Freitag, 28. September 2018

(Rechts)Populismus - ein Definitionsversuch

Populismus - ein präsenter Begriff. Die Medien berichten über Populismus und diskutieren, ob dieser ein mögliches Korrektiv der Demokratie sein kann oder doch ausschließlich eine Gefahr für die Demokratie darstellt. Politiker benutzen den Begriff als Beleidigung und rätseln über einen richtigen Umgang mit Populisten. Wissenschaftler versuchen den Begriff einheitlich zu definieren und enden in Uneinigkeit über dessen Inhalt, Merkmale und Phänomene. Zeitgleich erfahren populistische Parteien in Europa immer mehr Zuspruch und erhalten erstaunlich viele Wählerstimmen. Die AfD (Alternative für Deutschland) zog im September letzten Jahres mit 12,6 % in den deutschen Bundestag ein.[1]

René Cuperus vergleicht die gegenwärtige Situation mit einem populistischen Elefanten, der durch die europäischen Gesellschaften trampelt. Aber trotz seiner ohrenbetäubenden Weckrufe schenken ihm die Regierungen kaum Beachtung:[2]


Doch wer genau ist dieser populistische Elefant? Eine einheitliche Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Schon oft hat man sich bemüht, Populismus zu definieren, doch „alle Versuche, das Phänomen des Populismus auf den Begriff zu bringen, haben immer wieder gezeigt, dass es zu komplex, kontextabhängig und veränderlich ist, um in knappen Definitionen erfasst werden zu können.“ [3]

Darüber, ob es sich beim Populismus ausschließlich um einen Politikstil, um eine mehr oder weniger umfassende Ideologie oder um eine Kombination aus beidem handelt, ist man sich uneinig.[4] Im Folgenden nähere ich mich einer Definition von Rechtspopulismus, indem zunächst die verschiedenen Verständnisarten von Populismus als Grundkonzept berücksichtigt werden.

Populismus in seiner einfachsten Form ist ein rhetorischer Stil, dessen Stilmittel ich genauer untersuchen werde. Kommt zu dieser populistischen Rhetorik noch eine Gegenüberstellung von ‚Volk‘ und ‚Elite‘ dazu, entsteht eine ‚dünne‘ populistische Ideologie. Wird eine Abgrenzung vorgenommen zwischen dem eigenen ‚Volk‘, der eigenen Nation und den ‚Anderen‘, den ‚Fremden‘, ist man beim Rechtspopulismus angelangt.[5]


Populismus als rhetorischer Stil
„Sprache ist das Instrument der Politik. Mit Sprache erinnern wir uns. Mit Sprache formen wir Meinungen und verändern Überzeugungen. Welche Sprache Politiker wählen, bestimmt in hohem Maße die Art der Politik, die sie verfolgen.“ [6]
Die Sprache mancher Politiker und Politikerinnen ist von einem bestimmten rhetorischen Stil gekennzeichnet, dem Populismus. Dieser beschreibt in seiner einfachsten Form einen bestimmten Kommunikationsstil, der auch von Politikern und Politikerinnen nicht-populistischer Parteien unterschiedlich stark angewandt wird. [7]

Den Politikern und Politikerinnen geht es vorrangig um die rhetorische Darstellung von politisch konnotierten Gedanken und Gefühlen vor Publikum, weniger um die aufwändigen und unspektakulären Tätigkeiten in der Demokratie, wie eine realistische Lageeinschätzung, Beratungs- und Aushandlungsverfahren. [8]

Mit der populistischen Rhetorik möchten die Parteien bzw. die Politiker und Politikerinnen ihre ‚Volksnähe‘ betonen, sich von den anderen Parteien abgrenzen und sich in der politischen Landschaft hervorheben. Auf der sprachlichen Ebene zeichnet sich der Populismus durch folgende Merkmale aus:

Populisten verfügen über kein umfassendes politisches Programm, dessen Forderungen und Ziele sich auf grundlegende Werte und Einstellungen beziehen. Inhalt und Sprache werden stetig und gezielt auf das Wählerpublikum und dessen Belange ausgerichtet. In den Reden wird immer das gefordert, was das Publikum hören möchte. So möchte der Politiker als Teil ‚des Volkes‘ verstanden werden, der die Belange, Sorgen und Ängste kennt und auf diese reagieren möchte. [9] Der politische Redner präsentiert sich als Sprachrohr ‚des Volkes‘, als „jemand von euch, mit euch und für euch“. [10]

‚Das Volk‘ wird hier als homogen gesehen und besitzt einen einheitlichen ‚Volkswillen‘, für den sich die politischen Redner und Rednerinnen einsetzen. Dieses simple Bild der Gesellschaft wird von den Politikern und Politikerinnen selbst erzeugt und auf Extreme reduziert: schwarz oder weiß, gut oder böse, ehrlich oder korrupt.

Um ihr erfundenes Bild der Gesellschaft überzeugender und möglichst eingängig zu machen, werden ‚bekannte‘ Vorurteile ausgesprochen und Halbwahrheiten verteilt. Ohne zu reflektieren, werden diese, zusammen mit Vermutungen, als Fakten präsentiert. [11]

Um diese ‚Fakten‘ zu unterstützen und noch stärker an konkrete Alltagserfahrungen der potenziellen Wähler und Wählerinnen anzuknüpfen, beruft sich (bzw. appelliert) der populistische Sprecher oder die populistische Sprecherin unter anderem auf/(an) den common sense, den gesunden Menschenverstand. Dieser sei dem Reflexionswissen von Intellektuellen nicht nur ebenbürtig, sondern diesem sogar überlegen. Er beruhe nämlich „auf konkreten, lebensweltlichen Erfahrungen, ist noch nicht vom Virus des modernen Skeptizismus infiziert und habe daher noch einen unverfälschten Zugang zu Recht und Wahrheit.“ [12]

Common-sense-Argumente lenken ab von der mangelnden Rationalität und Logik der eigenen Position und ersetzen die plausiblen und überprüfbaren Argumente. Sie sind ein zentrales Merkmal populistischer Rhetorik. [13]

Gleichzeitig werden absichtlich zweideutige, einander widersprechende Botschaften ausgesendet, um mehrere Zielgruppen gleichzeitig anzusprechen. Reisigl nennt dies das Prinzip der kalkulierten Ambivalenz. [14]

Dass sich die Botschaften auch nachhaltig in den Köpfen des ‚Volkes‘ verankern, werden diese ständig wiederholt. Ötsch und Horaczek schreiben hierzu:
„Man sollte die Macht der Wiederholungen nicht unterschätzen. Mit der Zahl der Wiederholung einer Behauptung wächst die Bereitschaft beim Hörenden, die Behauptung als wahr zu akzeptieren.“ [15]
Die bereits angesprochene Komplexitätsreduktion setzt sich auch in einer Vereinfachung der Sprache fort, die für eine populistische Rhetorik kennzeichnend ist. Bilderreiche, kurze und prägnante Sätze, ohne Fremdworte und Verschachtelung, aber mit möglichst vielen Stimmungsmomenten, sollen eine direkte Verbindung zum ‚Volk‘, zu den ‚einfachen Leuten‘ herstellen und besonders deren Gefühle ansprechen. [16]

Auf das Behandeln einer breiten Palette an komplizierten Sachthemen wird verzichtet. Vielmehr konzentrieren sich die Politiker und Politikerinnen auf wenige Themen, die aber ein Höchstmaß an Emotionalisierung versprechen. Die Gefühlssprache hebt politische Themen auf die Ebene persönlicher Beziehungen und gilt als das eigentliche Werkzeug einer populistischen Rhetorik. [17]

Neben der Emotionalisierung gehören Tabubrüche, Provokationen, die Übersteigerung von Problemen und Beschimpfungen zu weiteren klassischen Stilmitteln der Populisten. Reisigl spricht hierbei vom Prinzip, „kein Blatt vor den Mund zu nehmen und zu reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist“. [18] Provokative Tabubrüche sollen große mediale und öffentliche Aufmerksamkeit bringen und zeigen, dass der Sprecher oder die Sprecherin nichts auf die scheinbar alles beherrschende ‚political correctness‘ gibt. Er äußere einzig und allein offen und frei heraus seine eigene Meinung. [19]

Dazu gehört auch, dass der politische Gegner bzw. die politische Führung durch Beschimpfungen abgewertet werden. Außerdem werden deren Fehler, Makel oder Versagen ständig betont. Die populistischen Redner und Rednerinnen versuchen ‚das Volk‘ davon zu überzeugen, dass ihre Lösung die einzig richtige ist. Auf ihre Anti-Politik folgt jedoch nur selten eine realistische Alternative oder konstruktive Lösungsansätze.[20]

Zu beachten ist, dass nicht bei jeder populistischen Partei alle der genannten Charakteristika einer populistischen Rhetorik auftreten oder gleich stark vorhanden sind. [21] Von der sprachlichen Ebene des rhetorischen Populismus kommend, soll vor der Definition von Rechtspopulismus zuerst auf die nächste Verständnisform des Populismus als Grundkonzept eingegangen werden: den Populismus als ‚dünne‘ Ideologie.

Populismus als ‚dünne‘ Ideologie

Bevor wir uns dem Kern des Populismus nähern, muss zuerst geklärt werden, warum hier vom Populismus als eine ‚dünne‘ Ideologie gesprochen wird: Die Ideologie ‚Populismus‘ strebt zwar ein bestimmtes Ziel an, aber (im Unterschied zu Hochideologien wie dem Liberalismus) bezieht sie sich in anderen Politikfeldern auf eine komplexere Ideologie, die Freedon Wirtsideologie nennt. [22] Die Wirtsideologien, mit denen sich der Populismus verknüpft, unterscheiden sich von Fall zu Fall:
„So vertreten die Wahren Finnen ein traditionell konservatives Weltbild und einen soziokulturellen Autoritarismus, der mit Ethnonationalismus verbunden wird. Dagegen propagierte der Niederländer Fortuyn einen soziokulturellen Libertarismus und richtete seine Koordinaten nicht national-ethnisch, sondern westlich-kulturell aus.“ [23]
Gleich welcher Ausrichtung, verfügt der Populismus über ein ideologisches Minimum: Hier ‚das Volk‘, darüber ‚die Elite‘. Zum Konzept des Populismus als rhetorischer Stil kommen auf dieser zweiten Stufe also inhaltliche Aspekte hinzu. Die Lücken im bereits angesprochenen selbstgemalten populistischen Weltbild können langsam gefüllt werden. Dieses Bild der Gesellschaft besteht aus zwei Gruppen: einem ‚homogenen Volk‘, das einen einheitlichen ‚Volkswillen‘ vertritt und einer korrupten, nicht repräsentativen ‚Elite‘. [24]

Hierbei kann von einem Feindbild gesprochen werden, da politische und soziale Gegensätze hervorgehoben werden:
„...unten gegen oben, das ‚einfache Volk‘ gegen die herrschende Kaste, die rechtsschaffenden Bürger gegen das korrupte Parteienkartell, der ehrliche Arbeiter gegen die alten Eliten.“ [25]
Die Interpretation des Volksbegriffs unterscheidet sich nach der Richtung, in die sich die populistische Ideologie bewegt. Auf der rechten Seite wird ‚das Volk‘ hauptsächlich durch seine nationale Identität definiert. Auf der linken Seite mehr durch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, zumeist die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Unabhängig der Verortung auf der Rechts-Links- Skala, gilt der Populismus als Stimme ‚des Volkes‘. [26]

Nach Auffassung des Populismus bildet ‚das Volk’ eine homogene Gemeinschaft, wird also immer klassen- und schichtübergreifend verstanden. Es besteht außerdem ausschließlich aus gleichgesinnten, ehrlichen, vernünftigen, bürgerlichen, hart arbeitenden, braven und politisch mündigen Menschen. Im populistischen Verständnis kann es keine vom ‚Volkswillen‘ abweichenden Interessen oder Meinungen geben und so auch zu keinen Problemen, Spannungen oder Konflikten innerhalb der Gruppe kommen. Jede Äußerung einer nicht dazu passenden Überzeugung wird als Angriff auf die Einheit ‚des Volkes‘ gesehen. [27]

Populisten sehen sich als die einzigen Vertreter des wahren ‚Volkswillens‘ und erklären sich selbst als moralisch überlegen. Aufgrund des Alleinvertretungsanspruches für ein als homogen gedachtes ‚Volk‘, der nicht mit dem Prinzip politischer Repräsentation einer Demokratie in Einklang zu bringen ist, sind Populisten immer anti-pluralistisch. Der Pluralismus der Demokratie, zu dem die Vielfalt von Akteuren gehört, die die verschiedensten Interessen der Gesellschaft vertreten, ist nach Ansicht der Populisten überflüssig und wird abgelehnt. [28]


Das Bild einer einheitlichen Gruppe aus ‚idealen‘ Menschen, deren übereinstimmendes Interesse einzig und allein von Populisten vertreten wird, hat natürlich nichts mit der Realität zu tun. Es ist ein Märchen, eine Fantasie, eine Erfindung. [29] Die Standpunkte zu jeglichen politischen Themen sind in der Gesellschaft viel zu divers, als das von einem einheitlichen ‚Volkswillen‘ gesprochen werden könnte.
„Unsere Demokratie lebt von unterschiedlichsten Partikularinteressen, die im freien Meinungskampf um Mehrheit ringen, Kompromisse schließen und so in die politische Entscheidungsbildung eingehen.“ [30]
Kein erfundenes ‚Volk‘ ohne erfundenen Gegenspieler: die ‚Elite‘ an der Spitze der Gesellschaft.
„Für die AfD ist es ‚die politische Klasse‘, für die FPÖ die ‚rot-grüne Kulturschickeria‘ und ‚die rot-grüne Medienschickeria‘, für Matteo Salvini von der Lega Nord ‚die autoritären EU-Eliten, denen keinerlei Autorität zusteht, und für den Schweizer SVP-Politiker Christoph Blocher die ‚verfilzte classe politique‘.“ [31]
Die herrschenden politischen und gesellschaftlichen Eliten gelten als korrupt, doppelzüngig, eigennützig, abgehoben, arrogant und bösartig. Zu ihnen zählen die Politiker schlechthin, das Finanzsystem, die Großunternehmer, die EU, die Medien, Wissenschaftler und andere bevorzugte Schichten, aber hauptsächlich die etablierten Parteien. [32] Diese werden auch abwertend ‚Altparteien‘ genannt und würden sich durch einen zu hohen Bürokratisierungsgrad, einer Entfremdung vom ‚Volk‘ und hierarchische Strukturen auszeichnen. Letztere treibe eine Elitenbildung voran, die wiederum Korruption und Nepotismus fördere.

Außerdem wird der Elite vorgeworfen, durch Betrug ihre Machtstellung zu halten, schuldig an vielen sozialen und gesellschaftlichen Problemen zu sein und die Einheit des Volkes langfristig zu zerbrechen. Um dies zu verhindern, müsse der Populist im Namen ‚des Volkes‘ gegen ‚die Eliten‘ vorgehen und deren Macht übernehmen. Denn die Interessen ‚des Volkes‘ würden in der repräsentativen Demokratie nicht mehr beachtet werden und die ‚politische Elite‘ scheitere an ihrer Hauptaufgabe, als ‚Sprachrohr des Volkes‘ zu dienen.[33]

Um dem entgegenzuwirken, wird mehr Demokratie von unten und damit direktdemokratische Beteiligungsformen wie die Volksabstimmung gefordert, „die die repräsentativen und verfassungsstaatlichen Institutionen im politischen Entscheidungsprozess umgehen sollen“. [34] Hier wird noch einmal deutlich, dass ‚das Volk‘ immer die Verkörperung des Guten und die Elite den ‚verdorbenen‘ Gegenpol darstellt.

Neben den nationalstaatlichen ‚Eliten‘ gehören dazu auch die auf der internationalen Ebene: Internationale Institutionen und vor allem die ‚nur an sich interessierte‘ Europäische Union verträten nur Kapitalisten und Großanleger, anstatt sich für die ‚kleinen Leute‘ stark zu machen.


Die EU gilt im populistischen Weltbild als die ausgeprägteste Form ‚politischer Eliten‘. Sie erscheint dem ‚Volk‘ noch weiter weg, noch ungreifbarer und undurchschaubarer als die eigene Regierung und versinnbildlicht alle realen und imaginierten Defizite aller ‚politischen Eliten‘: Intransparenz, mangelnde demokratische Strukturen und immer wieder die überkomplexe Bürokratie. Zusätzlich wird die EU zu einem konkreten Symbol der sonst so abstrakten Globalisierung. [35]

Die Lücken im populistischen Weltbild wurden auf dieser zweiten Stufe mit Inhalt gefüllt, und es hat sich der Kern der ‚dünnen‘ populistischen Ideologie herausgestellt: die konfrontative Gegenüberstellung von ‚Volk‘ und ‚Elite‘, aus der alle genannten Eigenschaften der populistischen Ideologie resultieren.

Nachdem auf den Populismus als rhetorischer Stil und als ‚dünne‘ Ideologie eingegangen wurde, kann anschließend die darauf aufbauende Definition von Rechtspopulismus folgen. Die Gegenüberstellung von ‚Volk‘ und ‚Elite‘ ist auch hier weiterhin von Bedeutung, jedoch kommen in der rechtspopulistischen Ideologie noch weitere Merkmale hinzu, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Rechtspopulismus

Der Rechtspopulismus beinhaltet zum einen eine klare Vorstellung des Volksbegriffs, zum anderen kommt zur vertikalen Abgrenzungsachse (‚Volk‘ vs. ‚Elite‘) eine horizontale Abgrenzungsachse hinzu: Die zwischen ‚dem Volk‘ und ‚den Anderen, den Fremden‘.

Das ‚Volk’ meint im Rechtspopulismus nicht die Bürger und Bürgerinnen eines Staates, sondern die Nation, die aus Menschen gleicher Abstammung und Kultur besteht. ‚Das Volk‘ bildet im Verständnis der Rechtspopulisten folglich eine ethnisch und kulturell homogene Gemeinschaft. [36] Diese homogene Gemeinschaft grenzt sich zu ‚denen da oben‘, zum Establishment, aber auch zu ‚denen da unten‘, zu ‚‘den Anderen‘, den Fremden‘, ab.


Mit den ‚Anderen‘ sind Ausländer, Immigranten, Asylsuchende, Angehörige spezieller Religionen, wie zum Beispiel des Islam, Migranten der zweiten oder dritten Generation, im eigenen Staat lebende Minderheiten, aber auch sozial schwächere Gruppen und Empfänger staatlicher Transferleistungen gemeint. All diese gehören nach der Überzeugung der Rechtspopulisten nicht zum ‚Volk‘, werden abgewertet und ausgeschlossen.

Die eigene Kultur wird stark überhöht, ihre Elemente werden als absolut gesetzt und an ihnen wird festgehalten. Fremde Traditionen und Gepflogenheiten wird mit Unverständnis und strikter Ablehnung begegnet. Fremde Einflüsse werden nicht als Bereicherung für die eigene Kultur gesehen, sondern als Bedrohung für ‚das Volk‘ und seine Werte. Aufgrund der klaren feindlichen Einstellung gegenüber allem Fremden und allen ‚Fremden‘, kann dem Rechtspopulismus eine Tendenz zur Xenophobie zugeschrieben werden. [37]

Obwohl es in vielen rechtspopulistischen Parteien eine Neigung zum Rechtsextremismus gibt, bleibt der Rechtspopulismus dennoch innerhalb, wenn auch oft am äußersten Rand des demokratischen, rechtsstaatlichen Spektrums. Rechtspopulisten markieren folglich die Grauzone zwischen demokratisch und rechtsextrem.

Rechtspopulisten instrumentalisieren und dramatisieren die Migration und konstruieren ein Feindbild um all die aufgezählten ‚Anderen‘. Es wird gesprochen von Angst vor einer ‚multikulturellen Gesellschaft‘, einem Verlust der eigenen Identität durch kulturell ‚Fremde‘, vom Albtraum ‚der Fremdheit im eigenen Land‘, einem ‚Gefühl der Entwurzelung‘, ‘Ausländerkriminalität‘ und einer ‚Islamisierung Europas‘. Von den ‚Anderen‘ gehe neben der Gefahr für die nationale Identität auch eine Bedrohung für die Sicherheit und den Wohlstand ‚des Volkes‘ aus. [38]

Jegliche Art gesellschaftlicher und ökonomischer Probleme wird auf die genannten Personengruppen projiziert, um diese als Schuldige darzustellen. So erfüllen diese eine Art Entlastungsfunktion, da zum einen echte oder eingebildete Ängste und Unzufriedenheiten auf sie abgewälzt werden und an die Stelle rationaler Analysen zur Erklärung aktueller Probleme des Wohlfahrtstaates einfache Schuldzuweisungen oder Verschwörungstheorien treten. [39]

Aus der Gefahr, die von ‚den Anderen‘ ausgehe, resultiert, dass ‚das Volk‘ sich und seine Werte vor fremden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einflüssen schützen müsse.[40] Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben sehen Rechtspopulisten „die Verteidigung bzw. Rückeroberung des Lebens- und Wohlstandniveaus der ‚Einheimischen‘ gegen die von außen kommenden Bedrohungen und die Bewahrung der ethnisch- kulturellen Identität.“ [41]

Auf der vorhergehenden Stufe des Populismus als ‚dünne‘ Ideologie, wurde der Euroskeptizismus bereits als Merkmal genannt. Der Rechtspopulismus verbindet diesen zusätzlich jedoch mit Fremdenfeindlichkeit. Nach Meinung der Rechtspopulisten beraube die EU die Mitgliedsstaaten ihrer Souveränität. Außerdem öffne die EU ‚Sozialschmarotzern‘ durch die Personenfreizügigkeit und die EU-Osterweiterung die Tür zu ihren Wohlfahrtssystemen. [42]

Eng verbunden mit den Merkmalen "Anti-Migration" und "Anti-EU" ist die Anti-Islam-Haltung der Rechtspopulisten. Die ablehnende und feindliche Haltung gegenüber dem Islam wird zur zunehmend wichtigsten Dimension des Rechtspopulismus und stellt oft die einzig gemeinsame Klammer der heterogenen Unterstützer des Rechtspopulismus dar. Gezielt schüren die europäischen Rechtspopulisten Angst vor dem Islam, denn ein Bedrohungsgefühl ist das einzige, was über alle kulturellen und ökonomischen Unterschiede der Wählerschaft hinausgeht. So will man die Wählerschaft durch einen gemeinsamen Feind vereinen und verhindern, dass diese an ihrer Unterschiedlichkeit zerbricht.


Der Islam wird als homogene Religion und Kultur gesehen und mit dem fundamentalistischen Islamismus gleichgesetzt. Aufgrund einer angeblichen rückständigen und frauenverachtenden Kultur sowie einer den christlichen Werten Europas generell konträren Haltung, ginge von Muslimen eine erhöhte Gefahr für die Werte ‚des Volkes‘ aus. Dabei inszeniert sich der Rechtspopulismus oft als eigentlicher Verteidiger der liberalen Demokratie gegen einen vermeintlich veralteten, antidemokratischen Islam. Häufig taucht das Wort ‚der Islamisierung‘ auf und es wird vor einer Übernahme des ‚christlichen Abendlandes‘ durch einen ‚aggressiven Islam‘ gewarnt.[43]
„Statt auf Verständigung und die Förderung eines aufgeklärten, liberalen Islam setzen sie auf Abschottung und Abgrenzung von der vermeintlich nicht-zugehörigen kulturellen Fremdgruppe bis hin zu offenen Forderungen nach Massenabschiebung.“ [44] 
Zusammenfassung

Der stark diskutierte Populismus beschreibt in seiner einfachsten Form zunächst einen rhetorischen Stil, der sich unter anderem durch Halbwahrheiten, Vereinfachungen und Emotionalisierung auszeichnet und mit dem die politischen Redner und Rednerinnen ihre ‚Volksnähe‘ betonen, sich abgrenzen und hervorheben.

Die mit diesem Verständnis verbundene nächste Ebene, beschreibt den Populismus als eine ‚dünne‘ Ideologie, die sich neuen Bezugssystemen anpasst und sich mit diesen in eine Anti-Beziehung setzt. [45] Der Kern der populistischen Ideologie ist die Frontstellung ‚des Volkes‘ gegenüber `der Elite`.

Die auf den beiden vorherigen Verständnisformen von Populismus aufbauende Rechtspopulismus-Definition, ergänzt die vertikale Abgrenzungsachse (‚Volk‘ vs. ‚Elite‘) durch eine horizontale Achse (‚Volk‘ vs. ‚die Fremden‘), wobei der Volksbegriff einen ethnisch-kulturellen Gehalt bekommt.

Literaturverzeichnis

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Internetquellen:

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[1] Internetseite Deutscher Bundestag, URL:https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw41-bundeswahlausschuss/527456, zuletzt abgerufen am 10.09.2018
[2] Vgl. Cuperus, R. (2015): Wie die Volksparteien (fast) das Volk einbüßten – Warum wir den Weckruf des Populismus erhöhen sollten. In: Hillebrand, E. (Hg.): Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie? Bonn: Ditz, S. 149
[3] Meyer,T. (2006): Populismus und Medien. In: Decker, F. (Hg.): Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.81
[4] Vgl. Rensmann, L. (2006): Populismus und Ideologie. In: Decker, F. (Hg.): Populismus in Europa – Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 59–80
[5] Vgl. Wolf, T. (2016): Is the Alternative for Germany Really Right-Wing Populist? Czech Journal of Political Science 2, S. 158
[6] Ötsch, W.; Horaczek,N. (2018): Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung. Frankfurt: Westend Verlag, S. 53
[7] Vgl. Wolf, T.(2017): Rechtspopulismus. Überblick über Theorie und Praxis. Wiesbaden: Springer, S. 8-10
[8] Vgl. Olschanski, R. (2017): Der Wille zum Feind. Über populistische Rhetorik. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag, S.10
[9] Vgl. Wolf,T. (2017), S.8-10
[10] Reisigl, M. (2012). Rechtspopulistische und faschistische Rhetorik: Ein Vergleich. Totalitarismus und Demokratie, 9(2), 303-323, S.316
[11] Vgl. Ötsch, W.; Horaczek (2018), S.13
[12] Priester, K. (26.01.2012): Wesensmerkmale des Populismus,
[13]  Vgl. Geden, O. (2006): Diskursstrategien im Rechtspopulismus – Freiheitliche Partei Österreichs und Schweizerische Volkspartei zwischen Opposition und Regierungsbeteiligung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.21
[14] Vgl. Reisigl, M. (2012), S.316
[15] Ötsch, W.; Horaczek, N. (2018), S. 80
[16] Vgl. Holtmann, Everhard (2018): Völkische Feindbilder. Ursprünge und Erscheinungsformen des Rechtspopulismus in Deutschland. Bonn: bpb, S.13
[17] Vgl. Ötsch,W.; Horaczek (2018), S.53
[18]  Reisigl, M. (2012), S.316
[19] Vgl. Wolf,T.(2017), S. 8-10
[20] Vgl. Meyer,T. (2006, S.81f.
[21] Vgl. Geden, O. (2006), S.20
[22] Vgl. Michael Freeden, Ideologies and Political Theory, Oxford 1998; ders., Is Nationalism a Distinct Ideology?, in: Political Studies, 46 (1998), S. 748-765.
[23] Priester, K. (26.01.2012): Wesensmerkmale des Populismus,
[24] Vgl. Priester, K. (26.01.2012): Wesensmerkmale des Populismus,
[25] Holtmann, E. (2018): Völkische Feindbilder. Ursprünge und Erscheinungsformen des Rechtspopulismus in Deutschland. Bonn: bpb, S.12
[26] Vgl. Decker,F. (2017): Populismus in Westeuropa. Theoretische Einordnung und vergleichende Perspektiven. In: Diendorfer, G.; Sandner, G.; Turek, E. (Hg.): Populismus. Gleichheit. Differenz. Herausforderungen für die politische Bildung. Schwalbach: Wochenschau, S. 19-20
[27] Vgl. Wolf, T.(2017), S. 10-12
[28] Vgl. Müller, J.: Populismus. Symptom einer Krise der politischen Repräsentation? In: APuZ, (2016) 40-42, S. 24
[29]Vgl. Ötsch,W.; Horaczek (2018), S. 19
[30] Geulen, C. (2017): Völkische Schatten, URL: https://www.zeit.de/2017/05/rechtspopulismus-volk-bedeutung-afd-front-national, zuletzt abgerufen am 12.09.2018
[31] Ötsch,W.; Horaczek (2018), S. 19
[32] Vgl. Priester, K. (26.01.2012), URL: https://www.bpb.de/apuz/75848/wesensmerkmale-des-populismus?p=all, zuletzt abgerufen am 09.09.2018
[33] Vgl. Wolf, T.(2017), S. 10-12
[34] Decker, F.; Lewandowsky, M. (10.01.17):  Rechtspopulismus: Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenstrategien. URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240089/rechtspopulismus-erscheinungsformen-ursachen-und-gegenstrategien, zuletzt abgerufen am 13.09.18
[35] Vgl. Wolf, T.(2017), S. 10-12
[36] Vgl. Holtmann, E. (2018), S.13
[37] Vgl. Wolf, T.(2017), S. 12-16
[38] Vgl. Lewandowsky, M.; Decker, F. (10.01.2017): Rechtspopulismus: Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenstrategien, URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240089/rechtspopulismus-erscheinungsformen-ursachen-und-gegenstrategien, zuletzt abgerufen am 13.09.18
[39] Vgl. Bauer, W. (2010): Rechtspopulismus in Europa, URL: http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07293.pdf, zuletzt abgerufen am 12.09.18
[40] Vgl. Wolf, T.(2017), S. 12-16
[41] Bauer, W. (2010): Rechtspopulismus in Europa. http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07293.pdf, zuletzt abgerufen am 12.09.2018
[42] Vgl. Wolf, T.(2017), S.12-16
[43] Vgl. Wolf, T. (2017), S.12-16; 
Lewandowsky, M. (2017): Was ist und wie wirkt Rechtspopulismus?,
URL: http://www.buergerimstaat.de/1_17/rechtspopulismus.pdf, zuletzt abgerufen am 13.09.18
[44] Lewandowsky, M.; Decker,F. (10.01.2017): Rechtspopulismus: Erscheinungsformen, Ursachen und Gegenstrategien, URL: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240089/rechtspopulismus-erscheinungsformen-ursachen-und-gegenstrategien, zuletzt abgerufen am 13.09.18
[45] Die AFD wurde beispielsweise als Anti-Euro Bewegung gegründet, doch jetzt richtet sich ihre Anti-Haltung hauptsächlich gegen Flüchtlinge.

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