Donnerstag, 4. Juli 2019

Rezension zu Wirsching / Kohler / Wilhelm: Weimarer Verhältnisse?

Wirsching, Andreas u.a. (Hg.) (2018), Weimarer Verhältnisse? - Historische Lektionen für unsere Demokratie, Reclam (oder als Lizenzausgabe für die bpb).

Rezension

Autorin: Nazdar Alicioglu

Das Buch „Weimarer Verhältnisse?“ beschäftigt sich mit der Frage, ob die deutsche Demokratie gefährdet ist. Sieben Autoren/innen haben sich mit den jüngsten Entwicklungen der deutschen Demokratie beschäftigt und damit, ob die deutsche Demokratie an die Weimarer Republik erinnert. Die NSDAP wird mit der AfD verglichen, aber nicht gleichgesetzt. Das Buch hat acht Kapitel auf 119 Seiten. Im folgenden werden die acht Kapitel kurz zusammengefasst.


Kapitel 1: Appell an die Vernunft

In diesem Kapitel geht der Autor kurz auf die Merkmale von Populisten ein. Populisten lehnen die politisch-soziale und kulturelle Vielgestaltigkeit demokratischer Gesellschaften ab. Ihrer Behauptung zufolge gibt es ein "wahres Volk". Dieses werde von den Populisten repräsentiert. Populisten beziehen zwar bei ihren Reden das Volk mit ein, jedoch lehnen sie Elemente einer Demokratie ab. Sie leugnen die Legitimität anderer Meinungen, Lebensstile und demokratischer Entscheidungen. Populisten haben (scheinbar) eine einfache Lösung für komplexe Probleme. Außerdem betreiben sie Propaganda mit Freund-Feind Gegensätzen.

In der Weimarer Republik stand ein Großteil der politischen Eliten der Republik skeptisch und feindlich gegenüber. Heute sieht es anders aus. Die Ämter und Mandate liegen in den Händen von Demokraten. Daher stellt sich die Frage, warum wird sich um die Stabilität der Demokratie gesorgt?

In allen etablierten westlichen Demokratien, in Ost- und Südeuropa sowie in der Türkei gibt es Parallelen zur Zwischenkriegszeit, in der Faschismus und Nationalsozialismus eine Krise der Demokratie in Europa herbeigeführt haben. Es ist die Epoche neuer Identitätsunsicherheit und Statusunsicherheit. Durch die Globalisierung wird Verunsicherung erzeugt. Außerdem bewältigen Nationalismus und nationaler Protektionismus die Komplexität der realen Welt. Weimar lehrt, dass ohne politische Vernunft die Demokratie kaputt geht. 

Kapitel 2: Weimar: Über das Anhäufen von Problemen

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Problemen der Weimarer Republik. Der Reichskanzler Heinrich Brüning hat mit seiner Politik die Krise verschlimmert. Es wird angenommen, dass, wenn Heinrich Brüning eine andere Politik betrieben und die Großindustrie den Weimarer Sozialstaat nicht zerstört hätte, die Machtübernahme Hitlers hätte verhindert werden können. Der Wirtschaftshistoriker Knut Borchardt widerspricht der These, dass Heinrich Brüning die Krise verschärft hätte. Das Scheitern der Weimarer Republik lag nicht an der Problemlagen, sondern am fehlenden Willen der verantwortlichen Eliten. Die unbewältigten Probleme der Nachkriegszeit und des Weimarer Sozialstaates überforderten die Politik zwar. Für diese Probleme konnte die Regierung von Heinrich Brüning jedoch nichts. Es gab eine Anhäufung von Problemen, die das politische System der Weimarer Republik vor der Wirtschaftskrise schwer belastet hat. Durch die Weltwirtschaftskrise ist die Lage eskaliert. Die Hauptprobleme der Weimarer Republik waren wirtschaftliche und soziale Schwierigkeiten, die aus dem Ersten Weltkrieg entstanden.

Von 1919 bis 1923 kam es zum Streit zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern und Deutschland. Der Streit ging um die Höhe der Reparationskosten. Diese Auseinandersetzung wurde mit dem Dawes-Abkommen entschärft. Deutschland erklärte sich bereit gegen eine große Anleihe und die Öffnung der internationalen Kapitalmärkte zur jährlichen Zahlung von etwa zwei Milliarden Goldmark. Außerdem akzeptierte Deutschland die internationale Kontrolle der Reichsbank sowie die Rückkehr zum Goldstandard zu Vorkriegsparitäten. Somit wurden die wirtschaftspolitische und finanzpolitische Handlungsspielräume der Reichsregierung stark eingeschränkt.

Dawes-Plan: Deutschland erhielt vor allem von der USA Kredite, und zahlte somit die Reparation an seine Gläubiger. Ein Teil der Reparationskosten ging in die USA, die es wiederum als kommerzielle Ausleihungen nach Deutschland weitergab.

Die Masse amerikanisches Geld floss als kurzfristige Ausleihe in die europäische Kapitalmärkte. Wenn sich die Verhältnisse in den USA ändern würden, dann würde das Geld aufhören in die Geldmärkte zu fließen. Die Labilität war den Zeitgenossen bewusst. Erschwerend war, dass wegen des Ausfalls der europäischen Exporte während des Krieges eigene Industrien in vielen Ländern entstanden ist. Im Jahre 1928/1929 wurde die Dawes-Regelung durch den Young-Plan ersetzt. Der Young-Plan sah eine Festschreibung der Höhe der deutschen Schuld und ihre ratenweise jährliche Bedienung in Höhe von 2-3 Prozent des Volkseinkommens bis in die 1980 er Jahre vor. Als Gegenleistung sollte die internationalen Kontrollen Deutschlands erfolgen. Der ausgehandelte Plan sorgte für Konflikte, den die rechtsradikalen Parteien für sich ausgenutzt haben. Die große Koalition von Reichskanzler Hermann Müller (SPD) zerbrach im Frühjahr 1930 an der Frage der Haushaltssanierung, bei der die SPD stur blieb und nicht nach gegeben hat. Die rechtsliberale DVP nutze den Konflikt um die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung, um die Koalition mit der SPD aufzulösen. Heinrich Brüning übernahm die Kanzlerschaft. Brüning fing direkt mit einer harten Politik an ( Ausgabenbeschränkung, Senkung von Löhnen, Preisen und Gebühren). Er wollte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf den Weltmärkten verbessern. Er scheiterte am Widerstand des Reichstages, woraufhin Hindenburg den Reichstag auflöste und Neuwahlen für den September 1930 ausschrieb. Die NSDAP rutschte bei den Neuwahlen von 2 Prozent auf 18 Prozent. Im Juni 1931 gerieten die deutschen Banken in Zahlungsschwierigkeiten. Ausländische Kredite wurden zurückgezogen, somit gerieten alle Banken in Zahlungsschwierigkeiten. Es kam zu Zwangsfusionen und Teilverstaatlichung im Banksektor. Die Lehre die man daraus ziehen kann, dass eine durch Kredite und Schulden stabilisierte Situation zerbrechlich ist, wenn es nicht gleichzeitig zu einer Beseitigung zentraler Problemfelder kommt. Außerdem zeigt es das demokratisch gewählte Regierungen in Krisenzeiten nationale Handlungsfähigkeit über internationale Verpflichtungen stellen muss.

Die gegenwärtige Probleme sind zwar anders gelagert, teils anders strukturiert, zumal die großen westlichen Volkswirtschaften über ein hohes Wohlstandsniveau verfügen. Die Zwischenkriegszeit lehrt, dass Auflösungserscheinungen der internationalen Kooperation nicht die eigentliche Ursache von Problemen sind, sondern Ausdruck ihrer schwindenden Beherrschbarkeit, die unter demokratischen Bedingungen die Wiederherstellung nationaler Handlungsfähigkeit erzwingt.

Kapitel 3: Zwischen Feinden und Freunden. Probleme des Parteiensystems

Der Autor Horst Möller stellt sich die Frage, ob Berlin in Gefahr sei, Weimar zu werden? Die Zahl der Parteien steigt und darunter ist eine populistisch-rechtsnationalistische Partei. Im Weimarer Reichstag waren vierzehn Parteien vertreten, darunter gab es Splittergruppen und Interessenverbände. Im heutigen Bundestag sind nur sieben Parteien in sechs Fraktionen vertreten. In der Weimarer Republik waren fast alle Regierungen schwach und kurzlebig. Der Reichspräsident besaß anders als heute ein materielles Ernennungsrecht und konnte den Reichskanzler berufen, die von vornherein keine Mehrheit erlangt haben. Der Reichspräsident konnte ihnen Notverordnungen genehmigen und gegebenenfalls den Reichstag auflösen. Diese Rechte stärkte den Reichspräsidenten, schwächte aber den Reichstag und den Reichskanzler. Die Verfassungsgeber hatten 1919 vermutlich Parlamentsabsolutismus vermeiden wollen und bauten zusätzlich plebiszitäre Elemente in die Verfassung ein. Sie wurden antidemokratisch genutzt. Die Väter und Mütter des Grundgesetztes haben ein konsequent parlamentarisch- repräsentatives Regierungssystem geschaffen. Das Grundgesetz stärkt das Parlament und die Regierung. Außerdem teilt das Grundgesetz den Parteien eine positiv definierte politische Verantwortung zu. In der Weimarer Republik standen sie den Parteien misstrauisch gegenüber. Extreme Parteien geben sich heute noch als Anti-Parteien aus. Es gibt aber keine Demokratie ohne Parteien und ohne Politiker.

Eineinhalb Jahre nach dem Wahlsieg, der drei Weimarer Parteien SPD, Zentrum und die DDP, verloren sie die erste Reichstagswahl am 06. Juni 1920.Die Republik hätte Zeit gebraucht, um die vielen Problemen zu lösen und um den Bürgern die neue Verfassungsordnung und Staatsform zu dokumentieren. Außerdem hatte die Regierung nicht ausreichend Zeit um ihre politische und ökonomische Leistungsfähigkeit zu beweisen. Eine Krise folgte nach der anderen. Rechtsextremisten verübten politische Morde. Links- und Rechtsintellektuelle kämpften gegen die Republik. Gründe für diese Probleme ergaben sich aus der Verfassung und dem Wahlrecht, welches 1919 von den Parteien beschlossen wurde.

Um die Weimarer Republik gerecht zu beurteilen, ist ein Blick über die Grenzen hilfreich. Kaum eine der nach dem ersten Weltkrieg neugegründeten Demokratien überlebte die europäische Krise des Parlamentarismus. In fast allen Ländern kamen ab den 1920 er Jahren autoritäre, faschistische oder militaristische Diktaturen an die Macht. Heute zählt die Bundesrepublik Deutschland zu den weltweit stabilsten Demokratien. In kaum einem Staat sind nationalistische Populisten vergleichbar schwach.

Die NSDAP und die KPD vermittelten in der Weimar Zukunftsperspektiven und Aufbruchsstimmung, um die Jugend für sich zu gewinnen. Die heutigen Nationalisten vermitteln Untergangsstimmung. Die Verfassungsordnung des Grundgesetzes gewährleistet die größtmögliche Stabilität der Regierungen und gemeinsam mit dem Wahlrecht die Bildung von Mehrheiten im Bundestag. Außerdem wird durch die Fünfprozenthürde der Einzug in den Bundestag erschwert. Die Bundesrepublik kommt außerdem durch die liberale und sozialen Marktwirtschaft schnell zu Erfolgen in fast allen Bereichen, was der Weimarer Regierung nicht gelang. Nach wenigen Jahren hat die Bevölkerung den neuen Staat akzeptiert. Das Freund- Feind- Denken welches in der Weimarer Republik existierte, existiert heute nicht mehr. Die Weimarer Republik konnte das soziale Problem von sechs Millionen Arbeitslosen nicht lösen. Die Bundesrepublik ist dahingegen wirtschaftlich stark und konnte das Problem der fünf Millionen Arbeitslosen und die schwere Banken- und Finanzkrise relativ gut bewältigen. Es gibt also keine Indizien für eine vergleichbare Gefährdung der Demokratie.

Kapitel 4: Politische Sprache und Medien

Die Presselandschaft der Weimarer Republik ähnelte immer noch den Verhältnissen, wie sie sich im 19. Jahrhundert zwischen Politikern und Parteien einerseits und andererseits den politischen Leitmedien herausgebildet hatten. Die Politiker, die Redaktionen und Zeitungsbesitzer wollten die Nähe zueinander. Die Journalisten brauchten Hintergrundinformationen von den Politiker und die Politiker gaben ihnen die Informationen. Sie brauchten Journalisten auf denen sie zählen konnten, die Artikel schrieben, mit deren Hilfe sie Strategien testeten, Allianzen schmieden oder Konkurrenten ausschalteten.

Die Weimarer Republik litt unter dem Mangel einer gemeinsamen politischen Sprache in der parteipolitisch fraktionierten Presselandschaft. Die große Nähe zwischen politischen Nachrichtenmedien und politischen Parteien und Akteuren gibt es heute genauso wie damals in der Weimarer Republik. Die enge Beziehungen zwischen Politikern und politischen Medien ist für das System relevant, aber sie kann auch die Stabilität einer Demokratie schwächen. Die enge Beziehung kann die mediale Kritikfähigkeit einschränken und verschwörungstheoretisch aufgeladen zum Hebel einer postdemokratisch inspirierten Systemkritik werden.

Der zweite Aspekt der die Weimarer Presselandschaft kennzeichnete, war ihre politisch-ideologische Zerklüftung. Es gab zahlreiche Fake News. Der dritte Aspekt der Weimarer Presselandschaft war die Selektivität.

Kapitel 5: Volkspartei des Protests

Obwohl die AfD nicht mit den Nationalsozialisten gleichgesetzt werden sollte, kann trotzdem ein Vergleich der Wählerschaft der NSDAP und der AfD unter verschiedenen Gesichtspunkten erkenntnisfördernd sein und Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten festgestellt werden. Es wäre ein Fehler die AfD Wählerschaft mit derjenigen der NSDAP gleichzusetzen, da die nationalsozialistischen Verbrechen einzigartig grausam sind und somit ein Vergleichsverbot gelten sollte.

Die NSDAP wurde von den Zeitgenossen überwiegend als eine Mittelstandsbewegung angesehen. Zu den Wählern der NSDAP gehörten die selbständige Mittelschicht ( Handwerker, Bauern und Gewerbetreibenden) sowie Angehörigen der neuen Mittelschicht ( Beamten und Angestellten), die Abstiegsängste hatten. Die Wählern und Mitglieder der NSDAP waren viel heterogener als bislang angenommen. Arbeiter waren unter den Mitglieder der NSDAP und unter den Wählern im Vergleich zur Mittelschicht leicht überrepräsentiert.

Auch die AfD-Wähler sind überwiegend Arbeiter. Gemessen am Bevölkerungsdurchschnitt entspricht der Arbeiteranteil unter den AfD-Wählern ziemlich exakt dem der NSDAP-Wähler von 1932. Es hat sich bei den NSDAP-Wählern nicht um sozial entwurzelte, wirtschaftlich gescheiterte und vom Schicksal benachteiligte Personen gehandelt. Arbeitslose waren unter den NSDAP-Wähler eher unterrepräsentiert. Auch unter den Wähler der AfD sind die Arbeitslosen eine kleine Minderheit.

Der Frauenanteil der NSDAP-Mitglieder waren vor 1933 zwischen 6 und 8 Prozent. Erst während des Krieges traten mehr Frauen der NSDAP bei. Der Frauenanteil der Neueintritte lag zuletzt bei 38 Prozent. Auch bei der AfD ist der Frauenanteil gering. 60 Prozent der Wähler waren bei der Bundestagswahl 2017 Männer. Bei der Bundestagswahl 2017 stellten die Nichtwähler den stärksten Anteil der AfD Zuwanderer dar. Die Nichtwähler haben auch bei der NSDAP den größten Beitrag zur nationalsozialistischen Wahlerfolgen geleistet. Viele Wähler der NSDAP haben die Partei aus Protest gewählt. Ohne den Großkrisen wie der Inflation, die Agrarkrise und die Weltwirtschaftskrise, wäre die NSDAP nicht erfolgreich gewesen. Bei den AfD- Wählern sieht es nicht anders aus, viele Wähler wählen die AfD aus Protest.

In ihrer Gesamtheit ist die AfD derzeit eine eher nationalkonservative Bewegung. Sie ist derzeit keine rechtsextreme Partei im klassischen Sinne. Aber die Gefahr besteht, dass die AfD sich in Krisenzeiten radikalisiert und dadurch die liberaldemokratische Verfassung gefährdet.

Kapitel 6: Ordnung ohne Hüter. Internationale Konfliktlagen und militärische Strategieentwicklung in der Zwischenkriegszeit

In diesem Kapitel geht es darum, dass trotz den Friedensverträgen einige Länder die Regeln gebrochen haben, welche keine Konsequenten nach sich zogen.

Die Pariser Friedensverträge von 1919/1920 haben Europa neu geordnet. Mit der in Paris geschaffenen Ordnung Europas kamen Unzufriedenheit in Deutschland auf, welches ein innenpolitisches Problem Deutschlands darstellte. Es war aber kein Problem für die Staatenordnung. Bei der Sicherung der neuen Ordnung kam ein Problem hinzu. Die Frage stellte sich, welche Anstrengungen würden die Ordnungshüter erbringen, um die geschaffene Ordnung aufrechtzuerhalten. Dafür nennt der Autor einige Beispiele.

Als Italien ein Eroberungskrieg gegen Äthiopien begann, unternahmen die Garantiemächte nichts, weil es den Interessen der Garantiemächte nicht betraf. Der Abessinienkrieg zeigte das die Ordnung Europas eine Ordnung ohne Hüter war. Hitler und Teile der Wehrmachtsführung haben ihre Schlüsse daraus gezogen. Ein anderes Beispiel zeigt wieder das Europa eine Ordnung ohne Hüter war. Als Kemal Atatürk die Bildung eines Kurdenstaates nicht zuließ, obwohl dies in dem ausgehandelte Friedensvertrag von Sevres festgelegt wurde. Es gab niemand der deswegen einschritt, um die Ordnung herzustellen. Als neue Verhandlungen geführt wurden, kam der Kurdenstaat nicht mehr drin vor. Die Hüter der Ordnung griffen nur ein, wenn sie ihre eigene Interessen gefährdet sahen.

Der Zerfall der multinationalen und multireligiösen Großreiche hatte eine Fülle ungelöster Probleme hinterlassen, die in der Friedensordnung von Paris nicht gelöst worden waren. Die Internationale Konstellationen der Zwischenkriegszeit waren eine Ordnung ohne Hüter. Auch die gegenwärtige Ordnung Europas ist eine Ordnung ohne Hüter, deswegen ist es bei auftretenden Krisen von einer Wiederkehr des Kalten Krieges die Rede.

Kapitel 7: Rätselhaftes Deutschland

Der Name Weimarer Republik weckt Bilder von Massenarbeitslosigkeit, Hyperinflation und politischer Gewalt, bei der Bevölkerung in Paris, Rom, Warschau, London und Madrid. Die Weimarer Republik wird mit den Zusammenbruch einer fragilen Demokratie in Verbindung gebracht.

Die Menschen im Ausland denken nicht, dass in Deutschland die Rückkehr von Weimarer Verhältnissen bevorstehe. Deutschland hat einer der besten Volkswirtschaft des Kontinents und die wirtschaftliche Basis ist gesund. Deutschland gilt als Besserwisser mit Überschüssen, einem funktionierendem Sozialstaat, weitgehende Vollbeschäftigung und eine souveräne Demokratie mit besonnenen Politikern und eine hohe Kompromissbereitschaft.

Es spricht zwar nichts für die Wiederkehr der Weimarer Verhältnisse, trotzdem besteht die Sorge, vor allem im Ausland. Die Fehler der Weimarer Verfassung wurden 1948/1949 konsequent vermieden. Nach dem zweiten Weltkrieg entstand eine neue Parteienlandschaft aufgrund von parteipolitischen Zusammenschlüssen, in denen die klassischen Parteifamilien Europas vertreten waren. Das Wahlsystem mit der Fünf-Prozent-Hürde fördert die Parteienkonzentration und verwandelte den Bundestag von einem Mehrparteiensystem 1949 zu einem Zweieinhalbparteiensystem im Jahr 1961. Im Unterschied zu Weimar gibt es in Deutschland keine Belastung mit Hypotheken aus dem vergangenem Regime, keine fragile sozioökonomische Situation und keine Erosion des Parlamentarismus. Dies waren nämlich die drei Hauptfaktoren des Scheitern der Weimarer Demokratie. Dank der Weimarer Erfahrung wurde das Parlament gestärkt, die Präsidialgewalt gemindert. Der Bundespräsident ist kein Ersatzkaiser.

Die Suche nach Parallelen und Unterschieden bleibt lehrreich, solange man Vergleichen und Gleichsetzen nicht verwechselt.

Kapitel 8: Weimar mahnt zur Wachsamkeit - Eine Bilanz

Dieses Kapitel fasst nochmal die Lehren zusammen, die aus Weimar gezogen wurde. Im Kontext ökonomischer Unsicherheiten und einer erodierenden Weltordnung werden neue Feindbilder konstruiert, rechtsradikalen gelingt der Aufstieg und es kommt zu Umformungen des Parteiensystems.

Es wird nicht direkt aus der Geschichte im Sinne von politischen Handlungsanweisungen gelernt. Berlin ist weit davon entfernt, Weimar zu sein. Die heutigen politischen, gesellschaftlichen und intellektuellen Eliten sind ungleich demokratischer und republikanischer gesonnen als das nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs der Fall war. Die Parteien sind kompromissfähiger, die große Mehrzahl der Bürger/innen fühlt sich dem liberaldemokratischen System stärker verbunden, als das jemals in der Weimarer Republik der Fall war. Trotzdem wird zur politischen Wachsamkeit aufgerufen.

Ich finde das Buch „Weimarer Verhältnisse?“ empfehlenswert, da es einen guten Einblick in die Weimarer Republik gibt. Ich würde das Buch auch jemanden empfehlen, der kein Vorwissen über die Weimarer Republik hat, da es verständlich geschrieben ist. Das Buch enthält kein neues Wissen, trotzdem ist es lesenswert.

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