Sonntag, 16. Mai 2021

Transnationale Netzwerke von Rechtspopulisten

In diesem Beitrag stellt Sara Marquardt folgenden Aufsatz vor:

Hokamp, Dominik (2020): Nationalisten in transnationalen Netzwerken: Eine Netzwerkanalyse transnationaler Beziehungen von rechtspopulistischen Akteuren in Europa auf Twitter; in: Global Media Journal – German Edition, Vol. 10, 1/2020, online unter: https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00050179/GMJ19_Hokamp.pdf

Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich mit der Untersuchung von transnationalen Beziehungen der rechtspopulistischen Parteien in Europa auf Twitter anhand einer Netzwerkanalyse. Durch die Europawahl 2019 und den Aufstieg der einflussreichen rechtspopulistischen Fraktion „Identität und Demokratie“ wird der Aufschwung solcher Parteien in Europa rekapituliert und dessen Bedeutung - auch in Bezug auf die sozialen Medien - skizziert. Der vorliegende Aufsatz behandelt diese zwei Forschungsfragen:

  • Welche in sozialen Medien aufgebauten persönlichen Beziehungen bestehen zwischen rechtspopulistischen Akteuren in Europa?
  • Wie transnational gestalten sich diese Beziehungen?

Um Rechtspopulismus zu definieren, wird oftmals die Definition von Cas Mudde hinzugezogen, der Rechtspopulismus als Ideologie darstellt, die wesentlich von Nativismus, Autoritarismus und Populismus geprägt sei und die Gesellschaft in die „korrupte Elite“ und die „einfache Bevölkerung“ einteilt (vgl. S. 3). Auch Lochocki beschreibt die Gesellschaftsutopie von rechtspopulistischen Parteien als illiberale Demokratie, in der sie häufig autoritäre Positionen in soziokulturellen Fragen wie dem Schwerpunktthema Migration innehaben.

In Castells Theorie der Netzwerkgesellschaft beschreibt er die transnationalen Bewegungen mit grenzüberschreitender Mobilität als Ergebnis der Globalisierung und transnationaler Verknüpfung, was die Grenzen zwischen Gesellschaft und Theorie verschwimmen lässt und die Aktivitäten der Gesellschaft beeinflusst. Das Ziel von rechtspopulistischen Parteien ist somit die Verbindung zu anderen ähnlich denkenden und agierenden Parteien, um eine transnationale Kooperation einzugehen.

Faktoren, die das soziale Netzwerk so interessant für diese Parteien machen, sind folgende: es ist kostenlos, erfordert keine speziellen technischen Kenntnisse und bringt einen direkten, schnellen Austausch zwischen Politiker*innen und der Gesellschaft. Die Paradoxie dahinter ist, dass rechtspopulistische Parteien supranationale Systeme wie die EU ablehnen, sie aber dazu gezwungen sind, auf dieser Ebene ihre Politik zu betreiben.

Eine wichtige Rolle spielt dabei der bekannte Microbloggingdienst Twitter, der ca. 330 Millionen Nutzer*innen umfasst und wo User*innen kurze Mitteilungen oder Statusmeldungen mit maximal 280 Zeichen Länge verfassen, anderen folgen und deren Tweets liken können. Dadurch entsteht ein komplexes Netzwerk mit gegenseitigen Verbindungen zwischen Individuen, Parteien, NGOs und anderen.

Da unsere Umwelt größtenteils als Netz strukturiert ist und klassische Untersuchungsdesigns schlecht auf große digitale Datenmengen anwendbar sind, haben wir hier schon die zwei Gründe für die zunehmende Beschäftigung mit Netzwerkanalysen. Sie beschäftigt sich mit einzelnen Knoten und deren Bedeutung innerhalb eines Graphen, die die Wichtigkeit eines Akteurs mit Zentralitätsmaßen bestimmen. Es lässt sich von der Korrelation ausgehen, dass Knoten mit hohen Werten im sozialen Netzwerk gut vernetzt sind und ein enormes Einflusspotenzial haben.

Methode

Alle Parteifunktionär*innen der neun Parteien in der Fraktion „Identität und Demokratie“, die auch auf Twitter vertreten sind, galten als Grundgesamtheit für die Netzwerkanalyse. Man wird als Parteifunktionär eingestuft, wenn man ein Amt innerhalb der Partei ausübt. Die repräsentative Stichprobe sind die fünf Parteifunktionär*innen, die die meisten Follower auf ihrem Twitter-Account nachweisen konnten.

Anhand der systematischen Daten der Anzahl der Tweets (Mittelwert: 10.095), der Follower (Mittelwert: 101.323) und den von ihnen abonnierten Kanälen (Mittelwert: 785) konnte eine anschauliche Graphik entwickelt werden. Auch wurde die Aktivität der Konten im Abstand vom 10. Oktober 2019 bis zum 2. November 2019 gemessen, um insgesamt sieben inaktive Accounts auszuschließen. Ein Störfaktor ist hierbei die unterschiedliche Nutzung von Twitter in den Herkunftsländern der untersuchten Parteien.

Ergebnisse

Die Auswertung zeigt, dass das Netzwerk deutlich fragmentierter ist und sich keine größeren Bündelungen von Accounts entdecken lassen, denn die einzigen Verklumpungen sind vorwiegend national bedingt. Durch den E-I-Index konnte die Bestimmung der Transnationalität erfolgen, indem ein positiver Wert als transnational galt und ein negativer als nationaler. Insgesamt gab es nur drei Akteure, die knapp im positiven Bereich lagen und somit als transnational beschrieben werden konnten. Da aber sieben von neun Parteien in einem Bereich von -250 bis +250 lagen, ist es schwierig, eine genaue Einordnung in national vs. transnational vorzunehmen.

Schlussbemerkung

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass zwar jede Partei transnationale Beziehungen – mehrheitlich auf persönlicher Ebene - unterhält, die nationalen aber überwiegen, woraus sich schließen lässt, dass rechtspopulistische Parteien mehr von ihren charismatischen Führungspersönlichkeiten als von institutionellen Strukturen profitieren. Um jedoch eine differenziertere Transnationalität festzustellen, sind umfassendere Studien mit zusätzlichen Faktoren wie dem Inhalt der Tweets notwendig, um das Feld der rechtspopulistischen Parteien in Europa auf Twitter besser zu analysieren.

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