Freitag, 30. April 2021

Wirkung populistischer Kommunikation in den Medien

In diesem Beitrag stellt Lorena Topic folgenden Aufsatz vor: 

Schemer, Christian / Wirth, Werner / Wettstein, Martin / Müller, Philipp / Schulz, Anne / Wirz, Dominique (2018): Wirkung populistischer Kommunikation. Populismus in den Medien, Wirkungen und deren Randbedingungen; in: Communicatio Socialis: ComSoc 51 (2): S.118-130; https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0010-3497-2018-2-118/wirkung-populistischer-kommunikation-populismus-in-den-medien-wirkungen-und-deren-randbedingungen-jahrgang-51-2018-heft-2

Der Aufsatz gibt zunächst eine Einführung in das Verständnis von Populismus, um anschließend den Populismus aus einer kommunikationswissenschaftlichen Inhalts- und Wirkungsperspektive zu betrachten und die mediale Präsenz und Darstellung populistischer Akteure zu thematisieren. Die Einteilung der politischen Welt in drei Akteursgruppen und die Beschreibung des Verhältnisses dieser drei Gruppen zueinander wird als Kern des Populismus, einer dünnen Ideologie mit sehr konkreten Vorstellungen, verstanden.

Die erste Gruppe ist das Volk als monolithische Einheit mit einheitlichem Willen. Als zweiten Akteur gibt es Regierungen, etablierte Parteien und andere gesellschaftliche Funktionseliten, die angeprangert werden, dem Volk absichtsvoll zu schaden, da sie den vermeintlichen Volkswillen missachten und somit das Volk nicht angemessen repräsentieren. Als dritte Gruppe gibt es die PopulistInnen als Heilsbringer, die vorgeben, den wahren Volkswillen zu repräsentieren und die unbeschränkte Souveränität des Volkes wiederherzustellen. Zudem kennzeichnet sich der Populismus durch die Exklusion weiterer sozialer Gruppen (Rechtspopulismus: Exklusion von ethnischen Minderheiten; Linkspopulismus: Abwertung der Wirtschafts- und Finanzelite).

Die Medienpräsenz hat für den Wahlerfolg populistischer Bewegungen eine große Bedeutung. PopulistInnen nutzen bestimmte Botschaften, Kommunikationsstrategien und -stile und stellen Themen, die ihnen zu medialer Präsenz verhelfen, in den Vordergrund. Der Handlungsdruck auf etablierte Gruppen und Parteien und die Virulenz von Themen wird erhöht, indem sich die populistischen Bewegungen auf Themen fokussieren, die als Krisen der bestehenden Ordnung gesehen und für die die etablierten Parteien verantwortlich gemacht werden können. Dabei werden meist für komplexe Probleme simple Lösungen vorgeschlagen, die jedoch selten umsetzbar sind.

Hierbei umfassen die populistischen Kommunikationsstrategien inhaltliche Aussagen, welche die in der populistischen Ideologie verankerten politischen Ideen reflektieren (Ablehnung etablierter politischer Eliten, die Fokussierung auf ein vermeintlich homogenes Volk etc.). Im Hinblick darauf können drei Arten des journalistischen Umgangs mit populistischen Kommunikationsstrategien definiert werden: JournalistInnen können

  • zum einen als Gatekeeper fungieren und PopulistInnen auf diesem Weg eine Plattform bieten oder
  • zum anderen als InterpretatorInnen fungieren und beispielsweise kritisch oder negativ über populistische Akteure berichten.
  • Als dritte Möglichkeit können JournalistInnen selbst populistisch kommunizieren, jedoch unabhängig von politischen Motiven.

Ergebnisse einer Medieninhaltsanalyse in zehn europäischen Ländern zeigen, dass die meisten Medien aktive Kritiker populistischer Akteure sind und diese somit negativer bewerten als andere PolitikerInnen. Jedoch ist teilweise auch eine aktive Rolle der Medien als Urheber von Aussagen, die sonst von politischen PopulistInnen verwendet werden, zu beobachten.

Populistische Kommunikationsstile in den Medien charakterisieren sich vor allem durch Verwenden der Umgangssprache und vereinfachender, teils drastischer Metaphern, um Volksnähe zu demonstrieren. Sehr oft wird auch schwarzweißmalerische Rhetorik angewendet, um die Kluft zwischen Volk und politischem Establishment zu vergrößern. In Kombination mit inhaltlichen Kommunikationsstrategien lassen sich solche Kommunikationsstile schließlich als populistische Kommunikation charakterisieren (diese Stilmittel werden auch von anderen PolitikerInnen und JournalistInnen eingesetzt, sodass sie allein kein eindeutiges Indiz für populistische Kommunikation sind).

In Bezug auf die Wirkung von medialem Populismus auf Schuldzuschreibungen und Abwertung sozialer Gruppen ist zu beobachten, dass populistische Akteure meist etablierte Parteien für gesellschaftliche Probleme verantwortlich machen (blame game), was dazu führt, dass PopulistInnen die Möglichkeit haben, sich als politische Alternative mit vermeintlich einfachen Lösungen darzustellen. Es zeigt sich beispielsweise, dass durch Schuldzuschreibungen für ökonomische Probleme in einem Medienbeitrag die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass RezipientInnen diese Schuldzuschreibungen übernehmen.

ZuwanderInnen oder AusländerInnen sind Beispiele andere sozialer Gruppen, welche von rechtspopulistischen Akteuren für soziale Probleme verantwortlich gemacht werden. In einer Studie zeigte sich, dass durch ausländerfeindliche Plakatwerbung implizite und explizite Stereotype gegenüber AusländerInnen verstärkt werden. Demnach führen mediale Beschuldigungen von Regierung bzw. AusländerInnen für soziale Probleme bei RezipientInnen, die den Medienbotschaften gegenüber aufgeschlossen sind, zu ausländerfeindlichen Einstellungen.

Insgesamt zeigt sich, dass populistische Kommunikation die öffentliche Meinung in polarisierende Meinungslager spalten kann, denn es war ebenfalls zu beobachten, dass bei RezipientInnen, die diesen Botschaften keinen Glauben schenkten, der gegenteilige Effekt eintrat; sie hatten nämlich weniger elite- oder ausländerfeindliche Einstellungen nach dem Rezipieren von Botschaften, die die politische Elite oder ZuwanderInnen für Probleme verantwortlich machen.

Im Hinblick auf die Wirkung von medialem Populismus auf politische Einstellungen kann somit gesagt werden, dass Medienbotschaften im Zusammenspiel mit populistischen Voreinstellungen Einfluss auf populistische Einstellungen in der Bevölkerung ausüben. Das bedeutet, dass der Teil der Bevölkerung mit bereits bestehenden populistischen Voreinstellungen auch populistischer wird, je häufiger eine Konfrontation mit populistischen Botschaften in den Medien stattfindet, während die Menschen, die bereits antipopulistisch eingestellt sind, mit stärkerem Antipopulismus reagieren. Demnach führt medialer Populismus zu einer Polarisierung, also zu einer deutlichen Spaltung der öffentlichen Meinung in ein pro- und anti-populistisches Lager.

Auch auf die Wahrnehmung politischer Akteure und auf das Wahlverhalten kann populistische Kommunikation Auswirkungen haben. Die mediale Präsenz kann zu einer vermehrten Unterstützung und Präferenz der populistischen Parteien führen, wobei die populistischen Botschaften die negative Politikeinstellung erhöhen. Die vermehrte Berichterstattung über Immigration beispielsweise hat auch einen Anstieg des Wähleranteils von rechtspopulistischen Parteien zur Folge.

Besonders bei Personen mit geringer Bildung und negativer Voreinstellung zur Politik können populistische Akteure ihr Image durch mediale populistische Präsenz verbessern. Aber auch Personen, die bereits eine gewisse Präferenz für die Urheber dieser Botschaften haben, sind anfällig für solche Botschaften. Durch die daraus resultierenden steigenden Schuldzuschreibungen an PolitikerInnen können somit indirekt auch die Wahlpräferenzen in der Bevölkerung beeinflusst werden.

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass populistische Bewegungen vor allem von ihrer Kommunikation in sozialen Medien profitieren. Durch das Verwenden bestimmter Kommunikationsstrategien und -stile stellen sie sich als politische Alternative für das „wahre“ Volk dar und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass einige RezipientInnen die Schuldzuschreibungen und Abwertung sozialer Gruppen übernehmen. Demnach hat populistische Berichtserstattung auch eine starke Polarisierung zur Folge und wirkt sich teilweise auch auf das Wahlverhalten der Bevölkerung aus.

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