Montag, 15. Juli 2019

Rezension zum Sammelband "Die Alternative für Deutschland"

Häusler, Alexander (2016), Die Alternative für Deutschland. Programmatik, Entwicklung und politische Verortung, Springer.

Rezension

Autor: Magnus Wiedemann

Der Sammelband „Die Alternative für Deutschland“, herausgegeben von Alexander Häusler, hat seinen Ursprung in einer Fachtagung vom Februar 2015 zum Thema „Politische Programmatik und Entwicklung der Partei Alternative für Deutschland“ in Düsseldorf. Die in diesem Band gesammelten Texte legen dabei die Erkenntnisse dar, die im Rahmen dieser Tagung gewonnen wurden, ergänzt durch zwei weitere Publikationen, die ihren Ursprung nicht in der Tagung fanden. Zwischen Mai und Juli 2015 wurden die Texte eingereicht.

In den Texten des Sammelbandes geht es darum, aus wissenschaftlicher Sicht die 2013 gegründete Partei „Alternative für Deutschland“ unter die Lupe zu nehmen. Dabei werden Parteiprogramm, Mitglieder, Entwicklung, Merkmale und vieles mehr analysiert, um die Partei sinnvoll nach verschiedenen Kriterien bewerten und einordnen zu können. Dabei wird das Werk in sechs größere Kapitel gegliedert, die einen allgemeinen Überblick über genau die Dinge liefern sollen, die die Partei ausmachen:

1. Parteipolitische Einordnung
2. Außenpolitische Positionen
3. Familien- und Geschlechterpolitik
4. Islamfeindlichkeit
5. Neurechte Einflüsse auf die AfD
6. Ausblick auf die Zukunft der Partei


Parteipolitische Einordnung

Im ersten Text „Die »Alternative für Deutschland« aus der vergleichenden Sicht der Parteienforschung“ von Frank Decker geht es um Ursprünge, Kernthemen, wichtige Personen und Machtkämpfe. In einem ersten Schritt wird versucht, die Partei nach verschiedenen Kriterien einzuordnen. Dabei wird in sehr zugänglicher Sprache Schritt für Schritt erklärt, welche Möglichkeiten der Einordnung es gibt (z.B. Schwerpunkt: Wirtschaftspolitik), wo die AfD steht und weshalb sie schließlich wo eingeordnet wird. Dabei wird auch immer wieder darauf verwiesen, dass eine Einordnung in schon vorhandene Muster sich teilweise doch als sehr schwierig herausstellt.

Heute gibt es keinen Zweifel mehr: Die AfD ist definitiv als rechtspopulistische Partei zu sehen. Doch Frank Decker weist in seinem Text auf die Schwierigkeit hin, sie eben dort einzustufen. So war innerhalb der AfD schon immer ein breites Spektrum an Ideologien und Einstellungen zu erkennen und es gab dementsprechend viele Punkte, die zwar durchaus für die Einstufung sprachen, man konnte aber auch Argumente dagegen finden. Diese bilden sich hauptsächlich um den Parteigründer und ehemaligen Vorsitzenden Bernd Lucke. Es wird herausgehoben, dass gerade dessen verlorene Machtkämpfe innerhalb der Partei, die schließlich zu seinem Austritt führten, für eine Radikalisierung gesorgt haben und die AfD erst an diesem Punkt die eindeutig rechtspopulistische, migrations- und islamfeindliche Partei wurde, die wir heute kennen.

Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, dass sich schon seit der Gründung der Partei viele Argumente für den Rechtspopulismus finden lassen und man auch zu Bernd Luckes Zeiten nicht von einer gemäßigten Partei sprechen konnte. Weiterhin wird darauf eingegangen, dass die Wähler überwiegend vorige CDU- und FDP-Wähler waren, die dem rechten Flügel der Parteien angehörten, der in den letzten Jahren stark an Zustimmung innerhalb der Partei verloren hatte. Gerade für diese Wähler bot die AfD eine Alternative. Gleichzeitig bekam die AfD vor allem in Ostdeutschland überraschenderweise in manchen Gebieten die meisten Stimmen von Wählern, die vorher Die Linke wählten. Auch dieser Hinweis soll noch einmal verdeutlichen, dass die Einordnung nicht einfach ist.

Im zweiten Text von David Bebnowski mit dem Titel „»Gut « Liberale gegen »böse« Rechte ?“ setzt der Autor sich damit auseinander, weshalb die AfD eigentlich schon von Beginn an als rechtspopulistisch hätte erkannt werden sollen (im Gegensatz zum Text von Frank Decker), indem er Punkte sammelt, die die AfD ausmachen und für eine rechtspopulistische Partei sprechen. Dabei verweist er z.B. darauf, dass sich der Rassismus gewandelt hat. Die „Rasse“ oder „Ethnie“ muss einer „kulturellen Ethnie“ weichen, der Rassismus von heute bezieht sich in Deutschland nicht mehr hauptsächlich auf Hautfarbe oder geografische Herkunft im weiteren Sinne, vielmehr geht es um die kulturelle Prägung. Dazu gehört natürlich vor allem auch die religiöse Prägung bzw. Angehörigkeit, somit richtet sich der heutige Rassismus nicht mehr auf die ethnischen Unterschiede, sondern auf die kulturellen, und dieser Wandel öffnete die Türen für die weit verbreitete Islam-Feindlichkeit. Somit ist die AfD auch eindeutig als rassistisch zu klassifizieren.

Bebnowski weist weiter darauf hin, dass diese Einstellung bei der AfD von Anfang an zu erkennen war, sie unter Lucke aber noch unter einem „ökonomischen Deckmantel“ lag. Dadurch, dass die Partei vordergründig noch als ökonomische Partei gesehen wurde (und auch vermarktet wurde), sah man über die rechte Tendenz eher hinweg, die sich im Parteiprogramm in Punkten wie der nationalen Identität, Anti-Abtreibung, traditionellen Geschlechter- und Familienbilder uvm. zeigt. Weitere Merkmale, die Bebnowski aufzeigt, sind der Wunsch nach „Führung“. Hierzu diente Lucke anfangs als perfekter Kandidat, denn wer wäre in einer krisenhaften Ökonomie besser geeignet, sich diesem Problem anzunehmen, als ein Ökonom? Und zwar kein „Altpolitiker“, sondern ein politischer Outsider! Ein politischer Outsider, der andauernd mit Angriffen des „politischen Kartells“ klarkommen muss (hier der Verweis auf die typische Opferrolle der Rechtspopulisten).

In einem zweiten Teil beschäftigt er sich mit der Frage, wie man denn nun sinnvoll mit der AfD und ihrem Populismus umgehen kann. Einleitend beschreibt er den bisherigen Umgang mit der AfD. Die Partei wurde schon recht früh gelabelt, und die ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit der Politik der Partei wurde schnell zu einem Tabu. Das dies nicht der richtige Umgang war, zeigt sich vor allem darin, dass die AfD weiterhin an Stimmen gewann. Hierbei spricht er etwas aus, wovor sich bisher eben alle gefürchtet haben: die AfD liegt mit einigen der Anklagen, die sie erheben, gar nicht mal so falsch. Klar, die populistische „Vernunft“, wie er es nennt, will die Situation verändern, nicht verstehen. Sie möchte Änderungen herbeiführen, ohne überhaupt verstanden zu haben, wo der Kern des Problems liegt, doch ändert das nichts an den teilweise durchaus berechtigten Anklagen der Partei und führt zu der Frage, ob es gerade deshalb nicht andere, bessere Lösungsansätze gibt.

Außenpolitische Einordnung

Marcel Lewandowsky beschreibt in sechs kleinen Kapiteln die Außen- und Europolitik der AfD unter Gesichtspunkten wie dem Umfang, dem Inhalt oder auch der These einer Dichotomie der Außenpolitik der AfD. Nach einem einleitenden Kapitel beschreibt auch er im zweiten Kapitel kurz, was es mit Populismus auf sich hat und ob sich die AfD als populistische Partei einordnen lässt. Dabei stechen für ihn vor allem die Punkte heraus, dass bis 2014 in der AfD kaum offensichtliche islam- oder ausländerfeindliche Hinweise zu finden waren. War sie bis 2014 zwar eine Anti-Euro-Partei (oder zumindest eine Euro-skeptische), so konnte man sie nach Lewandowsky doch auch schon zu dieser Zeit als populistisch bezeichnen. Spätestens ab dem Parteitag im Sommer 2015 lässt sich die AfD nach Lewandowsky als rechtspopulistisch klassifizieren, wenngleich dies noch nicht wissenschaftlich gesichert wurde. Er schließt das Kapitel ab mit dem Hinweis, dass sich die nachfolgenden Texte hauptsächlich auf das Europawahlprogramm 2014 der AfD beziehen unter Zuhilfenahme weiterer programmatischer Texte der AfD.

In Kapitel drei fasst er die Euro-Politik der AfD in drei wesentlichen Punkten zusammen: Punkt eins bezieht sich auf die Abschaffung der Währungsunion und bildet zugleich den Kernpunkt. Hierbei fordert die AfD nicht konsequent den Austritt aus der EU, jedoch eine flexiblere Währungspolitik, den Ausschluss wirtschaftsschwächerer Staaten aus dem Euro und, sofern dieses Szenario nicht erfüllt werde, den Austritt der BRD aus dem Euro. Der zweite Punkt besteht in der Ablehnung aller Formen der Schulden- bzw. Haftungsgemeinschaft auf europäischer Ebene und schließlich handelt der dritte Punkt von der Rückverlagerung von Entscheidungskompetenzen auf den Nationalstaat.

Lewandowsky zieht auf Grund dieser drei Hauptforderungen einen Vergleich mit anderen Euro-skeptischen Parteien (Freie Wähler, CSU, NPD) und kommt zu dem Schluss, dass die AfD und die NPD sich hierbei sehr ähneln, während die Skepsis bei CSU und den Freien Wählern darin besteht, mehr Partizipation der Bürger zu erlauben und sich mit der Frage der Kompetenzen auseinanderzusetzen.

Weiter beschreibt er die Wichtigkeit der Sprache, in der Forderungen und Programme vorgetragen werden, denn gerade im Populismus ist oft nicht nur die Frage, was vorgestellt wird, wichtig, sondern wie. So analysiert er nun anhand von beispielhaften Textausschnitten des AfD-Programms die Art und Weise, das Wie. Punkte, die er hier hervorhebt, sind das Erzeugen eines „Wir“, einer „Heimat“ gegen „die Anderen“ und „die Fremden“, eine klare Abgrenzung also von den anderen Mitgliedstaaten, aber auch eine Abgrenzung nach „oben“, also gegen die EU und die Politiker und Parteien. Beiden wird vorgeworfen, bewusst das „Volk“ (und die Partei, die nach ihrem Selbstbild zum Volk dazugehört) anzugreifen mit politischen Forderungen, durch die sie Vorteile erhalten, während „das Volk“ Nachteile erhält (z.B. Steuern). Ein weiteres Ziel, das die AfD in ihrem Programm verfolgt, ist das Illegitimeren der EU. Durch Vorwürfe von Vertrags- und Rechtsbrüchen wird ein Feindbild aufgebaut, da die EU laut AfD das Privateigentum und die Rechte des Volkes bedroht. Darauf aufbauend spielt sich die AfD als einziger Vertreter auf, der willens ist, dieses Machtmonopol zu unterbinden.

Der Name des nächsten Kapitels mag erst einmal Verwirrung stiften: „Gibt es eine AfD-Außenpolitik?“. Kann es denn überhaupt Parteien geben, die sich auf Bundes- und sogar auf EU-Ebene zur Wahl stellen, ohne Außenpolitik? Die Antwort hierauf ist eindeutig: Ja! Der Hinweis fällt, dass ein vollständiges Programm im Sinne von Internationalen Beziehungen kaum vorhanden ist, stattdessen gilt für die AfD: Außenpolitik ist gleich Europapolitik. Diese These untermauert er mit Zitaten aus dem AfD-Parteiprogramm sowie den außenpolitischen Papieren von Alexander Gauland von 2013. Das fünfte Kapitel behandelt die Zentralen Dichotomien der Außen- und Europapolitik der AfD:
  • „Souveräne Nation versus europäischer Überstaat“
  • „Subsidiarität versus Brüsseler Zentralismus“
  • „Bürger versus Eliten“
  • „Deutsche Zahler – Ausländische Nehmer“
Diese vier vielsagenden Überschriften erläutert er jeweils in einem kurzen Abschnitt. Zuletzt fasst Lewandowski noch einmal zusammen und zieht ein Fazit. Dabei verweist er auf das Bestreben in seinem Text, zentrale Figuren und Dichotomien festzustellen, anstatt die Aussagen der außenpolitischen Positionen der AfD gänzlich zu erfassen. Weiterhin hebt er noch einmal hervor, dass sich die Außenpolitik nahezu vollständig in Inhalten erschöpft, die sich direkt auf die EU oder den Schutz des eigenen Nationalstaates beziehen.

Dieter Plehwes Text „Alternative für Deutschland? Europäische und transatlantische Dimensionen des neuen Rechtsliberalismus“ ist neben der Einleitung in vier Abschnitte gegliedert. In der Einleitung, die den Titel „Moderate Neoliberale gegen radikale Nationalkonservative?“ trägt, beschreibt Plehwe die Entwicklung des politisch rechten Spektrums in Deutschland und auch in Europa. Hierbei verweist er auf die geistigen Vorfahren der AfD, aber auch darauf, dass diese sich nie wirklich etablieren konnten. Außerdem weist er hier auf seine zentrale These hin, dass die transatlantische Dimension stets vernachlässigt wird, wenn man über den Rechtspopulismus in Europa berichtet. Diesem Missstand möchte er in seinem Text begegnen, indem er eben diese Dimension unter die Lupe nimmt.

Im ersten Abschnitt wird darauf hingewiesen, dass die Kernelemente der AfD nicht sonderlich „deutsch“ seien, stattdessen kommen verschiedene wirtschaftliche Strömungen, die in der AfD vertreten sind, aus verschiedenen Teilen Europas. Weiterhin umrahmt Plehwe die wirtschaftlichen Positionen, zeigt anhand der FDP auf, wo diese in der deutschen Parteienlandschaft zu finden sind, und schließlich zieht er das Fazit, dass unter der AfD Positionen zusammengekommen sind, die es vorher nicht geschafft haben, unter einer Partei zusammenzukommen.

Der zweite Abschnitt widmet sich der Geschichte von rechtspopulistischen und rechtsliberalen Strömungen in Europa. Ausgangspunkt dieser zunehmenden Welle war nach Plehwe eindeutig der Vertrag von Maastricht, mit dem die Schmerzgrenze der konservativen und nationalliberalen Bürger und Politiker erreicht wurde, die bis dato die Institution EU noch akzeptieren konnten. Diese neue Ausrichtung allerdings mit immer mehr Kompetenzen der EU und weniger Kompetenzen der einzelnen Nationalstaaten konnten sie nicht mehr akzeptieren. Dabei machten aber andere Staaten den Anfang: den Briten fällt dabei eine Schlüsselrolle zu. Deutschland war tatsächlich sogar eines der „langsamsten“ Länder, wenn man die Ausbreitung von Rechtspopulismus und -liberalismus betrachtet. Der Wunsch also nach einer stärkeren Nationalstaatlichkeit sammelte stark unterschiedliche wirtschaftliche Vorstellungen unter einem Banner.

Der dritte Abschnitt behandelt die neue rechte Parteienfamilie in Europa. Dabei werden vor allem die einzelnen Lager genauer betrachtet, von sehr radikaler Anti-Europa-Politik bis hin zu eher seichter, vor allem wirtschaftlicher Europakritik. Zuerst beschreibt Plehwe die „Alliance of Conservatives and Reformers“ (AECR), um eine Brücke zu den „European Conservatives and Reformers“ (ECR) zu schlagen, die bei der Europawahl von 2014 die drittgrößte Fraktion wurde. Schließlich wurde aus der AECR und der ECR die „New Direction Foundation“. Diese Fraktion musste lange Zeit mit wenig finanziellen Mitteln auskommen, doch durch verschiedene Stiftungen, unter anderem einer von der AfD gegründeten, verspricht man sich dort Besserung. Im letzten Abschnitt fasst Plehwe zusammen und weist insbesondere darauf hin, dass der deutsche Diskurs um die AfD um den Rahmen der neuen europapolitischen Rechtsparteien erweitert werden müsse.

Familien- und geschlechterpolitische Vorstellungen

Jasmin Siri beschäftigt sich in ihrem Text „Geschlechterpolitische Positionen der Partei Alternative für Deutschland“ mit den Positionen, der Programmatik sowie den Unterschieden zwischen Programm und praktischer Anwendung in der Politik der AfD. Im ersten Abschnitt leitet Siri ins Thema ein, indem sie unter anderem die Zusammenhänge von Rechtspopulismus und familien- und geschlechterpolitischen Positionen erläutert. Weiterhin geht sie der These nach, ob die konservativ-antifeministische Geschlechterposition damit zu tun habe, „dass die Partei konservativen Männern nach dem Mund reden wolle“, die ihrer Meinung nach jedoch zu kurz greift.

Der zweite Abschnitt stellt die Positionen im Zusammenhang mit verschiedenen Indikatoren wie der Programmatik oder - teilweise im Gegensatz dazu - die Genderdarstellung einzelner Personen (Politiker sowie Sympathisanten) dar, mit dem Hinweis, dass erstgenanntes meist als sehr hartes und zweitgenanntes als eher weiches Kriterium verstanden wird, anhand derer man Parteien einordnet. Hierin liegt auch ein interessanter Punkt in Bezug auf die AfD, denn während ihre Programmatik eher gemäßigt ist, positionieren sich die Einzelpersonen in der AfD nicht gemäßigt, oftmals sogar radikal.

In der Programmatik von 2014 definiert die Partei das Versagen etablierter Parteien und Akteure unter anderem durch die Familienpolitik mit Verweis auf die – laut AfD – absurde „political correctness“. Während die Familien- und Geschlechterpolitik im Programm insgesamt kaum zu finden ist, so erkennt man sie doch, wie an diesem Beispiel zu sehen, immer wieder zwischen den Zeilen. Ansonsten weisen die programmatischen Positionen der AfD oft vage Aussagen und Widersprüche auf bis hin zur falschen Auslegung von Begriffen wie dem „Gendermainstreaming“, das von der AfD als Aufhebung von Geschlechteridentitäten verstanden wird, wenngleich es keinerlei Bestrebungen in diese Richtung hat.

Das dritte Unterkapitel behandelt nun die Gender-Performance bzw. Kampagnen und öffentliche Auftritte. Öffentlich wird sowohl von der Parteispitze als auch von der Parteijugend stets die Position vertreten, dass die „typischen“ Rollenbilder der schwachen Hausfrau und des starken berufstätigen Mannes („Ich bin keine Feministin, weil ich als Frau auch mal schwach sein möchte und einen starken Mann an meiner Seite habe und auch brauche“) mit voller Überzeugung gepredigt werden. Gleichstellungspolitik ist hierbei „verstaubten linken Ideologien“ gleichzusetzen. Der letzte Abschnitt dient der Zusammenfassung und verweist auf drei zentrale Argumentationen, die seitens der AfD genutzt werden:
  • „common-sense Argumente“,
  • „religiöse Argumente“,
  • „ökonomisierte Argumente“.
Abschließend stellt sie eine gewisse Radikalisierung auch in der Familien- und Geschlechterpolitik in Aussicht mit dem Verweis, dass gemäßigtere und liberalere Positionen aus der AfD nicht öffentlich vertreten werden, teils weil die radikaleren Mitglieder den Diskurs an sich reißen, teils weil immer mehr gemäßigte Mitglieder die Partei verlassen und sich von der zunehmenden Radikalisierung abgrenzen.

Auch Andreas Kemper setzt sich in seinem Text „Antiemanzipatorische Netzwerke und die Geschlechter- und Familienpolitik der Alternative für Deutschland“ in fünf Kapiteln mit dem Thema Familien- und Geschlechterpolitik auseinander. Im ersten Kapitel beschreibt Kemper die drei Strömungen innerhalb der AfD, auf die er in den nächsten Kapiteln eingeht. Diese sind
  • die neoliberale Strömung,
  • die klerikal-aristokratische Strömung und
  • die nationalkonservative Strömung.
Der zweite Abschnitt behandelt den „familialistischen Neoliberalismus“. Dabei zeigt Kemper Zusammenhänge zwischen AfD und verschiedenen Verbänden wie „Die Familienunternehmer“, „Bundesverband katholischer Unternehmer“ oder „Idea“ und erklärt dabei das große Netzwerk von Partei und Verbänden.

Abschnitt drei behandelt die klerikal-aristokratische Strömung. Wann immer über Familien- und Geschlechterbilder diskutiert wird, ist dies untrennbar mit einer starken religiösen Contra-Bewegung verbunden. Religionen, völlig egal welche, sind sehr häufig als direkter Gegenspieler emanzipatorischer Bewegungen zu sehen. Kemper macht deutlich, dass diese religiöse Seite oft aber auch direkt verbunden mit dem Adel sei. Nachfahren von Adelsfamilien nehmen oft eine sehr strikt konservative Haltung in direktem Zusammenspiel mit der Kirche ein.

Dabei legt Kemper den Fokus auf zwei Gruppierungen, die er näher behandelt: die „Legionäre Christi/Regnum Christi“ und die „Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum“ (TFP). Beide werden kurz vorgestellt und der direkte Kontakt zur AfD über die aus einer Adelsfamilie stammende Beatrix von Storch wird genannt. Weitere anti-emanzipatorische Organisationen stehen auch mit anderen rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa in Verbindung (Front National, FPÖ, …). Einige weitere Verbände und Organisationen wie der „Pforzheimer Kreis“ werden genannt und beschrieben.

Das vierte Kapitel behandelt das Kleinbürgertum. Der erste große Punkt hierbei ist für Kemper der sogenannte „Maskulismus“. Im Gegensatz zum Maskulinismus, der eine offensive Form gegen Feminismus darstellt und für die Vorherrschaft des Mannes eintritt, ist der „Maskulismus“ eine Form, die den Mann als Opfer darstellt. Die Überzeugung also, dass – vor allem durch den Feminismus – eine Unterdrückung des Mannes stattfindet. Sei es durch Benachteiligung im Scheidungsfall oder bei Unterhaltszahlungen, im Maskulismus ist die Überzeugung zu finden, dass der Mann unter einem Staatsfeminismus leidet und unterdrückt wird.

Der zweite große Punkt des Kleinbürgertums ist der Nationalkonservatismus und die neue Rechte. In dieser Strömung geht es darum, die geringe Geburtenrate zu bekämpfen. Dies darf laut AfD aber nur dadurch geschehen, dass deutsche Bürger*innen mehr Kinder bekommen, daher auch Petrys Drei-Kinder-Familienpolitik. Die sehr radikale Geschlechter- und Familienpolitik dieser Nationalkonservativen und neuen Rechten unterscheidet sich nicht mehr von rechtsextremen Konzepten und Ideen wie denen der NPD.

Abschließend unterscheidet er noch einmal den unternehmerischen Flügel der AfD, der das Gendermainstreaming aus finanziellen Gründen ablehnt, vom nationalkonservativ-kleinbürgerlichen Flügel, dessen Ablehnung bevölkerungsbiologisch begründet ist.

Der dritte Beitrag von Ulli Jentsch trägt die Überschrift „Die »Lebensschutz«-Bewegung und die AfD“ und erklärt in sieben Teilabschnitten den Zusammenhang der „Lebensschutz“-Bewegung (eine Bewegung, die vor allem Abtreibungen ablehnt) und der AfD. Dabei sieht die Bewegung in der AfD eine Möglichkeit, parlamentarisch vertreten zu werden. Der Autor beschreibt die Strukturen der Bewegung, anhängende Verbände sowie den bisherigen politischen Einfluss über die CDU.

Hauptpunkte, die sich mit den politisch Rechten decken, sind dabei das traditionelle Familienbild sowie der Anti-Feminismus, der als Ursache für die „Gottlosigkeit“ gesehen wird. Die Verbindung zur AfD besteht insofern, als dass es einige Mitglieder innerhalb der Partei gibt (z.B. Beatrix von Storch), die sich offen als Anhänger dieser Bewegung bekennen, Jentsch weist aber schließlich doch auf einen Flügelkampf hin, den es innerhalb der AfD bei diesem Thema gibt.

AfD, PEGIDA und Muslimfeindlichkeit

Felix Korsch gibt in seinem Text „»Natürliche Verbündete«?“ einen Überblick über den Zusammenhang von PEGIDA und AfD. Dabei ist bemerkenswert, dass die beiden Akteure mit der Zeit scheinbar weiter auseinanderdriften. Während anfangs große Gemeinsamkeiten festzustellen waren und ein großer Teil der Bewegung angab, die AfD zu wählen, nahm diese Zahl zunehmend ab. Immer deutlicher versuchte man sich voneinander zu distanzieren oder zumindest deutlich zu machen, dass keine Kooperation bestehe, wenngleich viele dies zu Beginn für möglich und sogar wahrscheinlich gehalten hatten.

So legt PEGIDA stets Wert darauf, als überparteilich zu gelten, und trat 2015 sogar in Konkurrenz zur AfD, indem sie eine eigene Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl in Dresden aufstellten. In einem sehr ausführlichen Mittelteil berichtet Korsch detailliert über die Geschichte von PEGIDA und AfD, über das phasenweise Zusammenrücken und auch das Auseinanderdriften, über Akteure, die eine Kooperation begünstigen, sowie Akteure, die diese strikt ablehnten (hierbei zuvorderst Parteigründer Bernd Lucke). Vor allem überwiegt für zweitere das Argument, in eine rechtsradikale Position gedrängt zu werden.

Auch der zweite Text in diesem Themenbereich stammt von Felix Korsch und beschäftigt sich konkreter mit der personellen sowie der inhaltlichen Konvergenz von AfD und PEGIDA. Hierbei untersucht er Statistiken, die die Zugehörigkeit von PEGIDA-Demonstranten zu politischen Parteien offenlegen. Dabei fällt auf, dass sich durchaus einige AfD-Mitglieder zu PEGIDA hingezogen fühlen, wenngleich dies aus individueller Perspektive betrachtet werden muss, da die Partei die Kooperation nach wie vor ablehnt (ebenso wie die PEGIDA selbst).

Auf der inhaltlichen Ebene scheint der Vergleich schon schwieriger zu sein. Die PEGIDA kann – so Korsch – strukturell nur schwer mit der AfD verglichen werden, da kein allgemeingültiges Programm existiert. Dennoch gibt es einige Thesenpapiere und Einzelaussagen, die immer wieder getroffen werden, die er hierfür nutzt. Dabei fällt auf, dass sich viele Meinungen und Forderungen durchaus decken, zentral ist dabei die Kopplung des Themas „innere Sicherheit“ mit dem Thema Grenzkriminalität sowie dem Einwanderungs- und Flüchtlingsthema. Abschließend fasst Korsch zusammen und weist auf die Wichtigkeit hin, diese Entwicklungen im Auge zu behalten. In welche Richtung sich Partei und Bewegung entwickeln, ließe sich zu dem Zeitpunkt nicht eindeutig feststellen.

Der dritte Text von Naime Çakir trägt die Überschrift „PEGIDA: Islamfeindlichkeit aus der Mitte der Gesellschaft“ und behandelt speziell die Islamfeindlichkeit. In fünf Abschnitten geht Çakir auf den Islam an sich, die Feindlichkeit, den Rassismus sowie die Ursachen und Motive der Islamfeindlichkeit ein. „Der Islam“ an sich wird hier als Konstruktion definiert, die vor allem Presse und Medien erst geprägt haben. Damit entstand ein Sammelbegriff für sämtliche Migranten, die aus muslimischen Ländern kommen. Dieser Sammelbegriff steht gleichzeitig für verschiedene Dinge, wie einer Unvereinbarkeit von eben „dem Islam“ und unserer westlichen, demokratischen Welt.

Im nächsten Abschnitt erläutert Çakir vor allem empirische Daten bzw. die Forschungen zum Thema Islamophobie, die erst nach dem 11. September 2001 überhaupt betrieben wurden. Der oft genannte Punkt Rassismus hat für viele in dieser Thematik einen gewissen „Störfaktor“: Kann man denn von Rassismus sprechen, wenn es nicht mehr um biologische Rassen geht? Hier verweist Çakir auf die wissenschaftliche Erkenntnis eines modernen „Neo-Rassismus“, welcher eben nicht mehr auf biologische Merkmale zurückgeht, sondern auf kulturelle Merkmale und Lebensweisen.

Unter den Ursachen und Motiven hebt Çakir hervor, dass muslimische Einwanderer stets kulturell am weitesten entfernt von den Deutschen waren und diese somit viel eher mit italienischen, spanischen, portugiesischen, … Einwanderern zusammenrücken konnten, während man sich gleichzeitig eben von Einwanderern aus muslimischen Ländern eher distanziert hat, da es eine große kulturelle Kluft zu überwinden gegolten hätte. Weiterhin betont sie, dass die Islamophobie mittlerweile auch schon in der politischen Mitte angekommen ist und ein starker Kampf zwischen den Grund- und Menschenrechten und islamophobischen Bürgern entsteht, die erstere stets versuchen auszuhebeln.

Im vierten Text von Jonas Fedders soll der doch sehr überraschende Wahlerfolg der AfD untersucht werden, allerdings nicht - wie schon oft geschehen-  mit Blick auf einen „populistischen Zeitgeist“, was nach Fedders zu kurz greift, sondern anhand der tatsächlichen Inhalte mit Blick auf den Rassismus als Ideologie. Dafür skizziert Fedders zu Beginn kurz die Migrationspolitik der AfD, die dabei eine zentrale Rolle spielt. Fedders bringt auch den Begriff der Hegemonie in den Diskurs, den er für entscheidend hält.

Die Hegemonie der AfD besteht hierbei darin, viele unterschiedliche Herangehensweisen und Positionen (wie schon oft erläutert, gibt es innerhalb der AfD stets starke Machtkämpfe) unter einem Banner zu vereinen. Dabei gibt es laut Fedders einige Hegemonieprojekte, wie das neoliberale oder das konservative. In einem kurzen Exkurs geht er auf die Begriffsklärung von Rassismus ein. Ein Begriff, der aus wissenschaftlicher Perspektive schon verschiedene Definitionen bekommen hat. Für manche stellt er eine psychologische Störung dar, während andere ihn als natürlichen Bestandteil der Menschen sehen. Er kommt zu dem Schluss, dass die AfD sich eine rassistische Migrationspolitik auf die Fahne geschrieben hat. In einem kurzen Ausblick geht er auf mögliche „Bekämpfungsmaßnahmen“ ein, die definitiv nicht darin bestehen sollten, Menschen. die rassistisch argumentieren, von ihrem „Unrecht“ zu überzeugen, da dies in den meisten Fällen kontraproduktiv wirkt.

Neurechte Einflüsse

Helmut Kellershohn verfasste den Text „Risse im Gebälk“, der diesen Teil eröffnet. Darin erläutert er in sechs Kapiteln die zwei zentralen Figuren der Bewegung der „neuen Rechten“, Dieter Stein und Götz Kubitschek, sowie die Politik um diese beiden Akteure herum. Die AfD ist für Stein nicht aus den Trümmern gescheiterter Rechtsparteien entstanden, vielmehr ist sie ein „Spaltprodukt aus der Mitte der Gesellschaft“. Weiterhin sieht Stein in Frauke Petry eine vielversprechende Figur, die die vernünftige mittig ausgerichtete Position der Partei vertritt, in Höcke und auch in Gauland sieht er hingegen Gegenspieler, die die Partei weiter nach rechts drängen. Stein ist also eindeutig als Unterstützer der „Lucke-Ära“ zu sehen, der in der mittig ausgerichteten AfD eine Chance für einen seriösen Repräsentanten der neuen Rechten sieht, eine „Partei des gesunden Menschenverstandes“.

Kubitschek hingegen als „Aktivist“ kann schon an sich nicht viel mit Parteien anfangen, sieht aber in der AfD dennoch die Chance, die Ideologien des von ihm mitgegründeten Instituts für Staatspolitik (eine Institution, die neurechte Ideen und Personen fördert) zu verbreiten. Kubitschek steht also durchaus in der Gegenposition zu Stein. Ausführend beschreibt Kellershohn die Verbindung von Kubitschek und PEGIDA, „Erfurter Resolution“ und der „dritten Kraft“.

Anna-Lena Herkenhoff beschreibt in ihrem Text „Rechter Nachwuchs für die AfD – die Junge Alternative (JA)“ vor allem die „Junge Alternative“, die Jugendorganisation der AfD, und deren Einflüsse und Verbindungen zur neuen Rechten. Dabei fällt auf, dass die JA sich zwar einerseits als Jugendorganisation der AfD versteht, andererseits aber viel radikaler ist als die Mutterpartei um Lucke, stattdessen verstehen sie sich eher als Jugend der AfD-Idee von Höcke oder von Storch.

Öffentlich ist die JA auch überwiegend im rechts-außen Bereich tätig. So lassen sich Interviews vor allem in rechtsextremen Blättern sowohl national als auch im Ausland finden, wie „Die Aula“ oder der „Identitären Bewegung (IB)“. Außerdem tritt die JA oft in Verbindung mit rechtsradikalen und -populistischen Parteien und Verbänden auf. So organisierte sie beispielweise eine Veranstaltung, zu der die britische UKIP eingeladen war, während die AfD die Zusammenarbeit mit der UKIP stets ausschloss. Die große Hoffnung für die JA in der AfD ist eindeutig Björn Höcke, der als Hoffnungsschimmer über der Partei schwebt. Der Ausblick von Herkenhoff, wie es mit der JA und der AfD weitergeht, beschränkt sich darauf zu sagen, dass es darauf ankommen wird, wie sehr sich die JA durchsetzen kann. 

Landespolitischer Einblick

Dieser Teil besteht nur aus einem Text, der von Christoph Kopke und Alexander Lorenz verfasst wurde. Im ersten von drei Kapiteln analysieren sie das Ergebnis der Landtagswahlen in Brandenburg 2014 und erläutern, aus welchen Parteien diese Stimmen abgezogen wurden. Weiterhin benennen sie einige Charakterisierungen, die verschiedene Forscher für die AfD vorgenommen haben, und werfen dabei die Frage auf, ob die Einschätzung von Gerd Wiegel, die Partei sei rechtspopulistisch, nicht aber rechtsextrem, weiterhin aufrechtzuerhalten ist.

Im zweiten Teil wird auf potenzielle Besonderheiten der AfD Brandenburg eingegangen. Dabei bildet Alexander Gauland eine zentrale Figur, die zum Großteil für den doch sehr frühen „Rechtsruck“ in der Brandenburger AfD verantwortlich ist. Auch im dritten Teil wird die Wichtigkeit von Gauland nochmals hervorgehoben. Dabei gilt die „Erfurter Erklärung“ als ausschlaggebend dafür, dass der rechte Flügel der AfD den „Kampf“ doch für sich entschied, entgegen der vorigen Vorstellung, dass Lucke eine in der Mitte ansässige Partei etablieren könnte.

Abschließende Bemerkungen

Das letzte Kapitel wurde, wie die Einleitung, von Alexander Häusler verfasst. In drei Abschnitten erläutert er hier nochmals einen Ausblick anhand neuster Parteientwicklungen (Stand: Juni 2015) und geht auf die kommenden Forschungsherausforderungen zum Thema AfD ein. Der erste Abschnitt behandelt dabei die Spaltung, die mit dem Austritt Luckes ihren Höhepunkt fand. In Petry sieht Häusler nun eine zentrale Figur der rechten Strömung der Partei, somit geht er von einer zunehmenden Radikalisierung aus.

Im zweiten Abschnitt wird die AfD von Häusler als ein „politisches Dach für einen rechten Kulturkampf“ beschrieben. Damit verweist er auf die eindeutig nationalistische Ausrichtung, auf Verbindungen zu Bewegungen wie PEGIDA sowie auf die generelle Abneigung gegenüber Migrationspolitik.

Abschließend benennt Häusler kommende Forschungsherausforderungen. Dabei weist er zu Beginn darauf hin, dass die Forschung speziell zur AfD natürlich aufgrund der sehr kurzen Zeit, seit der es sie überhaupt gibt, sowie der noch kürzeren parlamentarischen Zeit gerade einmal begonnen hat. In der Zukunft sieht er wichtige Themenfelder, die es zu erforschen gilt, in der Untersuchung möglicher Korrelationen zwischen der realpolitischen Praxis der AfD und Aktivitäten von Parteien des rechten Randes, in der Beobachtung, ob sich die Abgrenzungspolitik gegenüber der AfD von etablierten Parteien weiterhin lohnt und sinnvoll ist, und schließlich in der Ausweitung der Forschung zu den Feldern Social Media und Netzwerke, die laut Häusler bisher nicht ausreichend betrieben wurde.

Persönliche Bewertung

„Die Alternative für Deutschland“, herausgegeben von Alexander Häusler, konnte ich stets nur mit einer gewissen Schizophrenie lesen. Einerseits ist es von großer Wichtigkeit, gefährliche Phänomene unserer Zeit unter die Lupe zu nehmen. So mag man durchaus anerkennen, dass dieses Werk publiziert wurde. Andererseits ist man sich aber auch zu jedem Zeitpunkt bewusst, dass man wohl einiges mehr über die AfD weiß als die Autoren während des Verfassens der Texte, was an dem zeitlichen Unterschied von 3 Jahren liegt. So liest man regelmäßig die Prognosen und Ideen der Autoren, wie es wohl mit der AfD weitergeht, und kann diese direkt bejahen oder verneinen.

Wenngleich man also durchaus positiv bewerten sollte, dass dieses Werk 2016 erschien und zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit wichtige Forschungserkenntnisse lieferte, so muss man sich auch eingestehen, dass das Werk schon jetzt veraltet ist. In den Texten gilt Luckes Austritt als eine aktuelle Entwicklung, die große Auswirkungen haben wird. Heute könnte man manchmal meinen, man erinnere sich nicht einmal mehr an eine AfD mit Lucke. Damit wird der Sammelband zwar zu einem wunderbaren Werk, um sich die bisherige Geschichte der AfD anzueignen, als Forschung kann es allerdings mangels Aktualität nicht mehr überzeugen.

Die Auswahl der Texte wirkt insgesamt gelungen, doch auch dieser Sammelband hat wie viele andere damit zu kämpfen, dass man das Werk vermutlich um mehr als die Hälfte kürzen könnte, würde man sämtliche Wiederholungen streichen. Jeder Text liefert neue Erkenntnisse, doch vor allem in den einleitenden Kapiteln liest man ständig dieselben Fakten.

Einen kleinen negativen Ausreißer für mich stellte der Text von Ulli Jentsch zur „Lebensschutz“-Bewegung dar. Der Text mag zwar durchaus interessant sein, wenn man sich für die Debatte um Abtreibung interessiert, insgesamt wirkt er aber in einem Sammelband zur AfD doch ein wenig fehl am Platz. Mit seinen sieben Kapiteln bildet er an sich schon einen längeren Text, der dann aber erst einmal fünf Kapitel lang nur die Bewegung an sich behandelt. Die AfD findet nur am Ende des Beitrags kurz Erwähnung, wenn es heißt: „In der AfD gibt es ein paar Menschen, die die Bewegung unterstützen und christlich fundamentalistisch sind. Das gilt jedoch nicht für die gesamte AfD.“ Der Text wäre also in einem Sammelband zu christlichem Fundamentalismus definitiv besser aufgehoben. Abgesehen davon hat aber jeder Text eine nachvollziehbare Daseinsberechtigung im Sammelband.

Schaut man sich die potenzielle Zielgruppe an, so müsste man wohl vom „Normalbürger“ ausgehen, der sich über die AfD informieren möchte. Für diesen könnte man jedoch durchaus annehmen, dass die „trockene“ theoretische und wissenschaftliche Art eher abschreckend wirkt. Für Politikinteressierte und Menschen, die sogar beruflich oder – wie in unserem Fall – per Ausbildung oder Studium damit zu tun haben, werden wohl kaum neue Erkenntnisse erlangt werden können. Bis auf eine Handvoll Ausnahmen lieferte mir das Buch keine Erkenntnisse, die ich nicht sowieso schon primär über das Seminar zum Rechtspopulismus erlangt hatte.

Ein weiterer negativer Punkt, der nicht unerwähnt bleiben soll, ist die vergleichsweise hohe Fehlerquote. Fehler nicht im Sinne von Falschaussagen, sondern von Schrift- und daraus folgend Grammatikfehlern. Klar, als Student weiß man nur zu gut, wie fehleranfällig solche Texte sind, und auch in diesem von mir verfassten wird man auf unzählige stoßen, doch ein Sammelband, der den Anspruch hat, Forschungserkenntnisse zu liefern, sollte doch vorher mal Korrektur gelesen werden... 

Fazit

Es ist schwierig, diesen Sammelband einordnen zu wollen. Ist er als Aufklärung für den Durchschnittsbürger gedacht? Dann ist er zu wissenschaftlich. Ist er für den Politikwissenschaftler oder sonstige Menschen aus dem Fach? Dann ist er zu unwesentlich in seinen Erkenntnissen. Für mich ist er auf jeden Fall eine gute Zitierquelle für anstehende Hausarbeiten, aber ob das der von Häusler erwartete Zweck ist? Bei einer so jungen Partei müsste man sich doch eigentlich im Klaren darüber sein, dass schon wenige Monate dazu führen können, dass die Texte veralten. Da wäre es ein Ansatz, das Werk zu beginnen, beispielsweise als reine Onlineausgabe, die ständig mit neueren Texten ergänzt wird, so aber bleibt es ein Werk, dass ich nicht weiterempfehlen würde.

Ausgehend von einem 1-5 Sterne System bekommt „Die Alternative für Deutschland“ von mir 3 Sterne.

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