Donnerstag, 30. Juni 2022

Das Parteienspektrum rechts der Mitte

In diesem Beitrag stellt Mareike Manz folgenden Text vor:

Lewandowsky, Marcel / Heinze, Anna-Sophie (2022): Welchen Weg nehmen die Rechten? Zum Stand der konservativen liberalen und rechtsradikalen Parteien in Deutschland; in: Knut Bergmann (Hg.): »Mehr Fortschritt wagen«? Parteien, Personen, Milieus und Modernisierung: Regieren in Zeiten der Ampelkoalition, transcript Verlag, online unter: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6307-5/mehr-fortschritt-wagen/?c=310000099&number=978-3-8394-6307-9.

Lewandowsky und Heinze unterteilen das deutsche Parteiensystem, indem die eher marktorientierten Parteien FDP, CDU und AfD von den Parteien mit eher staatsorientierter Wirtschaftspolitik (SPD und Grüne) unterschieden werden. Auffallend ist die Bewegung der AfD zwischen 2013 und 2017 zu einer minderheitenpolitisch restriktiveren Richtung. Die Positionen der anderen Parteien veränderten sich dagegen kaum. Die Autoren betonen außerdem den Zusammenhang zwischen Populismus und Illiberalismus im deutschen Parteiensystem (vgl. S. 302/303).

Die Autoren thematisieren des Weiteren die Überschneidungen von CDU, FDP und AfD. Hier lassen sich mehrere Schnittmengen finden. Genannt wird zum Beispiel die Wählerschaft der AfD, die zum Teil aus ehemaligen Wähler:innen der CDU/CSU besteht. Eine weitere Überschneidung der drei Parteien lässt sich an der im Jahr 2021 gegründeten Agentur „the Republic“ erkennen. Diese wird unter anderem von Friedrich Merz (CDU) und von der FDP nahestehenden Unternehmen unterstützt.

Die CDU gehört zu den erfolgreichsten Mitte-Rechts-Parteien in Europa. Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt gelten als die Hochburgen der CDU. Vor allem durch die Corona-Pandemie gelang es der Partei durch Merkels Krisenmanagement, Zustimmungswerte von bis zu 40% zu erreichen.

Jedoch entstand durch die Veränderungen der letzten Jahrzehnte eine Repräsentationslücke, welche die AfD füllte. Dabei ging es hauptsächlich um vier Themen: Sozialhilfe, moralische Fragen, Integration und Immigration (insbesondere die "Flüchtlingskrise" 2015/16). Nachdem die CDU viele Stimmen an die AfD verloren hatte, stellten mögliche Koalitionspartner eine zunehmende Herausforderung dar. Eine Koalition mit der AfD schließt die Partei aus. In der Bundestagswahl 2021 verlor die CDU viele Stimmen an die SPD, FDP sowie die Grünen (vgl. S. 304).

Die FDP wurde lange Zeit nur als Koalitionspartner der CDU oder der SPD angesehen. Dies änderte sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013. Die FDP veränderte sich programmatisch, organisatorisch und personell. Vor allem in ihrem Kernthema, der Wirtschafts- und Finanzpolitik, stellte sich die FDP kompetitiv auf und konzentrierte sich stark auf Kritik und Alternativen zur Politik der Bundesregierung. Eine große Übereinstimmung mit CDU und SPD gibt es in der Außenpolitik, im Gegensatz zur AfD, von der sich die FDP abgrenzte.

Nachdem in der Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen weder Bodo Ramelow noch Christoph Kindervater eine Mehrheit erreichte, stellte die FDP Thomas Kemmerich als Kandidaten auf. Dieser wurde anschließend mit Hilfe der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Obwohl der Kandidat der AfD keine Stimme erhielt, hatten sie es geschafft, die Stabilität der Landesregierung mitzubestimmen. Die FDP als demokratische Minderheitsregierung machte sich somit von einer rechtsradikalen Partei abhängig. Dies führte dazu, dass CDU, SPD und die Grünen eine Zusammenarbeit verweigerten und Kemmerich unter großem Druck zurücktrat.

Die AfD nutzte den Rücktritt des Ministerpräsidenten für ihr Anti-Establishment-Narrativ. Der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner (AfD) kommentiert: »Vor einem Jahr wurde in Thüringen ein bürgerlicher Ministerpräsident, Thomas Kemmerich, mit Hilfe von AfD, CDU und FDP gewählt. […] Kemmerich hatte […], typisch FDP-Politiker, leider nicht das Rückgrat, dem Druck standzuhalten, gab nach kurzer Zeit auf“ (Website der AfD).

In der Corona-Pandemie tritt die FDP als Verteidigerun der individuellen Grundrechte auf (gegen Ausgangssperren, Toleranz gegenüber Querdenker-Protesten, Versammlungsfreiheit usw.). Thomas Kemmerich erntete durch seine Teilnahme an einer Querdenker-Demonstration Kritik auf der Bundesebene. Durch diese Positionen grenzte sich die FDP von den anderen Mainstream-Parteien ab und erlangte ein Unterstützungsfeld, das Überschneidungen mit der AfD aufwies. Im Gegensatz zur AfD stimmt die FDP für EU und Euro-Mitgliedschaft, Offenheit gegenüber Migration, Freihandel und Westbindung sowie die Hervorhebung von Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit (vgl. S. 308).

Die AfD etablierte sich in rasanter Geschwindigkeit im deutschen Parteiensystem. Warum dies keine andere Partei in dieser Geschwindigkeit schaffte, ist auf mehrere Gründe zurückzuführen. Zum einen war die radikale Rechte historisch bedingt lange Zeit erfolglos und zum anderen war sie lange Zeit zersplittert. Mit der AfD kam eine rechte Partei, die in alle 16 Landesparlamente einzog und eine starke Parteiorganisation aufbaute.

Laut Lewandowsky und Heinze ist dies unter anderem auf die "Flüchtlingskrise" im Jahr 2015 zurückzuführen. Über die Fünf-Prozent-Hürde schafften es die Partei 2017 und erreichte in einigen ostdeutschen Bundesländern Ergebnisse über 20 Prozent. Wie die Partei sich zukünftig entwickeln wird, hängt von dem Umgang mit den extremistischen Positionen und Mitgliedern ab. Des Weiteren bildete sich im Zuge der Corona-Proteste eine neue Partei, „Die Basis“. Diese könnte in Zukunft als Konkurrenz der AfD auftreten. Die Partei kann nicht eindeutig der politischen Rechten zugeordnet werden, da sie sich auch mit liberalen, ökologischen und anthropologischen Themen beschäftigt. Sie zeigt jedoch in Bezug auf die Pandemiebekämpfung ähnliche Ansätze wie FDP und AfD (vgl. S. 310).

Welchen Einfluss die AfD auf andere Parteien ausüben kann, wird von dem Verhalten der anderen Parteien, Medienakteuren und der Zivilgesellschaft abhängen. Zum jetzigen Zeitpunkt grenzen sich sowohl Christdemokraten als auch Sozialdemokraten im Parlament und den Medien deutlich von der AfD ab (vgl. S. 311).

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