Donnerstag, 23. März 2017

Die AfD - die neue Heimat der Nazis?

Keine Partei hat in den letzten Jahren mit ihrer Außendarstellung so sehr polarisiert wie die am 6. Februar 2013 gegründete Alternative für Deutschland, kurz AfD. Laut eigener Aussage will die Partei eine ernstzunehmde Alternative zu den bereits etablierten Parteien werden, die laut ihrer Ansicht schon länger nicht mehr den Bügern gegenüber gerecht handeln. So weit so gut.

Dass die Partei jedoch, unter anderem in ihrem öffentlichen Auftreten, immer wieder durch rechtspopulistische Äußerungen ihrer Aushängeschilder auffällt, hat zu einer bundesweiten Debatte geführt, an der sich vom politisch selbst Aktiven bis zum kaum politisch Interessierten jeder gerne beteiligt.

Die einen verteufeln die Partei, zum Teil aufgrund einer selbständigen politischen Meinungsbildung. Zum Teil jedoch positioniert man sich notfalls auch, ohne eigentlich einen eigenen Standpunkt durch eine reflektierte Meinung zu haben, und schließt sich dem vorschnellen Schluss an, alle AfD-Symphatisanten seien Nazis.

Die Anderen befürworten sie und bejahen sogar den für den Populismus typischen Alleinvertretungsanspruch der Partei. Für die sogenannten Protestwähler ist die Wahl der AfD weniger durch deren politischen Inhalt bedingt. Die Entscheidung, der AfD die Stimme zu geben, ist verbildlicht mit einem Steinwurf auf den Bundestag als Ausdruck des Protests wohl ganz gut beschrieben.

Ob die AfD nun wirklich eine rechtsextrem gesinnte Partei ist und ob sie gar vom Verfassungsschutz verboten werden müsste, ist zwar schwer zu sagen, jedoch wird der Argumentationsweg helfen, sich selbst eine Meinung über die Partei zu bilden.


Schulterschluss mit Europas rechter Elite?

Viele rieben sich verwundert die Augen, als die AfD, in Person des nordrhein-westfälischen AfD-Vorsitzenden Marcus Pretzell, am 21. Januar 2017 zum Kongress der EP-Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" nach Koblenz lud. Vor allem die Gästeliste stieß weiten Teilen der Öffentlichkeit hierbei negativ auf. Unter den 1000 Gästen in der Rhein-Mosel Halle befanden sich die bekanntesten Vertreter des europäischen Rechtspopulismus wie Marine Le Pen, Geert Wilders und Harald Vilimsky.

Sie alle eint auf ihrem Weg zum Erfolg der letzten Jahre ein Gedanke: Raus aus der Europäischen Union, zurück zu einem Europa der starken Nation. Durch den Kongress wurde die AfD auch auf der internationalen Bildfläche wahrgenommen. Bezogen auf das Thema der europäischen Integration hat die Partei jedoch auch schon in ihrem Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2016 klar Stellung bezogen.

Darin wird mit Nachdruck die Ansicht vertreten, ein Europa der lose verbundenen Einzelstaaten würde Deutschland, im Gegensatz zu einer immer engeren Union, vor fremder Bevormundung schützen. Man könne so die Interessen der für sich selbst verantwortlichen Staaten zwar bündeln, jedoch bestehe dazu kein Zwang. In erster Linie beinhaltet das Programm in Bezug auf die internationale Politik, das Ziel eines souveränen Deutschlands auszugeben, das den Wohlstand und die Sicherheit seiner Bürger selbst garantiert.

Die AfD greift in diesem Kontext auch das in weiten Teilen der Bevölkerung vieldiskutierte Thema der Haftung Deutschlands für ausländische Banken auf. Jeder Staat soll hier wieder in eigener Verantwortung handeln. Das populistische Stilelement des Aufgreifens komplexer Themen, die dann mit simplen Maßnahmen "gelöst" werden sollen, wird hier deutlich, ein rechtsextremer Bezug ist jedoch nicht festzustellen. 

Mehr Direkte Demokratie und der Anti-Establishment Gedanke

Des Weiteren bekennt sich die AfD in ihrem Grundsatzprogramm dazu, sich gegen politische Entscheidung über die Köpfe der Bürger hinweg einsetzen zu wollen. Sie will dazu vermehrt auf Elemente direkter Demokratie setzen und fordert Volksabstimmungen nach dem Schweizer Vorbild in der Bundesrepublik. Die Begründung hierfür erfolgt jedoch nicht rein aus dem Glauben heraus, direkte Demokratie würde diese zunehmend wieder stärken und für mehr Partizipation sorgen. Vielmehr wird argumentiert, so könne man die Macht der Eliten brechen, die die politischen Geschicke Deutschlands zu ihrem Vorteil leiten. Diese Passage ist Ausdruck des typisch populistischen Anti-Establishment-Gedankens, den u.a. Jan-Werner Müller in seinem Essay "Was ist Populismus?" festhielt.

Zum Thema Weltoffenheit und Umgang mit dem Islam

Dem ersten Teil des in der Präambel des Grundsatzprogramms zitierten Satzes: „Wir sind offen gegenüber der Welt, wollen aber Deutsche sein und bleiben“ (Grundsatzprogramm der AfD, S. 1 Z. 29f.) wird in den folgenden 95 Seiten in einigen Passagen erschreckend wenig Folge geleistet. Neben dem starken Berufen auf die deutsche Leitkutur und Traditionen ist vor allem klar erkennbar, wie sich die Partei gegenüber dem Islam positioniert.

Stark islamkritische Phrasen ziehen sich durch das gesamte Programm. Mit diesem Thema geht die Partei zweifelsohne auf eine hitzige Debatte ein, die innerhalb der Bevölkerung auch abseits von Stammtischen stattfindet. Für Viele geht die AfD hiermit auf ein bereits lange überfälliges politisches Thema ein. Für die Anderen geht die Partei in diesem Fall zu weit und zeigt ihren radikal rechten Charakter.

Einerseits spricht sich die Partei unter dem Punkt Sicherheit und Justiz für ein friedliches Zusammenleben in einer freien Gesellschaft aus, das unabhängig von Herkunft und Religion gewährleistet sein soll. Im Widerspruch hierzu wird jedoch ein zunehmender Multikulturalismus als Bedrohung für die Gesellschaft eingestuft. Multikulti ist in den Augen der AfD nicht bunt, sondern vielmehr "burkaschwarz".

Neben der Gefahr des Terrors werden auch der negative Einfluss auf die Beziehung von Mann und Frau, das Thema Erziehung und die Gefahr der Entstehung von Parallelgesellschaften mit Blick auf den Islam besonders hervorgehoben. 

Der Islam im Spannungsverhältnis zur freiheitlich-demokratischen Ordnung?

Dies ist jedenfalls der Titel, der im Grundsatzprogramm der AfD als Punkt 7.6. angeführt wird. Hier wird die bereits ausgesprochene These untermauert, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Es wird zudem die Befürchtung geäußert, der Islam könnte in den nächsten Jahrzehnten den Anspruch stellen, zur allgemeingültigen Religion in Deutschland zu werden. Die Begründung dieser Sorge wird ebenfalls sofort genannt: Der Islam und die, die an ihn glauben, wären intolerant gegenüber anderen Religionen, in diesem Fall gegenüber dem Christentum. Eben diese eingeforderte Toleranz scheint jedoch auch denjenigen abzugehen, die derart undifferenziert Kritik an einer Glaubensrichtung üben.

Im Folgenden wird zudem die Theorie aufgestellt, der Islam sei Mittel zum Zweck der Machterweiterung islamischer Staaten in Deutschland. Genau aus diesem Grund sollen auch Auslandsfinanzierungen von Moscheen sowie Minarette verboten werden. Auch in das Innenleben der Moscheen soll in besonderem Maße eingegriffen werden. Dies soll geschehen, indem man die Immame hierzulande ausbildet. Damit soll verhindert werden, dass der schlechte Einfluss des fundamentalen Islam sich negativ auf die Gesellschaft auswirkt.

Bezogen auf die Vollverschleierung wird angeführt, dass diese die Integration erschwere und als Zeichen der Unterordnung der Frau nicht vereinbar mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sei. Die letzten beiden genannten Punkte sind zweifelsohne Punkte, über die zumindest diskutiert werden kann und mit denen auch schon andere Parteien kokettiert haben. Auch Religionskritik, egal welche Religion betreffend, muss in einem freien Land gestattet sein.

Bedenklich wird es dann, wenn man Unterschiede zwischen den einzelnen Religionen beziehungsweise den zugehörigen Menschen macht. Fakt ist, dass ein Umgang mit dem Islam, wie ihn die AfD fordert, wohl eher dazu führen würde, dass sich die Fronten zwischen den Muslimen und den Islamkritikern noch weiter verhärten würden. Eine gelingende Integration bedarf zwar auch einem gewissen Maß an Kontrolle, jedoch auch einem gesunden Vertrauen und Respekt dem Anderen gegenüber.

Der Respekt gegenüber Menschen muslimschen Glaubens geht jedoch seitens der AfD auch dadurch verloren, dass Probleme, welche die gesamte Gesellschaft betreffen, auf eine Gruppe mit einer ganz bestimmten Religionszugehörigkeit geschoben werden. Bezogen auf den demografischen Wandel heißt es, dass das allgemeine Altern der deutschen Bevölkerung eine von Bedarf und Qualifikation abgekoppelte Masseneinwanderung vor allem aus islamischen Staaten zur Folge habe. Einwanderer aus den genannten Ländern würden lediglich ein unterdurchschnittliches Bildungs- und Beschäftigungsniveau erreichen. Auch das Einwandern in die Sozialsysteme wird eng in Verbindung mit den Muslimen hierzulande gebracht.

Mit der Art und Weise, wie hier eine bestimmte Gruppe von Menschen hervorgehoben wird, und diese Menschen nach ihrer ,,Qualität" bewertet werden, sollte sich eigentlich keine demokratische Partei identifizieren können. Genau dies gibt die AfD aber zumindest in ihrer Präambel (Z. 6-7) vor zu sein. 

Ausländerkriminalität und der Wille zum Gebrauch des Abschieberechts

Auch das Thema Ausländerkriminaltät wird im Grundsatzprogramm deutlich hervorgehoben. Kriminelle Machenschaften von Immigranten würden aus einer falsch verstandenen "politischen Korrektheit" heraus von der Politik derzeit häufig geheim gehalten, Stichwort Lügenpresse.

Zu diesem Zweck möchte die AfD eine Reform der Kriminalstatistik einleiten. Sie will dafür sorgen, dass im Fall krimineller Immigranten schneller vom Abschieberecht Gebrauch gemacht werden kann. Überspitzt formuliert also frei nach dem ehemaligen NPD-Wahlplakatslogan: "Ist der Ali kriminell, in die Heimat aber schnell".

Dies alles steht in Einklang mit der im Programm vermittelten Ansicht, dass Einwanderer sich gegenüber den Einheimischen in einer Art Bringschuld befänden. Die kritische Unterscheidung zwischen den überspitzt formuliert "wahren Deutschen" und den von außen Zugewanderten lässt sich also im gesammten Programm immer wieder erkennen. 

Zwielichtige Gestalten innerhalb der Partei

Die AfD zeigt sich trotz eben genannnter rechter Tendenzen im Grundsatzprogramm innenpolitisch noch als zahm. Was jedoch die Außendarstellung betrifft, lässt sich dies schon lange nicht mehr behaupten. Während im Bereich der Wähler durchaus auch der rechte Rand bedient weden soll, will man in den eigenen Reihen auf Rechtsextreme verzichten. Dennoch haben namhafte AfD-Mitglieder in den vergangenen Monaten immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, sei es durch rechtsextreme Aussagen in der Öffentlichkeit, durch ihre poltische Vergangenheit in rechtsextremen Vereinigungen oder ihre nachweislich rechte Gesinnung.

Der Spitzenkanidat der AfD im Saarland, Rudolf Müller, bot in seinem Antiquitätengeschäft in der Saarbrücker Innenstadt Reliquien aus der Nazizeit an. Da einige der ausgetellten Orden auch das Hakenkreuz beinhalteten, leitete die Saatsanwaltschaft Saarbrücken ein Strafverfahren wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen Müller ein.

Im Landesverband der Jungen Alternative in Brandenburg sitzt mit Alexander S. nachweislich ein ehemaliges NPD-Mitglied. Der zuständige Fraktionsvize Kalbitz soll davon gewusst, aber nichts unternommen haben. Eigentlich ist es einem ehemaligen NPD-Mitglied verboten, der AfD beizutreten. Die NPD steht wie viele andere rechtsextreme Parteien eigentlich auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD.

Auch der AfD-Landesverband Baden-Württemberg sorgte im Juni 2016 für Aufsehen, als publik wurde, dass der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon im Jahr 2012 ein Buch mit nachweislich antisemitischem Inhalt veröffentlicht hatte. In seinem Werk bezeichnet er das Judentum als inneren und den Islam als äußeren Feind des chistlichen Abendlandes.

Sinngemäß heißt es, dass durch die politische Machtumverteilung von Europa in die USA der Judaismus in seiner säkular-zionistischen Form im Westen seine Macht erweitert habe. Der äußere Feind, der Islam, sei durch die gezielte Masseneinwanderung weit in die westliche Gesellschaft eingedrungen und versuche nun, diese zu seinem Zwecke umzugestallten - Thesen und Verschwörungstheorien, die es einem eiskalt den Rücken herunterlaufen lassen, sich jedoch zumindest in etwas gemäßigter Form mit Inhalten des Grundsatzprogramms der AfD decken.

Pikant an der Geschichte um Wolfgang Gedeon ist, dass er nach dem Bekanntwerden seiner schriftstellerischen Tätigkeiten selbst den Rückzug aus der Partei antrat. Zu einem Rauswurf aus der Partei wäre es aufgrund der fehlenden Zwei-Drittel-Mehrheit hierfür nicht gekommen. Nicht nur das lässt darauf schließen, dass sich Gedeon als bekennender Antisemit innerhalb der AfD in guter Gesellschaft befand.

Auch der im Rat der Stadt Springe in der Nähe von Hannover sitzende AfDler Wolfgang Bednarski gehörte dem vom Bundesinnenministerium verbotenen rechtsextremen Verein "Bauernhilfe" an. Dieser soll laut dem Innenministerium ein wahres Sammelbecken für Holocaust-Leugner gewesen sein. Auch die Spitze der Partei in Person von Frauke Petry fiel am 16. September 2016 unangenehm auf, indem sie betonte, den Begriff "völkisch" neu und positiv besetzen zu wollen.
,,Als völkisch bezeichnet man eine radikal-nationalistische Einstellung, die die Menschengruppe, zu der man sich zugehörig fühlt, das eigene Volk verabsolutiert und als ethisch reine Gemeinschaft definiert." (Glossar Bundeszentrale für politische Bildung, im Dossier Rechtsextremismus http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/173908/glossar?p=63)
Was an diesem vor allem im Bezug auf die NS-Zeit häufig verwendeten Begriff positiv umgestaltet werden könnte, wird wohl Frau Petrys Geheimnis bleiben. Sie selbst meinte, das negative Verständnis des Begriffs "völkisch" als Synonym des Begriffs "rassistisch" habe dafür gesorgt, dass auch das Wort Volk stets in negativem Kontext steht. 

Erst provozieren, dann relativieren

Was den Umgang mit den Medien betrifft, lässt sich mit Blick auf die AfD ein immer wiederkehrendes Kommunikationsmuster erkennen. Das Stilmittel des Tabubruchs findet hierbei immer wieder Verwendung, um medial präsent zu bleiben, getreu dem Motto, schlechte Publicity sei ja schließlich besser als gar keine Publicity. Es wird bewusst mit Aussagen provoziert, die weit über die Grenzen des "politisch Korrekten" hinausgehen. Sobald diese Äußerungen dann medial hohe Wellen geschlagen haben und die AfD wieder in aller Munde ist, wird relativiert. Beispiele solcher verbaler Entgleisung, die später relativiert wurden, lassen sich leicht finden. Sie sind jedoch nicht zu verharmlosen, auch wenn sie Teil taktischer Manöver waren.

Bekanntestes Beispiel hierfür ist wohl der dem Schießbefehl-Interview mit der Parteivorsitzenden Frauke Petry folgende Skandal um die AfD Polikerin Beatrix von Storch. Im Nachhinein wurde behauptet, eigentlich habe die Parteivorsitzende nicht den Einsatz von Schusswaffen seitens von Grenzpolizisten gefordert, sondern lediglich die geltende Rechtslage beschrieben. Ihre Kollegin hatte zum Thema geäußert, man müsse notfalls auch auf Frauen und Kinder schießen, um die Grenzen zu sichern. Auch sie relativierte ihre Äußerung später und gab an, von der Tastatur abgerutscht zu sein.

Auch der brandenburgische Frakionsvorsitzende Alexander Gauland machte kurz vor der EM 2016 mit einer Aussage bezüglich des Nationalspielers Jerome Boateng auf sich aufmerksam. Er meinte,  "die Leute finden ihn als Fussballspieler gut. Aber sie wollen ihn nicht als Nachbarn". Das mediale Echo und die Bezichtigung des Rassismus ließen natürlich nicht lange auf sich warten. Im Nachinein beteuerte Gauland, nicht für sich selbst gesprochen zu haben, sondern ein allgemeines Problem innerhalb der Bevölkerung angesprochen zu haben.

Auch Björn Höcke, der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, will bei seiner Schandmal-Rede falsch verstanden worden sein. Nachdem ihm bereits kurz nach seiner Rede vom 17. Januar 2017 von der breiten Öfffentlichkeit eine nationalsozialistische Gesinnung vorgeworfen wurde, folgte am nächsten Tag bereits eine Presseerklärung, in der Höcke beteuerte, falsch verstanden worden zu sein. Er habe nicht das Gedenken an den Holocaust an sich als Schande bezeichnet, sondern die Art und Weise des Gedenkens an dieses schreckliche Verbrechen kritisiert.

Der deutsche Politologe Florian Hartleb sieht in der ständigen Provokation und der darauffolgenden Relativierung der eigenen Aussagen eine klare Kommunikationsstrategie. Bezogen auf die Höcke-Rede meint er in einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur jedoch auch, sie sei zwar teilweise Strategie, jedoch auch teilweise eine verbale Entgleisung gewesen.

Er attestiert der Partei vor allem im ostdeutschen Raum eine radikale beziehungsweise völkische Ausrichtung. Die laut ihm in der Höcke-Rede implizierte geschichtsrevisionistische und völkische Gesinnung zeige einmal mehr, dass die Partei eben nicht so harmlos sei, wie sie sich innenpolitisch selbst gerne darstellt.

Das größte Problem: der richtige Umgang mit Rechtspopulismus sei noch nicht gefunden worden. Seiner Meinung nach solle man deshalb auch eher versuchen, das Thema gelassen anzugehen, anstatt aufgeregt mit Äußerungen zu reagieren, die suggerieren, die Wähler seien ungebildet und würden sich deshalb auf eine Partei wie die AfD einlassen. Aussagen wie diese würden sich für die AfD eher positiv als negativ auswirken. 

Kritik an der traditionellen Medienlandschaft, Stichwort ,,Lügenpresse"

In der Außendarstellung der AfD sind neben der eben besprochenen Thematik noch weitere Kommunikationsstrategien offenzulegen. Die AfD sieht sich selbst von der traditionellen Medienlandschaft als ausgeschlossen an und kritisiert diese deshalb scharf. Aus diesem Grund wird versucht, eine mediale Gegenöffentlichkeit zu schaffen, um die Bevölkerung vor der hierzulande angeblich vorherrschenden "Lügenpresse" und ihrer subjektiven Berichterstattung zu schützen.

Diese Strategie wird auch von anderen rechtspopulistischen Parteien innerhalb der EU verfolgt, bekanntestes Beispiel ist hierfür wohl die FPÖ in Österreich. Neben der Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Netwerken wie Facebkook und Twitter wird auch auf das Erschaffen einer eigenen Presselandschaft Wert gelegt.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Magazin Compact mit dem Zusatz "Magazin für Souveränität". Hier wird in einer monatlichen Ausgabe das politische Geschehen aus Sicht eines AfD-Getreuen aufgearbeitet und zu gesellschaftlichen Problemen mit rechtspopulistischen Ansätzen Stellung bezogen.

In der aktuellen Ausgabe vom März 2017 wird neben den typischen AfD-Feindbildern wie dem Islam und der Presse vor allem der neue Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, Martin Schulz, unter Beschuss genommen. Das Titelblatt der Ausgabe zeigt Martin Schulz in typischer Merkel-Pose vor einer Europafahne mit dem dazugehörigen Titel: "Schulz wird Merkel - der neue Kandidat der Eliten".

Nicht nur die Bezeichnung von Schulz als Kopf der roten Bonzokratie lässt eine populistische Art und Weise der Berichterstattung erkennen. Schulz, der die AfD als Schande für die Bundesrepublik bezeichnet hatte, wird unter anderem mit dem Vorwurf der Karrierepatronage während seinem Wirken als EU-Parlamentarier belastet. Die AfD hat also mit Compact eine gedruckte, monatlich erscheinende Form einer Filterbubble. 

Innerparteilicher Umgang mit den Vorwürfen des Rechtsextremismus

Wie äußert sich die AfD eigentlich selbst zu den Vorwürfen der rechtsextremen Ausrichtung? Wenn es nach dem AfD-Europaabgeordneten Starbatty geht, haben Rechtsextreme nichts in der Partei zu suchen. Dieser sieht in einem Interview vom Juni 2015 die deutsche AfD nicht als Pendant zur französischen Front National an. Er bezeichnet die Rechtsextremen in der Partei als eine Minderheit, der viel Aufmerksammkeit zuteil werde. Er selbst spricht sich für eine rechtskonservative Ausrichtung der Partei aus.

Der Sprecher der Bundespartei, Jörg Meuthen, reagierte auf den eingangs erwähnten Schulterschluss mit der rechtspopulistischen Elite Europas in einem Interview mit dem ZDF (ZDFzoom: Die AfD - Innenansichten einer Protestpartei vom 01.03.2017) ebenfalls mit Unverständnis. Dieser sei laut ihm auch nur auf Bestreben von Macus Pretzell und Frauke Petry zustandegekommen. Sein Verständnis der AfD als patriotische und marktwirtschaftliche Partei weicht ab von anderen rechtspopulistischen Parteien Europas, die er als nationalistisch und protektionistisch bezeichnet und somit auch eher dem Extremismus zuordnet.

Der zukünftige Erfolg der Partei hänge laut ihm auch vorrangig davon ab, ob der politischen Öffentlichkeit gezeigt werden könne, dass man es im Fall der AfD mit einer patriotischen und konservativen Partei, jedoch keineswegs mit einer dem Rechtsextremismus zuzuordnenden Partei zu tun hat. Er selbst hatte jedoch in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen gemeint: "Wenn die NPD vernünftige Vorschläge macht, würden wir genauso wenig gegen sie stimmen, wie wenn das bei den Linken der Fall wäre." Eine klare Distanzierung blieb also auch von ihm aus.

Rechtsextreme Ansichten innerhalb der Wählerschaft?

Wie jede andere Partei muss sich die AfD in ihrem politischen Kurs auch dem anpassen, was die Wählerschaft von ihr erwartet beziehungsweise fordert. Auf die politischen Ziele der AfD bezogen ist es kein Geheimnis mehr, dass diese vor allem die kulturellen und wirtschaftlichen Ängste vieler Bürger schürt, die dann in der Folge zu einem rassistischen und nationalistischen Denken und Verhalten führen können.

In einer Studie der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung im Zeitraum vom 16. Juni 2014 bis zum 9.August 2014 mit rund 2000 Teilnehmern, auf die unter anderem der Spiegel Bezug nahm, ließ sich feststellen, dass es unter AfD-Sympathisanten eine höhere Tendenz hin zu rassistischen und homophoben Ansichten gibt. Auf die gesamte Bevölkerung bezogen sei damals schon eine Tendenz nach Rechts innerhalb der Mitte der Gesellschaft zu erkennen gewesen. 10,1 Prozent waren tatsächlich der Auffassung, den Machenschaften Hitlers seien auch positive Dinge abzugewinnen gewesen, und 11 Prozent schlossen sich der These an, Deutschland solle wieder einen starken Führer haben, der das Land zum Wohle Aller mit einer starken Hand regiert.

Laut dem Herausgeber und Leiter des FES-Projekts gegen Rechtsextremismus, Ralf Melzer, lasse sich unter den AfD-Sympathisanten im Vergleich zum Gesamtergebnis auch eine erhöhte Tendenz hin zum Chauvinismus und einer Verharmlosung der NS-Zeit feststellen. Auch der Anspruch auf Vorrechte für die "wahren Deutschen" seien genauso erkennbar gewesen wie ein erhöhtes sexistisches und fremdenfeindliches Denken.

Auch die These der Rechtmäßigkeit der sozialdarwinistischen These des "survival of the fittest" fand unter den AfD-Zugewandten eine erhöhte Zustimmung. Man könnte im Umkehrschluss überspitzt formuliert in diesen Kreisen also vermehrt von einem Meinungsbild ausgehen, dass qualitativ hochwertiges von minderwertigem Leben unterscheidet. Die Grundvoraussetzungen für eine rechtsextremistische Parteiideologie scheint also seitens der Wähler zumindest zu einem gewissen Teil gegeben.

Aus der Analyse der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern vom 4. September 2016 geht laut dem Spiegel des Weiteren hervor, dass etwa 20.000 ehemalige NPD-Wähler ihre Stimme dieses Mal der AfD gegeben haben. Die Partei schaffte es zudem, 56.000 Nichtwähler zu mobilisieren. Die Annahme, es handele sich hierbei zu einem Großteil um sogenannte Protestwähler, die mit ihrer Stimme für die AfD in erster Linie den etablierten Parteien eins auswischen wollten, wird einem hier zumindest nahegelegt. Gestützt wird diese These davon, dass es auch 18.000 Überläufer von der Linken zur AfD gab und diese zuvor den Status der Protestpartei inne hatte. 

Zusammenfassung der Erkentnisse und eigene Stellungnahme zur Fragestellung

Die Analyse des Grundsatzprogramms ließ durchaus rechte Tendenzen festellen und vermittelte nicht gerade das zahme Bild, das die AfD gerne zu vermitteln versucht. Die Erkentnis, dass unter den Bürgern in Bezug auf deren Herkunft und Religionszugehörigkeit Unterschiede gemacht werden, ist auf alle Fälle besorgniserregend. Auffällig ist auch, dass sich die Partei mit dem öffentlichen Eingeständniss der eigenen Intoleranz gegenüber dem Islam selbst wiederspricht, da sie sich ja doch eigentlich zu Demokratie und Weltoffenheit verpflichtet sieht.

Die Bezugnahme auf ihre Feindbilder ist im Grundsatzprogramm der AfD allgegenwärtig. Der Umgang mit diesen erfolgt nicht auf eine differenzierte, sondern auf eine populistische Art und Weise, die extreme Ansichten nicht ausschließt.

Auch die Rückführung hin zu einem traditionellen Familienbild mit klar getrennten Männer- und Frauenaufgaben, sowie das Wiederauflebenlassen der "guten alten deutschen Traditionen" hinterlassen beim neutralen Beobachter zumindest einen faden Beigeschmack.

Neben den typisch populistischen Themen wie dem Anti-Establishment-Gedanken und dem Thema Lobbyismus erhalten also vor allem in der Gesellschaft weit verbreitete Feindbilder eine hohe Aufmerksamkeit im Grundsatzprogramm.

Die unterschiedlichen innerparteilichen Auffassungen, was die Zusammenarbeit mit Europas an der Grenze zum Extremismus stehenden Parteien betrifft, legt einem zumindest den Schluss nahe, dass sich die AfD selbst noch in einer Art Findungsphase bezüglich ihrer Ausrichtung befindet.

Auch innerhalb der einzelnen Landesverbände lassen sich klare Unterschiede feststellen. Während die Landesverbände der AfD in Thüringen, Sachsen und auch Mecklenburg-Vorpommern überdurchschnittlich hohe völkische und nationalideologische Tendenzen aufweisen, versteht sich beispielsweise der Landesverband Rheinland-Pfalz eher als rechtmäßiger Erbe der konservativen Christdemokraten.

Die Tatsache, dass es innerhalb der AfD geschichtsrevisionistische (bis hin zur Leugnung des Holocaust) Stimmen gibt, muss einem ebenfalls zu denken geben. Dass ein Parteimitglied nach dem Bekanntwerden seiner antisemitischen schriftstellerischen Vergangenheit nicht aus der Partei ausgeschlossen wird, spricht für sich. Fairerweise muss man jedoch auch sagen, dass es auch in anderen Parteien derartiges Gedankengut gab oder eventuell heute sogar noch gibt.

Die AfD stellt zumindest für einen Wähler mit rechtslastigen Ansichten zweifelsohne aktuell die erfolgversprechendste Alternative dar. Dies zeigt zumindest die Analyse der Wählerwanderung von der NPD hin zur AfD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Ob es jedoch im Sinne einer gesunden und lebhaften Demokratie ist, auch der Wählerschaft mit völkischen beziehungsweise rassistischen Ansichten ein Sprachrohr zu verleihen, sei an dieser Stelle dahingestellt. Ganz verschwinden werden derartige Ansichten wohl nie, sodass man sich vor allem darum kümmern sollte, dass sie sich nicht zu sehr in der Gesellschaft verbreiten.

Wünschenswert bleibt, dass die Partei zukünftig dazu gezwungen wird, einen konservativeren Weg einzuschlagen und es schafft, ihre rechtsextremen Parteiangehörigen und Wähler hinter sich lassen. Andernfalls bleibt zu hoffen, dass ein zunehmend extremistisches Auftreten der Partei dafür sorgen wird, dass diese schneller wieder von der Bildfläche verschwindet, als sie aufgetaucht ist. 

Rückschlüsse auf den richtigen Umgang mit der AfD

Ganz egal wie sich die Partei weiterentwickelt, der demokratische Konkurrenzkampf ist und bleibt die einzige Möglichkeit der Eindämmung von rechtspopulistischen und rechtsextremen Einflüssen auf Gesellschaft und Politik. Dieser muss seitens der etablierten Parteien vor allem dadurch aufgenommen werden, dass sie sich auch unangenehmen gesellschaftlichen Themen wie zum Beispiel dem richtigen Umgang mit dem Islam und der steigenden sozialen Ungerechtigkeit in Verbindung mit der voranschreitenden Globalisierung stellen.

Das war nach Ansicht vieler zuletzt nicht der Fall, weswegen sich die Bürger zunehmend von der Politik abgewandt haben, was einen Aufstieg der AfD in ihrer jetzigen Form überhaupt erst möglich gemacht hat. Auch ein hohes Maß an politischer Bildung mit dem Ziel der Urteilsfähigkeit könnte präventiv dafür sorgen, dass Populisten gar nicht erst die Aufmerksamkeit zuteil wird, die sie benötigen.

Aussagen, die suggerieren, jeder Parteiangehörige sowie Wähler der AfD sei ein Nazi, sind in jedem Falle ein Riegel vorzuschieben, da diese die Gesellschaft in ihrer Auffassung von der rechtspopulistischen Partei mit den extremen Tendenzen wohl eher spalten als vereinen würde. Zudem würde sich die Partei hierdurch in ihrer Opferrolle bestätigt sehen. 

Literatur

AfD Grundsatzprogramm für Deutschland http://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/sites/111/2017/01/2016-06-27_afd-grundsatzprogramm_web-version.pdf

Magazin Compact/ Ausgabe 03/17 

Videoquellen

Internetquellen
  • http://www.spiegel.de/politik/deutschland/mecklenburg-vorpommern-woher-die-afd-waehler-kamen-a-1110521.html
  • http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-08/afd-npd-joerg-meuthen-mecklenburg-vorpommern
  • http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-02/afd-frauke-petry-kritik-marine-le-pen-bjoern-hoecke
  • http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/afd892_page-1.html
  • http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/afd892_page-2.html http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/antisemitische-thesen-von-afd-abgeordneten-gedeon-14268327.html
  • http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2016/AfD-Spitzenkandidat-handelt-mit-Hakenkreuzen,afdsaarbruecken100.html
  • http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/islamkritik-petry-fordert-minarett-verbot-in-deutschland-14206046.html
  • http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/warum-satz-islam-gehoert-nicht-zu-deutschland-sinnlos-ist-14220186.html
  • http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/landtagswahlen-2016/afd-fuer-kooperation-mit-npd-die-maske-ist-gefallen-nazis-helfen-nazis/14477778.html
  • http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-rechts-rechtspopulistisch-rechtsradikal-rechtsextrem-14430780.html
  • http://www.deutschlandfunk.de/streit-in-der-afd-rechtsextreme-parteimitglieder-rauswerfen.694.de.html?dram:article_id=321549
  • https://www.welt.de/politik/deutschland/article157952647/Die-meisten-Waehler-holte-die-AfD-von-CDU-und-NPD.html
  • http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-rechts-rechtspopulistisch-rechtsradikal-rechtsextrem-14430780.html
  • http://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-beatrix-von-storch-wird-im-netz-verspottet-a-1076209.html

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