2017: "Unite the Right"-Kundgebung in Charlottesville
Am 11. und 12. August 2017 kam es in der Stadt Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia zu rechtsextremen Kundgebungen und Krawallen von mehreren White-Power-Gruppierungen, darunter Neonazi-Organisationen, Mitglieder der Alt-Right-Bewegung, rassistische Skinheads, Ku-Klux-Klan-Anhänger und Identitärer. Der Auslöser war ein Aufruf gewesen, sich gegen das beschlossene Entfernen einer Statue von General Robert E. Lee, zu wehren. Robert E. Lee führte die Konföderierten der Südstaaten im Bürgerkrieg 1861-1865 an, die für den Erhalt der Sklaverei gekämpft haben.
Am Abend des 11. August begannen die Kundgebungen mit Fackelzügen unter anderem über den Campus der University of Virginia. Am 12. August kam es dann zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tausenden Menschen der rechtsextremen Gruppen und den Gegendemonstranten. Nach der Kundgebung raste noch ein Auto in die Menge der Gegendemonstranten und tötete die 32-jährige Heather Heyer. Der Fahrer des Autos, ein rechtsextremer Aktivist, wurde mit der Gruppe „Vanguard America“, einer Vereinigung der „White Supremacists“, in Verbindung gebracht. Insgesamt wurden mehrere Menschen verletzt und zwei weitere getötet, da ein Polizeihubschrauber, der für Sicherheit bei der Demonstration sorgen sollte, abstürzte (vgl. Gierke 2017).
Die erste Reaktion des US-Präsidenten Donald Trump stieß auf Unverständnis, denn auf einer Pressekonferenz erklärte er, dass es „Gewalt auf vielen Seiten“ (Lindner 2017) gegeben habe. Er wies den rechtsextremen Gruppen keine direkte Schuld und Verantwortung zu und wurde von diesen deshalb gefeiert. Er machte zusätzlich auch noch die liberalen Demonstranten mitverantwortlich. Trump wurde von allen Seiten für die Aussagen kritisiert, da er sich nicht grundlegend vom Rechtsextremismus und Rassismus abgegrenzt hatte, und viele Politiker, Berater und Wirtschaftsfunktionäre distanzierten sich von ihm. Aus Protest verließen dann die Vorstandschefs von Intel, Under Armour und Merck & Co sogar das Beraterteam des Präsidenten. Ken Frazier, der Konzernchef von Merck & Co, äußerte sich mit den Worten: „Amerikas Führung muss unsere fundamentalen Werte anerkennen, indem sie klar das Ausdrücken von Hass, Bigotterie und der Vorherrschaft einer Gruppe zurückweist, die dem amerikanischen Ideal, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, zuwiderlaufen“ (Lindner 2017) - scharfe Kritik an Trump (vgl. Tillerson 2017).
Doch wer waren die Demonstranten in Charlottesville und woher nehmen sie ihre Legitimation? Die „Unite the Right“-Kundgebung sollte das breite Spektrum an rechtsextremen Gruppen vereinen und diese mobilisieren. Eine davon war der Ku-Klux-Klan, die eine der wohl international bekanntesten „Hassgruppen“ ist. Sie wurde aufgrund der Niederlage der Konföderierten im Bürgerkrieg gegründet und kämpfte für den Erhalt der Rassenhierarchie. Des Weiteren waren auch Mitglieder des „National Socialist Movements“ anwesend, die die größte Vereinigung von Neonazis in den USA darstellt. Außerdem auch Neokonföderierte, oder auch „Southern Nationalists“ genannt, die für eine Abspaltung der Südstaaten von den USA kämpfen und sich nach dem Leben vor dem Bürgerkrieg und der Abschaffung der Sklaverei sehnen. Dieser Zusammenschluss der Gruppen innerhalb der Demonstration verschärfte den lange währenden Kulturkampf, um Symbole der Konföderierten in den USA, die von vielen mit Rassismus in Verbindung gebracht werden (vgl. Fröba 2017, S. 5 ff.).
Außerdem waren viele Anhänger der Alternative-Right-Bewegung (Alt-Right) an den Ausschreitungen beteiligt, die diese eher als Plattform nutzten, um ihre Ansichten außerhalb des Internet zu verbreiten. Diese „alternative Rechte“ besteht aus fragmentierten Gruppen weißer Nationalisten, Libertärer und Rechtsradikaler und vereint somit verschiedene Spektren der extremen Rechten. Sie werden oft auch als „White Nationalists“ oder „White Supremacists“ bezeichnet (Fröba 2017, S.7). Anfänglich war diese eine radikale Alternative zum US-amerikanischen Konservatismus. Die Anhänger der Alt-Right-Bewegung haben Trump im Jahr 2016 in seinem Wahlkampf durch gezielte Provokationen unterstützt und haben dadurch an Bekanntheit gewonnen. Auch einer seiner Berater, Steve Bannon, steht dieser Bewegung sehr nahe.
Im November 2016, nach Trumps Sieg über Clinton im US-Wahlkampf, ist Richard Spencer, der den Begriff Alt-Right etablierte, mit einer faschistischen Rede negativ aufgefallen. In dieser Rede wurde Trump als Retter des „weißen Amerika“ propagiert und beendet wurde diese mit den deutlich rechtsextremen Worten „Heil Trump“, „Heil unserem Volk“, und „Sieg Heil“ (Weiß 2017). Die Alt-Right-Bewegung vertritt „ethnisch getragenen Nationalismus, die autoritäre Verachtung der Demokratie, eine Besessenheit von Verfall und Wiedergeburt der Nation, Frauenfeindlichkeit, Sozialdarwinismus und die Verherrlichung von Gewalt“ (Weiß 2017) mit dem Ziel einer homogen weißen Bevölkerung in den USA.
Außerdem liegt der Ideologie der Alt-Right-Bewegung die Überlegenheit und Verteidigung der weißen Identität gegen Vielfalt in der Gesellschaft und eine liberale Demokratie zugrunde. Die Anhänger des Kerns der Bewegung sprechen offen von „Rasse“ und distanzieren sich, wenn überhaupt, sehr wenig von neonazistischem Gedankengut. Dagegen ist der Teil der Alt-Light-Bewegung eher kulturalistisch veranlagt und gegen den Islam. Auch deutsche rechte Gruppen wie die „Identitäre Bewegung“ kooperieren mit der Alt-Right- Bewegung. Die Kampagne „Defend Europe“ war beispielsweise eine gemeinsame Aktion (vgl. IDZ Jena 2017, S.1-4).
Die Anhänger der Alt-Right agieren provokativ auf Facebook, Twitter oder anderen Medien und nehmen durch ihre rassistischen und oft falschen Äußerungen und Verschwörungsmythen Einfluss auf die demokratische Kultur. Sie schaffen sich teilweise auch eigene Räume, um offen ihre rassistischen Äußerungen zu verbreiten, wie beispielsweise die Online-Diskussionsseite „Voat“. Hauptsächlich geschieht diese Äußerung aber durch selbst kreierte Symbole, Codes oder die Verwendung einer eigenen Art von Sprache mit Insiderwitzen. Die Anhänger bezeichnen sich beispielsweise positiv als „edgy“ während alle anderen „Normies“ sind, also dem politischen Mainstream angehören. Außerdem wird das Meme von Pepe dem Frosch als Symbol der Alt-Right verwendet, um die antisemitischen und rassistischen Aussagen durch ironische Memes zu verharmlosen (vgl. Nagle 2018, S. 15 f.). Dieser online geschürte Hass führte auch zu dem rechtsextremen Aufmarsch in Charlottesville und ist ein Beispiel dafür, was Hetze im Internet auslösen kann.
Literaturtipp
Wissenschaftliche Publikation zu Entstehung und Rhetorik der Alt-Right-Bewegung, Verbindung zu Trump, Rhetorik von Präsident Trump:
- Perez, Alyssa Cathryn (2018): “Make America Great Again”: Political Rhetoric of the American Alt-Right Movement. California State University. URL: https://ul.qucosa.de/api/qucosa%3A21128/attachment/ATT-0/ [Zugriff über Opac Plus der PH Ludwigsburg]
- Fröba, Iris (2017): USA: Der Glaube an die weiße Vorherrschaft in den Südstaaten. Hintergrund USA 08/17. Potsdam-Babelsberg: Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. URL: https://shop.freiheit.org/#!/Publikation/611 [zuletzt abgerufen am 23.06.2020]
- Gierke, Sebastian (13.08.2017): Was in Charlottesville passiert ist. Sueddeutsche Zeitung. URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/ausschreitungen-in-charlottesville-was-in-charlottesville-passiert-ist-1.3627267 [zuletzt abgerufen am 21.06.2020]
- IDZ-Jena (2017): Zwischen Online-Hass und rassistischer Gewalt. Die sogenannte „Alternative Rechte“. Fact Sheet des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft. URL: https://www.idz-jena.de/fileadmin/user_upload/Factsheet_Altright_a4.pdf [zuletzt abgerufen am 23.06.2020]
- Nagle, Angela (2018): Die digitale Gegenrevolution. Online-Kulturkämpfe der neuen Rechten von 4chan und Tumblr bis zur Alt-Right und Donald Trump. Bielfeld: Transcript Verlag
- Lindner, Roland (14.08.2017): Trump spottet über Merck-Chef. Frankfurter Allgemeine. URL: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/nach-charlottesville-merck-chef-verlaesst-trumps-beraterteam-15150823.html [zuletzt abgerufen am 23.06.2020]
- Tillerson, Rex (28. 08. 2017): US-Außenminister distanziert sich von Trump. Suedeutsche Zeitung. URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/rex-tillerson-us-aussenminister-distanziert-sich-von-trump-1.3643194 [zuletzt abgerufen am 23.06.2020]
- Weiß, Volker (02.01.2017): Trumps rechtsextreme Freunde. Zeit Online. URL: https://www.zeit.de/politik/ausland/2016-12/alt-right-bewegung-usa-rechtsextremismus-donald-trump [zuletzt abgerufen am 21.06.2020]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen