Freitag, 17. Juni 2022

Rechtspopulismus in der Sozialen Arbeit

In diesem Beitrag stellt Anna Hägele folgenden Aufsatz vor:

Gille, C., & Jagusch, B. (2019): Die Neue Rechte in der Sozialen Arbeit in NRW: Exemplarische Analysen (FGW-Impuls Rechtspopulismus, soziale Frage & Demokratie, 3), Düsseldorf: Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung e.V. (FGW), online unter: https://core.ac.uk/reader/294832480.

Gille und Jagusch untersuchen den Einfluss der Neuen Rechten auf die Soziale Arbeit in NRW. Ein Kennzeichen der neurechten Bewegung sei das Bild der Nation als „homogene [..] kulturelle […] Gemeinschaft“ (S. 1). Die Vermischung verschiedener Nationen stelle eine Bedrohung dar, die mittels eines autoritären, streng hierarchisch gegliederten Systems überwunden werden könne. Die stetig wachsende rechte Community innerhalb Europas vertrete und praktiziere die neurechten Ideen (vgl. S. 1).

Soziale Arbeit entwickle sich aus gesellschaftlichen Zusammenhängen. Sie ziele nach einer Normalität, kategorisiere Menschen und wolle, dass diese ein Bestandteil der Gesellschaft würden. In der Geschichte sei auch homogenisierendes, autoritäres oder ausgrenzendes Gedankengut in der Sozialen Arbeit aufgetreten. Daher stelle sich die Frage, ob und inwieweit auch heute die Zunahme der Neurechten in der Gesellschaft Einfluss auf die Soziale Arbeit ausübt (vgl. S. 1).

Ein Zusammenhang zwischen Sozialer Arbeit und extrem rechten Denk- und Handlungsweisen werde häufig instinktiv ausgeschlossen. Dadurch sei das Erkennen von „menschen- und demokratiefeindlichen Positionen“ (S. 2) in der Sozialen Arbeit zusätzlich erschwert. Eine exemplarische Analyse des Einflusses der Neuen Rechten in der Sozialen Arbeit in NRW soll Klarheit schaffen (vgl. S. 1-2).

Die dafür ausgeführte Studie bedient sich eines Fragebogens, den Fachkräfte aus der Sozialen Arbeit ausfüllen. Zusätzlich zu den 377 ausgefüllten Fragebögen werden 24 Interviews mit Expert*Innen geführt und weitergehende Recherchen betrieben (vgl. S. 2).

Anschließend wird ein inhaltanalytisches Verfahren zur Auswertung der Ergebnisse angewendet. Die Einflussnahme innerhalb der Sozialen Arbeit von der Neuen Rechten/Rechtsextremen bzw. die Verschiebung der Sozialen Arbeit nach rechts wird in drei verschiedenen Kategorien untersucht: „eigene Angebote“, „äußere Einflussnahme“ und „innere Einflussnahme“ (S. 2).

Innerhalb der Grundkategorien werden aus den Studienergebnissen Varianten der Einflussnahme entwickelt. Die Strategie „,Karitative´ Inszenierungen“ (S. 3), bei der kein soziales Problem bearbeitet werde, sondern die vielmehr zur Vermittlung einer politischen Meinung diene, sei in den eigenen Angeboten zu verorten. Auch bestimmte Angebote der Gemeinschaftsbildung oder der Problembearbeitung, fielen in diese Kategorie. Sogenannte Scharnierangebote wie z.B. Konzerte, die in Zusammenhang mit der rechten Szene stehen, würden neue UnterstützerInnen anlocken (vgl. S. 3).

Externe Einflussnahmen würden im Wesentlichen zwei Ziele verfolgen: Die Verunsicherung und damit einhergehende „Zerstörung von Angeboten und Trägern der Sozialen Arbeit“ (S. 3) auf der einen Seite sowie die inhaltliche Veränderung von Angeboten der Sozialen Arbeit auf der anderen Seite. Zum Erreichen des ersten Ziels würden z.B. durch gezielte Delegitimation einzelner Personen die Strukturen angegriffen. Zusätzlich werde Bedrohung in physischer und/oder psychischer Form ausgeübt. Um das zweite Ziel zu erreichen, würden sozialräumliche Inszenierungen und Agenda-Setting dienen (vgl. S. 3).

Die interne Einflussnahme könne beispielweise durch die Präsenz und damit durch die Einflussnahme extrem rechter Mitarbeiter*Innen erfolgen. Auch Diskriminierung oder das Unterlassen von gebotenen Handlungen könnten der Neuen Rechten Türen öffnen. Rhetorische Praktiken und Diskursverschiebungen durch Artikulation und diskursive Orientierung unterstützen den rechten Einfluss zusätzlich (vgl. S. 3).

In allen drei Bereichen kann sich nur eine Minderheit der Fachkräfte keine Etablierung eigener Angebote im rechten Spektrum, keine erfolgreichen Einflussnahmen der Rechten oder keine Verschiebungen nach rechts vorstellen und kennt auch keine. Dies spiegle die vermeintliche Unantastbarkeit von Sozialer Arbeit von menschen- und demokratiefeindlichen Positionen wider. Die Studie selbst entlarve diesen Irrtum, denn in allen Kategorien weist sie Einflussnahmen nach (vgl. S. 2).

Die große Mehrheit erkennt keinen konkreten Einfluss, hält diesen aber durchaus für vorstellbar. Und einige weitere erkennen bzw. bestätigen ihn sogar. Einige nehmen einen spürbaren Einfluss wahr, die meisten jedoch nicht. Eine große Mehrheit sieht jedoch Anzeichen für neurechte bzw. rechtsextreme Aktivitäten (vgl. S. 3).

Zusammenfassend seien die neurechten Ideen kein Mainstream in der Sozialen Arbeit in NRW, aber ihr Einfluss sei auch nicht zu leugnen (vgl. S. 3). Es ließen sich regelmäßige Versuche der Einflussnahme der Rechten auf die Soziale Arbeit in NRW ausmachen und auch verfestigte rechte Strukturen seien erkennbar (vgl. S. 3).

Die psychische bzw. physische Bedrohung durch rechte Vertreter im Bereich der Sozialen Arbeit sei besorgniserregend. Angriffe auf das „Selbstverständnis einzelner Träger oder auch Praxisfelder“ (S. 3) würde Verunsicherung auslösen. Auch die Etablierung sozialer Inszenierungen zur politischen Agitation sowie die Zunahme neurechter Sprache und Diskurse im Bereich der Sozialen Arbeit errege Besorgnis (vgl. S. 3).

Vermehrt seien v.a. Tätigkeiten der Sozialen Arbeit in den Bereichen Migration, Interkulturalität, Gender und Sexualität Ziel der Einflussnahme. Stets werde das Bild eines Wettbewerbs um angeblich knappe Ressourcen als Ausgangslage und die exklusive Solidarität als Lösung inszeniert. Der Argumentationsstrang sei rassistisch geprägt (vgl. S. 4).

Um dem entgegenzuwirken, würden verschiedene Strategien genutzt. Zunächst werde für das Wahrnehmen von extrem rechten Denkweisen, Praktiken und Akteuren sensibilisiert und aufgeklärt. Eine klare Stellungnahme helfe, rechte Einflussnahmen abzuwehren. Dennoch bliebe eine Unsicherheit im Umgang mit der Rechten bestehen. Daher sei es elementar wichtig, institutionelle Rahmenbedingungen zu etablieren, um Unsicherheiten zu vermindern und Angriffen der Rechten entgegenzuwirken. Um das Entstehen von neurechten Ideen und Praktiken zu verhindern, sei Ziel der Sozialen Arbeit, die soziale Infrastruktur auszubauen und normative Positionen z.B. im Bereich Menschenrechte, Autonomie oder Demokratie deutlich zu machen (vgl. S. 4).

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