroffen“ (S. 13). In einem weiteren Schritt untersucht Kohlrausch, welche Ursachen Abstiegsängste haben.

„Um die Frage nach den Ursachen der Abstiegsängste zu beleuchten, wird im Folgenden analysiert, in welchem Verhältnis Abstiegsängste zum Nettoeinkommen und der subjektiven sozialen Positionierung innerhalb der Gesellschaft stehen.“ (S. 15).

Hier wurde ein eindeutiger Zusammenhang erkannt. Es gilt: Je niedriger die subjektive soziale Einordnung, desto größer die Abstiegsängste. In einem letzten Schritt wird untersucht, wie Abstiegsängste mit Erfahrungen im Arbeitskontext zusammenhängen.

„Hier wird deutlich, dass Personen, die den Aussagen „Ich stecke in unsicheren Billigjobs fest“, „Durch Digitalisierung wird die Kontrolle und Überwachung an meinem Arbeitsplatz immer größer (…) zustimmen, in allen Gehaltsgruppen häufiger Abstiegsängste haben.“ (S. 18)

Im Fazit des Papers werden diese Befragungen und Analysen im Kontext mit dem Wahlerfolg der AfD und der These, dass Abstiegsängste ein wesentlicher Treiber der Entscheidung sind, die AfD zu wählen, untersucht.

„Auf den ersten Blick scheint dies dem Befund, dass auch Menschen höherer Gehaltsklassen und Bildungsgruppen AfD wählen, zu widersprechen, da man bei diesen Gruppen eher geringe Abstiegsängste vermutet“ (S. 22).

Betrachtet werden müssen laut Kohlrauch jedoch auch weitere Dimensionen von Abstiegsängsten. In diesem Zusammenhang beschreibt sie, dass diese Abstiegsängste auch in einem Gefühl von sozialer Verunsicherung resultieren können, das sich in den unteren sozialen Schichten mit einer möglichen schwierigeren materiellen Situation erklären lassen kann. Dieses Gefühl von sozialer Verunsicherung betrifft auch Menschen, die nicht unmittelbar mit einem sozialen Abstieg konfrontiert werden.

„Bei der Entstehung dieses Gefühls spielen Erfahrungen am Arbeitsplatz ,bspw. der Eindruck zunehmender Kontrolle der eigenen Arbeitsleistung, eine wichtige Rolle. Dieses eher diffuse Gefühl einer allgemeinen sozialen Verunsicherung macht sich die AfD zu Nutze“ (S. 23).

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