Freitag, 11. Juni 2021

Familienbilder im Rechtspopulismus

In diesem Beitrag stellt Jonas Fregien folgenden Aufsatz vor:

Schmincke, Imke (2019): Familienbilder in Diskursen des Rechtspopulismus; Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen, Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018, 39 (Juni 2019), online unter: https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2018/article/view/965.

Die Autorin entwirft in ihrem Beitrag fünf zentrale Thesen, die den Zusammenhang von Familie und Rechtspopulismus in den Mittelpunkt stellen. Grundlage für ihre Thesenbildung ist die Auseinandersetzung mit der Initiative ‚Demo für alle‘ und teilweise der Partei AfD (bezogen auf das Wahlprogramm von 2017), die in diesem Beitrag als Akteur*innen des Rechtspopulismus aufgefasst werden.

Laut Autorin sei es ein Hauptziel, die „Deutungshoheit über Begriffe zu gewinnen und das heißt, die Bedeutung von Begriffen mitzubestimmen bzw. herkömmliche Begriffe zu denunzieren“ (S. 2). Durch die Begründung einer ‚Natürlichkeit‘ der Dichotomie der Geschlechter werde die Aussage einer unzweifelhaften Wahrheit aufgebaut und andere Meinungen und Forschungen dadurch abgewertet.

Die entworfene Trias der Initiative ‚Demo für alle‘, die das Bewahren der heterosexuellen Ehe, die Bekämpfung von Sexualaufklärung und Gender in den Mittelpunkt rückt, werde in der Programmatik der AfD mit einem „völkisch-rassistischen Familienbild“ (S. 3) verbunden. Damit würde die ‚typische‘ Familie, die aus Mutter, Vater und Kind bestünde, durch eine Ausweitung des Begriffs im Grundgesetz entwertet und der „Bestand der nationalen Volksgemeinschaft gefährde[t]“ (S. 3).

Empirische Forschungen und Normen würden zu Gunsten der Akteur*innen des Rechtspopulismus verdreht. Empirisch sei belegt, dass weder historisch noch aktuell von einer Mehrheit dieses Familienmodells ausgegangen werden könne und pluralistische Lebensformen schon immer existierten. Dennoch spiele die Familie eine wichtige Rolle im Rechtspopulismus und könne für dessen Zielverwirklichung genutzt werden. Hierfür stellen fünf Thesen den Bezug zur Nutzung des Begriffs im rechtspopulistischen Kontext her:

„1. Familie lässt sich problemlos ins populistische Raster einsetzen“ (S. 4)

Das rechtspopulistische Raster gehe von einer Dichotomie zwischen ‚wahrem Volk‘ und ‚korrupten Eliten‘ aus. Analog würde der Begriff Familie verwendet, die heterosexuelle Kleinfamilie ‚naturalisiert‘ und behauptet, dass elitäre Gruppierungen dem ‚Volk‘ ein anderes Familienbild indoktrinieren.

„2. Familie ermöglicht Anschlüsse an andere genuin rechtspopulistische Themen (zum Beispiel Rassismus)“ (S. 4)

Die Autorin verwendet den Begriff der „Abstammungsgemeinschaft“ (S. 4), die das von Rechtspopulist*innen favorisierte Familienmodell beschreibt und in den Kontext einer völkisch-rassistischen Ideologie einbringt. Rassismus ergebe sich daraus, weil die Formulierung eine ‚Bewahrung‘ einer bestimmten Form und Konstellation von Menschen und Familien hervorhebt.

„3. Familie vereint verschiedene politische Lager“ (S. 4)

Die Mitte der Gesellschaft sei durch die vorgezeichnete Familienpolitik der Rechtspopulist*innen eher zu erreichen, als mit eindeutig rechtsradikal besetzten Themen. Der Antifeminismus sei hierbei europaweit als Bindeglied anzusehen, der verschiedene politische Gruppierungen verbindet.

„4. Familie erzeugt affektive und moralische Mobilisierung“ (S. 4)

Die 'Bedrohungslage' für Familien und insbesondere für Kinder erreiche Menschen affektiv und moralisch. Es erfolge eine direkte Ansprache an alle Menschen und ermögliche breitere Aufmerksamkeit zu einem alltäglichen Thema.

„5. Familie fungiert als Gegenentwurf in einer komplexen Welt“ (S. 5)

Familie sei ein „zentrale[r] Baustein konservativer Ideologien“ (S. 5). Rechtspopulistische Bewegungen nutzen zum Beispiel die aufgebauten Bedrohungsszenarien des Neoliberalismus, um „eine klare hierarchisch autoritäre Ordnung“ (S. 5) zu rechtfertigen.

Dabei gehe es vorrangig nicht um die Ängste oder Ablehnung diverser Familienkonstellationen, sondern vielmehr um das Wiedererlangen von Handlungskompetenz und „symbolischer Ordnung“ (S. 5), die durch die Komplexierung der Welt abgenommen habe. Als Appell formuliert die Autorin, dass die Diversität von Familienformen erstens sichtbar gemacht und zweitens nicht den Akteur*innen des Rechtspopulismus überlassen werden sollte (S. 1-5).

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