Dienstag, 9. März 2021

Rechtspopulistische Kommunikation in Österreich - Wie die FPÖ den politischen Diskurs prägt

Die politische Landschaft in Österreich ist schon lange durch rechte Parteien geprägt (Tóth 2015, S65f.). Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern profilierte sich dort die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) bereits Anfang der 1980er Jahre als Regierungspartei. Im Jahr 1956 wurde sie aus Kadern der NSDAP und anderen rechten Parteien gegründet, war jedoch lange Zeit politisch isoliert. Dabei schaffte es die FPÖ, über die Jahrzehnte ihres Bestehens hinweg gesellschaftliches Gehör zu finden und ihre Narrative im Diskurs zu platzieren.

In dieser Arbeit soll anhand dreier Beispiele aus verschiedenen Epochen der österreichischen Politik untersucht werden, inwieweit populistische Kommunikationsmuster in der österreichischen Politik genutzt werden und wie weit deren Nutzung auf traditionell nicht-populistische Parteien übergreift. Exemplarisch sollen dafür der Personenkult um Jörg Haider, die Rücktrittsrede von Heinz-Christian Strache sowie ein aktueller Fall aus dem aktuell von der ÖVP geführten Innenministerium unter Karl Nehammer betrachtet werden.

 

Die Geschichte des Rechtspopulismus in Österreich

Österreich nach dem 2. Weltkrieg

Die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" an das Deutsche Reich im Jahr 1938 markierte für das Land einen Neustart. Nach der Befreiung durch sowjetische und später auch alliierte Truppen im April und Mai 1945 erlangte Österreich seine Souveränität als Staat nach der Moskauer Deklaration zurück (Uhl 2018, S. 47f.).
 
Historisch beginnt in Österreich damit die Epoche der sogenannten „Zweiten Republik“. In Entnazifizierungsmaßnahmen wurden etwa 500.000 Österreicher*innen, etwa 14% der damaligen Gesamtbevölkerung (angenommen nach Zahlen der ersten Volkszählung 1951), wovon 487.000 als minderbelastete NSDAP-Mitglieder galten, von den ersten Nationalratswahlen ausgeschlossen, erlangten ihr Wahlrecht allerdings bereits 1947 zurück (ebd., S. 49).

Als politische Vertretung der ehemaligen NSDAP-Mitglieder gründete sich bereits im Frühjahr 1949 der Verband der Unabhängigen (VdU), in dem auch mehrere andere deutschnationale Parteien aufgingen. Er erreichte bei den zweiten Nationalratswahlen im Oktober 1949 11,7% der Stimmen. Nach innerparteilichen Streitigkeiten um die Ausrichtung kam es 1956 zu Abspaltungen, aus denen unter anderem die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hervorging.

Die Historikerin Heidemarie Uhl zeichnet dabei vor allem in den Anfangsjahren der Zweiten Republik ein teilweise widersprüchliches Bild von der Auseinandersetzung Österreichs mit der eigenen Geschichte im Nationalsozialismus, die sich im Spannungsfeld zwischen Opfermythos, Entnazifizierung und antikommunistischer Erinnerungskultur im Kalten Krieg befindet (Uhl 2018, S. 48ff.).

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im Zweiten Weltkrieg begann erst 1986 mit der Affäre um den Außenminister und späteren österreichischen UN-Generalsekretär Kurt Waldheim (ebd., S. 47). Seine mögliche Beteiligung an Kriegsverbrechen als Wehrmachtsangehöriger wurde aufgedeckt, als sich dieser erfolgreich für das Amt des Bundespräsidenten zur Wahl stellte.

Neuausrichtung der FPÖ und Regierungsbeteiligung

Das politische System der Zweiten Republik war zunächst durch ein de facto Zwei-Parteien-System geprägt, in dem die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) und die Österreichische Volkspartei (ÖVP) in einer großen Koalition mit wechselnden Mehrheiten regierten. Nachdem die FPÖ lange Zeit isoliert war, versuchte die Partei in den 1960er Jahren gemäßigter aufzutreten, indem sie neben den bereits vorhandenen Positionen auf einen wirtschaftsliberalen Kurs umschwang. 1970/71 schaffte sie es, die Minderheitsregierung der SPÖ unter Kreisky durch vorgezogene Neuwahlen zu stürzen, aus denen die SPÖ jedoch mit einer absoluten Mehrheit hervorging (Fallend et al. 2018, S. 33).

Diese verlor die SPÖ bei der Nationalratswahl im Jahr 1983 und bildete mit der FPÖ eine Koalition. Inhaltlich konnte sich die FPÖ jedoch nicht durchsetzen, die nach der Umstellung in den 1960er und 70er Jahren immer noch gemäßigt auftrat. Mit der Wahl Haiders zum Vorsitzenden der FPÖ zerbrach die Koalition, nachdem der personelle Wechsel auch als Erstarkung des deutsch-nationalen Flügels der FPÖ gelesen wurde (ebd.).

Neuausrichtung unter Haider

Die Wahl Haiders zum Parteivorsitzenden bedeutete für die FPÖ den Beginn eines neuen Kapitels. Unter Haider legte die FPÖ ihre liberale Ausrichtung ab. Stattdessen versuchte die FPÖ, eine österreichische Identität zu formen, die es vor äußeren Einflüssen zu beschützen galt. Schwerpunkte wurden zum einen die Sicherheitspolitik, in der Fragen der Sicherheit und Kriminalität mit Migration und einer Ablehnung der Europäischen Union verknüpft wurden (ebd., S.34).
 
Zum anderen wurde auch die Sozialpolitik des Landes stärker in den Blick genommen. Sozialleistungen sollten nach den Forderungen der FPÖ vor allem Einheimischen zugutekommen. Personen außerhalb der konstruierten österreichischen Identität wurden somit in Konkurrenz zu „Österreicher*innen“ im Sinne der FPÖ um die begrenzten Leistungen gesetzt.
 
Bei der Wahl 1999 schaffte es die Partei um Haider, ihren Stimmanteil auf 26,9% zu steigern. Dabei sprachen der FPÖ eine Mehrzahl ihrer Wähler*innen Kompetenz im Kampf gegen (politische) Skandale und Privilegien zu (65%). Je etwa die Hälfte gaben an, die Partei als beste Vertretung ihrer Interessen zu wählen und ihr aufgrund ihres „Standpunkt[es] in der Ausländerfrage“ (ebd. Grafik S. 35) ihre Stimme zu geben (48 und 47%). Etwas mehr als ein Drittel der Wähler*innen begründete ihr Abstimmen mit der Absicht, einen „Denkzettel für die Koalitionsparteien“ geben zu wollen. Diese Aussagen lassen auch einen inhaltlichen Auftrag der Wähler*innen erkennen. Dies steht für rechtspopulistische Parteien entgegen der häufigen Annahme des Stimmgewinns durch Protestwähler*innen (Pelinka 2017).

Infolge der starken Zugewinne der FPÖ bildeten ÖVP und FPÖ 1999 unter Wolfgang Schüssel eine Koalition, die sowohl in Österreich als auch europaweit aufgrund der Regierungsbeteiligung einer offen rechtspopulistischen Partei auf harsche Kritik stieß und Sanktionen der EU gegen Österreich auslöste, woraufhin Haider als Parteiobmann nach einigen Wochen zurücktrat (Fallend et al. 2018, S. 35).
 
In der Koalition setzte die FPÖ primär in der Einwanderungspolitik ihre Programmatik durch. Sonst konnte sie jedoch kaum Akzente setzen und orientierte sich vor allem am als neoliberal beschriebenen Kurs der ÖVP. Das führte zu einem internen Richtungsstreit in der FPÖ, in deren Folge 2002 Neuwahlen stattfanden, nach denen sich das Bündnis zwar fortsetzte, jedoch mit einer deutlich geschwächten FPÖ (ebd.).

Im Jahr 2005 kam es unter der Führung Haiders zu einer Abspaltung des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) von der nun von Heinz-Christian Strache geführten FPÖ. Bei der 2006 folgenden Nationalratswahl schnitten beide Parteien jedoch so schlecht ab, dass sie in die Opposition zurückkehrten.

Am 11. Oktober 2008 verunglückte Jörg Haider stark alkoholisiert und mit überhöhter Geschwindigkeit bei einem Autounfall. Sein Tod zog Verschwörungsmythen über die Unfallursache sowie einen Personenkult nach sich, die sich nach seinem Tod schnell medial verbreiteten.

Die FPÖ nach Haider

Bis zu den Nationalratswahlen 2017 blieb die FPÖ daraufhin in der Opposition, als die SPÖ-geführte Koalition mit der ÖVP zerbrach und die ÖVP in einer radikalen Umgestaltung der Partei auf die Personenzentrierung rund um den bisherigen Außenminister Sebastian Kurz die Mehrheit erlangte (Fallend et al. 2018, S. 36f.). Die FPÖ wurde mit 26% der Stimmen drittstärkste Kraft und sicherte sich als Juniorpartnerin in der Koalition unter anderem das Innen- und das Verteidigungsministerium, was zu Protesten führte, da somit der gesamte Sicherheitsapparat des Landes unter Kontrolle von FPÖ-geführten Ministerien lag (ebd.).
 
Auch wenn die Regierungsarbeit durch verschiedene Skandale rund um FPÖ-Angehörige immer wieder ins Stocken geriet, wurde sie von Beobachter*innen als relativ harmonisch beschrieben. Thematisch folgte sie unter anderem bei Themen wie Migration und Grenzschutz der Linie der FPÖ, der sich die ÖVP unter Kurz anschloss (ebd.) und sie mit für sich beanspruchte (Strobl 2020, S. 13f.).

Ibiza und Regierung Kurz II

Im Mai 2019 wurden Videoaufnahmen des Vizekanzlers und Parteiobmanns Heinz-Christian Strache veröffentlicht, die ihn und einen Parteifreund bei der Verabredung zur Korruption zeigten. Das führte zur Auflösung der Regierung und Neuwahlen. Daraufhin formten ÖVP und Grüne eine Koalition. Trotz des Wechsels der Partner*innen setzte Sebastian Kurz seinen politischen Kurs bei den Themen Migration und Versicherheitlichung der Außengrenzen auch ohne Beteiligung der FPÖ fort. Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl konstatiert hier, dass es „Kurz gelungen war, authentisch rechte Politik zu machen, ohne den „Schmuddelkind-Habitus“ der FPÖ anzunehmen.“ (Strobl 2020, S. 14). 

Arbeitsdefinition populistischer Kommunikation

Um bewerten zu können, welche Inhalte der politischen Kommunikation populistisch ist, bedarf es einer Definition, anhand derer sich Äußerungen, politische Kampagnen oder auch Veröffentlichungen in Sozialen Netzwerken analysieren lassen. Cas Mudde und Cristóbal Rovira Kaltwasser, die in ihrer Forschung Populismus nicht nur in Europa und den USA, sondern auch lateinamerikanische Länder untersucht haben, fassen Populismus als
"a thin-centered ideology that considers society to be ultimately separated into two homogeneous and antagonistic camps, “the pure people” versus “the corrupt elite,” and which argues that politics should be an expression of the volonté générale (general will) of the people." (Mudde, Kaltwasser 2017, S. 6)
Der Begriff “thin-centered ideology” bezieht sich dabei darauf, dass populistische Theorien nicht durch einen ideologischen Kern zusammengehalten werden, sondern sich auf die gegenüberstehenden Pole von „dem Volk“ und „der korrupten Elite“ fokussiert. Für die Definition von Populismus identifizieren sie drei Voraussetzungen: Das Volk (the people), die Elite (the elite) und der Gemeinwille (the general will). Entscheidend dafür ist die Anschlussfähigkeit des Populismus mit anderen Ideologien, die einen inhaltlichen ideologischen Kern besitzen.

Das Volk

Der Begriff des Volks lässt sich als eine bestimmte Gruppe, in der sie adressiert wird, nicht trennschärfer abgrenzen. „Given that populism has the capacity to frame “the people” in a way that appeals to different constituencies and articulate their demands, it can generate a shared identity between different groups and facilitate their support for a common cause.“ (Mudde, Kaltwasser 2017, S. 9). Dabei unterscheidet sich das Volk von der Elite durch die (gefühlte) Verfügbarkeit von politischer Macht. Trotzdem existiert das Volk nur in einer Gegenüberstellung zur Elite, da die Abgrenzung durch deren Macht gezogen wird.

Die Elite

Die Rede von der „korrupten Elite“ kann in populistischen Erzählungen verschiedene Gestalten annehmen. „Most populists not only detest the political establishment, but they also critique the economic elite, the cultural elite, and the media elite. All of these are portrayed as one homogeneous corrupt group that works against the “general will” of the people.” (ebd., S. 11f.)
 
Mudde und Kaltwasser verweisen im Hinblick auf die inkludierten Personen und Gruppen darauf, dass Populist*innen sich und sympathisierende Gruppen von dieser Eliten-Erzählung ausnehmen. Aufgrund der moralischen Bewertung als „Elite“ können Populist*innen, auch wenn sie selbst an der Macht sind, auf diese Erzählung zurückgreifen. Indem sie „die Elite“ als illegitime Machthaber*innen beispielsweise in den Medien, der Wirtschaft oder als Einfluss aus dem Ausland darstellen, können sie auch ihre eigenen politischen Misserfolge oder Skandale rechtfertigen und sich weiter als Kämpfer*innen für den Willen des Volkes darstellen (ebd., S.11 ff.).

Der Gemeinwille

Da in der populistischen Erzählung das „wahre Volk“ zusammensteht, gibt es auch einen in der Gemeinschaft begründeten gemeinsamen Willen. Dieser steht im Gegensatz zu den Interessen der „korrupten Eliten“ und wird ausschließlich von den Populist*innen erkannt und für das Volk umgesetzt (ebd., S. 16f.). Das Konzept des Gemeinwillens geht dabei auf Jean-Jacques Rousseau zurück, der als volonté générale „the capacity of the people to join together into a community and legislate to enforce their common interest“ (ebd.) bezeichnete.

Durch die freie Deutung der Zugehörigkeit zum „Volk“ ist auch der vermeintliche Gemeinwille beliebig änderbar und wird von Populist*innen je nach Ziel verschieden gedeutet. Um diesen „Willen des Volkes“ zu repräsentieren, gehören zu den Forderungen von Populist*innen häufig auch Elemente der direkten Demokratie wie Volksentscheide, die es der populistischen Führung erlauben, eine Nähe zu „dem Volk“ darzustellen (ebd., S. 17).

Populismus und Medien

Laut Ruth Wodak, einer Sprachwissenschaftlerin, die sich in ihrer Forschung ausführlich mit der Rhetorik und Wirkung rechtspopulistischer Diskurse auseinandergesetzt hat, profitieren einige rechtspopulistische Bewegungen stark von ihrer Präsenz in der medialen Berichterstattung (Wodak 2016, S. 30f.). So schreibt sie, dass die „Berücksichtigung bühnenreifer Auftritte“ (ebd.) einigen Parteien eine unausgewogene Menge an Aufmerksamkeit zukommen lassen und bezeichnet den Prozess der Verwischung zwischen Unterhaltung und Information sowie das dauerhafte Werben um Aufmerksamkeit als einen Prozess der „Fiktionalisierung der Politik“ (ebd., S. 31). Damit beschreibt sie die Verschiebung der politischen Schwerpunkte hin zu einer Verstärkung des Personenkults sowie die Verbreitung der Symbolpolitik als ein gebräuchliches Mittel des politischen Handelns.

In Österreich existiert noch eine weite Verbreitung „klassischer Medien“ wie Print- und TV-Angebote. Österreichische Tageszeitungen weisen mit einer Auflage von 2,87 Millionen bei etwa 3,95 Millionen Haushalten auf eine hohe gesellschaftliche Verbreitung hin. Dies wird auch von einem gesellschaftlich finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRF) unterstrichen.
 
Während populistische Akteur*innen, wie von Wodak beschrieben, von einer starken Präsenz profitieren, weist die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl darauf hin, dass ihnen dabei ein „Schmuddelkind-Habitus“ anhängt (Strobl 2020, S. 14). Deshalb kommt der Nutzung von Social Media in der populistischen Kommunikation eine besondere Rolle zu. Damit können Personen und Parteien ohne eine einordnende Presse einen direkten Kontakt zu Wähler*innen herstellen. Dies erfolgt Hand in Hand mit populistischen Forderungen nach direktdemokratischen Elementen, die genauso wie eine direkte Kommunikation mit „dem Volk“ Teil der Inszenierung und Kommunikationsstrategie sind (Mudde, Kaltwasser 2017, S. 17).

Anwendung

Um herauszufinden, wie populistische Akteur*innen in Diskursen der österreichischen Politik auftreten und welchem Wandel sie unterliegen, bezieht sich die Auswahl der untersuchten Äußerungen auf die letzten 30 Jahre, da diese gut dokumentiert sind und mit dem Aufkommen des Internet und Sozialer Medien in eine Zeit des Wandels politischer Kommunikation fallen. Mit dem Beispiel von Jörg Haider und Heinz-Christian Strache werden zwei einflussreche Personen, die in verschiedenen Phasen der FPÖ im Mittelpunkt standen, betrachtet, das Beispiel von Karl Nehammer bildet ein aktuelles Beispiel aus der Regierungsarbeit der ÖVP ab und erlaubt es, Unterschiede und Gemeinsamkeiten festzustellen.

Jörg Haider als „wahre Stimme des Volkes“

Jörg Haider, Parteiobmann der FPÖ von 1986 bis 2000, trat im Jahr 1994 bei den Nationalratswahlen an. Sein zentraler Slogan: „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist.“ Die populistische Schlagkraft zeigt sich alleine dadurch, dass er bis heute direkt übernommen oder abgewandelt von Populist*innen wie Björn Höcke oder Donald Trump verwendet wird. Die Kampagne, bei der Jörg Haider mit hinter dem Kopf verschränkten Armen lächelnd abgebildet und mit „Einfach ehrlich, einfach Jörg“ untertitelt ist, zeigt eine eindeutige Personenfokussierung.
 
Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, änderte sich der Kurs der FPÖ unter Haider drastisch. In seinen Auftritten beschwor er eine österreichische Identität und stellte sich mithilfe gezielter Grenzübertritte als eine Person dar, die unbequeme Wahrheiten ausspricht, und erregte damit große mediale Aufmerksamkeit (Pelinka 2017).

Untersucht man das Wahlplakat von Haider anhand der Kennzeichen populistischer Kommunikation nach Kaltwasser und Mudde, erhärtet sich die These der populistischen Kommunikation in der Darstellung des Parteiobmanns. Das Volk (the pure people) spricht Haider dabei direkt an. Während es in dem Slogan selbstverständlich keine Definition gibt, wen Haider und die FPÖ als Volk ansprechen, steht die Vermutung nahe, dass das Volk und die adressierten potenziellen Wähler*innen der Partei hier fast synonym verwendet werden.

Dieses Volk steht dabei den Eliten (the corrupt elites) gegenüber, die Haider als Sprachrohr des Volkes ablehnen. Dabei bleibt, wie durch Kaltwasser und Mudde beschrieben, das Bild der „Eliten“ bewusst schwammig. Für „Sie“ ist Haider als Stimme des Volkes eine Gefahr, die die "wahren Machenschaften" wie das Bereichern oder Ausbauen der Macht durch die Elite aufdeckt und dafür von ihnen angefeindet wird. Dieses Feindbild lässt sich dabei sowohl auf andere Parteien, die Medien, die negativ über die Skandale der FPÖ berichten, oder auch zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich gegen rechte Politik engagieren, projizieren.

Haider, der dies erkennt und für das Volk spricht, vertritt deshalb den Gemeinwillen (the common will) und damit die Interessen des Volkes. Damit macht sich der damalige FPÖ-Vorsitzende gegen Kritik immun. Wer in dieser Annahme die Person oder den Inhalt kritisiert, stellt sich als Gegner des Volkes dar und vertritt der Darstellung zufolge eigene, nicht mit dem Volkswillen vereinbare Interessen. Abweichende Meinungen werden damit unmöglich. Diese Darstellung schien erfolgreich zu sein. 1999 gaben etwa 2/3 der befragten Wähler*innen an, die FPÖ wegen ihrer Kompetenzen im Kampf gegen Korruption und Skandale der Elite zu wählen, etwa die Hälfte sah sie als beste Vertretung der eigenen Interessen.

Rücktrittsrede von Heinz-Christian Strache

Der nachfolgende Vorsitzende der FPÖ (2005-2019), Heinz-Christan Strache, nutzte für seine politische Kommunikation häufig Soziale Netzwerke wie Facebook, mit dessen Account er etwa 800.000 Follower*innen (knapp ein Zehntel der Bevölkerung Österreichs) erreichte. Nach seinem Rücktritt als Vorsitzender der FPÖ wurde dieser jedoch gesperrt und in Teilen gelöscht, sodass sich viele Inhalte nicht mehr auffinden und analysieren lassen.

Im Mai 2019 veröffentlichte unter anderem die Süddeutsche Zeitung ein Video von Heinz-Christian Strache, in dem er mit dem damaligen Klubobmann Johann Gudenus im Mai 2017 mit einer angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen auf Ibiza zu sehen war. Darin zeigte er sich unter anderem zur Korruption und Kontrollübernahme von unabhängigen Medien bereit, woraufhin die Regierung unter Kurz, in der Strache Vizekanzler war, zerbrach.
 
Da Strache in dem veröffentlichten Ausschnitt des Videos bei der Bereitschaft zum Begehen von Straftaten gefilmt wird, wohingegen sich die FPÖ immer als Partei gegen Korruption und Affären inszeniert hat, ist die öffentliche Antwort Straches darauf, in Form seiner Rücktrittsrede, von großem Interesse. Aufgrund der Länge der Rede und weil Strache ein breites Spektrum an Themen ansprach, kann hier nur auf einzelne Kernelemente eingegangen werden.


 
Strache steigt in die Rede mit der Behauptung ein, dass sich das Video des Treffens in Ibiza in eine Tradition von falschen Gerüchten und Schmutzkampagnen einreiht. Dabei nennt er beispielhaft den ehemaligen SPÖ-Wahlkampfleiter Tal Silberstein, der 2017 den Wahlkampf der SPÖ leitete und mit einer Kampagne irreführender anonymer Nachrichten gegen Sebastian Kurz in Facebook-Gruppen eine politische Affäre auslöste. Auch im weiteren Verlauf der Rede werden wiederholt Verbindungen zu dieser Affäre hergestellt.

Auf seine Äußerungen wie den Erwerb und Manipulation der Kronen-Zeitung, die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an bestimmte Unternehmen im Gegenzug für Spenden an illegale parteinahe Vereine geht Strache in dem veröffentlichten Video nicht ein. Stattdessen betont er, dass das Treffen privater Natur gewesen sei und er „im Rahmen dieses Gespräches, und es war ein Abendessen von 17 Uhr bis nach Mitternacht, […] im Rahmen dieses Abendessens immer wieder penibel auch auf die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen unseres Rechtsstaates bestanden habe“.

Darauf bittet er Personen, die er beleidigt oder über die er schlecht geredet habe aufgrund „einer zunehmenden Alkoholisierung, ja, es war eine besoffene Geschichte, und ich war in einer intimen Atmosphäre - verleitet, auch unreflektiert und mit lockerer Zunge über alles und jedes zu polemisieren“ um Entschuldigung. Strache gesteht jedoch keine Schuld für die Korruptionsangebote ein, sondern setzt das Gespräch mit einem „Stammtischgespräch“ ohne Funktionsträger*innen gleich.

Diese Schuld sieht Strache bei den Auftraggeber*innen des Videos und den daran beteiligten Medien. „Es erscheint mir aber auch wichtig zu betonen, dass mit diesen geheimen Bild- und Tonaufzeichnungen mehrfach strafgesetzliche Vorschriften verletzt worden sind und dagegen verstoßen wurde. Genauso wurde verstoßen gegen den Ehrenkodex der Presse und die journalistische Sorgfaltspflicht und die Berufsethik. Der einzige strafrechtliche Verstoß, der vorliegt, ist diese geheimdienstlich inszenierte Lockfalle mit illegalen Aufzeichnungen, wo man zwei Jahre zugewartet hat, um diese dann in Folge auch zu zünden. Und ja, das war ein gezieltes politisches Attentat. Eine Auftragsarbeit. Und wer geglaubt hat, dass mit Silberstein schon das niederträchtigste Niveau erreicht war, wird eines Schlechteren belehrt.“
 
Worin die Gesetzesverstöße liegen, stellt Strache nicht genauer dar. Spätere Klagen gegen den Spiegel und die Süddeutsche Zeitung waren nicht erfolgreich. Des Weiteren bringt Strache die veröffentlichten Videoausschnitte erneut in Verbindung mit der Affäre Silberstein. Damit suggeriert er einerseits, dass es sich dabei um eine Schmutzkampagne mit ausgedachten Inhalten handelt. Da die Echtheit des Videos jedoch nicht in Frage steht und auch durch ihn bestätigt wurde, ist eine Vergleichbarkeit nicht gegeben.

Zum Grund seines Rückstritts führt Strache aus: „denjenigen, denen diese erfolgreiche Regierungsarbeit ein Dorn im Auge ist, möchte ich keinesfalls auch nur irgendeinen Vorwand liefern, mein Fehlverhalten als Begründung zu nehmen, diese Regierung zu Fall zu bringen.“ So stellte sich Strache als Opfer einer Kampagne dar. Dies deckt sich mit Mustern populistischen Kommunikation, die sich in seiner Rede finden.
 
Dabei nimmt vor allem die Fokussierung auf die Elite (the corrupt elite) eine große Rolle ein. Er beschreibt die Veröffentlichung als ein „politisches Attentat“, das von politischen Gegner*innen verübt wurde. Dies verstärkt er durch die Behauptung, man habe „in der Vergangenheit schon des Öfteren versucht, mich zu Fall zu bringen“. Sich selbst sieht Strache auf der Seite des Volkes (the common people).
 
Als Fehler gesteht er ein, dass er betrunken eine Person beeindrucken wollte und dabei Personen mit seinen „unbedachten Äußerungen auch gekränkt und beleidigt habe“. Dies führt er zurück auf sein Macho-Gehabe, dass er bei einer „b'soffenen G'schichte“ an den Tag gelegt habe. Dabei stellt er sich jedoch als Privatperson dar, die all diese Äußerungen weder als Parteiobmann noch als angehender Vizekanzler gesagt hat, was durch den Bezug auf internes Wissen und angestrebte Vorteile, auch durch Korruption, für seine Partei nicht zutreffend ist.
 
Zuletzt betont er „Und ja, es gibt noch viel zu tun. Denn wir wollen das Regierungsprogramm ja weiterhin umsetzen und wir stehen zu diesem Regierungsprogramm in unserer gelebten Verantwortung für Österreich und seine Bevölkerung. Und meine Person darf aber nicht der Grund dafür sein, das zu verunmöglichen und vielleicht einen Vorwand zu liefern, diese Regierung zu sprengen, denn das war das Ziel dieser rechtswidrig angelegten akkordierten Schmutzkübel-Aktion, die hier stattgefunden hat.“. Damit konstruiert er die Veröffentlichung des Videos als einen Angriff auf den Willen des Volkes (the general will), der von der FPÖ umgesetzt werde. Er wird damit Opfer eines Angriffs der „Eliten“ auf das Volk.

Rechtliche Schritte des Innenministeriums gegen Rudolf Fußi

Als Einschüchterungsversuch und Beschädigung von rechtsstaatlichen Prinzipien bezeichnen mehre Abgeordnete und österreichische Medienexpert*innen die Veröffentlichung der Ankündigung des österreichischen Innenministers, rechtliche Schritte gegen den PR-Berater und politischen Aktivisten Rudolf Fußi zu prüfen. Auslöser war ein nun gelöschter Tweet von Fußi, in dem er das Auftreten der Polizei bei Abschiebungen von Minderjährigen und einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen, bei der führende Personen der rechtsextremen Szene anwesend waren, kritisiert. Dabei schrieb er unter anderem „Polizeihunde seien intelligenter als der Durchschnittsmitarbeiter der Landespolizeidirektion Wien“, wie die Zeitung der Standard berichtet.


Screenshot Startseite des Innenministeriums

Das Innenministerium schreibt in einer Meldung auf seiner Startseite und in mehreren Tweets und einer Presseaussendung im Namen des Innenministers Karl Nehammer (ÖVP) unter anderem: „So genannte Polit-Aktivisten, die die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten diskreditieren und diese darüber hinaus noch beleidigen, dürfen nicht unkommentiert bleiben. Gerade in verschiedenen sozialen Medien hat sich eine Kultur der maßlosen und völlig unreflektierten Kritik breitgemacht, die man nicht mehr mit dem Recht auf Meinungsfreiheit in Gleichklang bringen kann“ Des Weiteren schreibt das Ministerium: „Derartiges Verhalten sei genauso gefährlich für unser demokratisches Zusammenleben, wie das Verbreiten von Verschwörungstheorien oder extremistische Ansichten. […] Das Innenministerium prüfe deswegen, ob die Aussagen straf- oder verwaltungsrechtliche Relevanz haben.“ (ebd.)

In der Kommunikation von Nehammer und der Veröffentlichung durch das Ministerium lassen sich populistische Kommunikationselemente feststellen. Wie weiter oben nach Wodak beschrieben, lässt sich hier erkennen, dass es einen Versuch gibt, das Narrativ zu bestimmen. Durch eine Polarisierung der Inhalte („gefährlich […] wie das Verbreiten von Verschwörungstheorien oder extremistische Ansichten“) wird die Frage emotional aufgeladen, in der man sich nach Aussage Nehammers für die Seite der „Polizistinnen und Polizisten [die] bei der Eindämmung der Virusausbreitung seit mehr als einem Jahr Herausragendes [leisten]“ entscheidet, oder für „So genannte Polit-Aktivisten, die die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten diskreditieren und diese darüber hinaus noch beleidigen“ (ebd.).
 
Auch die Kriterien von Populismus nach Mudde und Kaltwasser geben einen Einblick in die populistische Perspektive der Veröffentlichung. Eine Trennung zwischen dem Volk (the pure people) und den Eliten (the corrupt elite) lässt sich zwischen der Polizei und den arbeitenden Menschen, für die Nehammer spricht, und den „Polit-Aktivisten“, die deren Arbeit diskreditieren und sie beleidigen, gezogen werden.

Das Vorgehen eines Ministeriums, Beschuldigte vor einer Anzeige und einer eventuellen Verurteilung mit vollem Namen zu nennen, weicht stark von dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und der Unschuldsvermutung ab. Durch diese begründet werden bei der Berichterstattung über (mögliche) Verfahren die Beschuldigten nicht genannt oder durch Verkürzung auf den ersten Buchstaben des Vornamens unkenntlich gemacht. Eine entsprechende Formulierung ist im österreichischen Pressekodex im Gegensatz zu seinem deutschen Gegenstück zwar nicht zu finden, wird aber aus rechtlichen und ethischen Gründen trotzdem so gehandhabt.

Die Zeitung "Der Standard" trug als mediale und politische Reaktion auf die Ankündigung des Innenministers Nehammer Reaktionen zusammen, die dies als Einschüchterungsversuch und Eingriff in die Grundrechte werten. Die Medienrechtlerin Maria Windhager erklärte, dass aufgrund solcher Pranger ein so genannter „chilling effect“ auftreten kann, durch den sich Personen aus Angst vor einer Klage oder anderen Anfeindung selbst zensieren (ebd.). Diese Thesen werden auch von dem Wiener Rechtswissenschaftler Nikolaus Forgo gestützt, der die Veröffentlichungen des Innenministeriums als „eine politische Auseinandersetzung und eine Art Onlinepranger“ einschätzt.

Fazit

In dieser Arbeit konnte unter Berücksichtigung des langen Zeitraums, in dem rechtspopulistische Parteien in Österreich aktiv sind, und aufgrund der Vielzahl der Akteur*innen nur ein Ausschnitt von Beispielen betrachtet werden. Auffällig ist, dass sich die populistische Rhetorik bei allen Beispielen klar erkennen und über die Parteigrenzen der FPÖ hinweg nachweisen lässt.
 
Darüber hinaus zeigt sich in den Angriffen gegen Rudolf Fußi, dass sich die populistischen Angriffe nicht nur gegen parlamentarische Gegner*innen richten, sondern auch Angehörige der Zivilgesellschaft treffen. Das unterstreicht auch den von Natascha Strobl aufgeworfenen Verdacht, dass die Regierung unter Sebastian Kurz hier die bisherige Linie aus der Koalition mit der FPÖ auch unter der Regierung mit den Grünen fortsetzt.

Um diese These weiter zu verfolgen, wäre unter anderem eine Analyse des aus dem Umfeld von Sebastian Kurz geleakten Papieres zum „Projekt Ballhausplatz“ interessant. Darin forcieren Kurz und Vertraute den Bruch der damaligen großen Koalition und streben an, ihn als Kanzlerkandidaten aufstellen. Diese wurden im Wahlkampf 2017 veröffentlicht und sind Teil des Ibiza-Untersuchungsausschusses. Ein weiterer Aspekt, dessen Analyse interessant wäre, ist, ob oder inwiefern populistische Kommunikation von außerparlamentarischen Organisationen wie der in Österreich starken Identitären Bewegung Einfluss in die Kommunikation der Parteien findet.

Literatur

  • Frallend, Franz. Habersack, Fabian. Heinisch, Reinhard (2018). Rechtspopulismus in Österreich. Zur Entwicklung der ÖVP Aus Politik und Zeitgeschichte, (Ausgabe 34–35, 68. Jahrgang), Bonn Bundeszentrale für politische Bildung (2018): 33-40.
  • Misik, Robert. „Progressive Gegenstrategien gegen den Populismus“ Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie/E. Hillebrand (Hrsg.), Bonn: JHW Dietz Verlag (2015): 166-172.
  • Mudde, Cas., & Kaltwasser, Cristóbal. Rovira. (2017). Populism: A very short introduction. Oxford University Press.
  • Pelinka, Anton. (2017). FPÖ: Von der Alt-Nazi-Partei zum Prototyp des europäischen Rechtspopulismus | bpb. 
  • Siebenhaar, Hans-Peter. Österreich–die zerrissene Republik. Schriftenreihe Band 10113. -Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung (2017).
  • Strobl, Natascha. „Ein toxischer Märchenprinz“. Jacobin Magazin, (Ausgabe 1). -Berlin: Brumaire Verlag (2020): 12–14.
  • Tóth, Barbara. "Am mächtigsten in der Opposition. Die FPÖ in Österreich." Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie/E. Hillebrand (Hrsg.). –Bonn: JHW Dietz Verlag (2015): 59-69.
  • Uhl, Heidemarie. (2018). Österreichs ambivalenter Umgang mit der NS-Vergangenheit. Aus Politik und Zeitgeschichte, (Ausgabe 34–35, 68. Jahrgang),-Bonn Bundeszentrale für politische Bildung(2018): 47–54.
  • Wodak, Ruth. Politik mit der Angst. Wien, Österreich: Edition Konturen (2016).

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