Freitag, 25. Juni 2021

Rechtspopulismus und -extremismus in der Türkei

In diesem Beitrag stellt Michael W. folgenden Text vor:

Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen - Verfassungsschutz - (Hg.) (2004): Türkischer Nationalismus: 'Graue Wölfe' und 'Ülkücü' (Idealisten)-Bewegung“, online unter: http://artikel20.com/00.wiki/00/Tuerkischer.Nationalismus.pdf.

Bei dem Text handelt es sich um einen Bericht des Verfassungsschutzes des Landes Nordrhein-Westfalen über die Ülkücü-Bewegung (auch bekannt als „Graue Wölfe“ aufgrund der von ihr verwendeten Symbolik, welche auf den Entstehungsmythos der Türken zurück geht).

Der ideologische Hintergrund der Bewegung ist der türkische Nationalismus. Dieser entstand im 19. Jahrhundert im Osmanischen Reich und nahm dabei den europäischen Nationalismus zum Vorbild. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches herrschte vor allem der kemalistische Nationalismus vor, welcher anstrebte, alle in der neu entstandenen Türkei lebenden Völker in das Volk der Türken hinsichtlich Sprache und Kultur zu assimilieren. Dieser Ansatz wird als Turkismus bezeichnet.

Daneben gibt es im türkischen Nationalismus die Strömung des Panturkismus, welcher eine weltweite Vereinigung aller Türken anstrebt, und dessen Unterart Turanismus, welcher eine Vereinigung aller Turkvölker vom Balkan bis zur Behringstraße in einem gemeinsamen Land namens Turan vorsieht. All diese Strömungen fanden sich vereint in der Ülkücü-Bewegung, auf deren Basis Parteien mit entsprechender Ideologie in der Türkei entstanden. Unter den heutigen Parteien in der Türkei steht die MHP („Partei der Nationalen Bewegung“) der Ülkücü-Ideologie am nächsten.

Diese Ideologie enthält auch rassistische Elemente, die jedoch aus taktischen Gründen nicht offen zutagetreten. So ist ein elementarer Bestandteil des Turkismus der Glaube an „die Überlegenheit der türkischen Rasse“. Dieser werden Feinbilder gegenübergestellt. Dazu gehören die Juden ( als „Erfinder des Kommunismus und Kapitalismus“), die Sowjetunion ( Kommunismus wurde als eine „Tarnung des slavischen Imperialismus“ gesehen), die Freimaurer, die „Dönme“ (Fremdbezeichnung von Nachfahren von zum Islam konvertierten Anhängern einer ehemals jüdischen Glaubensströmung) und seit dem Zerfall der Sowjetunion hauptsächlich die Kurden, welche als ein „entfremdetes Turkvolk“ gesehen werden, die für die Ulkücü-Anhänger entweder die Möglichkeit haben, sich im Turkvolk zu assimilieren oder als Hauptfeind zu gelten.

Die Ülkücü-Bewegung ist hierarchisch nach dem Führerprinzip organisiert. An der Spitze steht dabei der „Basbug“. Diese Rolle wurde bis zu seinem Tod 1997 von Alparslan Türkes ausgeübt. Dieser wurde 1917 in Zypern geboren und immigrierte im Alter von 16 in die Türkei. Dort wurde er 1939 zum Offizier ernannt. Aufgrund rechtsextremistischer Äußerungen wurde er 1943 zu einer Haftstrafe von neun Monaten verurteilt. Nach dieser führte er seine Karriere im Militär fort und wurde zum Oberst. 1960 war er am Militärputsch zum Sturz der „Demokratischen Partei“ beteiligt.

Nach dem Putsch wurde er aufgrund seiner Radikalität ins Ausland verlegt, um keine Gefahr für die Militärregierung darzustellen. Nach seiner Rückkehr trat er der Republikanischen Bauern- und Nationalpartei bei, welche er im Laufe der Zeit mit seinen Anhängern von innen heraus übernahm, sodass er 1969 zum Parteivorsitzenden wurde. Die Partei wurde daraufhin in "Partei der Nationalen Bewegung" (MHP) umbenannt. Noch im selben Jahr wurde er nach der Parlamentswahl stellvertretender Ministerpräsident und Staatsminister bis zum Jahr 1977.

1980 gab es einen weiteren Militärputsch, nach welchem ein Prozess gegen Türkes aufgrund seiner demokratiefeindlichen Bestrebungen gestartet wurde. Dabei wurde auch die MHP vorübergehend bis zum Jahr 1987 verboten. Im selben Jahr wurde Türkes verurteilt und verbrachte den Rest seines Lebens unter Hausarrest. Nach seinem Tod übernahm der frühere MHP-Generalsekretär Devlet Bahceli das Amt des Parteivorsitzenden.

Dem „Basbug“ untersteht der „Aydinlar Ocagi“ (Klub der Intellektuellen). Dieser ist für die Programmatik innerhalb der Ülkücü-Bewegung zuständig. Sie wird als „türkisch-islamische Synthese“ bezeichnet und hat das Ziel, das rechte Spektrum in der Türkei zu vereinen. Der Klub der Intellektuellen versorgt also Teilorganisationen der Bewegung mit den ideologischen Grundlagen. Neben der MHP als parteipolitischem Arm umfasst die Bewegung auch zahlreiche andere Gruppierungen wie Massenorganisationen und paramilitärische Organisationen im In- und Ausland.

In Deutschland fasste die Ülkücü-Bewegung erstmals mit der 'Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa' (ADÜTDF) Fuß. Diese wurde 1996 in 'Konföderation der Ülkücü Türken in Europa' (AÜTDK) umbenannt und neuorganisiert. Gleichzeitig wurde die Organisation 'Deutsche Türkische Föderation' (ATF) gegründet.

Als die MHP 1987 in der Türkei wieder erlaubt wurde, war diese intern gespalten zwischen islamistischen und weltlich ausgerichteten Strömungen. Dieser ideologische Konflikt spiegelte sich auch in der AÜTDK wider, sodass es auch in dem deutschen Ableger zu einer Spaltung kam. Die abgespalteten Gruppierungen resultieren letztendlich in der 'Türkisch-Islamischen Union in Europa' (ATIB) mit Sitz in Köln. Von dieser wiederum entstand die Abspaltung 'Föderation der Weltordnung in Europa' (ANF).

Zwar mag die Bewegung zersplittert sein, jedoch weist der Verfassungsschutz darauf hin, dass das Konzept einer Türkei, die über die heutigen Staatsgrenzen hinausgeht, für viele als sehr anziehend empfunden wird und die Bewegung daher das Potential hat zu wachsen.

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