Montag, 27. Juni 2022

PEGIDA in der COVID-19-Pandemie

In diesem Beitrag stellt Johanna Dehmel folgenden Artikel vor:

Volk, Sabine (2021): Die rechtspopulistische PEGIDA in der COVID-19-Pandemie: Virtueller Protest „für unsere Bürgerrechte“, in: Forschungsjournal Soziale Bewegungen 34, 2/2021, S. 235-248, online unter: http://doi.org/10.1515/fjsb-2021-0020.

Dieser Artikel thematisiert die Aktivitäten von PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Bezug auf die COVID-19-Pandemie und zielt darüber hinaus auf eine Antwort auf die Frage, ob „die Pandemie PEGIDA eher geschadet oder zu neuem Aufschwung verholfen hat“ (S. 237).

Beim Verfassen des Artikels arbeitet Sabine Volk mit "qualitativ-interpretativer Forschung" (S. 239) und ordnet diese „mithilfe ethnographischer Daten (...) in den historischen Kontext" (S. 240) ein. Hierfür verwendet sie die ihr zur Verfügung stehenden "zugrundeliegende[n] empirische[n] Datenmaterialien“ (S. 239) aus der „Echtzeit" (S. 239), welche sie in ihre Arbeit integriert.

Die sogenannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA) sind Anhänger*innen einer Organisation, die seit 2014 Straßendemonstrationen als Protestform in Dresden durchführt und sich so „gegen die Islamisierung Deutschlands und für den Erhalt des religiösen Friedens“ (S. 237) aufstellt. Die Organisation positioniert sich öffentlich gegen „Einwanderer*innen sowie Politiker*innen und Medienvertreter*innen“ (S. 237).

PEGIDA gewann im Jahr 2015 eine große Anzahl an Anhänger*innen, welche „trotz [der] offensichtlich fremden- und elitenfeindlicher Gesinnung nicht ausschließlich […] rechtsextreme oder neonazistische Gruppierungen“ (S. 237) aufwiesen. Obwohl sich dieser Zuwachs lediglich auf einen kurzen Zeitraum bezieht, „verschwindet“ (S. 238) PEGIDA nicht und führt ganz im Gegenteil weiterhin Proteste durch, welche alle vierzehn Tage stattfinden. Außerdem ist die Bewegung seitdem auch in den sozialen Medien, etwa über YouTube stärker vertreten.

Zum Zweck der genauen Ermittlung der politischen Ausrichtung der PEGIDA, wurden „wissenschaftliche Untersuchungen“ (S. 238) durchgeführt, welche jedoch keine „eindeutig rechtsextrem[e]“ (S. 238) Ausrichtung nachgewiesen haben, sondern nur eine „regional gefärbte Version des Rechtspopulismus“ (S. 238) ermitteln konnten. Allerdings wird die PEGIDA „als einer der zentralen Player der Mosaik-Rechten“, welches ein „Gedankenkonstrukt […] [ist], das sich auf die Kooperation von rechten und rechtspopulistischen Akteuren bezieht“ (S. 238) angesehen, was daraufhin weist, dass sie ein hohes Ansehen in der „Rechtsaußen-Szene“ (S. 238) besitzt.

Im März 2020, kurz vor Beginn der COVID-19-Pandemie, werden erste Einschränkungen hinsichtlich der zugelassenen Personenanzahl bei öffentlichen Versammlungen und Veranstaltungen eingeführt, wodurch auch die Demonstrationen der PEGIDA im Umfang eingegrenzt werden, welche bisher die einzige Protestform war. Somit muss die PEGIDA, wenn auch nur „widerwillig“ (S. 236), „kreativ“ (S. 240) werden.

Sie behalten ihr Motto „Gekommen um zu bleiben//Bleiben um zu siegen//Und wir werden siegen“ (S. 240) bei, welches von den drei Organisatoren Lutz Bachmann, Siegrid Däbritz und Wolfgang Taufkirch vertreten wird, und führen sowohl virtuelle als auch hybride Proteste als Ersatz für die montäglichen Demonstrationen durch. Diese werden als Live-Beitrag auf „Bachmanns Youtube-Kanal übertragen und […] [sind] in Struktur und Inhalt vergleichsweise nahe“ (S. 240) zu den realen Protesten.

Grundsätzlich werden die Ersatz-Live-Beiträge mit der PEGIDA-Hymne eingestimmt, im Anschluss gibt es von den drei Organisatoren kleine Beiträge und es werden - hauptsächlich männliche - Gastredner, wie beispielsweise der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland, eingeladen. Die Beiträge werden durch die „dritte Strophe der deutschen Nationalhymne“ (S. 241) beendet, sodass ein rundes Gesamtbild entsteht. Allerdings gibt es „kein[en] direkte[n] Austausch zwischen PEGIDA-Organisatoren und [den] hauptsächlich männlichen Teilnehmer*innen“ (S. 241).

Im Jahr 2020 steht zusätzlich noch der sechste Jahrestag der PEGIDA an, welchen sie jedoch selbst absagen und stattdessen als eine „spontane Aktionswoche“ (S. 242) durchführen, an der eine große Menschenmenge teilnahm. Im weiteren Verlauf der Zusammenfassung des Aufsatzes werden nun einige exemplarische Aspekte aufgewiesen, welche die Aussage, dass die PEGIDA-Proteste mit den Querdenker-Demonstrationen im Zusammenhang stehen könnten, stützen oder dementieren.

PEGIDA sieht sich als „Opfer einer angenommenen Eliteverschwörung gegen das Volk“ (S. 244) an, indem sie behaupten, die Corona-Verordnungen, wie beispielsweise der Mund-Nasen-Schutz, würden „das Volk“ „zum Schweigen bringen“ (S. 244). Hier ist eine deutliche Überschneidung zu den Corona-Leugnern zu erkennen, welche sich teilweise weigern, Masken zu tragen. Außerdem sind die PEGIDA-Anhänger der Meinung, dass „die Krise […] nur erlogen [sei], um die Bevölkerung von der Asylkrise an der griechisch-türkischen Grenze abzulenken“ (S. 244), was erneut ein klassisches Merkmal des Rechtspopulismus aufweist.

Eine weitere Überschneidung zwischen den Anhängern und den Querdenkern zeigt sich in dem Gedanken der „Corona-Diktatur“ (S. 244), da hier die PEGIDA der Elite, welche nun im Verständnis PEGIDAs durch internationale Institutionen wie z.B. die WHO (World Health Organization) integriert wurde, vorwirft, sie würde eine „totale Überwachung und Unterdrückung der Bevölkerung via Corona-App und Impflicht“ (S. 245) ausführen wollen. Ähnliche Ansichten werden von den sogenannten „Querdenkern geteilt, da diese der Meinung sind, dass die Hygienemaßnahmen, der Mund-Nasen-Schutz und die Impflicht eine Unterdrückung der Gesellschaft seien.

Ein Argument gegen den Zusammenhang zwischen beiden Gruppen, wäre der Verlust der „Kontrolle über Struktur und Inhalt des montäglichen Protestrituals“ (S. 243). Die Pandemie hat insofern eine Wirkung auf die Organisation, als dass sie „PEGIDAs auf Demonstrationen ausgerichteten Aktivismus bedeutend ein[]schränkt und erschwert“ (S. 245). Vor allem der Verlust des Spaziergangs mitsamt Kundgebung und der Jubiläumsfeier müssen hier insbesondere „schmerzhaft“ (S. 245) sein, da durch diesen Wegfall und die Limitierungen das „Fortbestehen der Gruppe kurzzeitig nicht gesichert“ (S. 245) ist. Allerdings kann hier auch die Auswirkung der Pandemie auf die PEGIDA-Organisation in dem Sinne interpretiert werden, dass sie keiner „Schwächung“ unterleidet, sondern ganz im Gegenteil „die Gruppe […] eher dazu herausgefordert wird, kreativ“ zu werden, um so „in den sozialen Medien das Image eines resistenten politischen Akteurs zu pflegen“ (S. 246).

„Schlussendlich hat die PEGIDA während der Pandemie wohl weder bedeutende Mobilisierungserfolge noch -misserfolge erzielt.“ (S. 246)

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