Mittwoch, 1. Juli 2020

Chronologie: Gründung von Blood and Honour (1987)

Dies ist ein Hintergrundtext von Judith Holstein zu folgendem Eintrag in der Chronologie:

1987: Blood & Honour (B&H) wird gegründet (Großbritannien)

Seit Beginn der 1970er Jahre konnten sich die beiden rechtsextremen Parteien „British Movement“ und „British National Front“ in Großbritannien etablieren. Diese konnten erfolgreich Anhänger aus den sich parallel entwickelnden Jugendkulturen, unter anderem der Skinhead-Szene, gewinnen. Es war also ein erheblicher Rechtsruck im Vereinigten Königreich zu verzeichnen.

Im Jahr 1979 gründete sich eine musikalische Kampagne namens „Rock against Communism“. Diese stellte eine Gegenkampagne zur Bewegung „Rock against Racism“ der linken Bewegung dar, die zuvor Erfolge im Hinblick auf den Kampf gegen rechtes Gedankengut feiern konnte. „Rock against Communism“ machten Bands, deren Musik und Texte man heute als Rechtsrock bezeichnet und die einschlägige rechtsnationale, rassistische und gewaltverherrlichende Inhalte propagierten. Zu den bekannteren Bands gehörten unter anderem „Skullhead“, „No Remorse“, „Brutal Attack“ und „Dieharts“.

Mit dem Ziel einer globalen Vernetzung unter anderem dieser rechtsextremer Bands und somit auch der internationalen Verbreitung rechtsextremer Propaganda gründete der Sänger der Band „Skrewdiver“, Ian Stuart Donald, gemeinsam mit Nicola Vincencio „Nicky“ Crane, einem bekennenden Rechtsextremisten, im Jahr 1987 das Netzwerk „Blood and Honour“. Zu diesem Netzwerk gehört auch die militante Untergruppe „Combat 18“, die sich in terroristischen Kleinstgruppen organisiert, um radikal vorgehen zu können.

Im Juli 1987 erschien die erste Ausgabe des „Blood and Honour“-Magazins. Es trug den Titel „The Independent Voice of Rock Against Communism, When the Storm Breaks!“. Schnell begannen Londoner Rechtsextremisten den Namen „Blood and Honour“ zu adaptieren und verbreiteten ihn so in ganz Großbritannien, von wo aus der Terminus zunächst Australien und die Commonwealth-Staaten erreichte, um schließlich global bekannt zu werden.

Zusätzlich wurde B&H durch die Vermarktung rechtsextremer Bands und deren Tonträger recht schnell zu einer festen Größe in der internationalen rechtsextremistischen Szene. Das Netzwerk stand in engem Kontakt mit anderen rechtsextremen Organisationen wie der „Afrikaaner Weederstandsbewegung“, außerdem wurden auch Inhalte und Begrifflichkeiten des Ku-Klux-Klans adaptiert.

Der Terminus „Blut und Ehre“ stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus und wurde als Leitspruch und Motto unter anderem in der Hitlerjugend verwendet. Er entspringt Alfred Rosenbergs Werk „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“, das grundlegend für die nationalsozialistische Ideologie war. „Blut und Ehre“ waren seiner Meinung nach konstitutive Begriffe der „nordisch-germanischen Rassenseele“.

Die Feindbilder von B&H bestanden damals wie heute nicht nur aus Kommunisten und anderen politischen Gegnern, gegen die sich die "Rock Against Communism"-Bewegung wandte. Sie bestehen auch aus „stinkenden Juden und Arabern“ und allen, die nicht dem völkisch-rassischen Idealbild der Rechtsextremisten entsprechen.

Der Szenecode für B&H ist die 28, also das Zahlenwort für die Buchstaben B und H. Das Symbol der Vereinigung ist eine Art der Triskele, also ein aus drei Elementen bestehendes Zeichen. Es besteht aus einem weißen Kreis auf rotem Hintergrund, in diesem Kreis befinden sich drei Haken, die einen Kreis andeutend angeordnet sind. Dieses Symbol ist so, oder zusätzlich mit Zahlencodes oder anderen rechtsextremen Symbolen versehen und vermischt, Erkennungszeichen für B&H-Mitglieder.

Mit der Gründung des Netzwerkes „Blood and Honour“ und dessen paramilitärischer Unterorganisation „Combat 18“ gelang es der internationalen rechtsextremistischen Szene, sich global zu vernetzen und zu organisieren. Aus vielen kleinen, regionalen und häufig als relativ irrelevant eingeschätzten rechtsextremen Gruppen wurde eine Großgruppe, die nicht zuletzt durch ihre Unterorganisation Combat 18 das Potential entwickelte, terroristische Akte zu planen und durchzuführen.

Das erste Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs waren Rechtsextremisten wieder so offensiv und hatten das Ziel, ihr Gedankengut weltweit zu verbreiten. Ihre Ideologie trugen sie selbstverständlich und selbstbewusst nach außen. Nicht zuletzt durch ihre Nähe zu anderen rechtsextremen Vereinigungen und dem Rechtsrock als Knotenpunkt markiert die Gründung von B&H einen zentralen Punkt in der Entwicklung des rechten Rands ab dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Spezifisch für das Netzwerk war und ist die Vermarktung von „Rechtsrock“. Der Verkauf von Tonträgern mit explizit rechtsextremistischen Inhalten und Propaganda sowie das Organisieren von Konzerten verschaffte der Organisation in kurzer Zeit großen Zulauf. Vielen Rechtsextremisten aus verschiedenen Ländern boten sich diese Veranstaltungen als Anlass, sich zu treffen und Kontakte zu knüpfen.

Für einige Personen wurde so der Einstieg in die rechte Szene angebahnt. Das Netzwerk bot damals auf diese Art und Weise einen neuen, nicht-konventionellen Weg, rechtsextremes Gedankengut zu erwerben und es zu verbreiten. Zusätzlich bot dies dem Netzwerk eine Art Schutz, da Musik als Politikum von Rechtsextremisten zum Zeitpunkt der Gründung von B&H noch ein relatives Novum darstellte.

Das Netzwerk wuchs über Grenzen hinweg und organisierte sich im weiteren Verlauf so, dass es auch heute nahezu unmöglich ist, einen Überblick über alle Unterorganisationen zu bekommen, diese zu überwachen, und dadurch auch, mögliche terroristische Akte zu verhindern. Blood and Honour stellt eine zentrale Größe in der internationalen rechtsextremen Szene dar, steht in Verbindung mit einer Vielzahl an großen, kleinen und teilweise verfassungswidrigen Organisationen und wird nachweislich in Verbindung mit etlichen rechtsextremistischen Terroranschlägen gebracht.

Auf ihrer Homepage stellt sich die Organisation als „Bruderschaft 28“ von gleichgesinnten Freiheitskämpfern dar und bietet ihren Anhängern einen Überblick über verschiedene Veranstaltungen (Konzerte, Demonstrationen etc.), die Möglichkeit zum Download des B&H-Magazins sowie zur Vernetzung in einem B&H Forum. Außerdem existiert auch eine Rubrik „Kontakt“, in der man verschiedene E-Mail-Adressen der Divisionen in etlichen Ländern wie zum Beispiel Bulgarien, Kroatien, Frankreich und Australien findet.

Heute organisiert das Netzwerk immer noch internationale Rechtsrock-Konzerte, auf denen sich die Größen der Szene treffen und vernetzen können. Außerdem werden bekannte Bands des rechten Spektrums von B&H finanziert und organisiert. Auch das B&H-Magazin wird weiterhin produziert und veröffentlicht. Daneben gibt es zahlreiche Unterorganisationen, die den Verkauf von verbotener und verfassungswidriger Literatur sowie Fan-Artikel von Nationalsozialisten, die während des Dritten Reiches aktiv waren, organisieren.

In Deutschland entstand 1994 die „Division Deutschland“, seit 2000 ist diese verboten. Combat 18 wurde erst im Januar 2020 in Deutschland verboten. Bis heute gibt es unzählige Ermittlungsverfahren wegen Fortführung der Organisation. Es existieren nachweislich Verbindungen zu anderen rechtsextremistischen Organisationen, wie zum Beispiel zu den „Hammerskins“, die B&H unterstützen, da sie selbst noch nicht als verfassungswidrig eingestuft und somit verboten sind.

B&H steht auch nach dem Verbot noch in Zusammenhang mit etlichen Anschlägen sowie der Organisation von Demonstrationen, Kundgebungen und Rechtsrock-Festivals. Besonders brisant ist der Zusammenhang von B&H und der Unterorganisation Combat 18 mit dem NSU. 1998 wurden die Mitglieder Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vom LKA Thüringen zum „harten Kern der Blood and Honour Bewegung Jena“ gezählt. Des Weiteren sind Personen im Umfeld des NSU, die später mit den Morden der Terrorzelle in Verbindung gebracht werden konnten, aktive Mitglieder von B&H gewesen.

Blood and Honour und ihre Unterorganisation Combat 18 spielen auch über 20 Jahre nach ihrem Verbot eine wichtige Rolle in der rechtsextremen Szene Deutschlands sowie über die Grenzen der Europäischen Union hinweg dar. Sie sind nachweislich mit unzähligen anderen rechtsextremistischen Organisationen und tätlichen Angriffen in Verbindung zu bringen. Durch die Verbindung der Organisation zu rechten Bands und der Organisation von Rechtsrock-Konzerten und Festivals trägt die Gruppierung auch heute noch aktiv zur Vernetzung von rechtsextremen Einzelpersonen und Gruppen bei.

Hinweis: Wer sich besonders für dieses Thema interessiert, kann auf dem Youtube-Kanal „STRG-F“ (zugehörig zu funk, einem Gemeinschaftsangebot von ARD und ZDF) vorbeischauen. In relativ kurzen Reportagen berichten junge Reporter eindrücklich über Blood and Honour und vor allem über die Untergruppe Combat 18 und beleuchten, was auf den sogenannten Rechtsrock-Veranstaltungen vor sich geht:
Literatur

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