Die rechtspopulistische Partei Perussuomalaiset (PS) (dt.: Finnen-Partei), auch bekannt als die Finnen (die kursive Schreibweise weist auf die Partei hin, in Abgrenzung zu finnischen Bürger:innen), weist einige Besonderheiten im Gegensatz zu anderen europäischen rechtspopulistischen Parteien auf, die sich teils aus Besonderheiten von Finnland ergeben.
Zum Beispiel spielt das Thema Migration – obwohl die Finnen dieses Thema durchaus bedienen – in Finnland eine eher untergeordnete Rolle (vgl. Wilde-Krell & Adorf 2022, S. 288 f.). Auch zeigt sich in der Regierungsbeteiligung die Besonderheit, dass die Finnen nicht erst die nötige Reputation dafür aufbauen mussten, im Gegensatz zu einigen anderen rechtspopulistischen Parteien.
Dieser Umstand ist in der Tatsache begründet, dass die Finnen eine Nachfolgerpartei der Suomen maaseudun puolue (SMP) darstellt, welche als populistische Partei bereits Regierungserfahrung sammeln konnte (vgl. Wilde-Krell & Adorf 2022, S. 279). Die Finnen besitzen also eine lange Parteiengeschichte, welche auch dazu führt, dass die Partei nach Cas Muddes Kategorisierung in „extreme right“ und „radical right“ von Lahti und Palonen als „radical right“ Partei gesehen wird, wobei „extreme right“ Parteien als demokratiefeindlich gelten, während die „radical right“ Parteien im Rahmen der Demokratie operieren (vgl. Lahti & Palonen 2023, S. 128).
Eine weitere Besonderheit der Finnen wird nachfolgend in den Fokus genommen: ihre Russland-kritische Haltung. Viele rechtspopulistische Parteien in Europa fallen immer wieder durch ihre Nähe zu Russland bzw. Putin auf. Eine Nähe, die selbst nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und dem daraus resultierenden Krieg häufig bestehen bleibt.
So beispielsweise die deutsche AfD, die diese Nähe aufrechterhält (vgl. Ntv 2023). Zwar ist die AfD auch in dieser Hinsicht gespalten und parteiintern gibt es genauso Stimmen gegen diese Russlandnähe, es ist jedoch auffällig, dass wichtige Parteimitglieder wie der Vorsitzende Tino Chrupalla immer wieder mit einer Pro-Russland Haltung auffallen.
Zudem zeichnet sich ein ähnliches Bild ab wie bei anderen Streitfragen der AfD: die Gemäßigteren, die die radikalen Meinungen anderer Parteimitglieder ablehnen, sind diejenigen, die die Partei verlassen (vgl. Schmidt 2022). Die AfD stellt hierbei nur ein Beispiel dar für eine europäische rechtspopulistische Partei, die – vereinfacht auf die beiden Konfliktparteien aus dem Kalten Krieg bezogen – einen USA-kritischen und Russland-freundlichen Ton anschlägt.
Die USA, sinnbildlich für den liberalen Westen mit seinen vermeintlich linken Ideologien, welche durch die Rechtspopulisten abgelehnt werden (LGBTQI+ Bewegung, Klimaproteste, etc.), Russland bzw. Putin sinnbildlich für Autorität, Stärke, Nationalismus. Entgegen diesem Bild stehen die finnischen Rechtspopulisten der PS.
Hierbei ist erwähnenswert, dass Finnland nicht frei von Populisten mit Nähe zu Russland ist. Die finnische Partei Liike Nyt ist stark geprägt von wirtschaftlichen Eliten mit Nähe zu russischen Oligarchen, welche jedoch seit Beginn des Krieges abgestritten wird (vgl. Lahti & Palonen 2023, S. 129).
Die Finnen hingegen waren nie pro-russisch eingestellt, wofür es vielseitige Erklärungsansätze gibt. Einerseits kann hierbei das historische Erbe erwähnt werden. Lahti und Palonen sehen die Möglichkeit einer starken Solidarisierung mit der Ukraine auf Basis der finnischen Geschichte. Finnland wehrte im Winterkrieg 1939-1940 mit vergleichsweise geringer militärischer Stärke das militärisch starke Russland ab.
Russland ist somit in der finnischen Geschichte ein Kriegsgegner gewesen, zudem stellt sich möglicherweise für manche finnische Bürger:innen die Situation in der Ukraine ähnlich dar: die militärisch unterlegene Ukraine, welche von Russland angegriffen wird und bisher erfolgreich Widerstand leistet.
Ein weiterer wichtiger Faktor stellt der bis 2021 Vorsitzende der Partei, Jussi Halla-aho, dar. Halla-aho kann keineswegs als gemäßigter Konservativer bezeichnet werden, viel Kritik begleitet seine politische Biografie sowie seine ideologischen Positionen, immerhin wurde Halla-aho bereits wegen Volksverhetzung verurteilt und fällt immer wieder mit extremistischen Aussagen gegen Bevölkerungsgruppen, beispielsweise muslimische Bürger:innen, auf. Auch gilt er nicht als EU-freundlich, immerhin forderte er den „Fixit“, also den Austritt Finnlands aus der EU (vgl. Wolff 2017).
Ein Punkt in Halla-ahos Biografie beleuchtet allerdings, weshalb er dennoch pro-ukrainisch eingestellt ist: Halla-aho studierte Slawistik und setzte sich im Rahmen des Studiums schon früh mit der Geschichte slawischer Länder auseinander, so auch mit der Geschichte der Ukraine nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Es scheint logisch, dass Halla-aho eine große Gefahr in der Ausbreitung der russischen Grenzen für das eigene, an Russland grenzende Land sieht. Als überzeugter Nationalist ist es daher kaum verwunderlich, dass er für finnische Interessen einen Eingriff zugunsten der Ukraine als nötig betrachtet, wofür er sich auch mehrfach stark gemacht hat (vgl. Lahti & Palonen 2023, S. 131 f.).
Dass die pro-ukrainische Haltung der Finnen nicht nur ein politisches Manöver darstellt, um Stimmen zu generieren, sondern auf Überzeugung basiert, zeigt auch der Wechsel der Fraktion im EU-Parlament. Während die Finnen – Vertreten durch zwei Abgeordnete – vor dem Krieg in der Ukraine der rechtspopulistisch bis -extremistischen Fraktion Identität und Demokratie (ID) angehörten, welche viele weitere rechtspopulistische bis -extremistische Parteien unter sich vereint wie z.B. Rassemblement National, Lega, Alternative für Deutschland, Vlaams Belang uvm., schloss sie sich als Reaktion auf den Krieg der Fraktion Europäische Konservative und Reformer (EKR) an (vgl. Camut 2023).
Die EKR vereint ebenfalls einige rechtspopulistische Akteure unter sich, wie z.B. Vox oder die Alternative für Deutschland, bevor sie in die ID-Fraktion eintrat. Die Finnen kommentierten, sie hätten sich einer Gruppe angeschlossen, “whose member parties are united by the uncompromising defense of Western civilization and the European security policy architecture” (Camut 2023). Ihre anti-russische Haltung zum Schutze Europas bzw. Finnlands sahen sie folglich in der vorigen Fraktion nicht mehr für möglich.
Eine weitere schwerwiegende Entscheidung und Veränderung in der Haltung der Finnen war der Eintritt Finnlands in die NATO. Während die finnische Bevölkerung, die ein Selbstverständnis von Neutralität in Bezug auf den Kalten Krieg hatte und bis heute hat, nach der Annexion der Krim durch Russland nach wie vor gegen einen NATO-Beitritt war, änderte der russische Angriff auf die Ukraine 2022 diese Haltung. 2014 nach der Annexion der Krim stimmten nur 26% für einen Beitritt Finnlands zur NATO. Im März 2022 waren es 48%, die dafür stimmten, im Juni 2022 waren es 79% (vgl. Lathi & Palonen 2023, S. 129). Infolge dieser Veränderung kam es 2023 zum Beitritt in das NATO-Bündnis (vgl. ZDFheute 2023), wobei auch die Finnen hinter diesem Beitritt stehen.
Die Haltung der Finnen unterscheidet sich also in Bezug auf Russland von anderen europäischen rechtspopulistischen Parteien. In Umfragen ist kein maßgeblicher Unterschied merkbar, seit die Finnen sich auf die Seite der Ukraine gestellt haben, was vermuten lässt, dass dieser Faktor keinen allzu großen Stellenwert in der Wählerschaft hat oder die bisherige Wählerschaft diesen Standpunkt teilt.
Dennoch ist diese Besonderheit einer europäischen rechtspopulistischen Partei nicht unbedeutend, insbesondere mit Blick auf mögliche Entwicklungen. Die Entscheidung zum NATO-Beitritt könnte Spannungen einerseits zwischen den Finnen und anderen rechten Randparteien, andererseits aber auch zwischen verschiedenen Lagern innerhalb der Partei auslösen. Mit der Frage beispielsweise nach der Neutralität Finnlands, die mit dem NATO-Beitritt nicht mehr vorhanden ist, könnte vor allem von NATO-kritischen Parteien der Versuch unternommen werden, Wähler:innen zu mobilisieren oder von den Finnen abzuwerben.
Auch die Tatsache, dass die Finnen nicht mehr aktiv die „Fixit“-Kampagne verfolgen – wobei unklar ist, ob die Kampagne wieder aktiviert wird – könnte einerseits das Feld für andere rechtspopulistische Parteien öffnen, andererseits aber auch die Finnen für eine breitere Wählerschaft öffnen (vgl. Lathi & Palonen 2023, S. 134 f.). Ob und - wenn ja - wie sich die Partei und die Zustimmung im Volk verändern wird aufgrund dieser Entwicklungen, bleibt abzuwarten. Mit der Unterstützung der Ukraine, der Ablehnung von Russland und der Zustimmung zum NATO-Beitritt haben die Finnen in den letzten zwei Jahren jedoch auf jeden Fall besondere Positionen eingenommen, verglichen mit anderen europäischen rechtspopulistischen Parteien.
Quellen:
- Lahti, Yannick/Palonen, Emilia (2023): The impact of the Russia–Ukraine war on right-wing populism in Finland; in: Ivaldi, Gilles/Zankina, Emilia (Hrsg.) (2023): The Impacts of the Russian Invasion of Ukraine on Right-wing Populism in Europe. European Center for Populism Studies (ECPS). Brussels.
- Wilde-Krell, Anna-Lena/Adorf, Philipp (2022): Die Finnen - Auf dem Weg zum konventionellen Rechtspopulismus?; in: Decker, Frank (Hrsg.) (2022): Aufstand der Außenseiter. Die Herausforderung der europäischen Politik durch den neuen Populismus, Nomos.