Mittwoch, 2. Juni 2021

EKRE - Rechtspopulisten in Estland

In diesem Beitrag stellt Sarah Bruder folgenden Aufsatz vor: 

Winkelmann, Rolf (2018): Eesti Konservatiivne Rahvaerakond – Rechtspopulisten in Estland; in: Zeitschrift für Parteienwissenschaften 24, 1/2018 (Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung), S. 14-21, online unter: https://mip.pruf.hhu.de/article/view/92/83.

Der Aufsatz von Rolf Winkelmann beschäftigt sich mit der in Deutschland weitgehend unbekannten rechtspopulistischen Partei Eesti Konservatiivne Rahvaerakond (EKRE) in Estland. Es wird der Frage nachgegangen, ob die Estnische Konservative Volkspartei eine rechtspopulistische Partei ist. Hierfür erläutert der Autor zunächst die Merkmale des Rechtspopulismus, um im Anschluss das Grundsatzprogramm der Partei zu analysieren.

Winkelmann verwendet für seine Definition des Rechtspopulismus hauptsächlich Ansätze von Cas Mudde. Zunächst erläutert er die Kernkonzepte von populistischen Parteien, um anschließend auf den Begriff des Rechtspopulismus einzugehen zu können. Populisten haben keine „harte Ideologie“ (S. 14), weshalb sie an anderen ideologischen Konzepten wie beispielsweise dem Nationalismus oder Nativismus anknüpfen. Sie besitzen ein manichäisches Weltbild, weshalb sie die Gesellschaft in zwei Gruppen einteilen. Auf der einen Seite gibt es "die korrupten Eliten", die über die Interessen der Menschen hinwegregieren und gegen das Volk arbeiten. Hieraus erklärt sich auch die verbreitete EU-Feindlichkeit in populistischen Parteien. Auf der anderen Seite steht das "unschuldige, reine und einfache Volk". Populisten identifizieren sich mit dem "wahren Volk". Sie sehen sich als die "Vertreter des Gemeinwillens" (S. 15) und fordern mehr Macht für das Volk.

Rechtspopulisten sind der Meinung, dass das "eigene Volk" Vorrechte gegenüber den vermeintlichen Fremden hat (Nativismus). Anhänger des Rechtspopulismus sind zum einen gegen "die korrupten Eliten" und zum anderen gegen ethnische Minderheiten und Immigranten. Diese würden den homogenen Nationalstaat bedrohen und beispielsweise für mehr Kriminalität verantwortlich sein. Die konstruierten Feindbilder richten sich häufig gegen Muslime, die für Probleme verantwortlich gemacht werden. Des Weiteren streben Rechtspopulisten nach einer kulturellen Homogenität. Der Fachbegriff hierfür heißt Ethnopluralismus. Ebenso verfolgen sie das Konzept einer protektionistischen Sozial- und Wirtschaftspolitik. Dies bedeutet, dass ausländische Anbieter auf dem Markt benachteiligt werden, um inländische Anbieter vor ausländischer Konkurrenz zu schützen.

Analyse des Grundsatzprogramms der EKRE

Winkelmann wertet bei seiner Analyse der EKRE, die im Jahr 2012 gegründet wurde, das „Konservatiivne Programm“ aus. Das Parteiprogramm umfasst alle wesentlichen Politikbereiche. In seiner Analyse wurden ausschließlich die Punkte ausgewählt, die einen rechtspopulistischen Charakter haben. Die gewählten Themen sind: Anti-EU, Anti-Islam, Anti-Immigration, Volk vs. Eliten und direkte Demokratie.

Anti-EU

In dem Grundsatzprogramm der EKRE zeigen sich EU-feindliche Haltungen. Zum einen schließt die geforderte Einführung der Todesstrafe und die Einschränkung des Wahlrechts für Immigranten den Verbleib Estlands in der EU aus. Ebenso ist die protektionistische Wirtschaftspolitik ein Bruch des EU-Rechtes. Außerdem wird ein Referendum über den Verbleib in der EU gefordert. Im Widerspruch dazu steht jedoch, dass die Partei Estlands Rolle in der EU stärken will und die EU-Gelder für die regionale Entwicklungen nutzen möchte.

Anti-Islam

Der Islam wird im Programm nicht erwähnt. In öffentlichen Auftritten bringt jedoch Mart Helme, der Vorsitzende der Eesti Konservatiivne Rahvaerakond, den Islam mit Immigration und Terrorismus in Verbindung.

Anti-Immigration

Die Partei will, dass Immigranten nur kontrolliert zuwandern dürfen und sich schnellstmöglich an die estnische Gesellschaft und Kultur anpassen. Dementsprechend lehnt sie die EU-Flüchtlingspolitik ab und plant die Rückführung von Flüchtlingen. Dies ist jedoch nicht im Grundsatzprogramm der EKRE aufgeführt, sondern lediglich eine mündliche Aussage. Die russische Minderheit wird akzeptiert. Eine doppelte Staatsbürgerschaft und Pensionszahlungen werden aber abgelehnt.

Volk vs. Eliten

Die Partei möchte den Willen "des Volkes" in der Regierung umsetzen und das estnische Volk und seine Kultur sichern. Sie wollen das Parteiengesetz reformieren und die Kontrolle über die Gesetzgebung und den Lobbyismus verschärfen.

Direkte Demokratie

Im Grundsatzprogramm fordert die EKRE eine stärkere Demokratisierung des estnischen politischen Systems und mehr Volksabstimmungen. Der Staatspräsident soll durch eine direkte Volkswahl bestimmt werden. Des Weiteren sollen mehr Partizipationsmöglichkeiten geschaffen werden. Ebenso wird ein Wechsel auf das anglo-amerikanische Rechtssystem mit einer aus der Bürgerschaft stammenden Jury angestrebt. Zuletzt wird gefordert, dass nur estnische Staatsbürger an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen.

Fazit

Winkelmann kommt zu dem Schluss, dass mündliche Aussagen von Parteimitgliedern und das Parteiprogramm der EKRE ideologische Aspekte, die dem Rechtspopulismus zugeordnet werden können, enthalten. Der Gegensatz zwischen Volk und Eliten ist an zahlreichen Stellen wiederzufinden, ebenso die Ablehnung der EU. Außerdem gibt es die Forderung nach wirtschaftlichem Protektionismus und direkter Demokratie. Obwohl in dem Programm die Immigrationspolitik und die Islamisierung nicht thematisiert werden, findet man Nationalismus und Nativismus in öffentlichen Aussagen der Partei wieder. Beispielsweise sagte der Fraktionsvorsitzenden Martin Helme: „If you are black, go back“ (S. 18). Auch durch die Forderung, dass nur estnische Staatsbürger an Kommunalwahlen teilnehmen dürfen, zeigt sich eine nationalistische Denkweise.

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