Montag, 15. Juni 2020

Von der Bürgerbewegung zur Partei: Grüne und AfD im Vergleich

Die Alternative für Deutschland (im folgenden mit AfD abgekürzt) ist die zweite neugegründete Partei in Deutschland, die es schaffte, die Fünfprozenthürde zu überwinden und sich auf Bundesebene im Parlament zu etablieren. Zwischen 1961 und 1983 gab es im Bundestag lediglich drei Parteien (CDU/CSU, SPD und FDP). Die Grünen, die 1983 in den Bundestag einzogen, bewiesen, dass sich auch eine neugegründete Partei in Deutschland etablieren kann (vgl. Bundestagswahl 1983, online). Aussagen bei der Koalitionsbildung nach Wahlen, dass die Parteien mit allen sprechen würden, nur nicht mit der AfD, sind ebenfalls vergleichbar mit Aussagen in den Anfangsjahren der Grünen.

Wird die Entwicklung der Grünen in den Anfangsjahren betrachtet, so fällt auf, dass diese von Beginn an eher skeptisch gesehen wurden. Auch wenn es Die Grünen offiziell erst seit 1980 gibt, so reichen ihre Wurzeln weiter zurück. Verschiedene Bürgerinitiativen, Umweltschutzgruppen, Protestbewegungen, Friedensaktivisten, die neue Frauenbewegung etc. waren der Ausgangspunkt der neuen Partei (vgl. Veen/Hoffmann 1992, S. 8).

Die AfD gibt es als Partei seit 2013, doch auch ihre Wurzeln finden sich schon früher. Begonnen hat es mit einer Gruppe von Eurogegnern, die sich später zum Bund Freier Bürger zusammenschloss. Diese Gruppe klagte 1993 erfolglos gegen den 1992 geschlossenen Vertrag von Maastricht.

Die vorliegende Arbeit betrachtet die Ursprünge der beiden Parteien bis zur Parteigründung und ihre Ergebnisse bei den Wahlen. Dabei werden verschiedene Gruppierungen, die bei der späteren Parteigründung eine wichtige Rolle spielten, genauer betrachtet. Nach dieser Betrachtung soll auf die Wahlerfolge der beiden Parteien bei den ersten Wahlen, an denen sie teilnahmen, eingegangen werden. Dabei wird nicht nur auf die Wahlen in den Bundesländern, sondern ebenfalls auf die Bundestagswahlen und Europawahlen geschaut. Anschließend soll im Fazit die Frage geklärt werden, inwiefern die AfD hinsichtlich ihrer Entstehung und der Erfolge bei Wahlen mit den Grünen vergleichbar ist.

Die Grünen

Die Partei der Grünen wurde im Januar 1980 gegründet und zog bereits zwei Jahre später bei der Landtagswahl in Hessen in den Landtag ein. Ein Jahr später folgte dann der Einzug in den Bundestag. Die Grünen waren somit die erste neugegründete Partei, die es nach 1945 schaffte, die Hürde von fünf Prozent zu überspringen. Die Partei, die sich zunächst aus einer Protestbewegung heraus entwickelte und schließlich sogar Regierungspartei wurde, kann als eine einzigartige Erfolgsgeschichte angesehen werden.

Entstehung der Partei

Die Partei entstand aus sozialen Bewegungen, die gegen die aktuelle Politik demonstrierten. Dies waren außerparlamentarische Proteste, wie beispielsweise Informationstreffen, Demonstrationen, Sammelaktionen für Unterschriften etc., die nicht immer legal abliefen (vgl. Veen/Hoffmann 1992, S. 8). Die "Neuen Sozialen Bewegungen", aus denen die Partei hervorging, waren die Anti-Atomkraft-Bewegung, die Friedensbewegung, die Frauenbewegung und die Ökologiebewegung (vgl. Rucht 2013, online).

Aber nicht nur diese Bewegungen formten die spätere Partei. Die K-Gruppen (Sammelbegriff für die linken Gruppierungen, die untereinander verstritten waren), andere Kleinstparteien und eine Anzahl an Sozial- und Christdemokraten schlossen sich der neuen Partei an. Im Folgenden werden vier Bewegungen genannt, die später alle in der Partei vertreten waren.

Studentenbewegung

Die Wurzeln der Partei gehen auf verschiedene Studentenbewegungen der 60er Jahre zurück. Die Teilnehmer dieser Bewegungen beteiligten sich ebenfalls an verschiedenen Bürgerinitiativen und partizipierten in sogenannten K-Gruppen oder dem Sozialistischen Büro (vgl. Lösche 1993, S. 148). Später, als die Partei gegründet wurde, kamen ca. 1/3 der damaligen Parteielite aus den genannten Gruppierungen (vgl. Tiefenbach 1998, S. 164).

In den 70er Jahren protestierten viele spätere grüne Parteimitglieder in der Anti-Atomkraft-Bewegung. Diese Bewegung war sehr heterogen, was sich die Kommunistische Partei Deutschlands und der Kommunistische Bund zunutze machten und sich den Demonstrationen anschlossen. Beide „[...] sahen in den politisch heterogenen […] und damit leicht zugänglich und zu beeinflussenden Antikernkraft-Initiativen […] [ihre Chance], aus der politischen und gesellschaftlichen Isolation herauszukommen und der eigenen Anhängerschaft neue Perspektiven aufzuzeigen“ (Veen/Hoffmann 1992, S. 11).

Friedensbewegung

1957 gab es die Kampf-dem-Atomtod-Bewegung, die allerdings schnell wieder verschwand. Erst Ende 1979, als der NATO-Doppelbeschluss verabschiedet wurde und die Rote Armee in Afghanistan einmarschierte, wuchs die Friedensbewegung. Die Bewegung war empört über die Rüstungsvereinbarungen der NATO. Unterstützung erhielt sie von einem Bundeswehroffizier, der aus dem Dienst ausschied und sich der Bewegung und später dann auch der Partei anschloss (vgl. Schnieder 1998, S. 57).

Als die alten Parteien (CDU, SPD und FDP) sich hinter den NATO-Doppelbeschluss stellten und es später dadurch zur Stationierung von Atomwaffen in Deutschland kam, setzte eine zweite Hochphase der Friedensbewegung ein. Diese kam 1983 zum Höhepunkt und verschwand durch die Politik Gorbatschows wieder (vgl. Schnieder 1998, S. 58). „Die Friedensbewegung der siebziger Jahre hatte [...] auf die Gründungsphase nur wenig Einfluß, die Friedensbewegung der achtziger Jahre auf die […] Partei hingegen einen recht großen“ (Schnieder 1998, S. 59).

Frauenbewegung

Die Frauenbewegung entstand Anfang der 70er Jahre aus einem Teil der Studentenbewegung. Sie forderte die Gleichberechtigung beider Geschlechter, wie es schon im Grundgesetz steht. Hintergrund dafür war, dass diese Gleichberechtigung sowohl privat als auch beruflich nicht vorhanden war.

Innerhalb dieser Bewegung, die vom amerikanischen Vorbild geprägt wurde, wurden viele Themen angesprochen, die in der Öffentlichkeit zuvor tabu waren. Die Hauptthemen dabei waren Abtreibungen und die eheliche Gewalt. Die Bewegung fand mit ihren Themen wie Rollenerziehung und Rollenverhalten, Berufssituation von Frauen, Situation der Rentnerinnen, Gewalt gegen Frauen etc. in der Bevölkerung Anklang. In diesem Zuge entstanden ebenfalls Frauenhäuser und Anlaufstellen für Frauen, die misshandelt wurden (vgl. Schnieder 1998, S. 59f.).

Die Forderungen der bunten Liste, die hauptsächlich für die Frauenrechte kämpfte, wurden ab der Parteigründung in dem Parteiprogramm mit eingebunden. Aus diesem Grund traten auch viele Personen dieser Bewegung in die Partei ein, um dort ihre Interessen weiter vertreten zu können (vgl. Schnieder 1998, S. 62).

Ökologiebewegung

Die Ökologiebewegung hat ihren Ursprung in den 70er Jahren. Sie ist im wesentlichen aus Bürgerinitiativen entstanden, die durch die Zunahme der Umweltbelastung zu einer sozialen Bewegung wurden. Während Anfang der 70er Jahre der Staat die Bürger noch ermutigte, sich mit der Thematik zu beschäftigen und Forderungen an den Staat zu stellen, wurde dies später von Seiten des Staates nicht mehr thematisiert.

Ab 1974 forderten weite Teile der Bevölkerung diesen Umweltschutz von Seiten des Staates ein. Der Staat hatte zu diesem Zeitpunkt den Umweltschutz hinten angestellt, da in der Zwischenzeit eine Wirtschaftskrise anstand (vgl. Schnieder 1998, S. 62). Dies lässt sich aktuell ebenfalls erkennen. Geht es der Wirtschaft schlecht, steht diese im Fokus der Politik und der Umweltschutz rückt in den Hintergrund.

Von den Bewegungen zur Partei

Die genannten Bewegungen hatten zwar alle zur Gründung der Partei geführt, aber diese wurde nur vollzogen, da deutlich wurde, dass die Bewegungen auf Dauer kein politisches Gegengewicht zu den anderen Parteien darstellen konnten. Schnieder führt dazu noch aus, dass „[d]ie Ökologiebewegung und die Anti-Atom-Bewegung als grüne Kernbewegung […] ihre soziale Basis ausgeschöpft [hatten] [...]“. (Schnieder 1998, S. 166). Ihnen war klar, dass sie über die Jahre hinweg keine wirkungsvolle Opposition sein könnten, wenn es zu keiner Parteigründung kommen würde.

Außerdem führt Schnieder die Problematik der Organisation auf. Wenn die Bewegungen alle einzelnen Projekte, gegen die sie demonstrierten, bekämpfen wollten, dann würde dies große personelle Ressourcen benötigen, die nicht immer vorhanden waren (vgl. Schnieder 1998, S. 166). Auch die Aktionen, bei denen Unterschriften gesammelt wurden und die zu Demonstrationen führten, veränderten in der Landes- und Bundespolitik wenig, da die Politik diese meistens erst einmal für nicht notwendig erachteten und somit auf ein Vergessen der Gesellschaft hoffte.

Gruhl kam 1978 zu folgender Einsicht: „Da die Entscheidungen in den Parlamenten fallen, muß die ökologische Bewegung prüfen, ob sie nicht den Weg über die Kandidatur gehen muß“ (Gruhl 1978, zitiert nach Schnieder 1998, S. 166). Auch wenn viele Mitglieder der Bewegungen keine Partei im herkömmlichen Sinne haben wollten, so blieb ihnen keine Alternative, um etwas zu bewirken.

Parteigründung

Schnieder schreibt, dass bereits im Mai 1977 in Niedersachsen eine Umweltschutzpartei Niedersachsen (im folgenden mit USP abgekürzt) gegründet wurde. Im Juni 1977 macht Beddermann, der Gründer der USP, Bürger darauf aufmerksam, dass sie für die Partei kandidieren können. Bei den Wahlen im Oktober 1977 zog dann tatsächlich ein Kandidat von dieser Liste ins Parlament ein.

Im November 1977 wurde beschlossen, sich von nun an nicht mehr USP, sondern Grüne Liste Umweltschutz (im folgenden mit GLU abgekürzt) zu nennen. Zusätzlich wurde beschlossen, eine traditionelle Partei mit begrenztem Programm zu gründen. Daher wurde eine Orientierung am Ursprung hinsichtlich der Themen Natur- und Umweltschutz, Abschaffung der Kernenergie, mehr Demokratie etc. vorgenommen (vgl. Schnieder 1998, S. 21).

Auf Bundesebene wurde 1978 zum ersten Mal die GLU angesprochen, als Gruhl aus der CDU austrat und die Grüne Aktion Zukunft (im folgenden mit GAZ abgekürzt) gründete. Teile der GLU freundeten sich mit dieser Organisation an, sodass die Bewegung mehr oder weniger gespalten wurde. Obwohl diese Spaltung in den regionalen Gruppen zu spüren war, hatten diese Gruppierungen zu diesem Zeitpunkt Wahlerfolge auf Landesebene feiern können. Aufgrund dieser Erfolge wurde die Grüne Bewegung auch auf Bundesebene ernst genommen (vgl. Schnieder 1998, S. 21ff.).

1979, kurz vor der Europawahl, formierten sich Teile der Grünen Bewegung zum Zweckbündnis Sonstige Politische Vereinigung Die Grünen (im folgenden mit SPV Die Grünen abgekürzt). Bei den Europawahlen erhielt die SPV Die Grünen 3,2% der Stimmen. Da deutlich wurde, dass dies auf Bundesebene nicht reichen würde, wurde versucht, die Personen der bunten Listen in die Partei zu integrieren, um eine Abkehr vom engen Programm zu bewirken.

Ende 1979 konnte diesbezüglich ein Erfolg verzeichnet werden, sodass die Gründung einer Bundespartei angekündigt werden konnte, die im Januar 1980 stattfinden soll. Daraufhin traten viele Personen der bunten Listen in die neue Partei ein und die Mitgliederzahl stieg rasch auf das Vierfache an (vgl. Schnieder 1998, S. 22ff).

Am 13. Januar 1980 war es dann soweit. Über 1000 Delegierte gründeten die Bundespartei Die Grünen. Ende März 1980 wurde in Saarbrücken das Parteiprogramm verabschiedet, welches zum Teil bis heute noch gültig ist. Im Juni 1980 wurde die Teilnahme an der Bundestagswahl beschlossen (vgl. Schnieder 1998, S. 24).

Jurtschitsch und Kullke merken an, dass sich damals folgende Personengruppen zusammenschlossen: „Alt-und Neukommunisten. Rechte bis rechtsradikale Ökologen. Sogenannte Lebensschützer und Pädophile. Ehemalige Linksradikale […].Tiefbraune Umweltschützer und Landfrauen rechts von der CSU.“ Weiter schreiben sie, dass „[d]ie Partei [...] als Angriff auf die Demokratie [galt und] manch braver Sozialdemokrat rief das Ende der Republik herbei. Nicht nur Christdemokraten bezeichneten diejenigen Grünen, die weiterhin in kommunistischen Gruppen mitarbeiteten, als Verfassungsfeinde.

Zusammenschluss mit dem Bündnis 90

Das Bündnis 90 war ein Zusammenschluss verschiedener Oppositionsgruppen und Bürgerbewegungen in der DDR. Das Bündnis entstand im Rahmen der friedlichen Revolution in der DDR und wurde im Jahr 1991 eine eigene Partei. Im Mai 1993 schloss sich das Bündnis der westdeutschen Partei Die Grünen an.

Wahlergebnisse

Auf Landesebene konnten Die Grünen bereits von 1985-1987 mit der SPD in Hessen, 1989-1990 in Berlin und 1990-1994 zusammen mit dem späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder in Niedersachsen eine Landesregierung stellen. Dieser war es auch, der Die Grünen zum ersten Mal auf Bundesebene in die Regierung brachte.

1979 nahmen Die Grünen an der Europawahl teil und erhielten 3,2 Prozent der Stimmen (vgl. Europawahl 1979, online). Ein Jahr später standen in Deutschland Bundestagswahlen an, bei denen Die Grünen zum ersten Mal teilnahmen. Sie erhielten damals lediglich 1,5% Prozent der Zweitstimmen (vgl. Bundestagswahl 1980, online).

Nach diesen geringen Erfolgen auf Bundes- und Europaebene erhielten Die Grünen immer mehr Zustimmung in der Bevölkerung, was sich in den Ergebnissen bei den nächsten Wahlen widerspiegelt. Bei der nächsten Europawahl 1984 erhielten sie schon 8,2 Prozent der Stimmen und sieben Sitze im Parlament (vgl. Europawahl 1984, online).

Bei der Bundestagswahl 1983 waren es 5,6 Prozent der Zweitstimmen, die für den Einzug der ersten grünen Politiker in den Bundestag reichten (vgl. Bundestagswahl 1983, online). Vier Jahre später erhielten sie 8,3 Prozent der Zweitstimmen und hatten sich damit in der Parteienlandschaft in Deutschland etabliert (vgl. Bundestagswahl 1987, online). Von 1998 bis 2005 waren Die Grünen sogar auf Bundesebene Koalitionspartner der SPD und regierten zusammen mit der SPD.

Einen weiteren Meilenstein bedeutete die Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011, als die Partei 24,2 Prozent der Stimmen erhielt und eine Koalition mit der SPD einging, in der Die Grünen zum ersten Mal nicht mehr der Juniorpartner waren (vgl. Landtagswahl 2011 Baden-Württemberg, online). Bei der darauffolgenden Landtagswahl 2016 erreichten Die Grünen sogar den Wahlsieg in Baden-Württemberg. Seitdem regieren sie in einer Koalition mit der CDU, die dabei jedoch der Juniorpartner ist (vgl. Landtagswahl 2016 Baden-Württemberg, online).

Die Grünen in der Parteienlandschaft

Die Grünen wurden zu Beginn von den etablierten Parteien belächelt und für einen zusammengewürfelten Haufen von Personen unterschiedlicher Interessen gehalten. Dies lag allerdings auch daran, dass sich manche Teile der Partei auf ihr Recht auf Widerstand beriefen und somit auf unterschiedlichen Demonstrationen zu finden waren. Sie bekannten sich nicht zum Gewaltmonopol des Staates und beleidigten im Bundestag den Parlamentsvizepräsidenten. Daher wollte keine der alten Parteien mit dieser neuen Partei eine Koalition bilden. Die Partei benötigte insgesamt zehn Jahre, um diese extremen Ränder zu beseitigen (vgl. Jurtschitsch und Kullke 2018, online).

Mittlerweile, 40 Jahre nach der Gründung der Partei, kann gesagt werden, dass die Partei in der gesellschaftlichen linken Mitte angekommen ist. Zwischen dem Beginn und den heutigen Grünen liegen Welten. Auch wenn sie hin und wieder für den einen oder anderen Skandal gesorgt haben, haben sie es doch geschafft, den ursprünglichen Gedanken der Partei beizubehalten und nicht unterzugehen, wie andere Parteien nach ihnen.

Diesen Weg hat die Partei einigen Personen zu verdanken, die sich immer für sie eingesetzt und es verstanden haben, die Partei nicht zu einer Sekte werden zu lassen. Denn zu viele Grünen der ersten Stunden sahen sich als Messias, Heilsbringer und Retter vor dem Krieg (vgl. Jurtschitsch und Kullke 2018, online).

In der noch jungen Parteigeschichte traten häufig Probleme und Unstimmigkeiten innerhalb der Partei auf, die aber immer beigelegt werden konnten. Während Die Grünen sich früher immer gegen vieles positionierten, so haben sie mittlerweile diese Verbote gelockert und sind auf die Gesellschaft zugegangen, was ihnen ebenfalls in der Wählergunst half.

Auch von Skandalen blieb die Partei nicht verschont. Dafür sorgte zwei Mal der spätere Außenminister Joschka Fischer. 1984 wurde er im Bundestag vom Bundetagsvizepräsidenten des Plenarsaals verwiesen. Bevor Fischer diesen verließ, sagte er zu diesem den heute noch bekannten Satz: „Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub!" Für den zweiten Skandal sorgte Fischer, als er 1985 im hessischen Landtag als Umweltminister vereidigt wurde. Zur Vereidigung erschien Fischer in Turnschuhen.

Alternative für Deutschland

Die AfD wurde im Februar 2013 als Reaktion auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der weltweiten Wirtschaftskrise gegründet und zog bereits ein Jahr später bei allen anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen in die Landtage ein. Bereits im Mai 2014 konnte sie nach der Europawahl Abgeordnete in ein überregionales Parlament entsenden. 2017 schaffte die AfD den Einzug in den Bundestag und war somit nach den Grünen die zweite neue Partei, die die Fünf-Prozent-Hürde überspringen konnte (vgl. Decker 2018, online).

Entstehung der Partei

Die Parteientstehung kann bis zum Vertrag von Maastricht nachvollzogen werden. Damals wurde erfolglos gegen die Einführung einer gemeinsamen Währung geklagt. Die Personen, die damals gegen die Einführung des Euros klagten, schlossen sich später zum Bund freier Bürger zusammen und bildeten eine Keimzelle für die spätere AfD.

Daneben gab es aber auch andere liberale, konservative und nationalistische Vereinigungen, beispielsweise die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, das Bündnis Bürgerwille, die Wahlalternative 2013 und die Zivile Koalition (vgl. Decker 2018a, online).

Aber nicht nur diese Bewegungen formten die spätere Partei. Sie bekam ebenfalls Zuspruch von einer Anzahl an ehemaligen Parteimitgliedern der anderen Parteien, sodass sich auch diese der neuen Partei anschlossen. Im Folgenden werden vier Bewegungen genannt, die später alle in der Partei vertreten waren.

Bund freier Bürger

Der Bund freier Bürger war eine Kleinpartei, welche von 1994 bis 2000 in der Parteienlandschaft Deutschlands zu finden war. Diese Partei verzeichnete allerdings bereits im Jahr 1995 verschiedene Meinungsunterschiede innerhalb der eigenen Reihen, was dazu führte, dass viele Parteimitglieder wieder austraten und die Partei sich zunehmend radikalisierte. Da sich auch durch den Zusammenschluss mit anderen Kleinparteien keine Wahlerfolge zeigten, wurde der Bund am 15. August 2000 offiziell aufgelöst (Hartleb 2013, Seite 200f.).

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

Diese Initiative wurde 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründet und ist eine Art Lobbyorganisation. Nach eigener Aussage möchte die Initiative „[...] die Soziale Marktwirtschaft stetig den aktuellen Herausforderungen und Veränderungen […] [anpassen]. Stichworte dieser Veränderungen sind Globalisierung, demografischer Wandel, Umweltschutz, Digitalisierung und Wissensgesellschaft. Zwar hat sich die Soziale Marktwirtschaft über Jahrzehnte bewährt, doch auch erfolgreiche Konzepte müssen fortlaufend auf ihre Zukunftsfestigkeit überprüft und gegebenenfalls modernisiert werden." Sie setzt sich daher in den Bereichen Rente, Staatsausgaben und Bildung ein (vgl. INSM o.J., online).

Wahlalternative 2013

Die Wahlalternative 2013 wurde von ehemaligen CDU-Mitgliedern initiiert, die mit der Führung der eigenen Partei unzufrieden waren. Dieser Verein wurde von Gauland und Lucke gegründet, der allen als Angebot dienen sollte, die mit der Euro- und Europapolitik unzufrieden sind (vgl. Süddeutsche Zeitung, online). Somit zielte diese Initiative zunächst nicht darauf ab, eine neue Partei zu gründen, sondern Missstände in der aktuellen Politik aufzuzeigen.

Zivile Koalition

Die Zivile Koalition wurde 2005 von Beatrix von Storch gegründet. Der Verein positionierte sich gegen die Eurorettung und klagte gegen den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB vor dem EuGH (vgl. Lachmann 2013, online). Die Hauptanliegen dieses Vereins sind eine Änderung der Bildungspolitik, ausschließlich heterosexuelle Ehen, Änderungen im Steuersystem etc.. Des Weiteren sind sie gegen den Familiennachzug von Flüchtlingen

Von den Bewegungen zur Partei

Obwohl alle Bewegungen und Vereine versuchten, die Politik auf verschiedene Missstände aufmerksam zu machen, gelang ihnen dies nur bedingt. Auch bei den Wahlen hatten die Splittergruppen nur geringe Erfolge, da sie je einzeln nur wenige Themenfelder vertraten. Alle Bündnisse, die mit anderen kleinen Parteien eingegangen wurden, brachten nicht den erhofften Erfolg. Aus diesem Grund war für diese Bewegungen und Vereine klar, dass sie nur etwas bewirken können, wenn sie sich breiter aufstellen und ihre Interessen zusammen in einer Partei vertreten.

Parteigründung

Der wichtigste Vorläufer war der Bund freier Bürger, der sechs Jahre lang bestand. Auch wenn dieser Verein sich offiziell auflöste, so können die Ideen und Ziele heute in der AfD gefunden werden. Die Vereine und Bewegungen hatten alle ihre Sparten, in denen sie aktiv waren. Da auf Dauer nichts bewegt werden konnte, wurde eine neue Partei als Alternative zu den alten Parteien gegründet.

Die AfD wurde im Februar 2013 von 18 Personen in Hessen gegründet. Von den 18 Gründungspersonen sind mittlerweile nur noch vier Personen Mitglied in der Partei. Initiiert wurde diese Parteineugründung von Bernd Lucke (vgl. Münster 2020, online). Auf dem Gründungsparteitag im April 2013 wurden Lucke, Petry und Adam zu den Vorsitzenden gewählt. Vermutlich lag dies zum einen daran, dass diese von Anfang an in den Bewegungen eine bedeutende Rolle spielten. Zum anderen hatten diese Personen aber auch gute Beziehungen in die Wirtschaft, wovon man sich eine schnelle Etablierung der Partei erhoffte. Außerdem konnten viele Personen aus den hinteren Reihen der alten Parteien gewonnen werden, die ebenfalls halfen, die Partei in Deutschland aufzubauen (vgl. Decker 2018a, online).

Wahlergebnisse

Bei der anstehenden Bundestagswahl und Landtagswahl in Hessen im Gründungsjahr 2013 nahm die AfD teil, verpasste aber bei beiden Wahlen den Einzug ins Parlament, erhielt allerdings bei der Bundestagswahl 4,7 Prozent der Stimmen, was bis heute das stärkste Ergebnis einer neuen Partei bei einer Wahl ist (vgl. Bundestagswahl 2013, online).

Bei der Europawahl 2014 erhielt die AfD 7,1 Prozent der Stimmen und zog somit zum ersten Mal in ein Parlament ein (vgl. Europawahl 2014, online). Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen, die ebenfalls 2014 stattfanden, erhielt die Partei bis zu 12,2 Prozent der Stimmen. Somit waren sie ab diesem Jahr in drei Länderparlamenten vertreten (vgl. Landtagswahl 2014, Brandenburg, online).

Nach diesen ersten Erfolgen erhielt die AfD immer mehr Zustimmung in der Bevölkerung, was sich auch in den Ergebnissen bei den nächsten Wahlen widerspiegelte. Bei der Bundestagswahl 2017 erhielt die AfD dann 12,6 Prozent der Stimmen und zog mit 94 Delegierten in den Bundestag ein (vgl. Bundestagswahl 2017, online). Auch bei der Europawahl 2019 konnte die AfD nochmals an Stimmen gewinnen und erhielt 11,0 Prozent der Stimmen und vier Sitze im Parlament (vgl. Europawahl 2019, online).

Auch wenn die AfD bisher noch in keinem Bundesland oder auf Bundesebene an der Regierung beteiligt war, so ist sie dennoch in den Parlamenten vertreten und findet dort Beachtung – sowohl positiv als auch negativ. Den bisher größten Erfolg hatte die AfD in Thüringen, als dank ihrer Hilfe der FDP-Mann Thomas Kemmerich 2020 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Dies war ein großer Skandal und führte dazu, dass sich der Landtag auflöste und Kemmerich nach nur einem Tag als Ministerpräsident zurücktrat (vgl. ZDF 2020, online).

 Die AfD in der Parteienlandschaft

Die AfD ist mittlerweile in allen Landesparlamenten und dem Bundestag vertreten. Neben gemäßigten Personen des rechten Spektrums finden sich auch Rechtsextremisten in der Partei. Auch wenn dieser rechte Flügel der Partei in der Minderheit ist und die Partei betont, dass jede/r, deren/dessen Tendenzen zu sehr rechts ist, aus der Partei ausgeschlossen werde, so kann am Fall Höcke, der offiziell als Faschist bezeichnet werden darf, gesehen werden, dass dies nicht wirklich der Fall ist.

Ein weiterer fraglicher Fall dabei wäre der "Flügel" der Partei. Offiziell wurde dieser von Kalbitz und Höcke "geleitet". Nachdem der Verfassungsschutz diesen beobachtete, wurde der Flügel von Meuthen, dem Parteichef, gezwungen, sich aufzulösen, da sonst die ganze Partei beobachtet werden würde. Um dies zu verhindern, löste sich der Flügel im März 2020 offiziell auf. Kalbitz und Höcke blieben aber zunächst weiter Mitglied in der AfD, was ebenfalls die Frage aufwirft, inwieweit nicht doch deren politischer Kurs in der AfD verfolgt wird.

Aber auch innerparteiliche Streitigkeiten und verschiedene Parteiaustritte kann die AfD mittlerweile verzeichnen. So haben zwei Vorsitzende, Lucke und Petry, die Partei verlassen, da sie zu sehr nach rechts tendierte und sie die Partei nicht aus diesem Grund ins Leben gerufen hatten.

Auch wenn die AfD in der Parteienlandschaft angekommen ist, so hat sie es bisher noch nicht geschafft, in eine leitende Funktion in einem der Parlamente zu kommen. Daher stellt sie bisher nur Abgeordnete in den Parlamenten und noch keinen Minister. Bisher möchte sich keine der anderen Parteien auf eine Koalition mit der AfD einlassen und diese zu einer Regierungspartei machen.

Auch von Skandalen blieb die Partei nicht verschont. 2019 verließen mehrere Abgeordnete der AfD während der Gedenkfeier für die Opfer des Holocausts den bayerischen Landtag. Gauland sagte im Juni 2018 folgendes: „Wir haben eine ruhmreiche Geschichte, daran hat vorhin Björn Höcke erinnert. Und die, liebe Freunde, länger dauerte als die verdammten zwölf Jahre. Und nur wenn wir uns zu dieser Geschichte bekennen, haben wir die Kraft, die Zukunft zu gestalten. Ja, wir bekennen uns zu unserer Verantwortung für die zwölf Jahre. Aber, liebe Freunde, Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte."

Wie die Aktion der AfD bei der Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen zu bewerten ist, bleibt abzuwarten (vgl. ZDF 2020, online).

Fazit

Beide Parteien entstanden aus außerparlamentarischen Vereinen, Bürgerbewegungen und Protestgruppen. Während Die Grünen zu Beginn in der Gesellschaft kritisch gesehen wurden, erhielt die AfD rasch breitere Zustimmung, was sich in den Wahlergebnissen der ersten Wahlen widerspiegelt.

Die Grünen, die aus Ökologie-, Frauen- und Friedensbewegung entstanden sind, konnten sich in den Anfangsjahren nur langsam in der deutschen Parteienlandschaft etablieren. So überwanden sie bei den ersten Wahlen nie die Fünf-Prozent-Hürde. Die AfD, die aus verschiedenen Euro- und Europagegnern entstand, hingegen erhielt bei der ersten Bundestagswahl, an der sie teilnahm, 4,7 Prozent der Stimmen. Dies reichte zwar nicht für den Einzug ins Parlament, es war aber dennoch das beste Ergebnis einer neugegründeten Partei bei einer Wahl.

Auch wenn die AfD wie Die Grünen aus verschiedenen Bewegungen entstand, so gibt es doch viele Unterschiede zwischen den beiden Parteien. Die Grünen haben in ihrer Geschichte schon viele Hürden genommen und die Personen, die zu radikal waren, aus der Partei ausgeschlossen. Ebenfalls zeigte der Staat den Personen ihrer Grenzen auf. Der Rechtsstaat hat mehr oder weniger mitgeholfen, dass aus der ehemaligen Bürgerbewegung der Grünen eine Partei werden konnte, die eine Koalition eingehen kann (vgl. Jurtschitsch und Kullke 2018, online).

Bei der AfD ist dies bisher noch nicht der Fall. Der Rechtsstaat verhält sich aktuell noch sehr verhalten gegenüber der neuen Partei. Wenn eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz angekündigt wird, positionieren sich die Vorsitzenden der Partei offen gegen die Nationalisten in der Partei. Doch wie ehrlich ist dies gemeint? Oder wird dies nur zu Beruhigung des Verfassungsschutzes getan? Der Fall Höcke und Kalbitz lässt vermuten, dass es sich bei solchen Ansprachen doch eher nur um Ankündigungen handelt, die aber nicht umgesetzt werden.

Eine weitere Parallele, die zwischen den beiden Parteien zu finden ist, besteht darin, dass die Mitglieder, auch nachdem sie bereits in einem Landtag oder im Bundestag saßen, weiterhin bei Demonstrationen von Radikalen zu finden sind. Vermutlich führte dies auch bei beiden Parteien dazu, dass sie am Anfang von den alten Parteien als nicht koalitionsfähig eingestuft wurden. Während Die Grünen mittlerweile nicht mehr auf solchen Demonstrationen zu finden sind, so ist dies bei der AfD noch nicht der Fall. Höcke tritt bei Pegida-Demonstrationen immer wieder als Redner auf.

In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass es in der Entstehung zwischen den Grünen und der AfD Parallelen gibt. Während Die Grünen aber nun schon seit 40 Jahren in der Parteienlandschaft vertreten sind und dabei eine große Entwicklung durchgemacht haben, ist dies bei der AfD bisher noch nicht der Fall. Sie ist zwar in der Parteienlandschaft angekommen, fällt aber bisher noch durch verschiedene negative Beispiele auf. Zusätzlich sind in der Partei noch viele unterschiedliche politische Richtungen vertreten, die zum Teil auch sehr radikal sind. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich die AfD in den kommenden Jahren von ihren extremen Ansichten lösen kann. Dann könnten sie eventuell auch eines Tages Regierungspartei in einem Bundesland oder auf Bundesebene werden.

Literaturverzeichnis

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