Durch die Neuwahlen ist seit dem 25. Oktober 2015 die PiS (Recht und Gerechtigkeit) in Polen in der Regierungsverantwortung. Sie wird als nationalkonservativ und EU-kritisch gesehen. Die Partei wurde erst 2001 gegründet, konnte aber aufgrund ihres weichen Populismus mit einer „europaskeptisch[en], aber nicht antieuropäisch[en] [und mit einer]traditionalistischen, nicht aber radikal antimodernen Haltung“ (Lang, 2005 S.145) Stimmen für sich gewinnen.
Aber was macht diese Partei populistisch? Hierzu muss zunächst der Begriff Populismus genauer betrachtet werden. Dabei ergeben sich bereits erste Schwierigkeiten. Laut der Definition des Dudens ist Populismus „von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen“ (Dudenredaktion (o. J.), 2017).
Es fällt auf, dass es nicht den einen Populismus zu geben scheint, sondern dass immer genau die Politik verfolgt wird, welche für den speziellen Fall passt. Somit können Merkmale mal mehr und mal weniger erfüllt werden. Tim Spier beschreibt dabei „Populismus als einen Politikstil, der sich an vier Elementen festmachen lässt“ (Spier, 2014). Dabei muss beachtet werden, dass Elemente dieser Definitionen bei allen Politikern und Parteien auftreten und so von Fall zu Fall neu entschieden werden muss, ob diese Definition für das jeweilige Beispiel kompatibel ist und ohne weiteres angewendet werden kann oder eine Anpassung nötig ist.
Die vier Hauptmerkmale von Populismus nach Spier werden im Folgenden näher betrachtet und auf den polnischen Fall angewandt.
Als erstes Merkmal wäre „das Volk“ zu nennen, Politiker sprechen oft von dem einen „Volk“ und versuchen dabei, eine Einheit zu schaffen. Dabei bezeichnet man dieses als ‚ehrlich‘, ‚hart arbeitend‘ und ‚vernünftig‘. (vgl. Spier, 2014). Durch diese schwammige Definition des Begriffs können Populisten eine möglichst große Zielgruppe ansprechen.
Diesen Begriff in der heutigen Zeit zu verwenden, ist aber eher problematisch als hilfreich, da eine Nation keine einheitliche homogene Masse ist und somit das „Volk“ als eine Einheit zur Abgrenzung von anderen nicht existiert. Trotz allem probieren Populisten, die Wählerschaft als „Volk“ anzusprechen, um ein Gefühl der Zugehörigkeit zu wecken, denn die meisten Menschen haben ihre eigene Vorstellung von diesem „Volk“ und können sich somit als einer von vielen sehen und zu etwas Größerem gehören. Diesen Punkt erfüllt die PiS zweifelsohne. Das „Volk“ wird in Reden, wenn auch nicht genau, definiert und die Einheit der Menschen ist somit geschaffen.
Das zweite Merkmal bildet die Identitätsfindung: Das Bilden von Gemeinschaft durch Abgrenzung.
„Dabei weist die Identitätspolitik eine zentrale Rolle für die Agitation der Populisten auf. Identität wird dabei nicht nur dadurch erzeugt, dass man die Adressaten in eine Gemeinschaft einschließt, vielmehr dadurch, dass man andere aus der Gemeinschaft ausschließt.“ (Spier, 2014)Die Ausgeschlossenen werden in zwei Gruppen unterschieden, auf der einen Seite ‚die da oben‘, besser bekannt als Eliten, und auf der anderen die Minderheiten. Die Eliten sind dabei korrupt, abgehoben und selbstsüchtig. Das einzige Ziel, welches sie verfolgen, ist der eigene Machterhalt. Als Sündenböcke für aktuelle Missstände werden die Minderheiten genommen (vgl. Spier, 2014). Somit hat man Feindbilder in beide Richtungen, nach oben und unten, geschaffen. Oft sind diese nicht real oder stellen einen Zustand überspitzt dar.
Besonders beim letztgenannten Punkt fällt in Polen die Abgrenzung nach oben auf, Politiker vor der PiS werden als „Diebe“ und „volksuntreu“ bezeichnet. Distanzierung erfolgt auch zur europäischen Elite, aber auch Regierungen anderer Länder werden oft als Schuldige bezeichnet und sind somit Auslöser an der Situation im eigenen Land.
Das dritte Merkmal ist die „Führungsperson“. Hierbei handelt es sich um eine charismatische Person, die an der Spitze der populistischen Partei steht und mit ihrem Namen die Sache repräsentiert. Sie dient als Gesicht der Partei und versucht somit weg von der Partei und hin zum Individuum zu lenken.
Polen zeigt in Bezug auf das Kriterium der Führungsperson, dass so eine Person nicht zwangsläufig von Nöten ist. Betrachtet man Jarosław Kaczyński, den Parteivorsitzenden, so scheint entsprechendes Charisma zu fehlen. Dieser Punkt ist damit für Polen nicht bestätigt, was aber den populistischen Charakter der Partei nicht abschwächt. Es wird deutlich, dass nicht immer jeder von Spiers Punkten erfüllt sein muss.
Das vierte Merkmal richtet sich an die Organisation, die sich von den bisherigen Parteien abgrenzt. Abgrenzung erfolgt, da die Partei aus dem „Volk“ kommt und eher eine Gegenbewegung zu den etablierten Parteien darstellt, da eine Verwurzelung mit der Bevölkerung existiert. „Populistische Bewegungen sind dabei selten basisdemokratisch aufgebaut“ (Spier, 2014), man findet eher eine hierarchische Entscheidungsstruktur. Da es sich im Falle Polens aber um eine Partei handelt, die an der Regierung ist, kann dieser Punkt nicht ohne Abstriche angenommen werden.
Mit dem Eintritt in die Partei werden Rechte und Pflichten von Parteimitgliedern festgelegt, dennoch wird eine Hierarchie unterstützt und so steht Kaczyński an oberster Stelle dieser Partei und hat mit seinen nächsten politischen Verbündeten die Entscheidung in letzter Instanz. Bei diesem Punkt kann nur von einer Teilerfüllung des Merkmals die Rede sein, da eine andere Lösung nicht möglich ist.
Diese vier Merkmale zeigen nun, dass es schwer ist, Populisten auf genaue Kriterien festzulegen, und auch große Schwierigkeiten auftreten, wenn man Kriterien finden will, die für alle Fälle stimmen. Aber durch die Erfüllung der ersten beiden Punkte und der Übereinstimmung mit der Definition des Dudens kann man die PiS als populistische Partei bezeichnen. Dabei sollte man aber an Kai-Olaf Lang denken und die Partei als Vertreter[in] des weichen Populismus ansehen (vgl. Lang, 2005 S.145), da sie in vielen Punkten eine eher subtilere Kritik am Establishment als populistische Parteien aus anderen Ländern aufweist. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass diese Partei eine Regierungsverantwortung hat und sich nicht mehr nur gegen alles stellen kann, sondern auch Lösungen bieten muss, die dem Land helfen, Probleme effizient zu lösen.
Umfrage
Zum Finden der Fragen wurden die Populismus-Checkliste, die im Seminar erarbeitet wurde, und die Kriterien für Populismus, die sich auf das Fallbeispiel anwenden lassen, genutzt. Dabei wurden Fragen in drei übergeordneten Kategorien erarbeitet:
1. Tradition und klassische Werte
2. Europäische Politik
3. Wahrnehmung der Parteipolitik
Es wurden diese drei Themengebiete gewählt, um zu versuchen, die Tendenzen der Wähler in spezifische Richtungen zu kategorisieren und genauer zu verstehen, welche Aspekte für den Rückhalt der Partei verantwortlich sind.
Die erste Kategorie soll das alte Bild Polens verkörpern, die Traditionen und das Gedankengut, welches schon vor Jahren in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger herrschte. Hierbei geht es speziell um das Familienbild und die hier in Deutschland als ‚Anti-68er‘ Haltung bekannte Einstellung gegen Fortschritt auf gesellschaftlicher Ebene.
Da sich die polnische Regierung als eines der neueren europäischen Mitglieder gerade in jüngster Zeit oft gegen Entscheidungen der EU stellt, sich dabei auch nicht gerecht repräsentiert fühlt und des Weiteren eine anti-europäische Haltung als ein Teil eines Elementes von Spier genannten wurde, richtet sich die zweite Überkategorie spezifisch auf die Identifikation der Nation im Kontext der EU.
Der letzte Punkt dient zur Hinterfragung, ob die Bevölkerung aktuelle Handlungen der Partei als gut und notwendig ansieht. Hier vermischen sich einige Punkte und können somit als Gesamtheit keine Rückschlüsse auf einen spezifischen Grund der Ablehnung oder Zustimmung liefern. Unter diesen Punkt fällt z.B. die Haltung gegenüber der Presse und gegenüber Politikern.
Zur Erhebung der Daten wurden fünfundzwanzig Bürgerinnen und fünfundzwanzig Bürger in einem polnischen Dorf, welches zum Großteil aus Bauern und einfachen Arbeitern besteht, und einer Großstadt befragt. Hierbei wurden speziell diese beiden Orte gewählt, um zu sehen, ob sich die Antworten durch die unterschiedliche Lebenssituation und Umgebung verändern oder ob dies keine Auswirkung auf die Meinung der befragten Personen hat.
Die Fragebögen halten das Alter und Geschlecht der jeweiligen Personen fest und sind gekennzeichnet, sodass die Rückverfolgung zu dem jeweiligen Wohnort an einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann. Auch wurden nach dem Ausfüllen der Bögen einige freiwillige kurze Gespräche mit den Befragten geführt, um Hintergrundinformationen zu den Antworten zu bekommen und somit die Haltung der einzelnen besser darzustellen.
Der erste Frageblock geht in den ersten beiden Fragen spezifisch auf die Rollenverteilung ein. Diese ist bei der PiS – wie bei vielen populistischen Parteien – traditionell gehalten, weshalb festgestellt werden soll, ob eine Politik zur Erhaltung der konservativen Rollenverteilung die Meinung der polnischen Bevölkerung wiederspiegelt.
Die Frage nach der Relevanz von Religion im Leben wurde hier auch aufgenommen, Polen gilt als besonders gläubiges Land. Somit ergeben sich auch die beiden folgenden Fragen, nämlich ob Abtreibung verboten werden und ob die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt werden sollte. Da diese Fragen mit der Religion und in Teilen mit dem traditionellen Familienbild brechen, sind diese im ersten Frageblock angesiedelt.
Die aktuelle politische Lage in der Europäischen Union gilt als äußerst angespannt, und so wird im zweiten Frageblock die Frage nach mehr Souveränität Polens gestellt. Dazu ergänzend soll herausgefunden werden, ob die Befragten die EU als nützlich erachten. Ein aktuell wichtiges und langanhaltendes Thema in der Europäischen Union ist die Flüchtlingskriese, und so soll befragt werden, ob die polnischen Bürgerinnen und Bürger die harte Linie des Ablehnens der Aufnahme von Flüchtlingen auf polnischem Boden der Partei vertreten. In Deutschland zeigen aktuelle Trends, dass auch hierzulande große Angst in der Bevölkerung herrscht. Die nächste Frage versucht somit zu klären, ob diese Ängste auch in Polen herrschen.
Der letzte Frageblock befasst sich mit der Wahrnehmung der Partei, hier werden aktuelle politische Programme beleuchtet, wie das Programm 500+, welches Familien mit mindestens zwei Kindern ein zusätzliches Kindergeld verspricht. Auch wird ein Vorschlag auf einen Anspruch auf eine Rente für Frauen, welche mehr als drei Kinder zur Welt gebracht haben, betrachtet und bewertet.
Durch die Skandale in jüngster Zeit und ökonomischen Stillstand in Polen verloren viele Wähler das Vertrauen in die Partei, die zuvor in der Regierungsverantwortung war, so soll mit der nächsten Frage geklärt werden, ob man den anderen Politikern überhaupt noch eine Kompetenz zutraut oder nicht.
Ein aktuell großes Thema sind ‚Fake News‘, dies ist für Polen besonders interessant, da die öffentlich-rechtlichen Medien im Land der Regierung unterstehen und somit eine Zensur oder ein spezieller einseitiger Blickwinkel nicht undenkbar ist. Die letzte Frage dient schlichtweg dazu, um eine Zahl für die heutige Zustimmung zur Partei zu haben und um zu sehen, wie sich das politische Bild in Zukunft ändern könnte, und ob es möglich ist, auch in Zukunft im Alleingang zu regieren oder ob eine Koalition eingegangen werden muss.
Erster Frageblock
Viele Befragte halten ein traditionelles Familienbild mit einer klassischen Rollenteilung für wichtig, so gibt es eine 68% Zustimmung für die Aussage, dass sich eine Frau um die Kinder kümmern soll, und 74% geben an, dass ein Mann der Hauptverdiener im Haushalt sein sollte. Besonders auf dem Land ist diese Rollenteilung auch heute noch gegeben, und es scheint nach einigen Gesprächen mit den Bewohnern als unvorstellbar, dass der Mann auf die Kinder aufpasst und die Frau arbeiten geht.
Auf die Frage, warum die befragten Personen dies so sehen, wurde oft geantwortet, dass es schon immer so gewesen sei und es auch die richtige Aufteilung ist. Besonders Frauen mittleren Alters, egal ob auf dem Land oder in der Stadt, sagten, dass sie sich nicht vorstellen können, wie ein Mann Kinder richtig erziehen soll.
Spannend ist hierbei, dass meistens junge Frauen das typische Familienbild nicht mehr als erstrebenswert ansehen. Nach einigen Gesprächen stellte sich hier heraus, dass sie mehr Wert auf Unabhängigkeit und Karriere legen. Auch ermöglichen Arbeitsgeber heutzutage eine flexiblere Arbeitszeit für Eltern, was besonders bei jungen Paaren zu einem Bruch bei der Rollenverteilung führt.
Diesen Fortschritt kann man eher in der Stadt beobachten, aber auch Pendler, die aus dem Dorf zur Arbeit fahren, sprechen sich offen für neue Familienmodelle aus. Meistens ist auch dies der Grund für eine Ablehnung der PiS, da man ein neues fortschrittlicheres Polen fördern will, in dem Gleichberechtigung von Nöten ist. So möchten viele junge Frauen an diesem Punkt nicht für die Partei stimmen, sondern ihren freien Lebensstil verfolgen.
Die christliche Religion verliert erstaunlicherweise an Wichtigkeit im Leben der Bevölkerung, obwohl Polen als eines der Länder gilt, in denen der Glaube noch eine große Rolle spielt. Hier ist der Rückgang besonders in der jüngeren Stadtbevölkerung zu sehen, aber auch junge Menschen auf dem Land wenden sich langsam gegen die katholische Kirche, somit ist sie nur für 31% der Befragten wichtig.
Moderne Technologien und die Aufgeklärtheit der Bevölkerung sind dabei die Gründe, warum die Religion an Relevanz verliert. Die Annahme, diesen Punkt auf der Populismus-Checkliste als nicht relevant für die Zustimmung zu einer populistischen Partei einzustufen, wäre trotzdem vorschnell, denn Religion hat einen großen Einfluss im Gedankengut und zeigt sich zum Beispiel in einer fast 85%-igen Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe, da diese als moralisch nicht vertretbar angesehen wird, als ein Tabu gilt, welches unter keinen Umständen gebrochen werden darf.
Hier sieht man ein Beispiel für die vorhin benannte ‚Anti-68er‘-Haltung, die man auch aus Deutschland kennt. Der gesellschaftliche Fortschritt ist dabei einerseits erwünscht und man möchte sich dem westlichen Standard angleichen, was man an jungen Frauen sehen kann, welche nicht nur für das Gebären von Kindern zuständig sein wollen, aber dieser Fortschritt wird auch in einigen Fällen generell durch Angst vor Veränderung abgelehnt.
Diese Einstellung spiegelt sich auch in der nächsten Frage wider, so ist die Zustimmung für ein Abtreibungsverbot bei 68,5%. Erstaunlich ist hier, dass auch viele Frauen ein striktes Abtreibungsverbot ohne größere Ausnahmen unterstützen. Bei Männern liegt die Zahl bei über 90%, nur junge Frauen aus der Stadt sehen diese Aussage kritisch und verweisen auf ihr Recht auf Selbstbestimmung und empfinden diesen Eingriff als geschmackslos, aber auch als ein Missverstehen des weiblichen Geschlechts.
Vielen Aussagen zufolge wollen auch Bürgerinnen und Bürger keine Parteien wählen, die für neue Werte einstehen. Diese „freie“ Gestaltung des Lebens wird nicht als Fortschritt für Polen angesehen. Man sorgt sich eher darum, dass durch solche Maßnahmen das Land in den Ruin getrieben werden könnte und die alten Traditionen vergessen würden. Dies spiegelt sich in der Frage, ob die meisten Polen nationale Werte empfinden, wider, so sehen 78,5% der Bürger diese Aussage als wahr an. Hier wird oft der Stolz genannt auf die Nationalität, denn trotz der tragischen Geschichte Polens sieht man sich als Nation, welche niemals aufgibt und immer weiter für die „richtige Sache“ einsteht.
So entsteht der Nationalstolz der polnischen Bürger. Dies wirkt sich auch auf andere Gebiete aus, wie zum Beispiel die Annahmen hinsichtlich der Europäischen Union und der von ihr von oben herab erlassenen Vorschriften und Gesetze. Dieser Punkt wird im zweiten Block noch genauer erläutert. Auch haben viele Menschen in Polen ein klares Bild davon, wer denn ein Bürger bzw. eine Bürgerin des eigenen Landes ist. So finden knapp 80%, dass ein echter Pole in Polen geboren sein und auch die Sprache sprechen soll. Nach dieser Definition sind auch im Ausland geborene Kinder von Emigranten keine Polen. So werden auch Familienmitglieder ausgegrenzt. Es wird eine Identität geschaffen durch Ausgrenzung.
Zweiter Frageblock
Die polnische Bevölkerung und die Europäische Union stehen in jüngster Zeit in einem eher zerstrittenen Verhältnis zueinander, was sich dennoch nicht in der Frage, ob Polen von der Europäischen Union abhängig sein sollte oder eher einer souveränen Linie folgen sollte, widerspiegelt.
Aber findet die ländliche männliche Bevölkerung tendenziell, dass sich die Europäische Union in zu vieles einmische, beispielsweise durch zu viele Regulierungen in der Agrarwirtschaft, welche die Bauern oft stark einschränkt und nur wenig Spielraum lässt. Oft wird genannt, dass der Zustand in einigen Fällen an das ehemalige Polen erinnert, und so sieht man hier oft die Einschränkungen, gegen welche man damals vorgegangen ist.
Die befragten Menschen aus einem urbanen Lebensraum sehen eher die positiven Aspekte: So helfe die Europäische Union durch ihre Entscheidungen der polnischen Regierung und ermögliche Polen durch die Gesetze und Vorgaben, mit den westlichen Standards mithalten zu können. Eine Souveränität wäre unter diesem Gesichtspunkt undenkbar. Hier zeigt sich eine Spaltung im Staat.
Dieser Trend zeigt sich auch bei der nächsten Frage, ob die EU mehr Schaden bringe als sie nütze, denn oft fühlen sich Bauern und die ländliche Bevölkerung von der EU im Stich gelassen, da sie häufig nicht wissen, in welcher Art sie von der Mitgliedschaft in der Europäischen Union profitieren. Man sieht nur die schlechten Seiten, was bei vielen Bauern mit den ganzen neuen Gesetzen und Regelungen kam. Man musste viel verändern, und oft reichten die Fördermittel der Europäischen Union nicht aus, aber auch der neue Konkurrenzkampf macht vielen zu schaffen, denn durch den neuen offenen Markt muss man Preise oft anpassen, um mit den anderen Ländern überhaupt mithalten zu können.
Eine andere Meinung zeigen die Bewohner der Großstadt, welche den Fortschritt und die Vernetztheit, die ein Staatenverbund mit sich bringt, sehen. Viele berichteten, in europäischen Firmen zu arbeiten, die ihre Dienstleistungen nach Polen ausgelagert haben, weshalb die Arbeitnehmer froh sind, ein Teil des großen Ganzen zu sein. Auch werden europäische Finanzierungsprogramme, die z.B. bei der Errichtung von Bildungsstätten helfen, als positiv angesehen.
Alles in allem lässt sich sagen, dass bei einer 42%-igen Zustimmung keine eindeutige Tendenz erkennbar ist, ob eine populistische Partei gegen die EU eingestellt sein muss, um Stimmen zu gewinnen, es kommt dabei immer auf das Milieu an, aus dem die Wähler kommen.
Interessant zu betrachten sind allerdings aktuellen Krisen. So finden etwa 70% der Befragten, dass Flüchtlinge nicht in Polen aufgenommen werden sollen. Dies hängt meistens damit zusammen, dass man einerseits Angst davor hat, dass der Strom an Menschen das schon arme Land noch stärker belasten könnte, anderseits aber auch damit, dass viele polnische Bürger sich vor den Ausländern fürchten.
Hier sieht man auch in der nächsten Frage, ob islamistischer Terror durch die Flüchtlinge steigt, wie 69,5%, die deutliche Mehrheit der Polen, Angst vor den Migranten hat. Auf Hinterfragung dieses Punktes wurde oft nur die Gegenfrage gestellt, ob deutsche denn keine Angst haben, da man doch andauernd sehe, wie neue Straftaten von ausländischen Bürgern in Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, verübt werden.
Hier wird die harte Line der PiS positiv bewertet, dass die Partei ihrem Versprechen, keine Flüchtlinge aufzunehmen, treu bleibt. An dieser Stelle können die Populisten gut Stimmen fischen, denn durch die geschürten Ängste bietet die Regierungspartei eine klare Lösung. Seit einigen Jahren werden nur selten terroristische Angriffe mit islamistischem Hintergrund auf polnischem Boden begangen und so schenken die Bürgerinnen und Bürger ihr Vertrauen der Partei und wurden bis jetzt nicht enttäuscht.
Dritter Frageblock
Zuerst soll der Fokus auf die beiden neuen Programme zur Unterstützung von Familien gelegt werden. Das Programm 500+ gibt Eltern mit zwei oder mehr Kindern eine zusätzliche finanzielle Unterstützung von 500 ZT. Hier kann eine 70%-ige Zustimmung für das Programm gesehen werden. Dieses zusätzliche Geld wird von den Familien als ein guter Schritt gesehen, auch von solchen, die diese Leistung gar nicht in Anspruch nehmen können. Man sei zufrieden, dass die Partei Geld in junge Familien investiere und sich somit um die Bevölkerung kümmere. Dieser Punkt allein wird natürlich nicht zu einer Übereinstimmung mit der Partei führen, bringt aber einen positiven Nebeneffekt, der nicht vernachlässigt werden sollte und den letzten Anstoß für unentschlossene Wähler geben könnte.
Betrachtet man aber das geplante Programm, welches Frauen, die mehr als vier Kinder zur Welt gebracht haben, eine Rente garantiert, liegen hier die Meinungen mit 61% deutlich verteilter. Männer tendieren altersübergreifend eher zu einer Zustimmung, bei Frauen zeigt sich wieder das gleiche Bild wie in der Familie. Bei mehreren Gesprächen wurde klar, dass Frauen nicht nur für das Gebären von Kindern zuständig sein möchten, weshalb insbesondere viele junge Frauen dieses Programm als eine Unverschämtheit und in einzelnen Fällen als diskriminierend empfinden.
Die Aussage „Politiker anderer Parteien wissen nicht, was wirklich wichtig ist“ unterstützen 75,5% der Befragten. Viele Befragte sagen aus, dass die PiS durch ihre neuen Reformen und Gesetze Dinge im Land angestoßen hat, die zuvor als nicht wichtig erachtet wurden, und so gewinnt die Partei auch hier an Zustimmung. Die Bevölkerung fühlt sich verstanden und erachtet viele Änderungen als positiv. Der Fakt, dass es der Bevölkerung im Land zur Zeit finanziell besser geht als noch vor einigen Jahren, wird auch auf die PiS zurückgeführt, was besonders die männlichen Befragten gegen Politiker anderer Parteien stimmt, welche oft als „Diebe“ angesehen werden, die nur an ihren eigenen Profit denken.
Überraschenderweise halten viele Polen die Presse für nicht glaubwürdig, so würden nur 29,5% ihr trauen. Viele Befragte finden, dass aktuelle politische Themen verharmlost werden oder man sie ganz verschweigt. Dies steht aber im Widerspruch zu der Aussage aus dem zweiten Frageblock, in welchem man den islamistischen Terror in der Welt sieht und der Presse ohne weiteres Hinterfragen vieles glaubt. Hier wird viel mit Ängsten gearbeitet, denn nach der neuen Medienreform unterstehen die staatlichen Sender der regierenden Partei und so kann mit der Berichterstattung genau das gezeigt werden, was für den politischen Kurs von Nöten ist.
Fazit
Wie sollte das politische Programm nun zukünftig in Polen gestaltet werden? Meiner Meinung nach zeigt die Befragung deutlich, dass die PiS besonders im ersten Themengebiet ihre Stimmen gewinnt, da die polnische Bevölkerung durch ihre traditionalistische Haltung nur schwer von Parteien mit moderneren Ansätzen überzeugt werden kann. So lässt sich bei einem Teil der Bevölkerung die klare Linie der Partei sehen, denn „Minderheiten haben sich der Mehrheit zu unterwerfen. (...) Dies wird [alles] mit Slogans von der ‚Heiligkeit der Familie‘ kaschiert, [welche für] die PiS das Fundament nationaler Identität [ist].“ (Hildebrand, 2017, S.75).
Dennoch kann hier ein Trend beobachtet werden, denn in der jüngeren Bevölkerung, welche in Zukunft immer wichtiger wird, findet ein Umbruch statt, und sollte die PiS zukünftig ihre Ansichten nicht ändern, so wird sie durch ihr traditionales Bild immer weniger Stimmen in den Wahlen gewinnen. Eine komplette Öffnung und ein harter cut mit den Traditionen sollte aber nicht vollzogen werden, da dies mehr Schaden bringen würde als Nutzen. Es sollte auf eine allmähliche Öffnung in einigen Teilgebieten gesetzt werden, um auch die junge Wählerschaft wieder für sich gewinnen zu können. So sollte zum Beispiel das Familienbild nochmal neu überdacht und angepasst werden.
Der Punkt Familie und Tradition macht es auch möglich, auf andere Länder Rückschlüsse zu ziehen, vorausgesetzt sie befinden sich auf einem ähnlichen Niveau wie Polen. Aus diesem Grund eignet sich hier Ungarn beispielweise als guter Vergleich, denn auch dort wird ein traditionelles Familienbild geschätzt. Durch den Eintritt in die Europäische Union vollzogen sich Veränderungen „mit Lichtgeschwindigkeit (...) [in den beiden Ländern] (...), die in westlichen Demokratien Jahrzehnte gedauert hatten“ (Hildebrand, 2017, S.70), und so wurde oft ein Teil der Bevölkerung vergessen, was für Populisten von Vorteil sein kann.
Auch die Haltung zur EU sollte künftig überdacht werden und vielleicht mehr auf Aufklärungsarbeit gesetzt werden. Denn oft gewinnt hier die PiS ihre Stimmen durch Ablehnung der Europäischen Union, welche aus einem Nichtwissen über die Vorteile hervorgeht. So kann eine EU-kritische Linie für die PiS durchaus von Vorteil sein, denn Entscheidungen, die in Brüssel getroffen werden, sind auch nicht fehlerfrei, aber führt eine komplette Ablehnung eher zu negativen Folgen.
Die städtische Bevölkerung spürt teilweise die Vorteile dieser europäischen Politik, und so würde man ihre Stimmen verlieren, wenn ein Bruch mit der EU stattfinden würde. Dennoch kann durch die kritische Haltung in einigen Punkten auch die positiv gestimmte Bevölkerung gewonnen werden, wie man es in der Flüchtlingsfrage deutlich sieht, und so ist es wichtig für eine populistische Partei in Polen, den schmalen Grat zwischen Ablehnung und Kooperation zu finden, welcher schlussendlich zum Erfolg führt.
Damit sich eine populistische Partei durchsetzen kann, muss sie auch auf Dauer ihre Wähler halten können, und so hat es die PiS geschafft, sich mit aktuellen Programmen durchsetzen zu können, besonders zeigt sich hier, dass dabei Entscheidungen auch Wählern gefielen, welche nicht direkt von ihnen profitieren. Wichtig ist auch die Aktualität der Themen, so kann man bei ‚Fake News‘ sehen, dass durch diese Politik Bürgerinnen und Bürger spüren, dass die Politiker sich um aktuelle Gegebenheiten kümmern und immer auf dem aktuellen Stand sind. So sollte in zukünftigen Wahlen auch immer geschaut werden, welche Themen für die Bevölkerung aktuell relevant sind.
Mit 45% der Stimmen hätte die PiS aktuell keine Mehrheit, dies kann sich aber durch leichte Kurskorrekturen im Parteiprogramm schnell ändern, und somit ist die Partei auf einem guten Weg, in der nächsten Regierung wieder in der Verantwortung zu stehen.
Literaturverzeichnis
Hildebrand, E (2017). Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie? Verlag: J.H.W. Dietz. Bonn
Lang, Kai-Olaf (2005). Populismus in Ostmitteleuropa. Manifestationsformen, Besonderheiten und Chancenstrukturen. In: Populismus in Europa – Krise der Demokratie? Verlag: Wallstein. Göttingen
Dudenredaktion (o. J.): „Populismus“ auf Duden online. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Populismus [1.10.2018, 14.40]
Spier, Tim (2014). „Was versteht man unter "Populismus"?“. [Online]. Verfügbar unter http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/192118/was-versteht-man-unter-populismus[1.10.2018, 14.43]
Fragebögen auf Rückfrage erhältlich: Oliver.piaskowksi@gmail.com
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