Mittwoch, 9. Juni 2021

Rezension zu Robert Misik: Die falschen Freunde der einfachen Leute

Misik, Robert (2019), Die falschen Freunde der einfachen Leute, Suhrkamp. 

Rezension

Autor: Lukas Böhm 

In diesem Essay beschäftigt sich Robert Misik mit dem „einfachen Volk“, welches immer wieder von den Politkern enttäuscht wird. Die Rechtspopulisten, aber auch Rechtsextremisten, nutzen diese Unzufriedenheit für sich aus und geben sich als die Stimme des Volkes aus. Doch wer genau gehört zu diesem Volk der „einfachen Leute“ und wodurch zeichnen sich diese Menschen aus? Mit diesen Themen befasst sich Robert Misik in seinem Werk.

Der österreichische Journalist und Schriftsteller wurde am 3. Januar 1966 geboren und lebt in Wien. Er beschäftigt sich besonders mit Themen wie Kritik am Kapitalismus, Globalisierung und tagespolitischen Themen sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Das Buch wurde 2019 im Suhrkamp Verlag Berlin veröffentlicht und erhielt im selben Jahr den Bruno-Kreisky-Preis, den Anerkennungspreis für politische Bücher.

Zu Beginn seines Essays geht Robert Misik auf die „einfachen Leute“ ein und definiert diesen Teil der Bevölkerung. Die einfachen Leute seien heute in aller Munde. Dabei ist es nicht ganz einfach einzugrenzen, wer denn genau zu dieser Klasse gehört:

„Die „Unterschicht“, Arbeitslose, Kleinverdiener, die Arbeiterklasse, aber auch die Mittelschicht mit Einfamilienhaus und zwei Autos in der Einfahrt“ (S. 8/9).

Durch diese Beschreibung bekommt man einen Einblick, dass dieses Volk einen großen Teil der Bevölkerung darstellt. Alles in allem sind es diejenigen, die sich von der Politik und den Medien, also den „Eliten“ missachtet und respektlos behandelt vorkommen. Gerade dieser Teil der Bevölkerung sei es, der aufgrund seiner Wut auf die Politik „anfällig“ dafür ist, sich von den Rechtspopulisten, welche sich als „Stimme des Volkes“ aufspielen, beeinflussen zu lassen.

In der Einleitung „Kleiner Mann, was nun?“ nennt Misik zwei zentrale Thesen, die er im Verlauf des Essays „korrigieren“ möchte: Zum einen, dass sich die „weiße Arbeiterklasse zu einem homogenen Wutmilieu entwickelt hat, welche ein fester Wählerpool für die rechtsextremen Parteien geworden ist“, und zum anderen möchte er die Ambivalenz der linken Identitätspolitik in ein anderes Licht rücken (S. 15/16).

Die „arbeitenden Klassen“, wie sie früher genannt wurden, haben sich im Zeitalter von Digitalisierung und schnellem ökonomischen Wachstum verändert. Die ehemalige Arbeiterklasse, heute auch „Malocher“ genannt, aber auch Teile der Mittelschichten wie Angestellte, LehrerInnen und Techniker, sie alle fühlen sich von der Politik oftmals missachtet oder nicht ausreichend repräsentiert.

Misik erläutert die Tugenden der „Arbeiterklasse“, welche sich durch die traditionellen Werten wie „Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, hart arbeiten“ auszeichnen. Diese fühlt sich von der häufigen „Verantwortungslosigkeit“ der Politik angewidert. Aufgrund dessen, dass die Arbeitnehmer-Klasse hochgradig abhängig von Entscheidungen der Politik ist, reagieren sie auf diese auch sehr empfindlich. Durch die Erläuterung der Abhängigkeit versucht Misik die Reaktionen der „einfachen Leute“ in ein anderes Licht zu rücken.

In den beiden letzten Kapiteln 6 und 7 geht der Autor nochmals verstärkt auf die beiden Thesen ein, mit denen er in seinem Essay „aufräumen“ möchte. Es ist Misik zufolge nicht zu bestreiten, dass in Teilen der „Arbeiterklasse“, des „einfachen Volks“ ein erhöhter Nationalismus sowie auch ein „weißer Rassismus“ zu erkennen ist. Dieser sei aber nicht dominant. Man solle vor allem die Hintergründe betrachten, die zu diesem Gefühl des „Bedrängtseins“ führen.

„Die weiße Arbeiterklasse hat das Gefühl, aus dem Zentrum an den Rand des Bewusstseins ihres Landes gerückt worden zu sein“ (S. 38).

Man dürfe sie nicht in die „rechte Ecke“ stellen, wenn sie die Meinung vertreten, das Ausmaß der Einwanderung ginge zu weit. Vielmehr geht es ihnen um ihre eigene Existenz, die sie durch steigende Konkurrenz (Migranten) und Missachtung der Politik als gefährdet ansehen. Dieser Groll geht aber bei weitem nicht nur gegen Migranten und Flüchtlinge, sondern auch gegen die Reichen. Diese werden immer reicher, während ihr eigener Lebensunterhalt durch mehr und mehr Unsicherheiten gekennzeichnet ist.

Bezüglich der „Ambivalenz der Identitätspolitik“ hat Robert Misik eine klare Meinung: er teilt die Kritik am Linksliberalismus keineswegs. Seiner Meinung nach ist die These, dass die „übertriebene Identitätspolitik der Linken die einfachen Leute förmlich in die Arme der Rechtspopulisten und Rechtsextremisten getrieben“ habe, nicht schlüssig. Eine pluralistische Gesellschaft erfordere keine Feindrhetorik, sondern Akzeptanz und Toleranz für unterschiedliche Lebensstile.

In seinem abschließenden Kapitel „Man muss die Leute gernhaben“ plädiert Misik für ein „positives Menschenbild“, welches auf den „egalitären“ Geist der einfachen Leute vertraut. Die Arbeiterklasse vertritt Werte wie „Gleichheit“ und Gerechtigkeit“ und ist über Ungerechtigkeit schnell verärgert. Wenn diese Menschen in ihrem leicht beeinflussbaren Zustand in „die Arme falscher Freunde getrieben werden“ (S. 123), eben den Rechtspopulisten oder Rechtsextremisten, sollte man die Schuld nicht zwingend bei ihnen suchen. Vielmehr sollte man diese Handlungen selbstkritisch hinterfragen.

Robert Misik gibt in seinem Essay einen informativen und anschaulichen Einblick in die Wertorientierung in der Arbeiterklasse („die einfachen Leute“) und deren Reaktionen auf die soziologischen und politischen Veränderungen in unserer dynamischen Gesellschaft. Der Essay macht deutlich, dass trotz der dynamischen Entwicklungen in unserer Gesellschaft die Traditionen der „Arbeiterschaft“ von großen Teilen der Bevölkerung gewahrt werden (wollen), welche stark auf soziale Gerechtigkeit und Solidarität beruhen. Diese sollten auch von den „Eliten“ gewahrt und respektiert werden.

„Was jedem Menschen zusteht, ist ein Gefühl von Respekt, Sicherheit und ein bisschen Glück im Leben“ (S. 131).

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