Donnerstag, 23. Juli 2020

Chronologie: Terroranschlag in El Paso (2019)

Dies ist ein Hintergrundtext von Mona Meinikheim zu folgendem Eintrag in der Chronologie:

2019: Rechtsextremer Terroranschlag in El Paso

In der Grenzstadt El Paso im US-Bundesstaat Texas eröffnete am Samstag, den 3. August 2019, ein 21-jähriger Mann das Feuer auf Besucher*innen eines Walmart-Supermarktes. Der Attentäter betrat das Supermarktgelände mit einem halbautomatischen Sturmgewehr bewaffnet; die ersten Notrufe gingen bei der Polizei um 10:39 Ortszeit ein. Augenzeugenberichten und Handyvideos zufolge schoss er bereits auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt, später auch im Markt wahllos auf Kunden und Angestellte. Die Polizei erreichte den Ort des Geschehens sechs Minuten, nachdem die ersten Notrufe eingegangen waren. Der Attentäter ergab sich außerhalb des Gebäudes und ließ sich von den Behörden widerstandslos festnehmen. Bei diesem Anschlag mit rechtsextremistischem Hintergrund wurden 20 Menschen getötet sowie 26 weitere verletzt. Unter den Opfern sind einige Mexikaner, auch ein deutscher Staatsangehöriger.

Bei dem Todesschützen von El Paso handelt es sich um einen weißen US-Amerikaner. Medienberichten zufolge kommt er aus der Kleinstadt Allan nördlich von Dallas. Bei dem mutmaßlichen Schützen wird ein rassistisches Motiv vermutet, die US-Justizbehörden sprechen deshalb von "inländischem Terrorismus". Desweiteren wurde kurz vor dem Attentat ein mutmaßliches Bekennerschreiben des 21-jährigen im Internet veröffentlicht. Das von der Polizei als "Manifest" bezeichnete vierseitige Dokument trägt den Titel „The Inconvenient Truth“ (Die unbequeme Wahrheit). Der Verfasser spricht darin von einer "hispanic invasion of Texas" (Invasion Texas‘ durch Menschen aus Lateinamerika). Außerdem bekundet er Solidarität mit dem Attentäter von Christchurch, der am 15. März 2019 – ca. ein halbes Jahr vor der Tat in El Paso – zwei Moscheen gestürmt und dabei 51 Gläubige getötet hatte.

Einem Bericht der New York Times zufolge wurde der Text in dem Forum „8chan“ veröffentlicht, in dem auch der neuseeländische Attentäter seine Tat angekündigt hatte. Recherchen zufolge wurde das Schreiben am Samstag um 10.20 Uhr veröffentlicht, 19 Minuten, bevor der erste Hilferuf bei der Polizei einging. Auch die Polizei von El Paso gehe davon aus, dass der Attentäter Urheber des Schreibens ist. Im Text werde Hintergrundwissen zum geplanten Tathergang sowie ein konkreter Angriff erwähnt, der eine Reaktion auf die "hispanic invasion" darstelle. Das Manifest beinhalte auch einen Plan, wie die USA nach "Rassen" aufgeteilt werden solle. Außerdem wird darin behauptet, weiße Menschen sollten von Ausländern "ersetzt" werden - und knüpft damit an Verschwörungsmythen von einem "großen Austausch" an.

Solche Legenden sind international bei Rechtsextremisten gängig - von den "Identitären" in Europa über den Attentäter von Christchurch bis zu weißen Rassisten in den USA. Die New York Times stellt in einer Analyse fest, dass viele Anschläge in den USA auf das Konto von weißen Rassisten gehen. FBI-Analysen und anderen Quellen zufolge gab es seit 2017 mindestens acht Angriffe mit Waffen durch weiße Rassisten – auf Schulen, Synagogen oder Einkaufszentren. Beispielsweise in Pittsburgh tötete ein Rechtsextremist elf Menschen, ein anderer in Parkland sogar 17. Der Angriff von El Paso ist mit 20 Todesopfern somit der folgenschwerste bislang. Außerdem gilt er als der schwerste auf die lateinamerikanische Community in den USA, denn der Attentäter wollte, seinem Manifest zufolge, gezielt Lateinamerikaner töten. Sechs der Getöteten und sieben der Verletzten sind mexikanische Staatsangehörige. In der Grenzstadt El Paso leben viele Mexikaner, viele überqueren täglich die Grenze, um in den USA zu arbeiten oder einzukaufen.

Keine 24 Stunden nach dem Anschlag in El Paso ereignete sich ein weiteres Attentat mit schwerwiegenden Folgen. In Dayton im US-Bundesstaat Ohio erschoss ein 24-jähriger Student in der Nacht zum Sonntag mit einer Langwaffe neun Menschen im Oregon District, dem Ausgehviertel der Stadt, 14 weitere Personen wurden vom Täter angeschossen, einige weitere verletzt. Das rasche Eintreffen der Polizei habe "Schlimmeres" verhindert, teilten die Behörden mit. Hätte eine Polizeistreife den Täter nicht innerhalb von nur wenigen Sekunden nach Beginn der Tat am Tatort erschossen, wären womöglich hunderte Menschen ums Leben gekommen. Später stellten die Ermittler Alkohol und Drogen im Blut sowie eine psychische Erkrankung des Todesschützen fest. Ein rechtsextremes Motiv des Täters schließen die Behörden aber inzwischen aus.

Kurz nach dem Massaker in El Paso und dem Attentat in Dayton zogen mehrere Hundert Demonstrantinnen vor das Weiße Haus und das Kapitol in Washington D.C., um für eine Verschärfung des Waffenrechts zu plädieren. US-Präsident Donald Trump wurde nach dem Anschlag von El Paso direkt kritisiert. Seine verbalen Angriffe auf Migranten aus Lateinamerika hätten ein Klima des Hasses geschaffen, wurde ihm in den Sozialen Netzwerken vorgeworfen. Der Attentäter von El Paso hatte auf Twitter zudem seine Unterstützung für Trump geäußert. Anfang 2017 schrieb er, die von Trump geplante Mauer sei der beste Weg, um die USA zu sichern. Trump hatte Mexikaner dort wiederholt als "Vergewaltiger und Kriminelle" bezeichnet.

Das Massaker von El Paso, die ähnliche Tat in Ohio und die ernüchternde Reaktion Trumps hatten in den USA erneut eine Debatte über eine Verschärfung des Waffenrechts ausgelöst. Die oppositionellen Demokraten erhielten bei dieser Forderung Unterstützung aus der Wirtschaft: 145 Konzernchefs riefen den US-Senat in einem von der New York Times veröffentlichten Brief dazu auf, einen vom Repräsentantenhaus bereits im Februar 2019 beschlossenen Gesetzentwurf zu verabschieden. Damit sollen Privatverkäufe von Waffen, bei denen es keine Hintergrundprüfung des Käufers gibt, prinzipiell verboten werden. US-Präsident Donald Trump und die Republikaner lehnen eine Verschärfung des Waffenrechts jedoch seit Jahren ab. Auch die mächtige Waffenlobbyorganisation NRA bekämpft jeden solchen Versuch.

Der Konzern Walmart zeigte sich schockiert über die Geschehnisse. Bereits am 30. Juli 2019 hatte es eine tödliche Schießerei in einer Walmart-Filiale gegeben: In Southaven im Bundesstaat Mississippi hatte ein entlassener Mitarbeiter zwei Angestellte getötet und einen Polizisten verletzt. Dass Walmart zum Tatort von Verbrechen mit Schusswaffen geworden ist, könnte in der Debatte über das Waffenrecht Symbolcharakter bekommen, schreibt die Washington Post. Der Konzern ist einer der größten Waffenhändler weltweit. Im vergangenen Jahr hatte er unter Berufung auf die "jüngsten Vorfälle" das Mindestalter für Waffenkäufer von 18 auf 21 Jahre erhöht – damit bezog sich Walmart offensichtlich auf das Schulmassaker in Parkland, bei dem ein 19-Jähriger 17 Menschen erschoss.

Tipp zum Weiterlesen
  • Florian Hartleb (2020): Lone Wolves: The New Terrorism of Right-Wing Single Actors, Springer (Auszüge bei Google Books)
Literatur

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