Samstag, 27. Februar 2021

Populismus auf Facebook

In diesem Beitrag stellt Louis Hakim Karl folgenden Aufsatz vor:

Spieß, Elina / Frieß, Dennis / Schulz, Anne (2020): Populismus auf Facebook – Ein explorativer Vergleich der Parteien- und Anschlusskommunikation von AfD, CDU und SPD; in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, Heft 30/2020, S. 219-240 (Online-Version).

Der Aufsatz basiert auf empirischen Untersuchungen, in welchem Ausmaß politische Akteure populistische Inhalte online veröffentlichen. Darüber hinaus vergleichen und analysieren die Autor:innen die in Posts platzierte Parteienkommunikationen mit der Anschlusskommunikation in Form von Kommentaren auf ihren Populismusgehalt. Anschließend wird präsentiert, inwiefern der Populismus der Parteienkommunikation den Populismusgehalt der Nutzerkommentare beeinflusst.

Durch die fortschreitende Globalisierung, die damit einhergehenden Veränderungen und den Einfluss digitaler Medien erlebt Europa ein Erstarken rechtspopulistischer Kräfte. Dabei ist das Verhältnis von Medien und Populismus immer mehr in den wissenschaftlichen Fokus gerückt, sodass sich viele Studien der Untersuchung von Nachrichtenmedien als politische Populismusplattformen widmen. Eine dieser empirischen Untersuchungen beschäftigte sich mit dem Ausmaß der Publikationen von populistischen Inhalten von politischen Akteuren. Der vorliegende Aufsatz knüpft daran an und konzentriert sich auf die Facebook-Kommunikation von deutschen Parteien.

Deutschland ist eine Parteiendemokratie, weshalb Parteien in fast allen Bereichen des politischen Alltags eine Rolle spielen. Sie übernehmen eine Scharnierfunktion zwischen Gesellschaft und Politik und müssen aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung die interaktiven Potenziale der Internetkommunikation weiter ausbauen. Auch abseits von Wahlkämpfen gehören soziale Medien zum Standardrepertoire deutscher Parteien. Sie können direkt und ungefiltert über ihre Arbeit informieren, Botschaften senden und Diskussionen auslösen. Durch die besondere Stellung von Parteien im politischen System tragen sie bei Online-Diskussionen eine besondere Verantwortung.

Parteien sind nicht nur als Interessensaggregatoren zu verstehen, sondern auch als Diskursstifter, wenn sie gesellschaftlich relevante Themen auf der Agenda haben. Durch Soziale Medien werden diese Diskurse unmittelbar beobachtbar, potenziell dynamischer und konflikthafter. Da Parteien stets im Fokus medialer Beobachtung stehen, können parteiinitiierte Diskussionen große Reichweiten erlangen und die politische Kultur beeinflussen.

Die vorliegende Studie stellt sich folgende Forschungsfragen:

  • Wie unterscheiden sich die Posts der AfD, CDU und SPD sowie die Nutzerkommentare auf den jeweiligen Facebook-Seiten in Hinblick auf ihren populistischen Gehalt?
  • Beeinflusst der Populismusgehalt in den Parteienposts den Populismusgehalt in der in Nutzerkommentaren festgehaltenen Anschlusskommunikation?

Theoretische Annäherung an Populismus

Um den Grad an populistischer Kommunikation in der Facebook-Kommunikation von Parteien empirisch erfassen zu können, bedarf es einer Klärung des Populismus-Begriffs. Diese Studie schließt sich der Definition von Populismus als dünne politische Ideologie an. Bei Populismus handelt es sich nicht um eine umfangreiche Ideologie, sondern um ein grobes Gerüst aus Kernideen, welches sich mit einer „Wirtsideologie“ verbinden lässt.

Die populistische Ideologie spaltet die Gesellschaft unvereinbar in zwei in sich homogene Gruppen: Auf der einen Seite die böse Elite, auf der anderen Seite das gute Volk. Diese beiden Gruppen konkurrieren um die Entscheidungsgewalt. Der Populismus beklagt, dass eben diese Entscheidungsgewalt in den Händen der politischen Elite liegt, wobei sie ihren eigentlichen Platz in den Händen des Volkes haben sollte. Populismus will die Souveränität des Volkes wiederherstellen.

Daraus lassen sich drei Dimensionen lösen, die gemeinsam Populismus abbilden: Volksnähe, Elitenkritik und Wiederherstellung der Volkssouveränität. Da reiner Populismus in der politischen Realität äußerst selten vorkommt, haben einige Autoren dem Phänomen Rechtspopulismus eine weitere Dimension hinzugefügt. Hierbei handelt es sich um die Dimension der Exklusion, also das Schaffen einer Outgroup, auf die mit Fremdenfeindlichkeit reagiert wird.

Methode

Für die Studie wurden insgesamt 224 Beiträge der Parteien AfD, CDU und SPD und 448 Nutzerkommentare von den offiziellen Facebook-Seiten aus analysiert und ausgewertet. Die AfD wurde bewusst ausgewählt, da dieser Partei wiederholt populistische Strategien unterstellt wurden. CDU und SPD wurden vor dem Hintergrund ihrer Rolle als Volksparteien ausgewählt. Da CDU und SPD zum Zeitpunkt der Studie eine Regierungskoalition bildeten, ist die AfD die einzige Oppositionspartei, was bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen ist.

Für die Untersuchung wurden alle Posts und Kommentare der drei Parteien im Zeitraum von August 2016 bis Februar 2017 als Grundgesamtheit definiert und durch Screenshots archiviert. Der gewählte Untersuchungszeitraum von sieben Monaten soll Verzerrungseffekte durch Schlüsselereignisse minimieren. Der Fokus liegt auf der politischen Kommunikation der Normalzeit. Die ausgewählten Posts bzw. Kommentare wurden auf ihre Volksnähe, Elitenkritik, Wiederherstellung der Volkssouveränität, Fremdenfeindlichkeit und Opposition untersucht.

Ergebnisse

Die Auswertung der Postings zeigt, dass der Anteil populistischer Aussagen in den Posts der AfD am höchsten ist. Rund 85% der AfD-Postings enthalten populistische Elemente. Bei SPD (36%) und CDU (31%) sind wesentlich seltener populistische Merkmale vorhanden.

Die Auswertung der Kommentare hingegen zeigt ein anderes Ergebnis: Nutzerkommentare auf der Facebook-Seite der CDU weisen in 81% der Fälle populistische Indikatoren auf. Mit einigem Abstand folgen dann die SPD (59%) und die AfD (57%).

Schlussbemerkung

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass es notwendig ist, sich weiter und tiefergehend mit Populismus in Nutzerkommentaren auseinanderzusetzen. Außerdem werfen die Ergebnisse folgende Fragen auf:

„Werden Nutzer selbst zum strategischen Kommunikator und erzeugen sie gezielt (populistische) Gegenöffentlichkeiten online? Können diese Gegenöffentlichkeiten als populistische Echokammern beschrieben werden oder kommt es zu deliberativen oder agonistischen Episoden? Schließlich gilt es weiter zu erforschen, welche Rolle Parteien als strategische Organisationen bei diesen Prozessen spielen“ (S. 236).

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