Mittwoch, 29. März 2017

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Wer ist Geert Wilders?

Blonde Föhnfrisur, ein meist unnatürlich wirkendes Lächeln auf den Lippen und immer eine provokative Bemerkung auf der Zunge, die nicht selten Grenzen überschreitet. Knappe Twitter-Mitteilungen, die es trotz ihrer wenigen Worte in sich haben und neben zahlreichen fragwürdigen Aktionen und Äußerungen Grund für eine enorme mediale Aufmerksamkeit sind. Eine auffallende und nicht ganz einfach zu durchschauende Persönlichkeit, die durch Emotionalisierung und Polarisierung sowie eine vermeintliche „Nähe zum Volk“ zahlreiche Menschen in ihren Bann gezogen hat und so erstaunlich viele Wähler mobilisieren konnte. Gemeint ist der niederländischen Politiker Geert Wilders. Zugegebenermaßen treffen auch all diese Charakteristika auf den amtierenden amerikanischen Präsidenten, Donald John Trump, zu.

In den vergangenen Wochen und Monaten haben diese beiden Männer regelmäßig für Schlagzeilen in den Medien sowie für Aufregung in gesellschaftlichen Diskursen gesorgt. Eines von vielen Beispielen ist der Versuch der amerikanischen Regierung, ein Einreiseverbot in die USA für Menschen mit Staatsbürgerschaft aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern durchzusetzen. Diese Idee stieß weltweit auf große Kritik. Geert Wilders hingegen begrüßte Trumps Initiative und war der Meinung, Amerika habe nun endlich einen Präsidenten, der seine Wahlversprechen wahrmachen und die Sicherheit seiner Bürger an die erste Stelle setzen würde.

Im Kontext von Brexit, der Wahl Donald Trumps im vergangenen November sowie dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa hat die Öffentlichkeit am 15. März 2017 gespannt auf die Wahlen in den Niederlanden geschaut. Es bestand die Befürchtung, dass ein Sieg auf Seiten Geert Wilders andere Rechtspopulisten, wie beispielsweise Marine Le Pen vom Front National oder die Mitglieder der AfD, für die bevorstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland ermutigen würde und sie in ihrer Meinung, sich mit ihren populistischen Programmen auf der Siegesstraße zu befinden, bestärken könnte.

Auch wenn die PVV bei den Parlamentswahlen vergangene Woche letztlich weniger Stimmen als erwartet erlangte, hat es Geert Wilders trotzdem geschafft, wie er selbst in einem Interview äußerte, den Wahlen seinen Stempel aufzudrücken, womit er nicht ganz unrecht haben dürfte. In der medialen Berichterstattung hatte sich im Vorhinein alles um ihn und Mark Rutte, den Vorsitzenden der VVD, gedreht. Rutte hatte auf die erschreckend guten Umfragewerte der PVV reagiert und versucht, Wählerstimmen am rechten, islamfeindlichen Rand zu gewinnen. So schrieb er in einem Brief an „alle Niederländer“, der in den wichtigsten Zeitungen des Landes zu lesen war: „Verhaltet euch normal oder geht.

Die eigentlichen Adressaten seiner mahnenden Worte waren Einwanderer und Flüchtlinge, die sich seiner Ansicht nach nicht an die Gesetze oder gesellschaftlichen Normen halten. 
Geert Wilders geht jedoch noch viel weiter. Er möchte eine Steuer auf Kopftücher einführen, die Moscheen schließen, Flüchtlinge und Muslime ausweisen, den Ausstieg aus der EU vorantreiben und die Niederlande „great again“ machen. Wilders wilde Wahlversprechen und sein Vorgehen im Wahlkampf sowie seine Affinität dafür, Twitter und andere soziale Netzwerke sowie die mediale Berichterstattung für seine Zwecke zu nutzen, erinnern in vielerlei Hinsicht an das Vorgehen Donald Trumps. 

Die Frage nach der Vergleichbarkeit von Geert Wilders mit dem US-amerikanischen Präsidenten wurde in den vergangenen Wochen im Vorfeld der niederländischen Parlamentswahlen häufig gestellt. Auffallend ist, dass nicht nur die niederländischen und westeuropäischen Medien über den Mann mit den strahlend blonden Haaren berichtet haben. Geert Wilders hat es wie wohl kaum ein anderer niederländischer Politiker geschafft, auch die Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf sich zu ziehen.

Er ist schon lange weit über die niederländischen Landesgrenzen hinaus bekannt. "Bei einem seiner wenigen Wahlkampfauftritte Mitte Februar in der Nähe von Rotterdam warteten amerikanische, chinesische und russische Fernsehteams." Besonders die amerikanischen Medien bezeichnen ihn gerne als den niederländischen Donald Trump. Wilders und Trump vereint eine provokative, populistische Rhetorik, durch die sowohl der amtierende Präsident als auch der niederländische Populist mit indonesischen Wurzeln in den vergangenen Monaten in den Medien permanent präsent waren.

Wilders selbst bejaht die Frage, ob er der niederländische Trump sei, in Interviews zwar nicht, aber ihm scheint der Vergleich mit dem Präsidenten auch nicht zu missfallen. Er begrüßt es, einen Gleichgesinnten im Amt des mächtigsten Mannes der Welt zu sehen. So veröffentlichte Wilders am 9. November 2016 seine Glückwünsche zu Donald Trumps Präsidentschaftssieg auf seinem offiziellen Blog: 
Congratulations America!
Yesterday, in the biggest democracy on earth, we witnessed a political revolution. The American people sent a powerful message to the world: Enough is enough, we want to be free again, we want to be great again! Against the media, against the establishment, against the elites, against all the odds, Donald Trump won the American elections.
 
Doch verfolgen Trump und Wilders tatsächlichen dieselben politischen Ziele? Kann man ihre Wahlkampfstrategien als ähnlich bezeichnen? Und genügen Patriotismus, eine polarisierende Rhetorik sowie eine Anti-Islam-Haltung als Kriterien, um alle rechtspopulistischen Politiker in dieselbe Schublade zu stecken? Im folgenden sollen der politische Werdegang von Geert Wilders, die mediale Aufmerksamkeit um seine Person sowie seine Partei und deren Wahlprogramm, insbesondere die „De-Islamisierung Europas“, skizziert werden. So soll eine mögliche Antwort darauf, wer die politische Figur Geert Wilders ist, wofür er steht und ob er eine Art holländischen Donald Trump verkörpert, gefunden werden. 

Amateur oder Profi? 

Der milliardenschwere Großunternehmer Donald Trump gilt als politischer Quereinsteiger. Dies betont er selbst gerne und oft, wenn er als "Mann des Volkes" gegen die „korrupten Eliten“ wettert. Auch wenn Geert Wilders ebenso die „arroganten Eliten“ für Missstände im eigenen Land verantwortlich macht, ist er selbst alles andere als ein Politik-Außenseiter, denn Wilders sitzt seit 19 Jahren im niederländischen Parlament.

Bereits Mitte der 1980er Jahre wurde er Mitglied der wirtschaftsliberalen Volkpartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), 1990 wurde er Fraktionsmitarbeiter der selbigen. Dies sollte der Beginn einer langen Karriere im niederländischen Parlament sein. Bei der VVD erhielt er seine politische Ausbildung, er lernte Netzwerke aufzubauen, zu debattieren sowie Reden zu schreiben.

Er fiel immer durch seinen großen Arbeitseifer und enormen Ehrgeiz auf. In seiner Freizeit absolvierte er verschiedene Praktika und Arbeitsbesuche bei ausländischen Einrichtungen, die sich mit dem Mittleren Osten beschäftigten. 1998 zahlten sich seine Anstrengungen aus, er wurde Mitglied der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments. „Politisch wird Wilders in dieser Zeit von den Medien – aber auch von sich selbst als Verteter des konservativen Liberalismus Frits Bolkesteins, seinem politischen Mentor, eingeordnet.“ (Vossen 2001, S.84)
„Bolkestein machte sich einen Namen, indem er als einer der ersten den Multikulturalismus der niederländischen Minderheitspolitik anprangerte. Anstatt sich von einem progressiven Kulturrelativismus leiten zu lassen, müsse die politische Elite einerseits die Überlegenheit der westlichen Werte betonen und andererseits die weit verbreiteten Gefühle der autochthonen Einwohner ernst nehmen.“  (Vossen 2011, S. 84)
Im Sinne dieses neuen Realismus kritisierte Wilders den Missbrauch des Arbeitsunfähigkeitsgesetzes sowie die Dominanz der linken Parteien und der Gewerkschaften. Unter der Führung von Hans Dijkstal rückte die VVD langsam wieder in die politische Mitte, und die Themen Immigration und Integration traten in den Hintergrund.

Diese Entwicklung, gepaart mit einem akuten Gefühl der Bedrohung nach den Anschlägen vom 11. September 2001, boten dem ehemaligen Sozialwissenschaftler Pim Fortuyn einen geeigneten Rahmen, mit seinen radikalen Einstellungen zum Islam und zur Asylpolitik der Niederlande einen politischen Durchbruch zu erzielen. Pim Fortuyn wurde am 6. Mai 2002 von einem niederländischen Tierschutz- und Umweltaktivisten ermordet. Trotzdem oder gerade deshalb erzielte seine Partei, die Lijst Pim Fortuyn, kurz darauf 17 Prozent der Stimmen bei den Wahlen im Mai 2002. Die VVD hingegen verlor nahezu 10 Prozent.

Das Wahldebakel sowie das Empfinden einer wachsenden Bedrohung führten dazu, dass sich Wilders zunehmend für eine neokonservativ gefärbte Agenda stark machte. Die Zeit von 2002 bis 2006 bezeichnet Koen Vossen daher als „neokonservative Phase“. In dieser Zeitspanne lässt sich eine klare Radikalisierung Geert Wilders bezüglich seiner Einstellung zum Islam und  einer drohenden „Islamisierung Europas“ feststellen.

Dies spiegelt sich gut erkennbar in seinen Aussagen wider. So wandte er sich bis 2001 nur gegen den radikalen, politischen Islam und distanzierte sich von Fortuyns Analyse des Islam als einer zurückgebliebenen Kultur. In den darauffolgenden Jahren spricht er jedoch immer häufiger von einer vom Islam ausgehenden Bedrohung für die westliche Welt. Er betrachtet den Islam immer weniger als Religion und immer mehr als eine faschistische, totalitäre Ideologie. Gemeinsam mit der Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali rief Wilders im Jahr 2004 zu einem liberalen Dschihad gegen den auch in Europa vorrückenden Islam auf. „Hierfür seien, so Hirsi Ali und Wilders, eine Veränderung der niederländischen Politik und die Einschränkung religiöser Freiheiten notwendig.“ (Vossen 2011, S. 90)

2004 verließ Geert Wilders die VVD und damit sein langjähriges politisches Zuhause, behielt jedoch seinen Parlamentssitz als Ein-Mann-Fraktion namens „Groep Wilders“. Am 2. Februar 2006 gründete er seine eigene Partei, die Partij voor de Vrijheid (PVV). Im selben Jahr konnte die Partei aus dem Stand 5,9 Prozent der Stimmen erzielen, was neun Parlamentssitzen entsprach.

Koen Vossen ordnet die ideologische Prägung von Wilders seit 2006 als eine nationalpopulistische ein. Tatsächlich lassen sich einige Veränderungen in Wilders' Reden und seinen Standpunkten feststellen. Kernelemente des Nationalpopulismus sind die Ablehnung von Zuwanderung sowie von supranationaler Zusammenarbeit (vgl. Vossen 2011, S. 93). Grund für diesen Widerstand ist die Befürchtung, die nationale Identität sei durch den Zustrom von Immigranten bedroht und die Souveränität durch supranationale Bindungen eingeschränkt.

Ein weiteres Kennzeichen des Nationalpopulismus ist der häufige Bezug auf "das Volk" als Gegenspieler zu den "korrupten Eliten". Der Populismusforscher Cas Mudde führt als ein weiteres Merkmal den Hang zu Autoritarismus an. Im Gegensatz zu den Neokonservativen, für die ökonomischer Liberalismus eine zentrale Rolle spielt, sehen Nationalpopulisten wirtschaftliche Fragen als weniger bedeutsam an.

Wilders zeigt sich in den Jahren nach 2006 nicht nur zunehmend islamfeindlich, sondern stellt auch die Interessen des Nationalstaates vermehrt in den Mittelpunkt, nimmt eine ablehnende Haltung gegenüber internationaler Zusammenarbeit ein, er weist Veränderungen in seinem Sprachgebrauch auf und positioniert sich in wirtschaftlichen und ökonomischen Fragen weiter links. Wie sich dies konkret in den Inhalten der PVV äußert, soll später näher erläutert werden.

Bei den Parlamentswahlen 2010 wurde die PVV mit 15,5 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft in der zweiten Kammer und nimmt seither eine Schlüsselrolle, besonders in der Funktion als Opposition, ein. Die PVV hat weder einen Parteitag noch Ortsvereine oder eine Jugendorganisation.

Die jahrelange Erfahrung in Politik und Parlament zeigt sich deutlich in Wilders Redegewandtheit. Auch wenn er, wie Trump, häufig komplexe Zusammenhänge extrem vereinfacht darstellt, ist er doch ein begabter Redner. Die FAZ schrieb:
"Das hat er zuletzt beim Treffen der ENF-Fraktion im Europäischen Parlament und der AfD in Koblenz gezeigt. Wilders kennt den schmalen Grat zwischen zulässiger Polemik und Hetze sehr genau. Jeder Übertritt folgt, so scheint es, einem genauen Kalkül."
Trump hingegen wirkt mit seinen Überschreitungen häufig impulsiv. Er versteht es zwar ebenfalls, sein Publikum mitzureißen und mit einfachen Parolen zu animieren, jedoch wirkt er gleichzeitig häufig unüberlegt und unprofessionell. In diesem Punkt ist ihm Wilders überlegen, der sich immer gekonnt den Fragen von Reportern stellt. Ein gutes Beispiels ist dieses Interview, das im Europamagazin des Ersten erschien. 

Die Ein-Mann-Show

Sowohl Geert Wilders als auch Trump inszenieren sich häufig als Einzelgänger im Kampf gegen das "korrupte Establishment" und den Terror. An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass die Grundvoraussetzungen im Fall Wilders ganz andere als bei der Wahl Donald Trumps waren. Geert Wilders kandidierte nicht für das Amt des Präsidenten. Umso erstaunlicher ist es, dass in der medialen Berichterstattung beinahe dieses Bild vermittelt wurde: Rutte gegen Wilders im Duell. Wilders versteht es, sich gekonnt zu inszenieren und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Es ist ihm gelungen, sich größer darzustellen, als er eigentlich ist.

Sowohl Wilders als auch Trump setzen auf Provokation und Angriff anstelle von Kompromissen und Kooperation. Trumps populistischer Kurs bedeutet, nur er alleine hat Recht und auch nur er kennt die Lösung für alle Probleme. Widerspruch ist nicht vorgesehen und wird auch nicht geduldet. Ebenso ungern lässt sich Geert Wilders auf Diskussionen ein, und er erhebt den Anspruch, mit seinen Aussagen immer den Kern der Wahrheit zu treffen.

Er ist in vielerlei Hinsicht ein Einzelkämpfer. Nachdem er als Ein-Mann-Fraktion im Parlament vertreten war, gründete er die PVV, deren einziges offizielles Mitglied Geert Wilders heißt. Genau genommen hat die Partei tatsächlich noch ein zweites Mitglied, die Stiftung Geert Wilders, dessen einziger Vorstand Geert Wilders ist. Dieser skurrile Umstand ist der niederländischen Gesetzgebung geschuldet und vollkommen rechtens.

Wilders ist der Überzeugung, dass die meisten Parteien aufgrund innerer Streitigkeiten und Unstimmigkeiten keinen Bestand haben können. Dem wirkt er entgegen, indem es in der PVV keine demokratischen Strukturen gibt. Er will selbst die ungeteilte Kontrolle behalten, weshalb er nur eine äußerst kleine Gruppe Vertrauter um sich hat.

Doch nicht nur in seiner Partei ist er alleine, auch privat führt er ein äußerst isoliertes Leben, denn er steht unter ständigem Polizeischutz und lebt an einem unbekannten Ort. In einem Interview mit dem Spiegel äußerte sich sein Bruder darüber, wie die soziale Isolation Einfluss auf Wilders nimmt. Wilders ist ein (politischer) Einzelgänger und vertraut nur auf sich selbst.

GROßE WORTE – einfache Botschaften

Als Brücke zwischen Wilders Zurückgezogenheit und seinen Wählern dient ihm Twitter. Sowohl Trump als auch Wilders wissen, wie sie die mediale Berichterstattung und die sozialen Netzwerke für die eigenen Zwecke gewinnbringend nutzen können. An manchen Tagen teilt Donald Trump beinahe stündlich kurze Mitteilungen mit seinen über 26,4 Millionen Followern. Auch Geert Wilders hat Twitter zu seinem bevorzugten Sprachrohr gemacht. Beiden diente Twitter als wichtiges Medium im Wahlkampf sowie anschließend, um eine ständige Nähe zu den eigenen Anhängern und Wählern zu vermitteln.

Trump wie Wilders setzen auf kurze Mitteilungen in knappen Sätzen, gerne auch in Großbuchstaben und mit vielen Ausrufezeichen. So verlautbaren sie ihren Unmut über aktuelle politische Ereignisse, andere Politiker, die „Konsenselite“ oder häufig auch den Islam. Wilders reiht manchmal nur Schlagworte aneinander wie: "Griechenland / EU / Asylbewerber / Islam / Renten / Pflege: NL will etwas anderes. Zeit für eine - politische - Revolution!!"  Solche undifferenzierten Tweets lassen Raum für eine individuelle Auslegung und Interpretation, so kann sich jeder sein eigenes „anderes“ wünschen.

Wilders muss, um seine Internet-Popularität aufrechtzuerhalten, zu immer radikaleren und drastischeren Mitteln greifen. Welche Welle der Empörung und Aufmerksamkeit Wilders mit nur wenigen Klicks auslösen kann, zeigte sich, als er auf Twitter ein gefälschtes Bild verbreitete. Auf der Fotomontage war der Vorsitzende der Partei D66, Alexander Pechtold, inmitten von radikalen Islamisten zu sehen, die Schilder mit der Aufschrift „Der Islam wird Europa erobern“ hochielten. Dieses verfälschte Bild, dessen Original bereits 2009 bei Demonstrationen in Großbritannien aufgenommen wurde, veröffentlichte Wilders mit den Worten: „Pechtold demonstriert mit Hamas-Terroristen. Was ist der nächste Schritt?“

Pechthold nahm daraufhin auf seiner Facebook-Seite Stellung dazu, da er befürchtete, das Bild könnte für echt gehalten werden. Er war der Meinung, dass Wilders eine Grenze überschritten habe. Nicht nur Presse und Fernsehen berichteten davon, Wilders hat in den Niederlanden regelrecht eine Debatte über Falschmeldungen mit seinem Tweet ausgelöst. Wilders schafft es durch solche provokanten Aktionen, von sich reden zu machen und die etablierten Parteien und Politiker zu einer Reaktion zu zwingen.

Ein knapper Tweet scheint effizienter zu sein als eine lange Rede. Durch seine Popularität in den sozialen Medien kann er öffentliche Auftritte, Veranstaltungen oder Talkshows meiden. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die kostenlose Nutzung von Twitter. Da Wilders das einzige Mitglied seiner Partei ist, fehlen ihm auch die Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge. Trotz Spenden bleibt nicht viel Budget für Wahlkampagnen und Werbung übrig. Außerdem können über soziale Netzwerke in kürzester Zeit und mit nur wenigen Klicks Tausende oder wie bei Donald Trump sogar Millionen Menschen erreicht werden. 

Lykle de Jong meint, „Twitter ist das ideale Kommunikationsmittel für Populisten“. Neben der Nähe zum Volk und der stark reduktionistischen Komponente spricht hierfür, dass sowohl Trump als auch Wilders Twitter als kommunikative Einbahnstraße verwenden. Sie lassen sich kaum auf Debatten oder Diskussionen ein.

Wilders ist dafür bekannt, Kritiker einfach zu verbannen und auf seinem Twitter-Account zu sperren. Sogar seinen eigenen Bruder soll er gesperrt haben. Dieser hatte ihn wegen der Veröffentlichung einer Fotomontage von Angela Merkel mit blutverschmierten Händen einen Tag nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 öffentlich kritisiert.

Auch Trump lässt sich nicht auf Diskussionen ein, sondern stellt seine Gegner und Kritiker als böswillige Feinde dar, beleidigt sie oder greift sie offen an. Insbesondere die Presse hat er bereits des öfteren wegen angeblicher „fake news“ zur "Lügenpresse" dämonisiert. Aber auch die Justiz und die „korrupte Elite“ sind bereits zum Angriffsziel seiner einfachen, polarisierenden Twitter-Mitteilungen geworden. 

Es lassen sich zahlreiche stilistisch wie inhaltlich populistische Züge in diesen Mitteilungen finden. Ein besonders häufiges Motiv ist Patriotismus. „America first“ hat Trumps Wahlkampf dominiert und seine Ambitionen, die USA „great again“ zu machen, dürften nun weltweit bekannt sein.



Auch Wilders hat diese patriotischen Botschaften aufgegriffen und twitterte „make the Netherlands great again“. Diese Rückbesinnung auf konservative, traditionelle Werte sowie die damit einhergehende Kritik an Immigration, Globalisierung und der weltweiten Vernetzung in Form internationaler Organisationen und Institutionen sind ein Hauptmerkmal der politischen Agenda von Wilders und Trump.

America first and make the Netherlands great again!

Windmühlen, idyllische Landschaftsaufnahmen von Tulpenfeldern, Ostereier und der Nikolaus - Wilders arbeitet in seinen Werbefilmen und Wahlspots viel mit typischen Klischeebildern der Niederlande. Er vermittelt die Botschaft, dass diese Traditionen, welche die Identität der Niederländer ausmachen würden, durch Immigration und die drohende "Islamisierung Europas" gefährdet seien. Sowohl Wilders als auch Trump setzen sich für die Stärkung der nationalen Identität und die damit verbundenen traditionellen gesellschaftlichen Werte ein.  

Die PVV möchte die Position der Niederlande stärken und plädiert zudem für eine Politik, welche die nationale Kultur schützt und fördert. Die nationalen Interessen sowie die Souveränität der Niederlande können laut der PVV nur dann gestärkt werden, wenn sich der Einfluss der EU „auf niederländische Angelegenheiten“ reduziert. Um dies zu erreichen, würde Wilders auch den Austritt aus der EU begrüßen.

Er betont, dass er die Niederlande wirtschaftlich nicht isolieren möchte, die Strukturen der EU jedoch hinderlich für die wirtschaftliche und politische Entfaltung seines Landes seien. Dass er damit auch die Handelsstärke der Niederlande, die maßgeblich zu ihrem wirtschaftlichen Wohlstand beiträgt, in Frage stellt, lässt ihn unbeeindruckt. Er kritisiert regelmäßig zu hohe Kosten und eine zu geringe Transparenz der EU-Institutionen.

Außerdem spricht sich Geert Wilders schon seit vielen Jahren strikt gegen den EU-Beitritt der Türkei aus. Auch Trump stellt die Interessen und Werte des Nationalstaates stark in den Mittelpunkt seiner Politik. Dies geht mit einer zunehmenden Skepsis und Ablehnung gegenüber internationaler Zusammenarbeit einher, im Falle Wilders meint dies die Ablehnung der europäischen Integration (vgl. Vossen 2011, S. 94), den „Nexit".

Die außenpolitische Agenda der PVV wird vor allem vom Kampf gegen den Islam bestimmt. Wilders möchte die diplomatischen Beziehungen mit den meisten islamischen Ländern unterbinden. Außerdem lehnt die PVV die Teilnahme der Niederlande an internationalen militärischen Missionen ab. Allerdings nimmt Wilders eine besondere Position in Bezug auf den Nahost-Konflikt und Israel ein.

Seine Leidenschaft für das jüdische Land stammt noch aus seiner Jugend. Er hat mehrere Jahre dort verbracht und fühlt seither eine tiefe Verbundenheit mit Israel. Außerdem ist seine ausgeprägte Sympathie für die USA auffallend. Er war bereits bei mehreren einschlägigen anti-islamistischen Veranstaltungen als Redner sowie als Gast in den USA anwesend. Unter anderem traf er dort Richard Perle, „einen Vordenker des zweiten Irakkriegs“. 

Im Mittelpunkt steht immer die vermeintliche Bedrohung der nationalen Identität durch äußere Einflüsse wie Immigration, den Islam, die Globalisierung, internationale Organisationen und „falsche“ Entscheidungen der etablierten Elite. Um auf die bereits erwähnten Klischeebilder in Wilders Werbemaßnahmen zurückzukommen, soll die Frage gestellt werden, wie jene Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Normen zu erklären ist. Können durch diese Strategie Wähler mobilisiert werden?

Scheinbar ja, denn viele fühlen sich trotz der guten wirtschaftlichen Lage und der niedrigen Arbeitslosenzahl in den Niederlanden abgehängt. In einer globalisierten, zunehmend komplexer werdenden Welt müssen essenzielle Fragen nach Orientierung, Halt und Sicherheit neu definiert werden. Auch wenn die Zahlen faktisch für eine gute wirtschaftliche Lage sprechen, sind viele Wähler durch offene Grenzen, Immigration und Terror tief verunsichert, sowohl in sozialer als auch in kultureller Hinsicht.

Diese Unsicherheit bietet einen guten Anknüpfungspunkt für rechtspopulistische Parteien und Leader wie Geert Wilders. Er vermischt die irrationalen Ängste seiner Wähler mit realen Problemen. Außerdem gibt er einfache Antworten auf komplexe Fragen und bietet durch eine Rückbesinnung auf traditionelle, heimatliche Werte Halt und Orientierung.

Jedoch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass es sich bei der Wählerschaft keineswegs um eine homogene Gruppe handelt, die durch dieselben Argumente überzeugt werden könnte. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die PVV, sondern auch in Bezug auf das Wahlverhalten der Anhänger rechtspopulistischer Parteien in ihrer Gesamtheit. Auch wenn Wilders, Marine Le Pen und Trump auf ähnliche Strategien und populistische Mittel zurückgreifen, um ihre Wähler zu mobilisieren, und sich diese in ihrer Angst vor Immigration, Globalisierung und Komplexität vereinen mögen, stellen sie doch eine äußerst heterogene Gruppe dar. Die Individuen dieser Gruppe haben unterschiedliche Motive und Gründe, ihre Stimme nicht den etablieren Parteien, sondern den populistischen Parteien zu geben.

Das Erstarken rechtspopulistischer Parteien erklärt der niederländische Politologe Cas Mudde als „Postmaterialismus“. „Den Holländern geht es wirtschaftlich so gut, dass sie die Grundlagen dieses Wohlstands nun wieder infrage stellen können.“ Dies würde erklären, weshalb rechtspopulistische Parteien vor allem in wirtschaftlich stabilen Ländern Zulauf erhalten.

Neben zahlreichen patriotischen Äußerungen zählen auch direkte Verweise auf das Volk - und zwar das „wahre Volk“ - zu einer überzeugenden populistischen Rhetorik. Trump sprach bei seiner Antrittsrede von dem "Tag, an dem das Volk wieder zum Herrscher der Nation wird". Der Tag, ab dem nur noch gelte: "Amerika zuerst, Amerika zuerst". Nach Trumps Vorstellung kann die gespaltene Gesellschaft nur dann vereint werden, wenn man sein „Herz für den Patriotismus öffnet“. Auch Geert Wilders verwies im Laufe der letzten Jahre häufiger auf das Volk und "den Willen des Volkes" als rechtschaffene Instanz gegen die Eliten.

Wilders verspricht seinen patriotischen Wählern: „Die Niederlande den Niederländern“. Doch wer zählt als Niederländer und wer gehört nicht dazu? Eines ist für Wilders klar, der Islam gehört nicht zu den Niederlanden. Bedeutet dies konsequent zu Ende gedacht, dass Muslime keine Niederländer sein können?

Von Moschen, Mauern und Marginalisierung

„In seinen Reden, Kommentaren und Interviews zeigt Wilders eine immer radikaler werdende Variante von Islamophobie“ (Voessen 2011, S. 93). Geert Wilders vertritt die Meinung, es gäbe keinen gemäßigten Islam, daher sei es sinnlos, zwischen einem religiösen und einem politischen Islam zu differenzieren.

Wilders weicht Vorwürfen des Rassismus aus, indem er den Islam zu einer totalitären, zur Gewalt aufrufenden Ideologie erklärt, die bekämpft werden müsse. Dies hat er sich zur Lebensaufgabe gemacht, auch wenn sein Kampf gegen den Islam mit der Bedrohung seines eigenen Lebens einhergeht. Sein Name steht bei unterschiedlichen terroristischen Gruppen auf der Todesliste, er hat bereits mehrmals ernstzunehmende Morddrohungen erhalten und lebt unter ständigem Polizeischutz.

Ende Februar 2017 hatte Wilders aus Sicherheitsgründen alle Wahlkampf-Auftritte abgesagt, da einer seiner Sicherheitsbeamten Informationen über ihn an eine niederländisch-marokkanische Bande weitergegeben haben soll. Vielleicht durch dieses Gefühl der ständigen Bedrohung gefördert, ist der Islam für Wilders nicht mit den "überlegenen westlichen Werten" vereinbar. Daher spricht er sich sogar für ein Islamverbot in den Niederlanden aus. Trump möchte eine Mauer um ganz Mexiko bauen, Wilders hingegen möchte die Moscheen in den Niederlanden „zumauern“.

Sein oberstes Ziel ist es, den Islam zu „stoppen“. Er fordert ein Koran-Verbot, die Schließung islamischer Schulen, den Stopp des Baus von Moscheen, einen dauerhaften Einwanderungsstopp für Menschen aus muslimischen Ländern, keine Subventionen für islamische Medien und Institutionen, ein Kopftuchverbot in verschiedenen Funktionen und öffentlichen Gebäuden, eine Kopftuchsteuer, ein Verbot des Koran-Unterrichts in Schulen sowie die sofortige Ausweisung von schlecht integrierten Immigranten und Kriminellen mit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Außerdem hat er 2008 den islamfeindlichen Kurzfilm „Fitna“ produziert und veröffentlicht, der ihm viel Kritik einbrachte.

2016 musste er sich aufgrund einer Sammelklage wegen Hetze vor Gericht behaupten, nachdem er auf einer Wahlveranstaltung seine Anhänger gefragt hatte: „Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner in der Stadt und im Land?“ Die Menge hatte mit „Weniger, weniger“-Rufen geantwortet, woraufhin Wilders erwiderte: „Wir werden uns darum kümmern“. Wilders bewegt sich mit seinen Äußerungen häufig in den Grenzbereichen der Meinungsfreiheit, auf die er sich auch während seines Prozesses berufen hat, und überschreitet diese Grenze nicht selten in Richtung von Hetze und Anstiftung zu Hass.

Der Islam dient der PVV als Masterframe, also als übergeordnetes Thema, mit dem viele unterschiedliche Dinge erklärt werden können. Wilders nutzt den Islam als Erklärungsmuster für Terroranschläge, Ehrenmorde und Straßenkriminalität. Häufig spricht er dabei von „Straßenterror“, wofür er vor allem marokkanische Jugendliche verantwortlich macht. Diese bezeichnet er als „marokkanischen Abschaum“. Wilders argumentiert, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund auffallend häufig zu Kriminalität neigen und die niederländischen Straßen für die Bürger unsicher machen würden.
"Der Islamisierung muss Einhalt geboten werden, den Terroristen, die wir ins Land strömen lassen, und dem marokkanischen Abschaum, der ungehindert unsere Straßen unsicher macht! Das ist meine Botschaft an Euch: Wenn Ihr uns am 15. März die Chance gebt, dann werden wir dafür sorgen, dass die Niederlande wieder den Niederländern gehören. Dann geben wir Euch Euer Land zurück."
Geert Wilders
 
Als Lösung des Problems fordert Wilders die direkte Abschiebung von auffällig werdenden Bürgern mit einer doppelten Staatsangehörigkeit. Moslems wenden, laut Wilders Theorie, drei Strategien an, um Europa zu unterwerfen: Immigration, Missbrauch des Sozialstaates und das Prinzip Taqiyya. Taqiyya besagt nach Wilders Auslegung, dass Moslems ihre wahren Absichten im Interesse des Dschihad eine Zeit lang verbergen dürfen.

Mit Hilfe dieser Theorie kann die gesamte Integrationspolitik in Frage gestellt werden, da auch alle scheinbar gut integrierten Moslems Lügner oder Dschihadisten sein könnten. Wilders anfängliche Forderung nach einer vollständigen Assimilation von Immigranten wurde so im Laufe der Jahre zu einer totalen Ablehnung und Marginalisierung von Muslimen.

So schürt der niederländische Islam-Kritiker Ängste und verbreitet Hass durch falsche Schuldzuweisungen, Verallgemeinerungen und stark vereinfachte Darstellungen komplexer Sachverhalte. Es überrascht nicht, dass er den Versuch Trumps, einen Einreisestopp für Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern durchzusetzen, befürwortete. Wilders und Trump teilen die stark ablehnende Haltung gegenüber Immigration und die Angst vor einer terroristischen aber auch kulturellen Bedrohung durch den Islam.

In Bezug auf die Marginalisierung von Muslimen geht Wilders mit seinen Aussagen häufig noch weiter als Trump. Dieser betonte mehrmals, dass es sich bei seinem Einreise-Dekret nicht um einen Muslim-Bann handeln würde: "Um es klar zu machen, dies ist kein Muslim-Bann, wie die Medien es falsch berichten. Hier geht es nicht um Religion - es geht um Terror und darum, unser Land zu schützen", so Trump. Es ist schwer zu sagen, ob solche Aussagen das Einreise-Dekret tatsächlich weniger muslimfeindlich erscheinen lassen. Aber auch, ob es im Allgemeinen einen moralischen Unterschied macht, wenn islam- oder ausländerfeindliche Äußerungen unterschwellig anstatt offensiv getroffen werden. 

Wilders hat dem Islam den Kampf erklärt, um die seiner Meinung nach überlegenen Werte und Traditionen des Westens, insbesondere der Niederlande, zu schützen. Die Niederlande standen in der Vergangenheit immer für Freiheit, Weltoffenheit, Toleranz und Individualismus. So stellt sich die Frage, ob der Anti-Islam- und Abschottungskurs Wilders nicht in einem grundsätzlichen Widerspruch mit diesen Werten steht.

Das Dilemma zwischen dem Zulassen kultureller Differenz als eine liberale, tolerante Demokratie und dem Ziel, eben diese Werte gegen ihre Feinde zu verteidigen, spiegelt laut Andreas Wirsching die fundamentale Identitätsunsicherheit der Europäer wider.
„In dem leidenschaftlichen Streit über Europas Haltung zum Islam und zur islamischen Einwanderung ist eines entscheidend. Der Streit ist der europäische Versuch zu einer kulturellen Selbstbestimmung“ (Wirsching 2012, S. 367).
Die genauen Ursachen und Wirkungen dieser Konstruktion des muslimischen feindlichen „Anderen“ können an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden. Es ist dennoch wichtig, dieses Paradoxon zwischen einer äußerst liberalen Sozialkultur und den konservativen, islamfeindlichen Einstellungen Wilders aufzuwerfen, da sich hierin eine Besonderheit Wilders in Abgrenzung zu anderen rechtspopulistischen Politikern wiederfinden lässt. Denn Wilders vertritt in vielen gesellschaftlichen Fragen eine, im Sinne des Bildes der niederländischen Kultur, äußerst libertäre und offene Haltung. Für welche Werte steht die PVV neben der De-Islamisierung und der Stärkung der nationalen Identität? Welche Haltung nimmt sie in anderen gesellschaftlichen und politischen Themen ein?

Zucht und Ordnung

Das Wahlprogramm der PVV zu den Parlamentswahlen 2017 passte auf eine Din-A4 Seite. Kernpunkt ist die De-Islamisierung der Niederlande, die sowohl den größten Teil des Wahlprogrammes als auch der gesamten Wahlkampagne ausmacht. Die PVV führt andere politische Standpunkte kaum oder zumindest nicht konkret werdend aus. "The program fits on one page and mainly expresses Islamophobia, anti-EU sentiments, and welfare chauvinism." (siehe hier)

Die kritische Haltung gegenüber internationaler Zusammenarbeit, insbesondere die Anti-EU-Haltung, sowie die Stärkung der nationalen Interessen wurde bereits dargelegt. Wilders setzt sich außerdem für ein verstärktes Auftreten der Polizei gegen den „Straßenterror“ ein, ganz nach dem Vorbild der USA. Er fordert eine „Aktions“- anstatt einer „Redepolizei“ und eine bessere Ausrüstung der Ordnungskräfte. Außerdem macht sich die PVV für ein härteres Strafmaß stark. Allerdings lehnt sie sowohl die Todesstrafe als auch die Liberalisierung von Waffengesetzen ab.

Wirtschaftspolitisch spricht sich die PVV für Steuersenkungen aus. Wie bereits erwähnt, hat die PVV in den letzten Jahren ihren Kurs in der Sozialpolitik geändert. Wilders macht sich nun für ein früheres Renteneintrittsalter und das niederländische Sozialstaatprinzip stark. Dieses soll jedoch nur für die alteingesessenen „wahren“ Niederländer - Wilders nennt diese gerne "Henk und Ingrid" - gelten. Außerdem wirbt Wilders mit einer Verbesserung des Altenpflegesystems.Trotz den linksorientierten Änderungen in den Einstellungen der PVV lassen sich nach wie vor auch neoliberal geprägte finden. So fordert die PVV eine Senkung der Ausgaben in den Bereichen Kultur, Zuwanderungspolitik sowie Umwelt- und Klimaschutz.

Wie bereits angeführt, setzt sich Wilders mit seiner Partei für die Stärkung traditioneller Werte und Normen in den Niederlanden ein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er prinzipiell eine konservative und Fortschritt ablehnende Haltung einnimmt. Ganz im Gegenteil, Wilders hebt sich in seiner liberalen und offenen Einstellung in Bezug auf viele gesellschaftlich umstrittene Themen von vielen rechtsorientierten Parteien und Politikern ab. Er befürwortet die gleichgeschlechtliche Ehe, spricht sich für liberale Abtreibungs- und Sterbehilfegesetze aus und ist außerdem ein großer Tierfreund.

Die Niederlande galten lange als liberaler Vorreiter in gesellschaftlichen und sozialen Fragen. Wilders greift diese Themen auf und preist jene progressiven und offenen Werte als Errungenschaften der westlichen Gesellschaft, die durch den Islam und die Immigration von Muslimen gefährdet seien. Dies verdeutlicht einmal mehr das Paradoxon, das Wilders vermittelt, dass eine tolerante, multikulturelle und pluralistische Gesellschaft glaubt, ihre eigene Identität und ihre Werte vor „den Anderen“ beschützen zu müssen.

Is he the Dutch Donald Trump?

Kann Geert Wilders nun als niederländischer Donald Trump bezeichnet werden? Es wäre schon beinahe populistisch vereinfachend, diese Frage mit einem einfachen ja oder nein zu beantworten, denn dies würde komplexe Zusammenhänge stark reduktionistisch abbilden. Wilders hat durchaus Gemeinsamkeiten mit Trump in Bezug auf gewisse rhetorische und stilistische Momente, aber auch hinsichtlich politischer Einstellungen.

Die Art und Weise, wie beide mit der Presse umgehen, wie sie argumentieren und Wahlkampf betreiben, zeigt viele Parallelen. Wilders versteht es wie Trump, Kontroversen zu erzeugen und soziale Netzwerke effizient für sich zu nutzen. Der Niederländer betont häufig seine Sympathie für den amerikanischen Präsidenten und sieht in vielen Aspekten einen Gleichgesinnten in ihm. Jedoch hat Wilders, bereits lange bevor Donald Trump amerikanischer Präsident wurde, gewusst, wie man per Twitter gesellschaftliche und politische Diskurse dominiert.

Es gibt auch zahlreiche Unterschiede in ihrem Vorgehen, ihrem Auftreten und ihren Ansichten. Wilders tritt in der Öffentlichkeit meistens professioneller und weniger impulsiv als Donald Trump auf. Er wirkt berechnend, als sei jede provokative Aussage, jeder Tweet und jedes Interview zuvor gut von ihm durchdacht worden und Teil einer zusammenhängenden Strategie.

Sein Leitmotiv ist stark ideologisch geprägt, seine islamophobe Einstellung bestimmt alle Äußerungen und Handlungen von Geert Wilders in der Öffentlichkeit. Wilders ist der Überzeugung, die Freiheit der Niederlande vor dem islamischen Einfluss von Immigranten zu schützen. Er spricht sich nicht gegen eine liberale Demokratie aus, sondern behauptet, diese zu verteidigen. Wilders sieht sich selbst als eine Art Freiheitskämpfer. Er setzt sich für die Rechte von Frauen und Homosexuellen ein, da dies Bestandteil einer liberalen und modernen Gesellschaft ist, die durchaus pluralistisch sein darf, so lange pluralistisch nicht muslimisch und im besten Fall niederländisch bedeutet.

Nachdem die niederländischen Wähler bei der Parlamentswahl Wilders PVV nicht so zahlreich wie erwartet ihre Stimmen gegeben haben, stellt sich die Frage, ob Wilders durch seine ständige Präsenz in den Medien nicht einfach zu wichtig genommen wurde und ein unnötiger Hype um ihn entstanden ist. Die Medien boten Wilders die nötige Plattform, um sich gekonnt zu inszenieren. Auch im Falle Trumps wurde viel diskutiert, ob die Zeitungen nicht eine gewisse „Mitschuld“ am Erfolg des Populisten treffen würde.

Wilders war jedoch nicht nur in den Wochen vor den Wahlen in den Medien präsent, er ist bereits seit vielen Jahren einer der bekanntesten niederländischen Politiker. Ohne mitzuregieren, hat Wilders das Land nach rechts verschoben. Er hat durch seine Oppositionspolitik die Immigrations- und Asylpolitik der Niederlande in den letzten Jahren weitgehend mitgestaltet.

Dass Wilders seine fragwürdigen Vorschläge mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht umsetzen könnte, scheint für ihn eine untergeordnete Rolle zu spielen. "Ihm geht es vor allem darum, eine Reaktion des Establishments zu provozieren und sich als Gegenspieler zu den politisch Korrekten darzustellen", sagt Maurice de Hond, der bekannteste Parteienforscher der Niederlande. "Das lieben seine Anhänger. Was Wilders inhaltlich genau sagt, ist nicht so wichtig."

Vielleicht liegt auch darin einer der Unterschiede zwischen dem Amerikaner und dem Niederländer. Wilders oberstes Ziel scheint der Gewinn an Einfluss zu sein, Trump hingegen strebt nach Macht.

Wilders weist eine Vielzahl rechtspopulistischer Elemente auf, jedoch kann er auch aufgrund seiner libertären Ansichten in Bezug auf ethische und gesellschaftliche Fragen als exzentrisches Mitglied der rechtspopulistischen Familie betrachtet werden. Trotzdem ist Wilders Trump und auch europäischen rechtspopulistischen Leadern näher als anderen Politikern. Jedoch genügen ihre anti-elitäre und islamfeindliche Haltung sowie ihr moralisierendes und reduktionistisches Vorgehen nicht aus, um für sie alle ein einheitliches Etikett zu finden.

Rechtspopulismus selbst ist ein komplexes Phänomen, für das es zahlreiche Erklärungsansätze und Ursachen gibt. So können auch Geert Wilders und Donald Trump als Phänomene gesehen werden, die zwar gewisse Bezüge und Ähnlichkeiten zueinander aufweisen, jedoch keineswegs identisch sind. Eines haben sie jedoch mit Sicherheit gemeinsam, sie fordern die Werte und Errungenschaften der pluralistischen Gesellschaften heraus.

Literatur

Vossen, Koen (2011): Vom konservativen Liberalen zum Nationalpopulisten. Die ideologische Entwicklung Geert Wilders. In: Wielenga, Friso/Hartleb, Florian (Hrsg.): Populismus in der modernen Demokratie. Die Niederlande und Deutschland im Vergleich. Waxmann, Münster.

Wirsching, Andreas (2012): Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn.

Internetquellen

Das Erste: 

Blog Geert Wilders: 

Spiegel online:







FAZ online: 






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