Freitag, 26. Juni 2020

Chronologie: Rechtsextremer Terroranschlag in Christchurch (2019)

Dies ist ein Hintergrundtext von Theresa Wanner zu folgendem Eintrag in der Chronologie:

2019: Rechtsextremer Terroranschlag in Christchurch (Neuseeland)

Mit der Erfindung des Internet und vor allem den sozialen Medien hat sich das Kommunikations- und Informationsverhalten grundlegend verändert. Durch das Internet und seine enorme Reichweite kann man heutzutage sehr viele Menschen schnell und einfach über Dinge informieren. Dieser Strukturwandel zeigt einen eindeutigen Trend zur internationalen Verflechtung (vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, 2019, S.40f).

Auch der Rechtsextremismus hat durch die Nutzung des Internet strukturelle Veränderungen erfahren. Die Reichweite der Plattformen werden genutzt, um nun selbst über die Grenzen hinaus Argumentationsmuster, Ideologien, Verschwörungs-, und Umvolkungsmythen veröffentlichen und vor allem verbreiten zu können (vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, 2019, S.42).

Auch ein 28-jähriger australischer Rechtsterrorist nutzte die Medien, um sein 74-seitiges rechtsextremistisches Manifest vor seinem Attentat in Christchurch am Freitag, den 25. März 2019, zu veröffentlichen und ein globales Publikum zu erreichen. Im Manifest mit dem Titel „Der große Austausch“ kündigte er die Tat an und schilderte seine rechtsextreme und fremdenfeindliche Motivation. Ihm voran gingen andere Massenmörder beispielsweise in Norwegen (vgl. Hannoversche Allgemeine, 2019).

Der Attentäter möchte den Lesern Antwort geben, warum er die Tat ausgeführt hat. Die sogenannte „Umvolkung“ trieb ihn wohl am meisten an (vgl. Süddeutsche Zeitung, 2019). Es wird behauptet, dass nicht-europäisch-stämmige Zuwanderer die vorherige Mehrheit ersetzen würden. Außerdem wolle er „Rache für Invasionen nach Europa über die Jahrhunderte (nehmen), Rache auch "für die Tausenden europäischen Leben, die durch Terrorattacken in europäischen Ländern verloren wurden"“ (vgl. Süddeutsche Zeitung, 2019).

Des Weiteren postete er zwei Tage vor dem Anschlag ein Bild der Moschee sowie Waffen mit kyrillischen und osteuropäischen Inschriften. Er möchte „die Kluft zwischen den mehrheitlich christlichen NATO-Staaten und der Türkei sowie den Waffenbesitzern und Waffengegnern, den Rassen und politischen Lagern in den USA vergrößern, dort hoffentlich einen zweiten Bürgerkrieg auslösen und die USA „balkanisieren“, um die weiße Vorherrschaft zu erneuern und den Tod des „Schmelztiegels“ der Kulturen zu besiegeln.“ (vgl. Wikipedia, 2020).

Auf dem Weg zur ersten Moschee hörte er ein serbisches Lied an, das dem Kriegsverbrecher Radovan Karadžić gewidmet ist und die Muslime des Balkans schmäht (vgl. Süddeutsche Zeitung, 2019). Mit Schusswaffen und schusssicherer Weste ausgerüstet stürmte er zuerst in die Deans Ave Moschee, in der sich zum Tatzeitpunkt rund 300 Muslime zum Freitagsgebet befanden. Er schoss um sich und tötete rund 40 Betende, darunter auch Kinder und Passanten. Daraufhin fuhr er in einen Vorort von Christchurch und tötete kurze Zeit später in der Linwood Moschee 10 Menschen. Viele weitere wurden verletzt.

Ein Moschee-Besucher lockte den Attentäter mittels Schreien nach draußen und bedrohte ihn mit einer Waffe des Schützen, die er zuvor weggeworfen hatte. So konnte noch Schlimmeres verhindert werden. Der Täter, der bei den Behörden zuvor nicht auffällig war, wurde in seinem Auto festgenommen. Mithilfe einer Helmkamera streamte der Attentäter den Angriff 17 Minuten lang auf Facebook. Die Kopien verbreiteten sich schnell. Facebook hatte große Mühe, alle Videos und Beiträge wieder zu löschen (vgl. Der Westen, 2019).

Die Programme zum damaligen Zeitpunkt reichten nämlich nicht aus, um solche Videos frühzeitig zu erkennen. Es mussten neue Programme entwickelt werden, auch mit Blick auf die Zukunft. Die eigenen Facebook-Daten löschte der Täter aber selbst. Aus Metadaten und einem Textarchiv konnten sie wiederhergestellt werden, und der Radikalisierungsprozess wurde aufgezeigt.

Bereits seit April 2016 „unterstützte er die rechtsextremen australischen Gruppen United Patriots Front (UPF) und True Blue Crew (TBC) mit zahlreichen hasserfüllten Kommentaren“ (vgl. Wikipedia, 2020). Ebenso unterstützte er 2019 die rechtsextreme Identitäre Bewegung (IB) in Österreich mit 1500€. Er besuchte in den Jahren vor dem Anschlag viele Länder und interessierte sich für historische Stätten, an denen Schlachten gegen Muslime stattgefunden hatten. Auf seiner Reise durch Österreich war er „den Spuren der Kreuzritter“ (vgl. Wikipedia, 2020, zitiert nach Schmid, 18.03.19) gefolgt.

Der Attentäter war ein australischer Bürger und passte damit nicht in das Bild, das Rechtsaußen-Politiker von Terroranschlägen bislang hatten, wie etwa die Reaktion von Marcus Pretzell zeigt. Laut ihm sei die Migrationspolitik Schuld am Terror. Dieses Mal funktionierte diese Schuldzuschiebung jedoch nicht, denn es war ein Einheimischer und ein Rechtsextremist, der den Anschlag durchgeführt hatte.

Der Berliner AfD-Politiker Harald Laatsch fand in Greta Thunberg die Schuldige und konnte so von der rechtsextremistischen Gedankenwelt ablenken. Anknüpfungspunkt dafür war, dass der Attentäter sich selbst in seinem Manifest als „Öko-Faschist“ beschrieb. Damit meinte er, „die Welt aus "Umweltschutz" von Migranten, Muslimen und Afrikanern befreien zu müssen. (Es war also) (e)ine rassistische Drohung, kein Klimaschutz-Bekenntnis“ (vgl. Bolmer, 2019). Es zeigt sich hier ganz „exemplarisch, wie wenig es rechten Politikern um Mitgefühl und ehrliches Aufarbeiten solcher Taten geht. Sie wollen vor allem eines: Feindbilder erzeugen“ (vgl. Bolmer, 2019).

In der Süddeutschen Zeitung vom 26.03.20 wird abschließend berichtet, dass sich der Täter schuldig bekannt habe und in Neuseeland in Folge des Anschlages nun halbautomatische Waffen verboten worden sind. Des Weiteren haben sich auch die Richtlinien zur Live-Übertragung von Videos in sozialen Medien verändert, um solche Vorfälle in Zukunft frühzeitig verhindern zu können. Rechtsextremisten wird also die Nutzung von sozialen Medien erschwert. Dies kann als wichtiger Schritt gegen Rechtsextremismus und Terrorismus gesehen werden.

Quellen:

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