Mittwoch, 30. Juni 2021

Was heißt eigentlich Rechts(-populismus/-radikalismus/-extremismus)?

In diesem Kommentar versucht Stella Sauter, sich Klarheit über die Begrifflichkeiten zu verschaffen:

In vielen politischen Diskussionen, die ich mit meinen Mitmenschen führe, werden die Begriffe Rechts sein, Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus miteinander vermischt oder gleichgesetzt. Ich finde das problematisch, da es doch grundlegende Unterschiede zwischen den Gruppierungen gibt. Die Grenzen der verschiedenen Gruppen scheinen sich teilweise miteinander zu vermischen und gewisse Themen finden sich sowohl in der einen wie auch in der anderen Gruppierung wieder. Allerdings finde ich, wenn man über „rechte Gruppierungen“ sprechen möchte, dann darf man es sich nicht so einfach machen.

In diesem Text werde ich versuchen, einige Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppierungen zu erläutern. Es ist (m)ein Versuch, auch mir etwas mehr Klarheit zu verschaffen und Inhalte der Vorlesung in kurzer Form zusammenzufassen und zu sortieren.

Politisch Rechts. Mein Vater hat mir erzählt, dass es früher normal war, dass die Eltern des einen Linkswähler waren und die Eltern des anderen Rechtswähler. Links waren dann die Sozialdemokraten und Rechts die CDU, also völlig unproblematische und ohne jeden Zweifel durch und durch demokratische und pluralistische Parteien.

Rechts bezog und bezieht sich noch heute auf die Sitzordnung in der französischen Abgeordnetenkammer 1814. Vom Präsidenten aus gesehen saßen links diejenigen, die Änderungen der politischen und sozialen Verhältnisse forderten (Progressive), und rechts vom Präsidenten saßen die Parteien, die sich für den Erhalt gegenwärtiger gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse einsetzten (Konservative). Rechts war also nicht immer ein negativ konnotierter Begriff.

Heute sieht es anders aus. Rechts wird gleichgesetzt mit Rassismus, Nazis, Judenhass, Verschwörungstheorien und vielen negativen Dingen mehr. Aber was ist die politische Rechte? Die politisch Rechten vertreten konservative, bürgerliche Werte. Dazu gehört meist, dass sie Traditionen wertschätzen, für Privatwirtschaft und Wettbewerb sind und Freiheit als Freiheit von staatlichem Zwang und Bevormundung durch den Staat verstehen. Politisch Rechte sind Parteien wie die CDU und CSU und teilweise die FDP - alles Parteien, die nichts mit den oben genannten Themen zu tun haben.

Rechtspopulismus. Ein Wort, das oft benutzt wird und von wenigen klar definiert werden kann. Populus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Volk. Populistische Parteien sehen sich selbst als die einzigen Vertreter des Volkes. Unabhängig von Links und Rechts. Sie stellen immer die Systemfrage. Der Auffassung der Populisten nach kann man die politische Welt in zwei Lager aufteilen, auf der einen Seite "die korrupten Eliten" und ihr gegenüber "das reine, homogene Volk". Homogen ist ein wichtiges Schlagwort, ein Volk kann aber nicht homogen sein, sondern ist immer pluralistisch. Es gibt verschiedene Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen, Interessen und Eigenschaften. Diese Verallgemeinerung der Populisten ist also antipluralistisch zu interpretieren.

Themen der rechtspopulistischen Parteien sind Zuwanderung, die ihrer Auffassung nach eine Gefahr für die Gesellschaft darstelle, Korruption der Eliten, Sicherheit der Bürger (wobei das Thema Sicherheit eng mit dem Thema Zuwanderung verbunden ist, da die „Hauptursache“ der fehlenden Sicherheit die steigende Zahl der Migranten sei). Rechtspopulistische Parteien wären zum Beispiel die AfD in Deutschland oder der Front National in Frankreich.

Rechtsextremismus. Diesen Begriff zu fassen ist recht schwierig, da es bei den Rechtsextremen kein homogenes ideologisches Konzept gibt. Was man aber bestimmt sagen kann, ist, dass Rechtsextremisten klar antidemokratisch sind, sie fordern eine autoritäre Staatsform und lehnen die freiheitlich-demokratische Grundordnung ab. Sie sind der Meinung, dass über den Wert eines Menschen aufgrund seiner Ethnie, Nation oder Rasse entschieden werden könnte. Anstelle von Meinungsfreiheit und Parteienvielfalt fordern sie eine Volksgemeinschaft. Diese Volksgemeinschaft wäre extrem fremdenfeindlich. Aus Sicht der Rechtsextremen stellt jeder Nicht-Deutsche eine potenzielle Gefahr für die Deutschen dar und sollte aus diesem Grund nicht in Deutschland leben dürfen.

Interessant ist, dass diese von den Rechtsextremisten gewünschte Volksgemeinschaft nicht nur eine Gefahr für Ausländer und Minderheiten darstellen würde, sondern auch deutsche Bürger unterdrücken würde. Denn man müsste sich ihr bedingungslos beugen. Das Idealbild wäre also eine autoritäre, antipluralistische Gesellschaft. Rechtsextremisten sind rassistisch und antisemitisch. Außerdem versuchen sie oft, den Holocaust und die Verbrechen, die im "Dritten Reich" verübt wurden, zu rechtfertigen oder herunterzuspielen. Die Bezeichnungen rechtsradikal und rechtsextrem werden oft als Synonyme benutzt, und es ist schwer, den genauen Unterschied zwischen den beiden Begriffen ausfindig zu machen. Es scheint keine klaren Grenzen zu geben. Der bayrische Verfassungsschutz unterscheidet die Begriffe Radikalismus und Extremismus wie folgt:

„Bei „Radikalismus“ handelt es sich zwar auch um eine überspitzte, zum Extremen neigende Denk- und Handlungsweise, die gesellschaftliche Probleme und Konflikte bereits „von der Wurzel (lat. radix) her“ anpacken will. Im Unterschied zum „Extremismus“ sollen jedoch weder der demokratische Verfassungsstaat noch die damit verbundenen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung beseitigt werden“ (https://www.verfassungsschutz.bayern.de/ueberuns/service/glossar/extremismus-radikalismus/index.html).

Mir ist es wichtig, dass viele – gerade auch junge Menschen – genau über die Unterschiede informiert sind und nicht alles und jeden mit dem Stempel "Rechts" versehen. Denn „Rechts“ kann vieles sein. Spricht man von der politischen Rechte? Rechtspopulistischen Parteien? Rechtsextremen Gruppierungen?

Zu einer glaubwürdigen und starken Argumentation gehört dazu, sich auch die andere Seite genau anzusehen und sich mit der Thematik zu befassen. Wir müssen dazu in der Lage sein, die Dinge korrekt voneinander zu trennen. Oder würden Sie die CSU mit Neonazis in einen Topf werfen? Wenn wir uns nicht mit der Thematik auseinandersetzten, machen wir uns dessen schuldig, was wir den „Rechten“ immer vorwerfen – löchrige Argumente, Verallgemeinerungen und Verbreiten von Fehlinformationen.

Auch für mich war der Unterschied zwischen politisch rechten Parteien und Rechtsextremismus lange nicht klar, weil ich, sobald ich nur das Wort "Rechts" gehört habe, sofort die Kiste zugemacht habe. Fand mich dann häufig in Situationen wieder, in welchen ich zwar gute Argumente hätte bringen können, allerdings nicht ernstzunehmen war, da ich mich zu wenig mit der Thematik beschäftigt hatte.

Die Unterscheidung der verschiedenen rechten Parteien und Gruppierungen ist weitaus komplexer und sehr viel verstrickter, als ich es hier erklären könnte. Allerdings hoffe ich, dass ich mit meinem kurzen Text etwas zur Begriffsklärung beitragen und ein paar der grundlegenden Erkennungsmerkmale aufzeigen konnte.

Quellen

Ich bediene mich hauptsächlich meiner Aufschriebe aus der Vorlesung und den Notizen, die ich mir zu den Pflichtlektüren im Verlauf des Semesters gemacht habe.

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