In diesem Beitrag stellt Fabian Henning folgenden Aufsatz vor:
Gaubinger, Daniel (2020): Ist es die Einstellung, die zählt? Ein Beitrag zur Messung von „Rechtspopulismus“ in der EU; in: ÖGfE Policy Brief 20/2020, S. 1-10, https://core.ac.uk/display/343236447.
In diesem Aufsatz beschäftigt sich Daniel Gaubinger mit der Messung der rechtspopulistischen Einstellungen in wissenschaftlichen Studien. Zunächst stellt er fest, dass sowohl auf regionaler und nationaler als auch auf EU-Ebene die rechtspopulistische Parteifamilie die erfolgreichste der letzten Jahre sei. Das macht er unter anderem an den Sitzentwicklungen fest; schließlich habe die Vereinigung rechtspopulistischer Parteien, die ID-Fraktion im Europaparlament ihre Sitze von 36 auf 73 innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelt.
Basierend auf dieser Entwicklung sei es wichtig, Rechtspopulismus in empirischen Studien möglichst genau zu untersuchen. Es gebe aber derzeit überwiegend in der Methodik ein problembehaftetes Vorgehen insoweit, als die Wahl entsprechender Parteien innerhalb der Messmodelle als Ordinate auf dichotomer Ebene für die Position fungiere, während als Abszisse Indikatoren eingesetzt werden, deren Operationalisierung anhand verschiedener Erklärungsansätze stattfinde.
Ein erstes Problem sieht Daniel Gaubinger hierbei in der Einordnung von Parteien als „rechtspopulistisch“. Häufig werde als Grundlage auf die Definition Cas Muddes für solche Parteien zurückgegriffen, im Gesamtvorgehen zur Kategorisierung fände aber auch häufig ein Rückgriff auf Expert*innen-Urteile statt, welche als solche zwangsläufig schwerlich objektiv und folglich für die Reliabilität und Validität des Gesamtergebnisses (Zuverlässigkeit bzw. Genauigkeit der Messung und Angemessenheit der Testwertinterpretation) problembehaftet seien.
Darüber hinaus hält er dieses Gesamtvorgehen auch aufgrund der Wahlrechtssituation für eher nicht haltbar. So sind beispielsweise in Wien 16,4% der Bevölkerung auf keiner Ebene wahlberechtigt, welche daher in diesem Kontext nur schwer erfasst werden können. Auch sei im allgemeinen der „Rechtspopulismus“ in der Gesamtgesellschaft, wenn man sich auf die Wahl(präferenz) der Personen beschränkt, nicht vollständig erfasst, da die Entscheidung für eine Partei von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängen könne.
Der Autor sieht hier die Lösung in einer Messung „rechtspopulistischer“ Einstellungen auf Individualebene basierend auf einer Ableitung der Definition Muddes dieser Parteien auf Personen, wobei das Ergebnis hiervon dann in einer konfirmatorischen Faktorenanalyse eingesetzt werden könne.
Im Folgenden nennt der Autor Kernelemente des „Rechtspopulismus“ und spricht zunächst Populismus als „thin centered ideology“ an; dieser sei durch die Darstellung der Gesellschaft in zwei jeweils homogene Gruppen („Volk“ & „Elite“) und das scheinbare Vorhandensein eines „Volkswillens“ charakterisierbar. Der Weg vom Begriff des Populismus zum Rechtspopulismus zeichne sich durch ein hinzukommendes, besonderes Verhältnis zum Volksbegriff mit der Folge eines ausgeprägten Nationalismus und einer Nähe zur Xenophobie, was unter Nativismus zusammengefasst werden könne, sowie durch Autoritarismus als letztes Kernelement aus.
Auf Grundlage der Charakterisierung von Rechtspopulismus durch Populismus, Autoritarismus und Nativismus als Herzstücke könne ein passendes Messmodell für Individuen aufgebaut werden, so Daniel Gaubinger, allerdings bedürfe es hierfür auch einer sinnvollen Auswahl an manifesten Items.
Als entsprechende Items für den Populismus schlägt Daniel Gaubinger die Heranziehung der folgenden fünf Variablen in Kombination mit einer umgepolten 0-10-Skalierung vor: 1) Das Vertrauen in das Rechtssystem, 2) das Vertrauen in das nationale Parlament, 3) das Vertrauen in Politiker*innen, 4) das Vertrauen in politische Parteien und 5) das Vertrauen in das Europäische Parlament. Das erweitert er noch mit zwei weiteren, gleich skalierten Variablen zur Zufriedenheit einer Person mit der Demokratie im eigenen Land und zur Zufriedenheit mit der nationalen Regierung. Die 10 steht dabei für „äußerst zufrieden“ und die 0 für „äußerst unzufrieden“.
Als entsprechende Items für den Autoritarismus empfiehlt er fünf Items mit einer umgepolten 1-6-Skalierung: 1) Das Verlangen einer Person, Anweisungen und Regeln zu befolgen, 2) das Interesse an einer „starken“, sicherheitsbewahrenden Regierung, 3) das Verlangen danach, dass man sich passend verhält, 4) das Interesse daran, dass Traditionen gewahrt werden, und 5) das Verlangen danach, dass die Lebensumgebung sicher ist. Hierbei entspricht die 1 einem hohen Zuspruch und die 6 keinem Zuspruch.
Für die Abbildung des letzten Kernelements Nativismus erwähnt der Autor zum einen die Möglichkeit von drei Variablen, die veranschaulichen sollen, inwiefern eine Abneigung von „nonnative elements“ besteht: 1) Wie sehr ist mit der persönlichen Meinung vereinbar, dass Einwanderung für Immigrant*innen, welche Teil der ethnischen Bevölkerungsmehrheit sind, ermöglicht wird, 2) wie sehr ist mit der persönlichen Meinung vereinbar, dass Einwanderung für Immigrant*innen, welche nicht Teil der ethnischen Bevölkerungsmehrheit sind, ermöglicht wird und 3) wie sehr ist mit der persönlichen Meinung vereinbar, dass Einwanderung für Immigrant*innen, welche aus ärmeren Ländern stammen, die nicht Teil der EU sind, ermöglicht wird. Daniel Gaubinger schlägt hier eine 1-4-Skalierung vor, wobei 1 einer positiven Einstellung und 4 einer negativen Einstellung entsprechen.
Zum anderen nennt der Autor die Option, anhand dreier weiterer Variablen das Angstverhältnis im Kontext von „Nation & Kultur“ zu überprüfen: 1) Sieht die Person das kulturelle Leben innerhalb eines Landes durch den Zuzug von Immigrant*innen eher bereichert oder eher bedroht, 2) sieht die Person die Wirtschaft eines Landes durch den Zuzug von Immigrant*innen eher gestärkt oder geschwächt und 3) sieht die Person ein Land durch den Zuzug von Immigrant*innen als eher lebenswerter oder weniger lebenswert an. Hierbei soll eine umgepolte 0-10-Skalierung angewendet werden, bei welcher 0 für eine negative und 10 für eine positive Sicht stehen.
Die Anwendung dieses neu geschaffenen Modells könne „Rechtspopulismus“ auch außerhalb und unabhängig von der Wahl und Parteipräferenz untersuchbar machen, so der Autor. Außerdem könne das Verhältnis zwischen der individuellen Einstellung und der Wahlentscheidung besser empirisch analysiert werden, um auch die Entwicklung neuer Handlungsmöglichkeiten auf den entsprechenden Ebenen zu ermöglichen.
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