Montag, 15. Januar 2018

Rezension zu Jan-Werner Müller: Was ist Populismus?

Müller, Jan-Werner (2016), Was ist Populismus? Ein Essay, Suhrkamp.

Rezension

Autorin: Samira Schmidt

Jan Werner Müller ist ein deutscher Politikwissenschaftler, geboren 1970 in Bad Honnef, der seit 2005 an der Princeton University in den USA Politische Theorie und Ideengeschichte lehrt. Beschäftigt man sich in irgendeiner Weise mit Populismus, stößt man unweigerlich auf seinen Namen, und um diesen Essay kommt man nicht herum. In ihm nimmt Müller aktuelle Entwicklungen und regierende Politiker als Ausgangspunkt und versucht damit den Begriff „Populismus“ zu definieren.

Sein Essay ist in drei Teile aufgegliedert. Der erste Teil befasst sich mit der theoretischen Bestimmung des Populismus, der zweite mit dessen Praxis. Der dritte und letzte Abschnitt stellt die Probleme dar, die sich durch Demokratie und Populismus ergeben. Wie gehen Demokraten mit Populisten in einer Demokratie um? Abgerundet wird der Essay durch zehn Thesen und ein „Wort zur Zukunft der repräsentativen Demokratie“.

Schon auf den ersten Seiten erkennt man Müllers These, nämlich dass die populistischen Grundzüge „antidemokratisch sind und die Grundprinzipien der repräsentativen Demokratie gefährden“. Populisten haben „eine ganz bestimmte Politikvorstellung, laut der einem moralisch reinen, homogenen Volk stets unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten gegenüberstehen“.


Laut dem Autor kann man Populisten an zwei wesentlichen Grundmerkmalen erkennen. Zum einen sind sie antipluralistisch. Und zum anderen wollen Populisten das „wahre Volk“ ganz alleine vertreten, sie sind antielitär. Populisten sagen: »Wir – und nur wir – repräsentieren das Volk«. Sie sind nicht an einer Ausweitung der Partizipation interessiert. Anti-Pluralismus und Anti-Elitarismus sind die Grundzüge im populistischen Denken. Populisten werden in einer politischen Diskussion persönlich und moralisch und verallgemeinern diverse Anschuldigen auf die „Eliten“. Trifft eines dieser Merkmale nicht zu, so handelt es sich laut Müller nicht um Populisten. Eine kompliziertere Sache sei es, einen Populisten zu erkennen, denn „nicht jeder, der Eliten kritisiert, ist ein Populist“.

Im zweiten Teil des Essays, der sich mit der Verwirklichung der Populisten in einem politischen System beschäftigt (Praxis), macht Müller auf drei Denk- und Handlungsstrategien aufmerksam, die die antipluralistische Auffassung deutlich machen soll: „Die Vereinnahmung des gesamten Staates; Loyalitätsbeschaffung durch Massenklientelismus; Unterdrückung der Zivilgesellschaft und, wenn möglich, der Medien“ („Lügenpresse“). Sobald Populisten ein Volk regieren, versuchen diese so schnell wie möglich ihre populistischen Vorstellungen durch Änderung und Verabschiedung (neuer) Gesetze zu bestärken. In einigen Ländern (siehe Polen, Türkei, Ungarn, ...) ist diese Methode sehr erfolgreich gewesen.

Im weiteren Verlauf debattiert Müller, wie mit Populisten in einem demokratischen Staat umgegangen werden soll. Er kommt zu dem Schluss, dass man Populismus auf keinen Fall verbieten oder ausschließen sollte. Lieber sollte man die Vorzüge einer Demokratie nutzen und durch Auseinandersetzungen und Diskussionen dagegen „ankämpfen“.

Es wäre nämlich genauso undemokratisch, würde man versuchen, den Populisten ihre Arbeit schwer zu machen, geschweige denn verbieten. Müller weist darauf hin, dass es genauso unwirksam wäre, Rechtspopulismus mit Linkspopulismus bekämpfen zu wollen.

Abschließend kann man sagen, dass Müllers Essay dazu dient, Populisten in ihrem Denken und Handeln komplett zu entlarven. Nicht nur oberflächlich führt Müller die Eigenschaften und Prinzipien eines Populisten auf, sondern geht in die Tiefe des Populismus auf der ganzen Welt. Durch sein sprachliches Geschick ist es dem Autor gelungen, viel Information in einem Satz zu verstecken, den man aber trotzdem verständlich und mit viel Humor zwischen den Zeilen lesen kann. Das dritte Kapitel, wie man mit Populisten am besten umgehen soll, wirkt wie eine Art Anleitung für die Politik.

Interessiert man sich für die Gegenwart und die Entwicklung des weltweiten Populismus ist dieser Essay ein guter Einstieg bzw. eine gute Möglichkeit, sich ausführlich mit diesem Thema zu beschäftigen. Müller beantwortet den Titel seines Essays: „Was ist Populismus?“ am Schluss nicht. Er lässt Interpretationsfreiraum übrig, sodass sich jeder sein eigenes Bild über Populisten und deren Politik machen kann.

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