Der Begriff „Heimat“ hat in Österreich eine lange, komplexe und politisch aufgeladene Geschichte. Seine Bedeutung ist dabei keineswegs statisch, sondern spiegelt gesellschaftliche, politische und ideologische Entwicklungen wider. Dies wird besonders deutlich an den unterschiedlichen politischen Konjunkturen des Begriffs: von der nationalsozialistischen Vereinnahmung über rechtspopulistische Instrumentalisierung bis hin zu Versuchen progressiver Umdeutung.
Während der NS-Zeit war „Heimat” kein inklusiver Ort der Zugehörigkeit, sondern ein rassistisch und völkisch aufgeladener Begriff. Die Heimat wurde ausschließlich dem „eigenen Volk“ zugesprochen, das als überlegen und „unverwechselbar“ betrachtet wurde. Wer nicht dem nationalsozialistischen Ideal einer „deutschen Rasse“ entsprach, wurde aus diesem Heimatverständnis ausgeschlossen, ein Konzept, das zur Legitimation von Diskriminierung, Verfolgung und letztlich Vernichtung diente (Schneider & Toyka-Seid 2025). „Heimat“ war also kein universelles Schutz- oder Identitätsangebot, sondern ein Instrument der Exklusion.
Auch heute wird der Heimatbegriff von politischen Akteur:innen, insbesondere aus dem rechtspopulistischen Spektrum genutzt, um nationale Identität zu konstruieren und politische Abgrenzung zu betreiben. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), die seit den 1990er Jahren offensiv mit Slogans wie „Heimat statt Schüssel und Brüssel“ oder „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe“ arbeitet (Hermann 2020).
Im Wiener Wahlkampf 2015 setzte die FPÖ gezielt nationale Symbole wie die rot-weiß-rote Fahne, die Hymne und den Begriff „Heimat“ ein. Dies geschah auf eine Weise, die akuten Nationalismus hervorruft, durch die Verbindung von Heimat mit Abschottung, kultureller Homogenität und der Forderung nach nationaler Integrität (de Cillia et al. 2020, S. 183-184). Heimat wird hier als etwas präsentiert, das verteidigt werden muss, gegen äußere Einflüsse wie Migration.
Diese Art der Heimatkonstruktion beruht häufig auf Abgrenzung. Der „Schutz der Heimat” dient dabei als Legitimationsfigur für Grenzschließungen und eine rigide Asylpolitik. Diese Strategie wird von rechtspopulistischen Kräften bewusst eingesetzt, um Angst vor dem Verlust nationaler Identität zu schüren (de Cillia et al. 2020, S. 221). Dadurch wird „Heimat“ zu einem politischen Kampfbegriff, der Machtverhältnisse durch Inklusion und Exklusion reguliert.
Zudem zeigt sich zunehmend, dass „Heimat” als Symbol für kulturelle Authentizität genutzt wird, beispielsweise durch die FPÖ und die ÖVP, die sich für eine stärkere Förderung der Volkskultur einsetzen. In Kärnten etwa wird die Bewahrung der regionalen Kultur – von Trachten bis Blasmusik – als identitätsstiftend betrachtet und politisch forciert (Müller 2025). In der Steiermark nimmt dieser Diskurs mit der geplanten Verfassungsverankerung der Landeshymne gar verfassungsrechtliche Dimensionen an, obwohl es aufgrund historisch aufgeladener Textstellen diplomatische Spannungen mit Slowenien gibt. Auch hier dient „Heimat” als ein kulturell überformter Begriff mit geopolitischer Sprengkraft.
Im österreichischen Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016 wurde das Thema „Heimat” schließlich auch von Kandidat:innen unterschiedlicher politischer Lager aufgegriffen. Norbert Hofer (FPÖ) propagierte ein konservativ-exklusives Heimatbild, während Alexander Van der Bellen ein offenes, integratives Verständnis vertrat, wenn auch mit Rückgriff auf klassische Heimatbilder (Hermann 2020, S. 2-3). Die Analyse zeigt, dass „Heimat“ als symbolischer Ort der Zugehörigkeit fungiert, jedoch je nach politischer Orientierung sehr unterschiedlich konzipiert wird: offen versus geschlossen, wandelbar versus statisch, inklusiv versus exklusiv.
Der Heimatbegriff in Österreich ist umkämpft und ideologisch aufgeladen. Seine Deutungen schwanken zwischen Erinnerungskultur, identitätspolitischer Waffe und symbolischem Anker. Während rechte Parteien Heimat häufig als statischen Raum der Abgrenzung inszenieren, wird er von progressiven Kräften zunehmend als dynamisches Konzept der sozialen Inklusion verstanden. Gerade deshalb bleibt „Heimat” ein Begriff, der kritisch beobachtet und immer wieder neu ausgehandelt werden muss.
Literatur
- de Cillia, R., Wodak, R., Rheindorf, M., Lehner, S. (2020). Österreichische Identitäten im Wandel. Wiesbaden: Springer VS.
- Hermann, A. T. (2020). Heimat neu denken? „Heimat“ als umkämpfter Begriff im österreichischen Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016. OZP – Austrian Journal of Political Science, 48(4), 1–14. https://doi.org/10.15203/ozp.2932.vol48iss4.
- Müller, W. (2025). Volkskultur, Trachten, Landeshymne: Wie der Heimatbegriff die Politik dominiert. Der Standard. https://www.derstandard.at/story/3000000269958/volkskultur-trachten-landeshymne-wie-der-heimatbegriff-die-politik-dominiert.
- Schneider, G., & Toyka-Seid, C. (2025). Das junge Politik-Lexikon. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
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