Montag, 8. Juni 2020

Chronologie: Tea Party-Bewegung beginnt (2009)

Dies ist ein Hintergrundtext von Julia Feil zu folgendem Eintrag in der Chronologie:

2009: Die Tea Party-Bewegung beginnt

Die Tea Party-Bewegung ist eine US-amerikanische politische Protestbewegung, die als Reaktion auf die Haushalts- und Gesundheitspolitik des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama im Frühjahr 2009 gegründet wurde (Greven 2016, S. 111). Mitglieder dieser Bewegung sind vor allem Neokonservative, Libertäre und Anhänger der sogenannten Christian Right (Landeszentrale für politische Bildung), daher vermischten sich zunächst konservative und wirtschaftsliberale Strömungen.

Der Name „Tea Party“ bezieht sich auf das historische Ereignis der Boston Tea Party, ein Akt des Widerstands der amerikanischen Kolonisten gegen die britische Steuerpolitik im Jahr 1773. Zudem steht der Name auch als Akronym für „Taxed Enough Already“ (Oswald 2015, S. 110–111). Bereits durch diese Bezeichnungen zeigt sich, dass insbesondere die Steuerpolitik bzw. staatliche Eingriffe in das bürgerliche Leben und das Wirtschaftsgeschehen kritisiert werden.

Jedoch ist diese Bewegung auch stark geprägt durch ein generelles Misstrauen gegenüber dem Regierungsapparat und durch die Idealisierung der Amerikanischen Revolution bzw. der Idee des „American Dream“ (Greven 2011, S. 9). Die Tea Party war mit ihren „Revolutions-Parolen“ vor allem bei Wählern aus der weißen Mittelschicht erfolgreich (Buchter 2017), die aufgrund der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 mit Zukunftsängsten konfrontiert waren, einen sozialen Abstieg fürchteten und die etablierten Politiker dafür verantwortlich machten. Eine Spaltung der Gesellschaft begann sich zu offenbaren.

Die Struktur der Tea Party-Bewegung wird oftmals als „grassroots movement“ (deutsch: Grasswurzelbewegung) bezeichnet. Dies bedeutet, dass Aktivitäten von zahlreichen lokalen Gruppen ausgehen und eine Basisdemokratie befürwortet wird (Voss 2010). Die Kommunikation oder Koordination von Protestaktionen findet häufig über soziale Medien statt. Darüber hinaus gab es nie eine klare Führungsperson dieser Protestbewegung. Jedoch trat Sarah Palin, die ehemalige Gouverneurin des Bundesstaats Alaska und republikanische Kandidatin für das Amt der Vize-Präsidentenin, als inoffizielle Sprecherin bzgl. Tea Party Angelegenheiten auf (Greven 2011, S. 5; Oswald 2015, S. 118).

Die Einordnung als „grassroots movement“ wurde allerdings häufig kritisiert, da die Tea Party-Bewegung von einigen Milliardären und dem Nachrichtensender Fox News unterstützt wird (Greven 2016, S. 111). Daher wurde der Begriff „Astroturf“ als Gegenkonzept genannt, d.h. die Protestbewegung wird hierbei mit der Verbreitung von Propaganda in Verbindung gebracht und wird als Anhängsel der Republikanischen Partei begriffen, die unter dem Einfluss der Tea Party-Bewegung auf dem politischen Spektrum nach rechts gerückt ist.

Die Tea Party verfügt über keine konsistente Ideologie, sondern verkörpert vielmehr die Haltung, gegen die Regierung bzw. gegen das politische Establishment zu sein (Greven 2016, 119). Des Weiteren zeigten Studien, dass Tea Party-Anhänger auch durch ihre Wahrnehmung kultureller Missstände motiviert sind (Arceneaux u. Nicholson 2012, S. 700-706). Zudem können die radikalen politischen Ideen der Tea Party häufig als vereinfachend und veraltet beschrieben werden. So wird eine Wiedereinführung des Goldstandards gefordert sowie die Abschaffung des derzeitigen Systems der Social Security (Harris 2010).

Auch die Streichung des 14. Verfassungszusatzes, der u.a. den gleichrangigen Schutz aller Bürger vor dem Gesetz garantiert (Cohen 2010), wurde diskutiert. Ähnlich wie bei europäischen rechtspopulistischen Parteien und Gruppierungen kritisiert die amerikanische Protestbewegung u.a. den Wohlfahrtsstaat (Minkenberg 2011, S. 287 f.). An dieser Stelle ist jedoch zu beachten, dass Tea Party-Anhänger zwischen staatlicher Unterstützung für hart arbeitende Menschen und Almosen für Menschen, die keine Unterstützung verdient hätten, differenzieren (Williamson et al. 2011, S. 32 f.).

Walter Russell Mead ordnet die Tea-Party Bewegung dem Phänomen des „Jacksonian Populism“ zu, welcher die populistischen Ideale und das Vorgehen des ehemaligen US-Präsidenten Andrew Jackson beschreibt (Mead 2011, S. 33f.). Im Zentrum dieser Überzeugung steht der „gesunde Menschenverstand“ der einfachen amerikanischen Bürger, der der Expertise der politischen Eliten gegenübersteht, und ein Präsident, der sich als „Mann des Volkes“ präsentiert (Greven 2016, S. 120). Die Aussage „We do not need an elite to govern us. We can govern ourselves“ verdeutlicht schließlich den Vertrauensverlust gegenüber dem politischen Establishment (Harris 2010).

Im ganzen Land gewannen in den Jahren nach 2009 viele der Tea Party nahstehenden Kandidaten republikanische Nominierungen für den US-Senat, das Repräsentantenhaus und Gouverneurswahlen. Jedoch verlor die Tea Party allmählich an Unterstützung, so erreichte sie einen Tiefpunkt im Oktober 2015 (Norman 2015). Die Unzufriedenheit der amerikanischen Bevölkerung mit dem etablierten politischen System wuchs, was dazu führte, dass politische Außenseiter als Favoriten im Rennen um die republikanische Nominierung für die Präsidentschaft im Jahr 2016 auftraten.

Der Wahlausgang zeigt, dass der ehemalige Immobilienmogul Donald Trump schließlich sogar beliebter war als Politiker, die Verbindungen zur Tea Party besaßen, wie Rand Paul und Ted Cruz. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump kam es dann zu einer Wiederbelebung des von der Tea Party geprägten aggressiven Politikstils, der u.a. auf Wut und Misstrauen gegenüber der politischen Eliten und wissenschaftlichen Experten basiert. Zudem ernannte Trump Mike Pence, einen Anhänger der Tea Party, zum Vize-Präsidenten. Abschließend zeigt sich also, dass, obwohl die ursprünglichen Ideen und Gruppierungen der Tea Party-Bewegung an Bedeutung verloren haben, (rechts-)populistische Einstellungen in den USA weiterhin bestehen.

Literaturverzeichnis
  • Arceneaux, Kevin, und Stephen P. Nicholson. 2012. Who Wants to Have a Tea Party? The Who, What, and Why of the Tea Party Movement. PS: Political Science & Politics 45: 700–710.
  • Buchter, Heike. 2017. Der Aufstieg der Rechtspopulisten in den USA. https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240062/der-aufstieg-der-rechtspopulisten-in-den-usa. Zugegriffen: 4.6.2020.
  • Cohen, Martin. 2010. The future of the Tea Party. Scoring an invitation to the Republican Party. Berkeley: University of California.
  • Greven, Thomas. 2011. Die Krise der amerikanischen Demokratie und die Tea-Party-Bewegung. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung.
  • Greven, Thomas. 2016. Zwischen Plutokratie und Rassismus. Der sehr amerikanische Populismus der Tea Party-Bewegung. In Die US-Präsidentschaftswahl 2012. Analysen der Politik- und Kommunikationswissenschaft, Hrsg. Christoph Bieber, und Klaus Kamps, 109–134. Wiesbaden Germany: Springer VS.
  • Harris, Lee. 2010. The Tea Party vs. the Intellectuals. https://www.hoover.org/research/tea-party-vs-intellectuals. Zugegriffen: 4.6.2020.
  • Landeszentrale für politische Bildung. Die-Tea-Party-Bewegung. Wer sind die Anhänger der Tea Party? https://uswahl.lpb-bw.de/tea-party-bewegung. Zugegriffen: 4.6.2020.
  • Mead, Walter Russell. "The Tea Party and American Foreign Policy: What Populism Means for Globalism." Foreign Affairs 90, 2 (2011): 28-44. www.jstor.org/stable/25800455. Zugegriffen: 4.6.2020.
  • Minkenberg, Michael. 2011. The Tea Party and American populism today. Between protest, patriotism and paranoia. Der moderne Staat: Zeitschrift für Public Policy 4: 283–296.
  • Norman, Jim. 2015. In U.S. Support for Tea Party Drops to New Low. Gallup.
  • Oswald, Michael. 2015. Obamas Widersacher. Die Tea Party. Eine strategische Bewegung und ihre Hintergründe. In Die USA am Ende der Präsidentschaft Barack Obamas. Eine erste Bilanz, Hrsg. Winand Gellner, und Patrick Horst, 109–126. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
  • Voss, Kathrin. 2010. Grassrootscampaigning und Chancen durch neue Medien. https://www.bpb.de/apuz/32777/grassrootscampaigning-und-chancen-durch-neue-medien?p=all. Zugegriffen: 4.6.2020.
  • Williamson, Vanessa, Theda Skocpol, und John Coggin. 2011. The Tea Party and the Remaking of Republican Conservatism. Perspectives on Politics 9: 25–43.

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