In diesem Beitrag stellt Sarah Moder folgenden Aufsatz vor:
Schroeder, Wolfgang / Weßels, Bernhard (2020): Das Rätsel AfD; in: Neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte 67, 3/2020, S. 37-42, online unter: https://www.frankfurter-hefte.de/artikel/das-raetsel-afd-2912/ ; eingesehen unter: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/231747/1/Full-text-article-Schroeder-et-al-Das-Raetsel-AfD.pdf.
Der Aufsatz von Schroeder und Weßels beschäftigt sich mit der AfD und deren Aufstieg in der deutschen Politik. Die beiden Autoren gehen auf sieben Gründe ein, wie es dazu kam, und geben Ausblicke auf die Zukunft.
Zu Beginn des Artikels gibt es einen Rückblick in das Jahr 2009. Damals hätte einem keiner Glauben geschenkt, wenn man behauptet hätte, dass elf Jahre später eine Partei rechts der Union in fast allen Parlamenten auf sämtlichen Ebenen sitzen würde. Dabei wird erst einmal thematisiert, wie es in Deutschland zum unerwarteten Aufstieg einer rechtspopulistischen Partei kommen konnte. Deutschland habe sich selbst immer eine gewisse Sonderrolle im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn eingeräumt, aber trotz dieser vermeintlichen Sonderrolle kommt es zum Aufstieg der AfD, für welchen es laut den Autoren folgende Gründe gebe.
1. Die veränderten Emotionen im politischen Prozess
Es gebe seit einiger Zeit eine negative Stimmung gegenüber Politikern und dem Establishment. Die AfD nutzt diese Stimmung aus und bietet den Bürgerinnen und Bürgern einfache Lösungen, welche als „gesunder Menschenverstand“ (S. 38) verkauft werden. Die Grundlage solch einfacher Lösungen sind die Emotionen und die kulturellen Erfahrungen, welche in den letzten Jahren zu vielen Enttäuschungen bei den Bürgerinnen und Bürgern führten. Die AfD schafft es vor allem durch Kreieren von Ängsten, die Gesellschaft zu spalten, aber gleichzeitig auch von den „Modernisierungsverlierer/innen“ (vgl. S. 38) gehört und akzeptiert zu werden. Sie erreicht auch Bürgerinnen und Bürger, die längst keinen Bezug mehr zur Politik haben oder von dieser frustriert und enttäuscht wurden.
2. Der Euroskeptizismus
Die beiden Autoren erklären, dass der Aufstieg zu Beginn vor allem daran lag, dass nicht die rechtsextremen Themen im Vordergrund standen, sondern eurokritische politische Vertreter, welche der Bonner Republik nachtrauerten. Dies zeigt sich auch daran, dass viele der Wählerinnen und Wähler der AfD bei der Bundestagswahl 2013 nicht ausländerfeindlich waren. Dieser Rechtsruck nahm erst im weiteren Verlauf an Fahrt auf.
3. Repräsentationslücken in deutschen Parlamenten
Felder wie das konservative Familien- und Gesellschaftsmodell oder auch rechte Meinungen zu Themen wie Europa oder Zuwanderung fehlten in den letzten Jahren in den deutschen Parlamenten. Die AfD sah diese Lücke und nutzte sie im Endeffekt einfach nur schlau aus, denn dass solche Meinungen gesellschaftlich vorhanden sind, ist allen politischen Akteuren bekannt gewesen. Man bot den Menschen eine Alternative zum „links-grün versiffte(n) Deutschland“ (S. 39) und sprach so speziell Bürgerinnen und Bürger an, die als Verliererinnen und Verlierer des Modernisierungsprozesses galten.
4. Die AfD als Internetpartei
Schroeder und Weßels erklären, dass die AfD es als erste Partei verstand, den neuen medialen Raum gezielt und sinnvoll zum eigenen Vorteil zu nutzen. Sie schafften es, Zorn gegenüber dem Establishment zu generieren, um so die gesamte gesellschaftliche Stimmung anzuheizen. Die AfD verstand, wie einflussreich Social Media sein konnte und wie man darüber seine Anliegen zum Volk bringen kann. Dabei gelang es der Partei, Social Media als „Empörungsmaschinerie bzw. War Room“ (S. 40) zu nutzen.
5. Die rechtspopulistische Partei neuen Typs
Die AfD möchte keine Partei werden, die aktiv um Mitglieder wirbt, viel mehr soll es darum gehen, eine Art „Bewegungspartei“ (S. 40) zu werden. Die Vorteile einer Bewegungspartei lägen darin, dass sich innerparteiliche Konflikte viel leichter aus dem Weg räumen ließen und man den Fokus auf die Wählerinnen und Wähler legen könne.
6. Das prekäre Verhältnis zwischen Führung und Steuerung sowie fehlendes Charisma
Die AfD hat im Gegensatz zu vielen anderen Parteien nicht die charismatische Führungsgruppe, die sich immer passend ausdrückt. Mit Björn Höcke hat man dagegen eher eine Person, die viel und gerne polarisiert. Hierbei sei aber gesagt, dass diese „polarisierenden Führungskräfte“ (S. 40) primär auf der Länderebene zu finden sind, aber kaum in der Bundestagsfraktion. Mit Alexander Gauland hat man auf der Bundesebene einen Mann, welcher sich zwar nicht vor rassistischen Zuspitzungen scheut, aber es gleichzeitig geschafft hat, eine ausbalancierte Integrationsleistung innerhalb der Partei zu schaffen.
Hierbei sollte laut Schroeder und Weßels aber auch noch erwähnt werden, dass der „permanente öffentliche Außendruck“ (S. 40) dazu führt, dass die Partei durchgeschüttelt wird und sich im Inneren immer wieder zur Verständigung zusammenraufen muss.
7. Abbildung von Rechten in einer Partei
Die AfD stellt eine Partei dar, welche es zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegszeit geschafft hat, eine rechte Koalition mit „Parlaments- und Bewegungsorientierten“ (S. 41) zu schaffen. Beide Teile der Partei sind aufeinander angewiesen und ergänzen sich. Zum einen sind da die „Radikalen“, welche immer wieder durch laute Rufe und Forderungen auf sich aufmerksam machen, zum anderen sind dort aber auch die etwas „Moderateren“, welche vor allem mit einer Kritik gegenüber dem Establishment auf sich aufmerksam machen. Die AfD hat es also geschafft, eine Partei zu erschaffen, welche den etablierten Parteien gegenübersteht und gleichzeitig durch oftmals „konfrontative und provokative Kommunikation“ (S. 41) besonders auffällt.
Fazit
Zum Abschluss beleuchten die beiden Autoren die Zukunft der AfD. Es sei offen, ob es zu einer inneren „Implosion“ komme oder ob man das Ganze durch eine weitere „Metamorphose“ verhindern könne. Es spreche aber vieles dafür, dass die AfD auf Bundesebene keine weiteren riesigen Sprünge mehr machen dürfte, jedoch seien auch Rückgewinne von Wählerstimmen von der AfD eher schwierig. Es sei vor allem spannend zu beobachten, wie sich die Verhältnisse zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Ost und West in der AfD verhalten werden.
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