Freitag, 17. Juli 2020

Chronologie: Wahl Bolsonaros (2018)

Dies ist ein Hintergrundtext von Leon Glückert zu folgendem Eintrag in der Chronologie:

2018: Jair Bolsonaro gewinnt die brasilianische Präsidentenwahl

„Tropen Trump“, „kleiner Trump“ oder auch „Bulldozer“ (Nöthen 2020) - so wird der Präsident des fünftgrößten Landes der Welt genannt, Jair Bolsonaro. Kaum eine Person polarisiert so stark wie er, wenn es um Themen wie Nachhaltigkeit, Frauenrechte, Rassismus oder Korruption geht.

Als er 2018 die Wahl um die Präsidentschaft gewann, titelte die taz mit der Überschrift „Faschist Jair Bolsonaro gewinnt die Stichwahl“ - ein gewagter, aber durchaus passender Titel für seine Person. Doch wie schaffte es ein derart skrupelloser Mensch an die Spitze eines solch großen Landes? Hierzu ist es wichtig, auf seine sowie die Vergangenheit des Landes Brasiliens zurückzublicken. Niemand kommt aus dem Nichts, auch wenn es gelegentlich den Anschein hat.


Zwischen 2009 und 2018 entwickelte sich ein optimaler Nährboden für eine populistische Regierung, teils der Globalisierung, vor allem aber dem Versagen der damaligen Regierung geschuldet. Man kann also schon einmal vorwegnehmen, dass es mehr als eine Sache benötigt, damit eine Person wie Bolsonaro an die Macht gelangt.

Rückblick

„Brazil takes off“, hieß es in der am 14. November 2009 erschienenen Ausgabe des britischen Finanzmagazins The Economist. Gemeint war das damalige Wirtschaftswachstum Brasiliens im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. Brasilien schaffte den Sprung in die Mittelschicht und die Wirtschaft florierte. Laut der UN-Wirtschaftskommission (CEPAL) sank zwischen 2003 und 2009 der Anteil der in Armut lebenden Menschen von 38,7 % auf 24,9 %. Die extreme Armut des Landes reduzierte sich um über 5% (vgl. CEPAL).

„Doch 2013 begann [das Land] zu kippen“ (Nöthen 2020): Korruptionsskandale, politische Unruhen in Form von Demonstrationen und schließlich eine Rezession. Um ein ganzes Land für Populismus und eine vermeintlich einfache Lösung empfänglich zu machen, bedarf es zunächst einmal einer handfesten Krisensituation, welche möglichst große Teile der Bevölkerung betreffen muss. Doch selbst eine solche Situation erfordert noch die wichtigste Essenz, nämlich Unzufriedenheit.

Hier kam Jair Bolsonaro ins Spiel und erklärte den „Eliten“ den Kampf. Ähnlich wie in Europa erreichten Rechtspopulisten schließlich auch Brasilien, und wenn man auf die Voraussetzungen blickt, damit Rechtspopulisten Erfolg haben, so ist dies immer vergleichbar. Den idealen Nährboden liefern Krisen und eine daraus resultierende Angst bzw. Verunsicherung sowie der Wunsch nach Wiedergewinnung nationaler Souveränität (Nöthen 2020).

Ähnlich verlief es bei der Wahl Donald Trumps wie auch in zahlreichen europäischen Ländern. 2018 war es dann soweit. Jair Bolsonaro gewann die Stichwahl gegen den ehemaligen Bürgermeisters Sao Paulos, Fernando Haddad. Ein skrupelloser Wahlkampf, die allgemeine Unzufriedenheit über die Politik im Land sowie die Wirtschaftslage halfen ihm ungemein und somit wurde er der 38. Präsident des Landes.

Blick in die Gegenwart

„Anderthalb Jahre regiert Jair Bolsonaro - eine Zeit der Skandale und des Versagens: Brasilien ist aktuell einer der Corona-Hotspots der Welt. Bolsonaros Söhne stehen im Fokus der Justiz. Seine Umweltpolitik isoliert ihn auch international“ (Tagesschau 01.07.2020).

Die bisherige Bilanz Bolsonaros ist eine „des Schreckens“. Der versprochene Wirtschaftsaufschwung blieb aus, die Zahl der in Armut lebenden Menschen ist wieder gestiegen und die hohe Arbeitslosigkeit macht dem Land zu schaffen. Doch auch die eigene Familie des Präsidenten und immer wieder neu aufkeimende Skandale innerhalb der Regierung zehren an dem ohnehin schon wackelnden Land. Die Korruption hat sich eher verschlimmert, vom Raubbau an der Umwelt ganz zu schweigen. Zuvor gab es keinen Präsidenten, der dem Regenwald bzw. der Natur des Landes so nachhaltig geschadet hat wie Bolsonaro.

Zu allem Überfluss wütet Covid-19 in Brasilien und fordert nach den USA die meisten Todesopfer. Doch von all dem will er nichts wissen, die Pandemie ist für ihn nur ein lästiges Thema, auf welches er kaum bis gar nicht reagiert. „Was soll ich da machen? Ich heiße Messias aber ich kann auch keine Wunder wirken“ (Interview Journal Nacional), so manövriert er sein Land durch die Krise.

2022 sind zwar erneute Präsidentschaftswahlen, jedoch ist die Opposition alles andere als stark. Im Gegenteil, sie hat nichts aus ihrer fatalen Regierungszeit gelernt, da helfen ihnen auch keine 35 Amtsenthebungsverfahren (vgl. Tagesschau). Vor allem die linke Galionsfigur Lula da Silva spaltet das Lager wie kein anderer. Zunächst verhalf er Bolsonaro aufgrund seiner Inhaftierung in sein Amt, nun macht er keinen Platz für einen neuen, jüngeren Gegenkandidaten, welcher Bolsonaro schaden könnte.

Am schlimmsten ist allerdings die eigenartige Stille des Volkes. Es gibt sie, die Proteste, jedoch in geringem Ausmaß. Resignation statt Kampfstimmung (vgl. Deutschland & Welt), sei es in den Social Media oder auf den Straßen der Hauptstadt. Zu groß ist die aktuelle Angst vor Corona, aber auch vor der gewalttätigen Polizei, welche nach Nöthen seit 2018 über 15 % mehr Tote forderte.

Fazit

Das Land ist gespalten, der Umwelt geht es schlecht und nun wütet auch noch Covid-19. Es könnte kaum schlechter um ein Land stehen, welches ohnehin seit Jahren am „Taumeln“ ist. Selbst wenn man die Pandemie überstehen sollte, so ist Bolsonaros Kurs weiterhin klar. Zumal bleibt es abzuwarten, ob die Opposition sich wieder vereinigen kann, denn nur so könnte man Bolsonaro 2022 schlagen. Es braucht frischen Wind, ein neues, starkes sowie charismatisches Oberhaupt, welches das Land einigt und nicht spaltet.

Für alle, die das Thema Bolsonaro sowie Brasilien interessiert, empfehle ich das Buch „Bulldozer Bolsonaro“ von Andreas Nöthen (2020). Hier wird einem der Werdegang des Populisten sowie die Entwicklung des Landes mit vielen interessanten Einblicken gewährt. Vor allem die zahlreichen Statistiken bzw. Grafiken machen das Thema greifbarer.

Literatur

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