In diesem Beitrag stellt Sybille Reetz folgenden Aufsatz vor:
Weisskircher, Manès (2020): Neue Wahrheiten von rechts außen? Alternative Nachrichten und der „Rechtspopulismus“ in Deutschland; Preprint Version April 2020; erscheint im Forschungsjournal Soziale Bewegungen (online auf ResearchGate).
Der Aufsatz beschäftigt sich mit "alternativen Medien" zur Nachrichten-Berichterstattung und deren politischen Ursprüngen von rechts außen. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf die Plattform PI News, eine der erfolgreichsten ihrer Art in Deutschland, gerichtet. Was macht diese Plattform so beliebt? Welche Ideologie und welche Akteur*innen stecken dahinter? Welche Bezugspunkte bzw. Themenschwerpunkte liefert dabei die Rechts-Außen-Politik? Welche Bedeutung haben diese alternativen Medien für die Entwicklungen des Rechtspopulismus? Diesen und noch weiteren Fragen geht Manès Weisskircher in seinem Artikel vom April 2020 auf den Grund. Er arbeitet als Politikwissenschaftler an der TU Dresden und am Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM).
Den Ausgangspunkt für seine Arbeit bildet, so erläutert Weisskircher, das vermehrte Aufkommen unkonventioneller Nachrichten im Internet. Jedoch betont er, dass nicht erst seit WikiLeaks alternative Medien von politischen Akteur*innen als Gegenpol, zum Beispiel zu den Öffentlich-Rechtlichen, geschaltet werden. Allerdings hat sich in den letzten Jahren ein neuer Trend herauskristallisiert: Wo früher eher von links außen die Berichterstattung ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft fand, ist heute vermehrt eine Medienproduktion von rechts zu beobachten. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Populismus-Tendenzen in der Bevölkerung und Wahlerfolgen der Rechts-Außen-Parteien wider. Noch nie zuvor hatten Politiker*innen – gerade in sozialen Medien wie Twitter oder Facebook – eine so starke Medienpräsenz im Socialmedia-Bereich. Als Paradebeispiel kann hier Ex-US-Präsident Donald Trump dienen. (vgl. Weisskircher 2020, S. 1)
Aber auch die Rechts-Außen-Bewegung PEGIDA fand ihren Ursprung in einer Facebook-Gruppe. Da sich Profile jedoch leicht von den Betreibern der sozialen Netzwerke sperren lassen, wurden Medien fortan vor allem auch auf alternativen Internet-Nachrichten-Plattformen von rechts außen produziert. Diese liefern unter anderem auch Stoff für die Diskussion um das Thema „Fake-News“. So auch bei der 2004 gegründeten Plattform PI News (Politically Incorrect News), die durch ihren Namen schon eine klare Richtung für ihre Veröffentlichungen vorgibt. Weisskircher begründet anhand von Ergebnissen mehrerer Studien, dass Analysen solcher Nachrichten-Plattformen zum besseren Verständnis der Rechts-Außen-Politik wesentlich beitragen können. Beispielhaft führt er hierbei die vermehrte Internet-Nutzung bei AfD-Wähler*innen oder die überwiegend negativ behaftete Berichterstattung über die Migrationspolitik in sozialen Medien auf. (vgl. Weisskircher 2020, S. 1 f.)
Weisskircher greift in seiner Analyse ein Verständnis von alternativen Medien auf, das diese im weitesten Sinne als richtigstellende Gegenpositionen zu den in der Gesellschaft etablierten Medien darstellt. So sind alternative Medien darauf bedacht, Objektivität zu wahren, ähneln in ihrer Aufmachung häufig den traditionellen und veröffentlichen, neben wertenden Beiträgen, auch neutrale. Eine besondere Rolle scheinen hierbei soziale Medien als wechselwirkende Bezugssysteme zu spielen. Für PI News bot 2015 die Flüchtlingskrise Aufschwung, bis 2018 ein neuer Peak durch die Thematisierung des Chemnitz-Mordes entstand. Dieses Zeitfenster stellt bis heute das Maximum an Suchanfragen dar. Seitdem ging die Anzahl der Besucher*innen der Plattform, welche überwiegend aus den neuen Bundesländern stammen, bis 2020 nur leicht zurück und stagniert seither. (vgl. Weisskircher 2020, S. 2 ff.)
Die Verortung rechts außen begründet Weisskircher zum einen mit der Ideologie, welche durch die Beiträge auf der Plattform vertreten wird. Exemplarisch erfolgt dies anhand des Kernthemas Migration beziehungsweise der ablehnenden Immigration. Der Autor präsentiert dazu mehrere Auszüge der Website, darunter zum Beispiel der folgende, der den allgemeinen Leitlinien entnommen wurde: „Wir sehen es daher aus staatsbürgerlichen und historisch gewachsenen Gründen als unsere Verpflichtung an, einer sich ankündigenden religiösen Diktatur in Deutschland durch Information und Aufklärung gemäß dem Motto entgegen zu treten: ‚Nie wieder!‘“.
An einer anderen Stelle begegnete ihm dieser Auszug aus einer Veröffentlichung vom 17.01.2020: „In Zeiten der Bahnsteigschubser (…) kann es dann künftig wohl schon mal vorkommen, dass einer der „Geflüchteten“ schubst und ein anderer drüber fährt“. Zum anderen stellt PI News einer Bandbreite an Akterur*innen aus dem Rechts-Außen-Milieu öffentlichen Raum zur Verbreitung ihres Gedankenguts zur Verfügung. Dadurch werden die Vernetzung und die Interaktion mit ebensolchen Akteur*innen – inhaltlich, personell und organisatorisch – sehr deutlich. Die Plattform selbst distanziert sich allerdings von der Rechts-Außen-Klassifizierung. (vgl. Weisskircher 2020, S. 4 f.)
Viele Themenschwerpunkte beziehungsweise Bezugspunkte rechtspopulistischer Parteien Westeuropas spiegeln sich darüber hinaus in der Plattform wider, beispielsweise die EU-Skepsis. Auch die nationale Identität wird positiv kundgetan. PI News tritt weitgehend geschlossen und homogen auf. Dies unterstreicht der folgende Auszug des Internet-Portals vom 21.01.2019: „Wer nicht Homo ist, hat sich zu fügen oder die Koffer zu packen.“ Zuletzt betont Weisskircher die thematische Relevanz des Klimawandels. So stellen sich Äußerungen zur Leugnung des menschengemachten Klimawandels auf PI News sogar als radikaler heraus, als jene vieler rechtspopulistischen Parteien Europas. (vgl. Weisskircher 2020, S. 6 ff.)
Weisskircher konstatiert den tendenziell anerkannten Einzug alternativer Nachrichten in die Gesellschaft als „Speerspitze des zeitgenössischen ‚Rechtspopulismus‘. Dabei sind solche Plattformen nicht nur ein Experimentierfeld und ein Spiegel ‚neuer Wahrheiten‘ von rechts außen – sie bieten auch die Möglichkeit, sich in einer Art ‚safe space‘ ‚alter Wahrheiten‘ (…) zu versichern“ (Weisskircher 2020, S. 8).
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