Montag, 28. Juni 2021

Rechtspopulismus, Geschlecht und Sexualität

In diesem Beitrag stellt Viola Birk folgenden Aufsatz vor:

Sauer, Birgit (2021): Rechtspopulismus und Geschlecht im Internet: Wie rechtspopulistische Parteien Geschlecht und Sexualität verhandeln; in: Dorer J., Geiger B., Hipfl B., Ratković V. (Hrsg.): Handbuch Medien und Geschlecht, Springer VS, online unter: https://doi.org/10.1007/978-3-658-20712-0_38-1.

Der Aufsatz von Birgit Sauer beschäftigt sich mit dem Umgang und der Nutzung von Medien sowie der bedeutenden Rolle von Geschlecht und Sexualität in rechtspopulistischen Parteien. Die neuen sozialen Medien kreieren ambivalente Formen von Öffentlichkeit, wodurch Stimmen Gehör finden, die bislang ungehört blieben. Zudem wird spekuliert, dass durch die Kommunikation im Netz die traditionelle Geschlechterzuschreibung zurückgehen könnte, denn in der körperlosen Kommunikation kann das Geschlecht leicht verändert werden.

Jedoch zeigt nun die Netz-Kommunikation rechtsextremer AkteurInnen, dass die politische Öffentlichkeit im Internet „gestört“ ist, denn sie verbreiten rechtspopulistische, antifeministische, homophobe Inhalte in Verbindung mit Migrationsfeindlichkeit (vgl. Sauer 2021: S.2). Weiterhin beschreibt Sauer die Online-Medien als besonders geeignet für rechtspopulistische AkteurInnen, um ihre politischen Kommunikations- und Mobilisierungsstrategien zu beschleunigen. Geschlecht und Sexualität sind dabei zentrale Themen dieser politischen Strategien.

In vielen Ländern der Welt hatte, so Sauer, die Transformation liberaler Demokratien eine strategische Modernisierung rechtsextremer Parteien als rechtspopulistische Parteien und deren politischen Aufstieg zur Folge. Denn vor allem rechtspopulistische AkteurInnen nutzen zur politischen Kommunikation neben Plakaten und Flugblättern neue Kommunikationsplattformen wie Twitter, Facebook und vieles mehr, um ihre WählerInnen direkt anzusprechen (vgl. ebd.: S.3).

Hervorzuheben ist, dass rechtspopulistische Parteien in Europa schon sehr viel früher im Internet präsent waren als andere Parteien. Dies hat auch gute Gründe. Erstens sind Internet und soziale Medien kostengünstige Instrumente, um Reichweite zu erlangen. Zweitens vergrößert das Internet die potenzielle AnhängerInnenschaft.

Drittens erlauben die Online-Medien den rechtspopulistischen Parteien ungefilterte Aussagen und die Kontrolle über ihre Botschaften und die damit verbundene uneingeschränkte Verbreitung. Viertens stellen die Online-Medien eine direkte Verbindung zu den BürgerInnen her. Fünftens fühlen sich durch die Vielfalt der Medien wie Blogs, Bilder, Texte und Vlogs junge WählerInnen angesprochen, welche bevorzugt die Zielgruppe rechtspopulistischer Parteien darstellen. Sechstens wird durch die Online-Medien eine internationale Kooperation und Vernetzung von rechtspopulistischen Parteien ermöglicht (vgl. ebd.: S.3).

Als siebten und letzten Grund nennt Sauer die Anonymität und Distanziertheit der Online-Medien, welche „[…] ein perfektes Umfeld für die Organisation von Zustimmung zu den kontroversen Themen und antagonistischen Positionen rechtspopulistischer Parteien eines ‚Wir‘ gegen ‚die da oben‘ […], die ausgeschlossen bleiben sollen“ (Sauer 2021: S.3 f) bilden. Somit öffnet sich der Raum für sexistische, homophobe und rassistische politische Botschaften.

Grundsätzlich sind rechtspopulistische Parteien um die Modernisierung traditioneller Geschlechterbilder bemüht, wodurch eine weibliche Parteiführung legitimiert wird, denn sie setzen sich begrenzt für Geschlechtergleichstellung ein. Aus diesem Grund müssen vor allem die neuen Entwicklungen berücksichtigt werden. Denn nun dienen rechtspopulistische Geschlechter- und Sexualitätsdiskurse dazu, „[…] eine neue kulturelle Hegemonie als Basis politischer Herrschaft zu etablieren“ (ebd.: S.4).

Rechtspopulistische Kommunikationsinhalte unterscheiden sich von Land zu Land, aber überall sind Geschlecht und Sexualität von zentraler Bedeutung. Sauer schreibt, die Ungleichheit der beiden Geschlechter und das Beharren auf natürlicher Binarität der Geschlechter, auf komplementären Geschlechterrollen und Natürlichkeit des heterosexuellen Begehrens, sind zentrale Elemente. Homosexualität wird dabei als „abweichend“ identifiziert, Geschlechtergleichstellung, die Anerkennung sexueller Diversität sowie gleiche Rechte für Homosexuelle werden als Bedrohung wahrgenommen (vgl. Sauer 2021: S.5).

Dennoch werden im Umkehrschluss die eigenen Errungenschaften bezüglich der Geschlechtergleichstellung und die Anerkennung der Homosexualität als nationale Werte hervorgehoben, wenn es gegen die frauenverachtende und gewalttätige Kultur von MigrantInnen geht. Somit werden im Rechtspopulismus die Gleichgeschlechtlichkeit und Anerkennung von Homosexualität nur für die ‚Anderen‘ gefordert, während sie in der ‚Wir‘-Gruppe bereits als erreicht anerkannt werden. So werden die ‚Anderen‘ stigmatisiert und abgewertet (vgl. ebd.: S.5).

Nach Sauer werden in der rechtspopulistischen Kommunikation Geschlechter- und Sexualitätsdiskurse genutzt, um sexistische, homophobe und rassistisch-nationalistische Argumente zu verweben, um ein ‚Wir‘ herzustellen, das als Norm angesehen wird und zugleich ein ‚Anderes‘ konstruiert, das ausgeschlossen werden soll.

Weiterhin wird betont, dass rechtspopulistische Vorstellungen natürlicher Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität durch die ständige Kommunikation im Internet wiederholt, verstärkt und dadurch bekräftigt wird. Gleichzeitig werden andere konkurrierende Quellen und Ansichten dadurch ausgeblendet, zensiert oder falsch repräsentiert (vgl. ebd.: S.7).

Abschließend schreibt Sauer, dass diese „Geschlechter- und Sexualitätsthemen […] eine „moralische Panik“ [schüren], die durch unterschiedliche Bedrohungsszenarien unterfüttert wird – die Auflösung von […] Zweigeschlechtlichkeit, die Erosion der heterosexuellen Kleinfamilie sowie die dadurch entstehende Bedrohung von Männlichkeit, der Nation und des Staates“ (Sauer 2021: S.6). Dabei wird der Sexualitäts- und Geschlechterdiskurs in Online-Medien instrumentalisiert, um rechtspopulistische Themen strategisch für das Restaurieren traditioneller Geschlechter- und Sexualitätsverhältnisse zu nutzen und dadurch traditionell-autoritäre Konstellationen zu positionieren.

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