Donnerstag, 5. August 2021

Rechtspopulismus und Zivilgesellschaft

In diesem Beitrag stellt Jonas Maier folgenden Text vor:

Schroeder, Wolfgang / Greef, Samuel / Ten Elsen, Jennifer / Heller, Lukas (2021): Rechtspopulismus und organisierte Zivilgesellschaft; in: Grande, Brigitte u.a. (Hrsg.): Zivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland, transcript Verlag, S. 155-164, online unter: https://www.degruyter.com/document/doi/10.14361/9783839456545-013/html.

Der folgende Artikel fasst die zentralen Ergebnisse der Studie „Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts. Interventionsversuche und Reaktionsmuster“ zusammen und geht den Fragen nach, welche Themen und Handlungsfelder rechtspopulistische Aktivitäten auszeichnen, welche Reaktionen die Organisationen auf rechte Interventionen zeigen und ob subsystemspezifische Muster und Reaktionen für diese existieren.

Zu Beginn wird aufgezeigt, dass rechtspopulistische Parteien in den letzten Jahren die etablierten zivilgesellschaftlichen Organisationen, die als essenzielle Bestandteile der Gesellschaft und einer pluralen Demokratie gesehen werden, zunehmend herausfordern. Beispielhaft wird hier die AfD genannt, die die Wichtigkeit der organisierten Zivilgesellschaft erkannt hat und nun zielstrebig versucht, „sich stärker in der Bürgergesellschaft zu verankern, um ein politisches Vorfeld zu etablieren“ (S. 155).

Rechtspopulismus, organisierte Zivilgesellschaft und Basiskonsens

Anfangs wird kurz der Begriff „Rechtspopulismus“ erklärt, der hier als dünne Ideologie verstanden wird („Wir“ gegen „die da oben“, „Wir“ gegen „die Anderen“). Dabei ist das Verhältnis zwischen dem Populismus und dem Extremismus ambivalent. In diesem Zusammenhang eröffnet der Rechtspopulismus einen Diskurs, der nicht verfassungswidrig ist und Menschen anspricht, welche sich immer weniger von der Gesellschaft verstanden und repräsentiert fühlen. Die Autor*innen kommen zu folgender Einschätzung:

„Rechtspopulismus kann daher als Brücke und Möglichkeitsraum zwischen einer demokratisch konstituierten Öffentlichkeit und rechtsextremistischen Positionen verstanden werden. Diese Brücke reicht bis in die Zivilgesellschaft“ (S. 156).

Nachfolgend wird der bundesrepublikanische Basiskonsens als „weitgehende gesellschaftliche Anerkennung ökonomischer, politischer und ideologischer Grundlagen einer Gesellschaft“ definiert (S.156f.). Dabei sind der Basiskonsens und die organisierte Zivilgesellschaft eng miteinander verbunden. Dieser entsteht über einen langen Zeitraum und beinhaltet Strukturen der politischen Entscheidungsfindung sowie der Willensbildung und garantiert somit „die Stabilität der politisch-gesellschaftlichen Ordnung“ (S. 157). Der Rechtspopulismus und dessen Aufstieg in den letzten Jahren zweifelt diesen Basiskonsens an und nutzt dabei die Ambivalenz der Zivilgesellschaft, um sich zu präsentieren und weiter auszubreiten (vgl. S. 157).

Systematik rechtspopulistischer Interventionen in die Zivilgesellschaft

Die Autor*innen beschäftigen sich mit der Frage, wie der Rechtspopulismus in die Zivilgesellschaft hineinwirkt und kommen zu dem Fazit, dass die Einfallstore für rechtspopulistische Interventionen in allen Bereichen ähnlich strukturiert sind. So gibt es zwar markante Unterschiede zwischen weniger und stärker institutionalisierten Bereichen (Beispiel: Sport – Kirchen); dennoch sind die Kritik- und Ansatzpunkte von rechtspopulistischen Parteien ähnlich, obwohl diese systemspezifisch unterschiedlich ausgestaltet sind (vgl. S. 157-158).

Rechtspopulistische Parteien stützen ihr Eingreifen dabei in den unterschiedlichen Ebenen auf Widersprüche und Konflikte. Beispielhaft werden die Kirchen angesprochen, die zwar durch die Vermittlung von Frieden und moralischen Werten Vorurteilen und Rassismus entgegenwirken, aber zugleich auch durch theologische Elemente antipluralistische Vorstellungen oder Überzeugungen liefern können. Hierbei spielt die Häufigkeit von Kirchenbesuchen und der Exklusivismus (Vorstellung, dass die eigene Religion die einzig wahre ist) eine entscheidende Rolle, da diese pluraldemokratische Strukturen ablehnen. Aus den Ergebnissen der Bundestagswahl 2017 geht hervor, dass katholische und protestantische Wähler*innen, die häufiger die Kirche besuchen, die AfD seltener wählten als der Durchschnitt (vgl. S. 158-159).

Eine weitere Ebene, die die Autor*innen ansprechen, ist der Sport. Sport bringt Menschen zusammen, trägt zu einer multikulturellen Gesellschaft bei und vermittelt Werte wie Fairness und Toleranz. Trotzdem bietet auch der Sport viele Anknüpfungspunkte für rechtspopulistische Interventionen, die an den Wertvorstellungen der Sportförderung ansetzen. So fordern rechte Anhänger*innen eine stärkere Förderung der "deutschen Tradition und Tugenden", die sich wieder deutlicher an Nation, Identität, Stolz und Patriotismus orientieren müssen. Im Fußball setzen sie beispielsweise am Gemeinschaftsgedanken an und nutzen dieses Verbundenheitsgefühl von Vereinen und Fans zur Ausgrenzung von anderen Gruppen in der Gesellschaft (vgl. S. 159-160).

Systematik zivilgesellschaftlicher Reaktionen

Nachdem nun verschiedene Ebenen rechtspopulistischer Interventionen aufgezeigt wurden, versuchen die Autor*innen zu klären, wie der richtige Umgang mit solchen Interventionen aussieht. Ihrer Meinung nach ist bislang noch kein Königsweg gefunden worden. Deutlich wird allerdings, dass die Reaktionen teilweise aus reaktiven und präventiven Maßnahmen bestehen, da die Akteure sowohl mit langfristigen Konflikten und Widersprüchen als auch situativen Anlässen herausgefordert werden (vgl. S. 160).

Die untersuchten Organisationen reagieren dabei auf der kommunikativen und organisatorischen Ebene. Auf der kommunikativen Ebene begegnet man rechten Akteuren in der Regel mit Distanzierung, während auf der organisatorischen Ebene versucht wird, sich mit ihren Haltungen auseinanderzusetzen und den Dialog somit offen zu halten. Interventionen werden teilweise auch ignoriert, wenn zum Beispiel der Vorfall noch keine mediale Aufmerksamkeit bekommen hat, und in extrem seltenen Fällen kommt es zur Ausgrenzung durch Konfrontation oder zu Sanktionen (vgl. S. 161).

Insgesamt sind die Reaktionen stark auf die individuelle Situation angepasst und verfolgen keine wirkliche Strategie. Sie wechseln zwischen Chancen und Risiken. Den Grund dafür sehen die Autor*innen „in dem inhärenten Dilemma des Populismus“ (S. 161):

„Sowohl bei Nichtbeachtung als auch bei Reaktionen besteht das Risiko, das Phänomen zu stärken. Der Versuch, Rechtspopulisten durch Beteiligung zu entzaubern, beschert ihnen Aufmerksamkeit und spricht ihnen möglicherweise Legitimität zu. Nichtbeachtung dagegen beinhaltet die Gefahr, als stillschweigende Zustimmung missverstanden zu werden oder zur Normalisierung rechtspopulistischer Positionen beizutragen“ (S. 161).

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass es kein Patentrezept gibt, das eine Antwort auf alle rechtspopulistischen Interventionen bietet. Vielmehr braucht man ein Bündel an Reaktionsformen, die aufeinander abgestimmt sein müssen. Um das zu erreichen, ist zum einen eine aktive Auseinandersetzung der zivilgesellschaftlichen Organisationen mit den Beweggründen für rechtspopulistische Denk- und Handlungsmuster notwendig und zum anderen müssen die Organisationen ihre inneren Widersprüche bearbeiten. Eine klare Formulierung der normativen Werte und des politischen Auftrags einer Organisation bilden dabei die Grundlage für die Entwicklung einer angemessenen Strategie, die möglicherweise Schutz vor rechtspopulistischen Interventionen bietet (vgl. S. 162-63).

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