Donnerstag, 18. Januar 2018

Rezension zu Bernd Stegemann: Das Gespenst des Populismus

Stegemann, Bernd (2017), Das Gespenst des Populismus. Ein Essay zur politischen Dramaturgie, Theater der Zeit.

Rezension

Autor: Lukas Buss

Bernd Stegemann ist ein Dramaturg und Professor an der Hochschule für Schauspielkunst in Berlin. Im vorliegenden Werk analysiert er das derzeitige politische Sprechen aus der Sicht des Dramaturgen und interessiert sich für die Frage, ob Populismus allein eine Gefahr für die Demokratie ist, oder vielmehr ein Indikator dafür, dass diese nicht richtig funktioniert.

Stegemann vergleicht die aktuelle Selbstzerstörung der offenen Gesellschaft und den Aufschwung des Populismus mit einer Tragödie im Theater. Tragödien können dem Zuschauer Angst machen, ihm jedoch auch die Kraft verleihen, für das Menschliche und gegen die Gewalt zu kämpfen. Es sei falsch, sich auf eine Seite zu schlagen oder die Augen zu verschließen. Vielmehr solle man erkennen, dass beide Seiten Recht haben, aus dem Konflikt lernen und Selbstkritik üben. Nur so könne eine Katastrophe verhindert werden.


Stegemann erklärt, Rechtspopulismus gebe es seit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und wehre sich unter anderem gegen Entfremdung, Verlust der bekannten Heimat, gegen das Globale und gegen Expertenwissen. Er stelle das Unbekannte als Sündenbock für Probleme dar, die eigentlich schon vorher existent waren. Jedoch sei in der rechten Politik ein innerer Widerspruch zu finden. So predige sie einerseits, die prekäre Lebenslage des Volkes verbessern zu wollen, gleichzeitig unterstütze sie aber eine Ökonomie, die zu eben diesen Problemen geführt habe. Die Entlastung für die Gesellschaft solle durch die Ausgrenzung des Fremden erfolgen, was aber lediglich zu einer Befriedigung der Gewaltfantasien führe.

In der Vergangenheit sei Populismus fast immer als Rechtspopulismus aufgetreten. Das mache es für den Liberalismus einfach, jegliche Kritik am Bestehenden als Rechtspopulismus zu bezeichnen und sich somit in eine unantastbare Position zu heben. Darüber hinaus beziehe der liberale Populismus seinen Erfolg daraus, dass nicht erkannt werde, dass der liberale Freiheitsbegriff (also Freiheit des Individuums, Emanzipation etc.) mit dem neoliberalen Freiheitsbegriff (Deregulierung des Kapitals und Flexibilität der Menschen) in Widerspruch steht. So gelinge es, ökonomische Deregulierung als Bemühungen für die menschliche Freiheit erscheinen zu lassen.

Im Kampf gegen den Rechtspopulismus fehlt laut Stegemann die Kraft des Linkspopulismus. Die Linke stünde als einzige politische Kraft da, die keinen populistischen Leitsatz verwende. Das resultiere einerseits aus ihrer Angst vor dem ihrer Meinung nach stets national orientierten Volk, andererseits aus der Bemühung des Liberalismus, sie machtlos zu machen.

Stegemann stellt sich auf keine Seite, sondern sieht Populismus als notwendiges Mittel, einen Wandel herbeizuführen. Der folgende Textausschnitt gibt seine Meinung sehr deutlich wieder:
„Die Brechstange des Populismus ist erforderlich und politisch sinnvoll, wenn die Risse in der Oberfläche keine leeren Provokationen bleiben oder von rechten Provokationen gefüllt werden, sondern wenn durch die Risse wieder soviel Atem hineinkommt, dass eine andere Geschichte erzählt werden kann.“ (S. 134)
Trotz meines Interesses am Thema Populismus fiel es mir sehr schwer, das vorliegende Werk zu lesen. Verweise auf Zitate anderer Dramaturgen, die sicherlich nicht jedem Leser geläufig sind, oder die gezielt hochgestochene und abstrakte Ausdrucksweise machen das Lesen sehr mühsam. Weiterhin betont Stegemann in Interviews häufig, er sei kein Politikwissenschaftler, sondern schreibe nur aus der Sicht eines Dramaturgen. Jedoch kritisiert er politische Entscheidungen, wirtschaftliche Entwicklungen und gibt seine „Expertenmeinung“ zu diesen Bereichen, was es für mich schwer macht, dem Vertrauen zu schenken. Jedoch ist es sicherlich positiv zu bewerten, dass das Thema Populismus auch einmal von einem Vertreter der Theaterwissenschaften behandelt wurde.

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